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Medizin in Auschwitz: Der „schöne Satan“ Josef Mengele und der ...

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jahre h<strong>in</strong> zum aktiven, wenngleich schuldverstrickten Wi<strong>der</strong>stand gegen die rassistische Vernich-<br />

tungsorgie des Nationalsozialismus während des Zweiten Weltkriegs. 31<br />

Als Anriss mag an dieser Stelle zur Orientierung genügen: Eduard Wirths wurde am 4. September<br />

1909 als ältester von drei Brü<strong>der</strong>n <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Schwester <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bürgerlichen Familie e<strong>in</strong>es fränki-<br />

schen Dorfes geboren. <strong>Der</strong> Vater besaß e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>werk <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g 1914 freiwillig als Sanitäter <strong>in</strong> den<br />

Ersten Weltkrieg. Eduard Wirths war we<strong>der</strong> als Schüler noch unmittelbar danach politisch aktiv.<br />

Er <strong>und</strong> se<strong>in</strong> jüngerer Bru<strong>der</strong> Helmut studierten <strong>Mediz<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> Würzburg. Im Jahr <strong>der</strong> „Machtergrei-<br />

fung“ 1933 traten beide, weil sie ihr Studium fortsetzen wollten, entsprechend e<strong>in</strong>er Verordnung<br />

des bayerischen Kultusm<strong>in</strong>isteriums <strong>der</strong> NSDAP wie <strong>der</strong> SA bei. 32 Am 20. Oktober 1934 bean-<br />

tragte Eduard Wirths zusätzlich se<strong>in</strong>e Aufnahme <strong>in</strong> die SS, um angesichts knapper Weiterbil-<br />

dungsstellen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beruf bevorzugt Verwendung zu f<strong>in</strong>den. Dessen ungeachtet hat Eduard<br />

Wirths <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Landarztpraxis im fränkisch-badischen Merch<strong>in</strong>gen Juden noch behandelt, als<br />

dies ihm von Gesetzes wegen längst verboten war.<br />

Zu Kriegsbeg<strong>in</strong>n 1939 wurde Eduard Wirths als Arzt zur Waffen-SS e<strong>in</strong>berufen <strong>und</strong> bei verschie-<br />

denen Verbänden an <strong>der</strong> Front e<strong>in</strong>gesetzt. 1941 zog er sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion e<strong>in</strong> Herzleiden zu<br />

<strong>und</strong> war nicht mehr frontdiensttauglich. Als lediglich garnisonsverwendungsfähig wurde Eduard<br />

Wirths 1942 zum Chef des Amtes D III <strong>in</strong> <strong>der</strong> Inspektion Konzentrationslager des Reichssicher-<br />

heitshauptamtes, Obersturmbannführer Dr. med. Enno Loll<strong>in</strong>g, kommandiert <strong>und</strong> als Lagerarzt<br />

<strong>in</strong> das Konzentrationslager Dachau geschickt. Dort bat er, entsetzt über die Zustände, um se<strong>in</strong>e<br />

sofortige Abberufung. Nach Aussprache mit e<strong>in</strong>em Verwandten - e<strong>in</strong>em Franziskanerpater - <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>em Vater blieb er an diesem E<strong>in</strong>satzort, um den Gefangenen im Rahmen se<strong>in</strong>er sicherlich be-<br />

grenzten Möglichkeiten helfen zu können.<br />

Zehn Wochen darauf wurde er als leiten<strong>der</strong> Lagerarzt <strong>in</strong> das Konzentrationslager Neuengamme<br />

bei Hamburg versetzt <strong>und</strong> bemühte sich auch da um e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Ver-<br />

sorgung <strong>der</strong> Häftl<strong>in</strong>ge. Sechs Wochen später erhielt er se<strong>in</strong>en Marschbefehl nach <strong>Auschwitz</strong>, um<br />

e<strong>in</strong>e im Lager grassierende Fleckfieberepidemie zu bekämpfen. Als Standortarzt wurde Eduard<br />

Wirths truppendienstlich Vorgesetzter sämtlicher Ärzte im Lager, war ihnen fachlich aber nur so-<br />

weit übergeordnet, wie sie nicht im Auftrag an<strong>der</strong>er Dienststellen tätig waren (z.B. <strong>Josef</strong> <strong>Mengele</strong><br />

für die „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>).<br />

Eduard Wirths entwarf die Dienstpläne <strong>und</strong> die fachlichen Anweisungen für die Lagerärzte, u.a.<br />

auch für die „Selektion“ <strong>der</strong> Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> den Tod. Er beteiligte sich an pharmakologischen Ver-<br />

suchen zur Fleckfieberbekämpfung <strong>und</strong> betrieb eigene gynäkologische Untersuchungen zur<br />

31 Vgl. Ulrich Völkle<strong>in</strong>: Dr. med. Eduard Wirths: E<strong>in</strong> Arzt <strong>in</strong> <strong>Auschwitz</strong>. E<strong>in</strong>e Quellenedition, Nor<strong>der</strong>stedt 2005<br />

32 Helgard Kramer kennt offenbar diese „Entschließung des Bayer. Staatsm<strong>in</strong>isteriums für Unterricht <strong>und</strong> Kultus vom<br />

28.4.1933 Nr. V 17155, Staatsanzeiger Nr. 101, Erg. Bestimmung vom 18.5.1933 Nr. V 22163, Staatsanzeiger Nr. 116,<br />

<strong>und</strong> vom 28.8.1933 Nr. V 34315“ nicht <strong>und</strong> vermutet, <strong>der</strong>en Abdruck bei Ulrich Völkle<strong>in</strong>, aaO., S. 58, „grenzt an e<strong>in</strong>e<br />

Fälschung“.<br />

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