Journal Riga 2011 - Netzwerk Ost-West
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Sachverhalt 3 - Alkoholverbot<br />
ger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere<br />
Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen. Schadensmöglichkeiten, die sich<br />
deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte<br />
Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine<br />
Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein „Besorgnispotential“. Vorsorgemaßnahmen<br />
zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch<br />
die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt.<br />
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit<br />
des Schadenseintritts. Eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte<br />
Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis<br />
führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten<br />
pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem<br />
Rechtssatz zu bekämpfen. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin<br />
eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: es müssen - bei abstraktgenereller<br />
Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf<br />
den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der Schaden muss regelmäßig und typischerweise,<br />
wenn auch nicht ausnahmslos zu erwarten sein. Denn es liegt im Wesen von<br />
Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe<br />
ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit<br />
ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen<br />
der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die<br />
Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe<br />
zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern<br />
- allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor.<br />
Nach den dargelegten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten<br />
Zustände die Antragsgegnerin zum Erlass der angegriffenen Polizeiverordnung bewogen<br />
haben. Dabei sind grundsätzlich auch fachliche Erkenntnisse wie diejenigen der örtlichen<br />
Polizei zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin will mit der Polizeiverordnung der Gewaltdelinquenz<br />
begegnen; damit ist die öffentliche Sicherheit betroffen. Sie beruft sich darauf,<br />
dass auf der Admiralbrücke der Konsum von mitgebrachtem Alkohol zur Begehung von<br />
Körperverletzungsdelikten führe; der Alkoholkonsum stelle - zwar nicht grundsätzlich, aber<br />
in diesem räumlich abgegrenzten Bereich - eine abstrakte Gefahr für das hochrangige<br />
Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Zwischen Alkoholkonsum und Gewaltkriminalität<br />
bestehe ein Wirkungszusammenhang. Der Alkoholkonsum führe zur Enthemmung<br />
und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Nach den Erfahrungen<br />
der Polizei sei Alkoholisierung häufig die Ursache für gewalttätige Auseinandersetzungen.<br />
Die Antragsgegnerin stützt die dargelegten Erwägungen auf eine polizeiliche Untersuchung,<br />
die zu folgendem Ergebnis kommt:<br />
Fast 40 % aller Gewaltstraftaten von Kreuzberg wurden im Umfeld der Admiralbrücke begangen.<br />
50 % der Tatverdächtigen standen unter erheblichen Alkoholeinfluss.<br />
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