C. Bechstein – der Mythos lebt
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Claude Debussy und Johannes Brahms<br />
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Berühmte Komponisten und Virtuosen spielen C. <strong>Bechstein</strong>: Claude Debussy und Johannes Brahms.<br />
idealistischen Satz Humboldts: „Wissen<br />
ist Macht!“ Und diese Vision wirkte<br />
auf eigentümliche Weise fort, übrigens<br />
weit über die Mitte des 19.Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
hinaus und im Grunde bis tief in die<br />
mo<strong>der</strong>ne Gegenwart.<br />
Natürlich hatte Berlin um die Mitte<br />
des 19.Jahrhun<strong>der</strong>ts auch längst teil<br />
am europäischen Zirkus <strong>der</strong> reisenden<br />
Virtuosen. Denn vor allem in Berlins<br />
bie<strong>der</strong>meierlichen Kreisen liebte man<br />
nichts so sehr wie die „Musike“. Sie<br />
war das kytherische Eiland inmitten<br />
unerfreulicher politischer Stürme.<br />
Und folgerichtig schätzte man jenes<br />
halbautomatische Möbel, das damals<br />
beinahe von Jahr zu Jahr immer mehr<br />
vervollkommnet wurde und das eine<br />
durchaus erlernbare Art <strong>der</strong> Tonerzeugung<br />
ermöglichte: das Pianoforte.<br />
In dieses Berlin nun war Carl <strong>Bechstein</strong><br />
im Revolutionsjahr 1848, nach an<strong>der</strong>en<br />
Quellen bereits 1846 gekommen und<br />
hatte eine Anstellung bei G. Perau am<br />
Hausvogteiplatz gefunden. Hausvogteiplatz<br />
ist mittendrin. Perau galt neben<br />
Kisting als eine ganz feine Adresse und<br />
als ein ebenso soli<strong>der</strong> wie konservativer<br />
Klavierbauer; beileibe also kein<br />
Avantgardist und Tüftler wie etwa <strong>der</strong><br />
Berliner Theodor Stöcker, dessen etwas<br />
schwergängiger oberschlägiger Flügel<br />
mit hochklappbarer Tastatur noch heute<br />
Bewun<strong>der</strong>ung hervorrufen kann.<br />
Perau machte den jungen <strong>Bechstein</strong><br />
nun schon im Herbst 1848 zum Werk-<br />
stattleiter. Lange hat es diesen freilich<br />
nicht gehalten. Vermutlich in <strong>der</strong><br />
zweiten Hälfte des Jahres 1849 ging<br />
<strong>Bechstein</strong> von Berlin aus nach London,<br />
um sich genauer umzusehen, und dann<br />
nach Paris, wo er bei dem dortigen<br />
Pendant zu Stöcker lernte, dem genialen<br />
Johann Heinrich (Henri) Pape aus<br />
Sarstedt, sowie bei dem äußerst erfolgreichen<br />
Elsässer Jean Georges Kriegelstein.<br />
Bei letzterem studierte er nicht<br />
zuletzt zeitgemäße Unternehmenspolitik<br />
und mo<strong>der</strong>ne Geschäftspraktiken;<br />
dies dürfte ein notwendiges Korrektiv<br />
zu den Erfahrungen mit dem erfindungsbesessenen<br />
Pape und dessen 120<br />
Patenten gebildet haben.<br />
Kriegelstein produzierte marktgerecht<br />
und machte ein Vermögen mit einem<br />
sensationell raumsparenden Kleinklavier<br />
von etwa 130 Zentimetern Höhe,<br />
das er 1842 herausgebracht hatte. Es<br />
war berühmt für seine Tonfülle wie<br />
auch für das Ebenmaß seiner Register,<br />
stellte mithin eine solide Anschaffung<br />
dar und wurde entsprechend professionell<br />
vermarktet.<br />
Paris war allerdings auch die Stadt<br />
des Sébastien Érard, jenes legendären<br />
Klavierfabrikanten, <strong>der</strong> neben vielem<br />
an<strong>der</strong>en die Urform <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Repetitionsmechanik ersonnen hatte.<br />
Als <strong>Bechstein</strong> noch bei Perau in Berlin<br />
arbeitete, war allgemein bekannt, dass<br />
Franz Liszt den Érard’schen Flügeln<br />
vor allen an<strong>der</strong>en den Vorzug gab.<br />
Ob nun <strong>der</strong> junge Carl <strong>Bechstein</strong> in<br />
Paris in die Nähe von Pierre Érard<br />
gekommen war, des Neffen des<br />
Firmengrün<strong>der</strong>s, <strong>der</strong> seit 1831 das<br />
Unternehmen leitete und 1855 starb,<br />
darüber schweigt die Chronik. Über<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> Weltmarke Érard<br />
war er sich mit Gewissheit im Klaren.<br />
Pierre Érard hatte nach dem Tod<br />
seines Onkels Sébastien nicht nur die<br />
Pariser und die Londoner Klavierfabrik<br />
konsolidiert, son<strong>der</strong>n das Gesamtunternehmen<br />
so weit vorangetrieben, dass<br />
die Jahresproduktion in den 1850er<br />
Jahren rund 2.500 Instrumente betrug.<br />
Die „Salle Érard“ ging als einer <strong>der</strong><br />
bevorzugten Konzertsäle von Paris in<br />
die Musikgeschichte ein. Das Familienschloss<br />
„La Muette“ war ein gesellschaftlicher<br />
Mittelpunkt ersten Ranges.<br />
Dass Carl <strong>Bechstein</strong> möglicherweise in<br />
Paris den Entschluss fasste, es Érard<br />
gleich zu tun, darüber kann man nur<br />
spekulieren. Gewiss ist immerhin, dass<br />
<strong>Bechstein</strong> in den folgenden Jahrzehnten<br />
den großen Namen Érard in seiner<br />
führenden Position auf dem europäischen<br />
Kontinent beerben sollte.<br />
Wir wissen wenig über diesen Carl<br />
<strong>Bechstein</strong>. Er scheint ein Mann<br />
gewesen zu sein, dem je<strong>der</strong> Kult um<br />
die eigene Person fremd war: Keine<br />
Tagebücher aus jungen Jahren; keine<br />
„Erinnerungen“ im Alter. Überhaupt<br />
wenig Interesse an <strong>der</strong> eigenen Person.<br />
An<strong>der</strong>seits zeigen frühe Bil<strong>der</strong> auch<br />
einen äußerst selbstbewussten Mann,<br />
eine großgewachsene und auffallende<br />
Erscheinung. Als Berliner Jungunternehmer<br />
präsentiert er sich neben<br />
seinem Klavier in romantisch-langem<br />
Mantel über den breiten Schultern. Ein<br />
solcher Kerl dürfte in den Pariser Salons<br />
kaum unbeachtet geblieben sein.<br />
1852 also geht er wie<strong>der</strong> nach Berlin<br />
und wird diesmal Geschäftsführer bei<br />
Perau. 1853 aber wechselt er noch einmal<br />
nach Paris, wird Chef bei Kriegelstein,<br />
bleibt indes nicht lange, son<strong>der</strong>n<br />
kehrt schließlich nach Berlin und zu<br />
Perau zurück. Ein möglicher Grund<br />
für die Rückkehr nach Berlin mag eine<br />
gewisse Louise Döring aus Straußberg<br />
gewesen sein, die er 1856 heiratete.<br />
Perau hatte in <strong>der</strong> Behrenstraße 56<br />
ein Magazin. Und dort, ein Stockwerk<br />
höher, gründete <strong>Bechstein</strong> im Nebenberuf<br />
nun sein eigenes Unternehmen.<br />
Am 1. Oktober 1853 ist er nicht mehr<br />
nur Peraus rechte Hand, son<strong>der</strong>n zugleich<br />
sein eigener Herr. Vielleicht war<br />
Peraus Erlaubnis, parallel eine neue<br />
Werkstatt aufzubauen, von vorneherein<br />
ein weiterer Grund für Berlin gewesen.<br />
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Perau<br />
sich gegen die neuen Ideen sträubte,<br />
die <strong>Bechstein</strong> aus Paris mitbrachte,<br />
dass er sich womöglich weigerte, ein<br />
neumodisches Piano unter dem Namen<br />
„Perau“ herausbringen zu lassen, so<br />
dass <strong>Bechstein</strong> auf eigene Faust<br />
versuchte, ein mo<strong>der</strong>nes Pianoforte<br />
für eine mo<strong>der</strong>ne Musik zu bauen.<br />
Die Gründung sieht beinahe nach<br />
einem Gentleman’s agreement aus. So<br />
offenkundig <strong>Bechstein</strong> seine ersten<br />
Instrumente als „<strong>Bechstein</strong>“ vorstellte,<br />
so wenig ist gesichert, dass er damals<br />
wirklich im handelsrechtlichen Sinn<br />
eine eigene Firma betrieb. In späteren<br />
Dokumenten wird 1856 als Jahr <strong>der</strong><br />
Unternehmensgründung angegeben.<br />
Die Behrenstraße verläuft übrigens<br />
parallel zur Straße „Unter den Linden“<br />
und kreuzt die Charlotten- und die<br />
Friedrichstraße. An <strong>der</strong> Behrenstraße<br />
wurde später zum Beispiel das<br />
Metropoltheater gebaut, das 1946 zur<br />
heutigen „Komischen Oper“ wurde.<br />
<strong>Bechstein</strong> saß mit seiner Werkstatt also<br />
strategisch günstig im neueren Teil<br />
Berlins zwischen Oper und Brandenburger<br />
Tor, ziemlich nahe an dem Platz,<br />
<strong>der</strong> nach dem „Régiment gens d’armes“<br />
den Namen „Gendarmenmarkt“ erhalten<br />
hatte und wo E.T.A. Hoffmann mehr<br />
als einmal bei Lutter & Wegener dem<br />
Punsch erlag; nahe auch <strong>der</strong> Leipziger<br />
Straße, wo die Mendelssohns ihr Haus<br />
hatten und einige an<strong>der</strong>e wohlhabende<br />
und wohlmeinende Familien aus dem<br />
Berliner Kulturleben. Wer von dort aus<br />
Unter Linden promenieren will, kreuzt<br />
rein zufällig auch die Behrenstraße.<br />
Carl <strong>Bechstein</strong> scheint sich in mehrfacher<br />
Hinsicht genau überlegt zu haben,<br />
wo er seine Werkbank aufstellte.<br />
Liest man spätere Chroniken, so<br />
scheinen Mut zu eigenen Ideen und<br />
praktisches Denken zum Familienerbe<br />
zu gehören. 1926 zum Beispiel<br />
erschien zum 100. Geburtstag von Carl<br />
<strong>Bechstein</strong> in <strong>der</strong> Beilage „Rund um<br />
den Friedenstein“ des „Gothaischen<br />
Tageblatts“ ein Beitrag, <strong>der</strong> auch auf<br />
den familiären Hintergrund einging.<br />
Eine <strong>der</strong> frühesten erhaltenen Preislisten <strong>der</strong> C. <strong>Bechstein</strong> Pianofortefabrik.<br />
Danach waren die <strong>Bechstein</strong>s seit<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ten in den thüringischen<br />
Dörfern Laucha und Langenhain sowie<br />
in den Städten Waltershausen und<br />
Ohrdruf als Bauern und Handwerker<br />
ansässig. Musikalisches Talent soll in<br />
den Familien ausgesprochen verbreitet<br />
gewesen sein <strong>–</strong> Thüringen ist ohnehin<br />
eine <strong>der</strong> musikträchtigen Regionen<br />
Deutschlands. Ein gewisser Johann<br />
Matthäus <strong>Bechstein</strong> soll erst Theologie<br />
studiert haben, später aber zur Naturwissenschaft<br />
umgeschwenkt sein; in<br />
Waltershausen gründete er eine Forstakademie,<br />
aus <strong>der</strong> später das Institut in<br />
Dreißigacker bei Meiningen hervorging.<br />
Johann Matthäus’ Neffe war<br />
jener Schriftsteller und Märchen- und<br />
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