Anwaltsblatt 2009/09 - Die Österreichischen Rechtsanwälte

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Berufsethos – wozu? Die Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes ist durch sein Berufsrecht geregelt. Das sind jene im Gesetz oder in Richtlinien festgelegten verbindlichen Regeln, die bei der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes zu berücksichtigen sind. Dahinter steht als Begründung das Berufsethos. Die Frage ist aber, ob sich in diesen niedergeschriebenen Regelungen berufsethische Grundsätze schon erschöpfen oder ob sie nicht vielmehr darüber hinausgehen. Seit etwa einem Jahr wird in Europa, insbesondere in Deutschland, eine beachtliche Diskussion über die Berufsethik des Rechtsanwaltes und über die Frage geführt, ob sie in Richtlinien fassbar sind, oder nicht. Blickt man wieder zurück nach Österreich, so kennt unser Disziplinarstatut nicht nur die Berufsrechtsverletzung, sondern auch die Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes. Die Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes ist daher nicht nur im Rahmen der gesetzlichen Schranken erlaubt, die Rechtsanwaltsordnung und Richtlinien für die Berufsausübung etc festlegen, sondern der Rechtsanwalt hat auch bei seinen Handlungen die Regeln der Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit sowie der Wahrung der Ehre und Würde des Standes zu beachten. Das meint aber wohl nichts anderes als die ethischen Grundsätze, die der Rechtsanwalt über das Berufsrecht hinaus zu beachten hat, und die sich in der Rechtsanwaltschaft als richtig durchgesetzt haben. Es geht daher nicht mehr bloß um Beachtung verbindlicher Vorschriften, sondern auch um Moralität und Gesinnung. Dabei ist die Entwicklung des Rechtsanwaltsberufes und des Bildes vom Rechtsanwalt in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Verhalten, das in der Vergangenheit Österreichisches Anwaltsblatt 2009/09 als gegen Ehre und Ansehen des Standes verstoßend angesehen wurde, mag heute allgemein akzeptiert sein, und umgekehrt. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an den Auftritt des Anwalts in der Öffentlichkeit, die Vereinbarkeit der Tätigkeit des Rechtsanwaltes mit anderen Berufen und ähnliches. Wozu das alles in einer Zeit, in der marktkonformes Verhalten immer wichtiger wird, weil auch der Unternehmer Rechtsanwalt sich marktwirtschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen stellen muss? Ist dann nicht ein Berufsethos, das die Tätigkeit am Markt zwar nicht ausschließt, wohl aber erschwert, überhaupt noch vertretbar? Ich meine, schon! Die Übernahme der Wertvorstellungen nur des Marktes führt dazu, dass alles dem gewünschten Erfolg untergeordnet wird. Damit würde der Rechtsanwalt tatsächlich zum Kaufmann, und wer als Kaufmann handelt, wird auch als solcher behandelt; dies mit allen Folgen und Deregulierungen, denen sich die Rechtsanwaltschaften Europas in den letzten Jahren ausgesetzt sahen. Nur hohe ethische Standards, die die Berufsausübung des Rechtsanwaltes prägen, lassen das Argument zu: Der Anwalt sei eben ein besonderer Unternehmer am Markt, sodass sich die schrankenlose Anwendung des Marktes schon im Interesse des Klienten verbietet. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass sich der nächste Anwaltstag vom 5. bis 7. November in Wien unter anderem auch mit der Frage des Berufsethos auseinandersetzt. Ich hoffe auf rege Beteiligung, die uns allen vertiefte Einblicke in die Notwendigkeit des Berufsethos des Rechtsanwaltes bringen sollte. Editorial Präsident Dr. Benn-Ibler 361
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