Medizin in Auschwitz: Der „schöne Satan“ Josef Mengele und der ...
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Krebsfrüherkennung ohne Zustimmung <strong>der</strong> davon betroffenen Frauen.<br />
Richtig ist aber auch: Durch e<strong>in</strong>e Erhöhung des Anteils jener Deportierten, die den <strong>Auschwitz</strong><br />
angeschlossenen Rüstungsbetrieben zugewiesen wurden, verr<strong>in</strong>gerte er die Zahl <strong>der</strong> sofort <strong>in</strong> den<br />
Gaskammern Ermordeten. Gleichzeitig baute er e<strong>in</strong> von Häftl<strong>in</strong>gsärzten getragenes Ges<strong>und</strong>heits-<br />
system auf, um e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Versorgung <strong>der</strong> Gefangenen <strong>in</strong> <strong>Auschwitz</strong> im Rahmen des<br />
Möglichen überhaupt auf den Weg zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Eduard Wirths begriff se<strong>in</strong>e tatsächliche Funktion <strong>in</strong> dem Konzentrations- <strong>und</strong> Vernichtungsla-<br />
ger <strong>und</strong> begann unter diesem <strong>Auschwitz</strong>-Schock se<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsbe-<br />
wegung dort. Er folgte <strong>der</strong>en Appellen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Empfehlung se<strong>in</strong>es Vaters, sich nicht wie<strong>der</strong>um<br />
versetzen zu lassen, son<strong>der</strong>n an diesem Ort auszuhalten <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Bestes für die Menschen zu ver-<br />
suchen. Wirths unterband <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zuständigkeitsbereich die willkürlichen H<strong>in</strong>richtungen durch<br />
SS-Chargen <strong>und</strong> die sadistischen Massenmorde durch <strong>der</strong>en Helfer. Er untersagte die mit vorgeb-<br />
lich tödlichen Krankheitsverläufen getarnten „verschleierten Exekutionen“ <strong>der</strong> politischen Abtei-<br />
lung <strong>der</strong> Lagerkommandantur <strong>und</strong> geriet so <strong>in</strong> Konflikte mit <strong>der</strong> Gestapo. Er war nicht nur e<strong>in</strong><br />
„anständiger Nazi“, <strong>der</strong> im Vernichtungslager – so paradox dies sche<strong>in</strong>en mag - eigenen ethischen<br />
Maßstäben zu genügen suchte, son<strong>der</strong>n er hat nach dem Urteil von führenden Mitglie<strong>der</strong>n des<br />
Lagerwi<strong>der</strong>standes durch se<strong>in</strong> Verbleiben <strong>in</strong> <strong>Auschwitz</strong> H<strong>und</strong>erttausenden das Leben gerettet <strong>und</strong><br />
sei auf diese Weise, so die E<strong>in</strong>schätzung se<strong>in</strong>er Frau, die e<strong>in</strong> Jahr mit ihren kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bei<br />
ihm <strong>in</strong> Sichtweite des Lagers wohnte, „schuldlos schuldig“ geworden.<br />
Nach <strong>der</strong> Räumung von <strong>Auschwitz</strong> vor <strong>der</strong> anmarschierenden Roten Armee floh Eduard Wirths<br />
über verschiedene Zwischenstationen nach Hamburg zu se<strong>in</strong>em Bru<strong>der</strong>. Dort hielt er sich e<strong>in</strong>ige<br />
Wochen auf, traf noch e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong>e Frau, brachte e<strong>in</strong>e persönliche Rechtfertigungsschrift zu Pa-<br />
pier, nahm Verb<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>em jüdischen Rechtsanwalt auf, <strong>der</strong> ihn e<strong>in</strong>schränkungslos unter-<br />
stützte <strong>und</strong> stellte sich im Juli 1945 den englischen Besatzungsbehörden. Nach ersten Verneh-<br />
mungen wurde er <strong>in</strong> das Internierungslager Neuengamme e<strong>in</strong>gewiesen <strong>und</strong> Mitte September 1945<br />
<strong>in</strong> das Internierungslager Staumühle V, nahe Hövelhof bei Pa<strong>der</strong>born, verlegt. Dort entdeckten<br />
Mitgefangene am 17. September, dass sich Eduard Wirths <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zelle erhängt hatte. Drei Tage<br />
später starb er an den Folgen <strong>der</strong> Strangulation. Er h<strong>in</strong>terließ se<strong>in</strong>e Frau, drei kle<strong>in</strong>e Söhne <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>e Tochter.<br />
<strong>Der</strong> Gr<strong>und</strong> für den Selbstmord war wohl das Ersuchen <strong>der</strong> Tschechoslowakei an die „United Na-<br />
tions War Crimes Commission“ im August 1945, „Wirths or Wirtz, Dr. Ed. Hauptsturmführer.<br />
Medical Officer, Oswiecim-Birkenau KL.“ wegen „Mur<strong>der</strong> and massacre, systematic terrorism“<br />
zu verhaften. 33 Für den Fall se<strong>in</strong>er Auslieferung an die Tschechen glaubte Eduard Wirths nicht an<br />
e<strong>in</strong>en fairen Prozess <strong>und</strong> angemessene Verteidigungsmöglichkeiten, da ihm Entlastungszeugen<br />
33 UNWCC-List No. 13, Seite 28, Position 254<br />
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