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Medizin in Auschwitz: Der „schöne Satan“ Josef Mengele und der ...

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E<strong>in</strong>druck: „<strong>Mengele</strong> war mittelgroß, von zarter Statur <strong>und</strong> hatte dunkles Haar. Er war e<strong>in</strong> auffal-<br />

lend hübscher <strong>und</strong> eleganter Mann. Er war auch sehr <strong>in</strong>telligent <strong>und</strong> ist durch se<strong>in</strong> Benehmen von<br />

den übrigen SS-Ärzten sehr abgestochen.“ 4 Charakteristisch für ihn sei gewesen, dass er „vielfach<br />

im Lager weiße Handschuhe“ getragen habe <strong>und</strong> zuweilen auch e<strong>in</strong>e Reitpeitsche, „mit <strong>der</strong> er sich<br />

leicht gegen den Stiefelschaft schlug“. 5 L<strong>in</strong>gens: „Wenn <strong>Mengele</strong> durch das Lager g<strong>in</strong>g, hat er auch<br />

öfter irgende<strong>in</strong>e Melodie gepfiffen, wobei es sich aber um ke<strong>in</strong>e Schlager handelte.“ 6<br />

Ne<strong>in</strong>, es waren Opern-Arien, es waren Lie<strong>der</strong> von Franz Schubert <strong>und</strong> Robert Schumann, <strong>und</strong> es<br />

waren Motive aus den S<strong>in</strong>fonien Gustav Mahlers, die er unter den mo<strong>der</strong>neren Kompositionen<br />

beson<strong>der</strong>s liebte, möglicherweise ohne um die jüdische Herkunft Mahlers zu wissen. <strong>Mengele</strong> er-<br />

schien <strong>der</strong> österreichischen Ärzt<strong>in</strong>, die <strong>in</strong>s KZ e<strong>in</strong>gewiesen worden war, weil sie untergetauchten<br />

Juden bei <strong>der</strong> Flucht aus ihrem Heimatland hatte helfen wollen, schon nach wenigen Begegnungen<br />

als „e<strong>in</strong> hoch<strong>in</strong>telligenter <strong>und</strong> gebildeter, kalter Zyniker, <strong>der</strong> sich des Unrechts des gesamten Ge-<br />

schehens <strong>in</strong> <strong>Auschwitz</strong> voll bewusst war.“ 7 Aus Gesprächen mit ihm habe sie erfahren, dass se<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>es Interesse <strong>der</strong> Ethnologie <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anthropologie galt. Welche konkreten wissenschaft-<br />

lichen Ziele er aber mit se<strong>in</strong>en unmenschlichen, häufig tödlichen Versuchen an Zwill<strong>in</strong>gen, Kle<strong>in</strong>-<br />

wüchsigen <strong>und</strong> Zigeunerk<strong>in</strong><strong>der</strong>n verb<strong>und</strong>en habe, sei für sie nicht erkennbar gewesen.<br />

Die wohl unheimlichste Seite <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psyche <strong>Mengele</strong>s beschrieb die französische Pianist<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

Sänger<strong>in</strong> Fanny Goldste<strong>in</strong>, genannt Fania Fenelon (1922 – 1983). Sie wurde im Januar 1944 nach<br />

<strong>Auschwitz</strong> deportiert <strong>und</strong> dem zur Unterhaltung <strong>der</strong> SS e<strong>in</strong>gerichteten „Gefangenenorchester“ un-<br />

ter <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> Geiger<strong>in</strong> Alma Rosé, e<strong>in</strong>er Nichte Gustav Mahlers, zugewiesen. Nach dem Tod<br />

Alma Rosés habe <strong>Mengele</strong> die Baracke besucht, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die fünfzig Musiker aus sechzehn besetzten<br />

Län<strong>der</strong>n Europas untergebracht waren. 8 Er bemerkte den Taktstock <strong>der</strong> Dirigent<strong>in</strong>, den die Häft-<br />

l<strong>in</strong>ge zur Er<strong>in</strong>nerung an die Wand gehängt hatten. Er nahm ihn ab, betrachtete ihn <strong>und</strong> sagte „<strong>in</strong><br />

Memoriam“. Danach begann er e<strong>in</strong>e Unterhaltung mit Fanny Goldste<strong>in</strong>. Er sprach über Musik,<br />

for<strong>der</strong>te e<strong>in</strong>e Geige <strong>und</strong> spielte darauf. Er fragte die Gefangenen, ob ihnen etwas fehle. Er ver-<br />

sprach e<strong>in</strong>er von ihnen, er werde ihr Milch br<strong>in</strong>gen lassen, sie sei doch allzu mager. Fanny Gold-<br />

ste<strong>in</strong>: „Er hatte gewandte Manieren, war liebenswürdig. Er war elegant gekleidet, er trug, ohne auf-<br />

zublicken, e<strong>in</strong> gewisses Lächeln. Er machte E<strong>in</strong>druck auf uns. Als er wegg<strong>in</strong>g, hielten wir uns für<br />

gerettet.“ 9 Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat fanden während e<strong>in</strong>iger Tag auch ke<strong>in</strong>e Selektionen im Orchester mehr<br />

statt.<br />

4 Ermittlungsverfahren, Aussage vom 22.2.1972, Bd. 8, S. 23 ff<br />

5 Ebd.<br />

6 Ebd.<br />

7 Ebd.<br />

8 Ulrich Völkle<strong>in</strong>, aaO., S. 26 f<br />

9 Ermittlungsverfahren, Aussage vom 30.6.1972, Bd. 11, S. 160 f<br />

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