CASTING FÜR DIE BÜTT - dance company tkk
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05 | JANUAR/FEBRUAR | 2005<br />
seit Jahren in Frankfurt lebe und dem Apfelwein nie<br />
wirklich eine zweite Chance gegeben habe? Und dass<br />
der japanische Reiseführer über Deutschland das Besondere<br />
Südhessens möglicherweise besser zu würdigen<br />
weiß als ich?<br />
Die winterliche, frühabendliche Klappergass’ wirkt<br />
wie ausgestorben. Trotz der Fichtenkränzchen, die seit<br />
mehr als dreieinhalb Jahrhunderten über den Eingängen<br />
der Frankfurter Apfelsweingaststätten hängen<br />
(Wo’s Kränzche hängt, da wird ausgeschenkt), ist es<br />
erst mal gar nicht so einfach, im berühmten Sachsenhäuser<br />
Apfelwein-Viertel zwischen all den fremdländischen<br />
Restaurants fündig zu werden. Um so überraschender,<br />
dann in einem der Apfelwein-Wirtshäuser<br />
zu stehen und erstaunt festzustellen: Es ist voll. Und es<br />
ist gar nicht touristisch.<br />
Wir – ich habe inzwischen durch meinen Frankfurter<br />
Freund Verstärkung bekommen – bestellen Apfelwein:<br />
„Einmal sauer gespritzt“ (er), „einmal pur“ (ich!).<br />
„Nein, lieber keinen Bembel, wenn’s grad nur noch<br />
Fünfer gibt“. Das gibt deutlich einen Minuspunkt<br />
beim Kellner, der mit professionell wirkender Grantigkeit<br />
das halbe Lokal im Griff hat und eine Minute<br />
später zwei „Gerippte“ auf den Tisch stellt. „Saure<br />
Nierchen, aber nicht mit Salat, sondern mit Sauerkraut“<br />
(er), „Handkäs‘ mit Musik und eine Portion Sauerkraut“<br />
(ich) – auch das ruft Kopfschütteln hervor,<br />
was mich daran erinnert, in einem historischen Frankfurt-Krimi<br />
von der sprichwörtlichen Unhöflichkeit<br />
der Sachsenhäuser gelesen zu haben: „Mer sin zwar<br />
grob, awwer mer maanes aach so.“<br />
Macht nichts. Wir sitzen an einem der langen<br />
Wirtshaustische zusammen mit wildfremden Leuten<br />
Am besten aus dem Bembel: das südhessische Nationalgetränk<br />
Foto: dpa<br />
und fühlen uns wohl. Das Publikum ist gemischt, viele<br />
Ältere, aber auch etliche Jüngere gehören hier ganz<br />
offensichtlich zum Stammpublikum. Das Essen<br />
kommt in großen Portionen und schmeckt ausgezeichnet.<br />
Auf der Theke steht ein „Faulenzer“, ein „Einschenkhilfsgestell“,<br />
in dem ein riesiger Bembel hängt,<br />
aus dem die Gläser gefüllt werden. Am Nebentisch<br />
wird zwischendurch mal gesungen, was – ich staune –<br />
gar nicht peinlich ist. Und – die Überraschung des<br />
Abends: Mir schmeckt der Apfelwein pur. Ich bestelle<br />
ein zweites Glas, um das weiter zu prüfen. Der Kellner<br />
ist Nuancen freundlicher. Zunehmend beschwingt<br />
fange ich an, das Loblied auf das „Stöffche“ zu singen:<br />
wenig Kalorien, viel weniger Alkohol als Traubenwein,<br />
mit lauter gesunden Äpfeln von ökologisch<br />
wertvollen hessischen Streuobstwiesen, gut zu verdünnen,<br />
ohne dass er wässrig schmeckt, weil voll<br />
vergoren und ohne Restzucker. Amüsierte, leicht skeptische<br />
Blicke (er), amüsierte, schräge Blicke (Banknachbarn),<br />
vergnügte Hochstimmung (ich), weitere<br />
Gerippte (alle).<br />
Bei den Ethnologen nennt man sowas wohl „Initiation“.<br />
Meine endete ausnehmend fröhlich, zu Fuß und<br />
ganz ohne schweren Kopf am nächsten Morgen. Auch<br />
das, hab ich gelesen, soll beim „Stöffche“ normal sein.<br />
Und wer übrigens meint, dass auf meinem Parcour das<br />
Apfelwein-Museum gefehlt hat – ich war nicht erstaunt,<br />
als ich einige Tage später feststellte, dass das<br />
Apfelwein-Museum eigentlich eine Apfelwein-Kneipe<br />
im Historischen Museum ist, in dem die Exponate der<br />
Apfelwein-Geschichte an den Wänden nur zugänglich<br />
sind, indem man an einem der Tische direkt davor sitzt.<br />
Natürlich mit Bembel, „Geripptem“ und „Stöffche“ ... ■<br />
„Bock auf Bembel!“ – der Apfelweinanstich<br />
auf dem Römer<br />
Zum Stelldichein mit Apfelwein laden der hr und die<br />
hessischen Apfelwein-Keltereien am Donnerstag,<br />
13. Januar, ab 16 Uhr auf dem Frankfurter Römerberg<br />
ein. Wer zwischen 16 und 18.30 Uhr mit einem<br />
Teelicht und einem Glas auf den Römerberg kommt,<br />
erhält gratis heißen Apfelwein aus einem 1.500 Liter<br />
großen Apfelweinfass. Für den Ausschank sorgen die<br />
hr4-Moderatoren Tobias Hagen, Heinz-Günter Heygen<br />
und Dieter Voss, für die Musik die Rhöner Mundartgruppe<br />
„Pladde Stoarn“. Aus den gesammelten Teelichtern<br />
wird zum Ende der Veranstaltung ein großes<br />
Bembelmotiv aus Kerzen erstrahlen – Teelichter also<br />
nicht fürs Stövchen, sondern fürs Stöffchen.<br />
„Bock auf Bembel!“ – der Apfelweinanstich<br />
im hr-fernsehen<br />
Sonntag, 16. Januar, 20.15 Uhr: Sendung der Aufzeichnung<br />
vom Fest in der Schwanenhalle des<br />
Frankfurter Römers. Mit prominenten Gäste aus<br />
Politik, Sport, Show und Fernsehen und einem<br />
unterhaltsamen Programm mit Kabarett von Lars<br />
Reichow, Rainer Bange und Michael Quast, Musik<br />
von der Combo der hr Big Band und den „Bembelsängern“,<br />
Apfelweinköniginnen aus ganz Hessen<br />
und dem Apfelweinanstich durch den hessischen<br />
Ministerpräsidenten Roland Koch.<br />
Foto: hr<br />
17<br />
KOCHEN MIT …<br />
hr4-GOURMET TOBIAS HAGEN<br />
Hähnchen in Apfelwein<br />
Unser „Stöffche“ eignet sich hervorragend<br />
für dieses leckere Gericht, mit<br />
dem Sie garantiert Furore machen.<br />
Zutaten (für 4-6 Personen)<br />
1 frisches Hähnchen, Salz, Pfeffer, 1 Knoblauchzehe,<br />
nicht gepellt, 2 Blatt Lorbeer, 1 TL Estragon, Öl<br />
oder Butterschmalz, 4 cl Calvados, 1 Liter Apfelwein,<br />
4 Schalotten, 4 Äpfel, 25 g Butter, gefroren,<br />
in Flöckchen, 5 EL Honig, 1 Becher Süße Sahne,<br />
Petersilie<br />
Zubereitung<br />
Das Hähnchen innen mit Salz, Pfeffer und Estragon<br />
würzen. In einer Pfanne von allen Seiten anbraten.<br />
Mit Calvados ablöschen. Hähnchen mit<br />
der Brustseite nach unten in einen Bräter legen.<br />
1/2 Liter Apfelwein angießen, die Lorbeerblätter<br />
und den Knoblauch zugeben und bei 200 Grad<br />
schmoren lassen (je nach Größe des Hähnchens<br />
insgesamt 1 bis 2 Stunden). Dabei nach und nach<br />
mit dem restlichen Apfelwein übergießen und<br />
nach einer halben Stunde wenden.<br />
Äpfel schälen, entkernen und in Spalten schneiden.<br />
Schalotten klein hacken. In etwas Fett glasig<br />
dünsten. Die Hälfte der Apfelspalten hinzugeben<br />
und kurz mitdünsten. Die Apfel-Schalotten-Mischung<br />
in der letzten halben Stunde zum Hähnchen<br />
geben und mitschmoren lassen.<br />
Hähnchen aus dem Bräter nehmen und warm<br />
stellen. Knoblauch und Lorbeer aus der Soße nehmen.<br />
Die Soße mit den Äpfeln und Schalotten in<br />
einen Küchenmixer geben, durchmixen und durch<br />
ein Sieb passieren. Den Bräter säubern. Im Bräter<br />
den Honig stark erhitzen. Nach und nach die Soße<br />
angießen und stark aufkochen lassen. Dann nach<br />
und nach die Süße Sahne angießen und noch eine<br />
Minute weiterkochen lassen. Mit einem Schneebesen<br />
die eiskalten Butterflöckchen unterschlagen.<br />
Mit Peffer und Salz abschmecken.<br />
Die restlichen Apfelspalten in etwas Fett in einer<br />
Pfanne andünsten. Das Hähnchen in Portionen<br />
schneiden, auf vorgewärmten Tellern mit der<br />
Soße und den Apfelspalten anrichten und mit<br />
einigen Petersilie-Sträußchen garnieren.<br />
Dazu passt frisches Baguette. ■