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fügt, ist schon sehens- und hörenswert.<br />
Ich frage mich allerdings, welcher Frauen-<br />
hasser ihr die schwarze Perücke und das<br />
schlechte Makeup verpasst hat.<br />
an Marcelo álvarez‹ Stimme sind die<br />
drei Jahre zwischen Verona und new<br />
york leider nicht spurlos vorüber gegangen.<br />
Zwar ist die gesamtleistung immer<br />
noch mehr als respektabel, aber der argentinier<br />
muss jetzt viel mehr Kraft aufwenden,<br />
wodurch es an geschmeidigkeit<br />
und eleganz fehlt, und den Piano-Bereich<br />
weitgehend ausklammern, nur vom Mezzoforte<br />
an spricht die Stimme sicher an,<br />
ein untrügliches Zeichen für vokale Blessuren.<br />
george gagnidze als Scarpia<br />
schließlich kann als einziger der drei Baritone<br />
stimmlich aus dem Vollen schöpfen,<br />
was er hier und da auch ein wenig exzessiv<br />
tut, und trägt seinen Teil dazu bei,<br />
dass man hier einen spannenden Opernabend<br />
mit einem hochkarätigen Hauptdarsteller-Terzett<br />
in sehr guter Bild- und<br />
Tonqualität genießen kann.<br />
Michael Blümke<br />
Verrett/Decca<br />
Cedolins/arthaus<br />
Mattila/Virgin<br />
strauss<br />
eLeKTRa<br />
Watson, Uhl, Henschel, u. a.,<br />
Münchner Philharmoniker,<br />
Thielemann, Wernicke<br />
(DvD, 111 Min. + 15 Min.<br />
Making-of, aufgen. 1-2/2010)<br />
opus Arte/Naxos oA 1046 D<br />
eigentlich hatte sie ihr Debüt in der Titel-<br />
rolle erst 2012 in Wien geplant, doch dann<br />
ist Linda Watson kurzfristig in die aus<br />
München entliehene »elektra«-Produktion<br />
von Herbert Wernicke in Baden-Baden<br />
eingesprungen. und man kann nicht<br />
anders, als der Sängerin größten Respekt<br />
zu zollen: Sie ist eine wirklich beeindruckende<br />
und durchweg überzeugende Interpretin,<br />
die diese Mörderpartie souverän<br />
meistert. Die Stimme ist groß und<br />
bis zum ende durchschlagskräftig, wird<br />
aber stets dynamisch gut abgestuft; nur an<br />
der Textverständlichkeit sollte Linda Watson<br />
noch arbeiten. Ihre Landsmännin Jane<br />
Henschel bietet als Klytämnestra den rich-<br />
tigen gegenpol zu ihr, um die auseinan-<br />
dersetzung zwischen Mutter und Toch-<br />
ter packend über die fast leere Bühne zu<br />
bringen. Da hat es Manuela uhl als Chrysothemis<br />
trotz sehr guter vokaler Leistung<br />
darstellerisch schwer, neben diesen beiden<br />
Larger-than-life-Partnerinnen zu bestehen.<br />
albert Dohmen ist ein stimmlich<br />
zwar sicherer, aber fast zu reifer, nicht<br />
ausreichend geschmeidiger Orest, für<br />
die Minipartie des aegisth wurde René<br />
Kollo verpflichtet. am Pult der hervorragend<br />
spielenden Münchner Philharmoniker<br />
sorgt Christian Thielemann für<br />
eine exzellente, immer auch auf die Sänger<br />
Rücksicht nehmende umsetzung<br />
der Partitur. Hätten die Tontechniker die<br />
gesangsstimmen gleichmäßiger eingefangen<br />
– das Opernglück wäre perfekt.<br />
Michael Blümke<br />
Arnold schönberg<br />
guRReLIeDeR<br />
Deborah voigt, Mihoko Fujimura,<br />
stig Andersen, NDR Chor,<br />
MDR Rundfunkchor, Chor des<br />
BR, symphonieorchester<br />
des Bayerischen Rundfunks,<br />
Mariss Jansons<br />
BR Klassik/Naxos 900110<br />
(117 Min., aufgen. 10/2009)<br />
Sie fordern schon einen gewaltigen perso-<br />
nellen aufwand, diese gurrelieder: Drei<br />
Rundfunkchöre ließ Mariss Jansons im<br />
Münchner gasteig zusammenkommen,<br />
um von ihnen ganz am ende des zwei-<br />
stündigen Werkes für knapp sechs Minu-<br />
ten in ekstatischem Tutti die Sonne be-<br />
singen zu lassen – und dann hat ihm die<br />
Tontechnik das ganze so eingefangen und<br />
abgemischt, dass der gewaltige Schlussef-<br />
fekt auf der DVD gar nicht so tiefenscharf<br />
und majestätisch herüberkommt, wie<br />
man es eigentlich erwarten würde (und<br />
als Konzertbesucher im Saal zweifellos<br />
auch erlebt hat). Der acht Jahre zuvor am<br />
selben Ort entstandene Live-Mitschnitt<br />
der »gurrelieder« unter James Levine hat<br />
da deutlich mehr zu bieten – obwohl Le-<br />
vine sich mit dem Philharmonischen<br />
Chor München als vokalem Klangkörper<br />
begnügte.<br />
Der Vergleich der beiden »gurrelieder«-<br />
Versionen aus München fällt auch in an-<br />
deren Punkten ungünstig für den vorlie-<br />
genden Mitschnitt aus: Levine hatte z. B.<br />
mit Ben Heppner einen deutlich mitrei-<br />
ßenderen Tenorsolisten. Sein Legato, sei-<br />
nen lyrischen Schmelz bei aller Dramatik,<br />
sein körperhaft gerundetes Timbre kann<br />
Stig andersen nicht erreichen. und selbst<br />
Deborah Voigt, in beiden Versionen die<br />
Sopransolistin, kommt unter Levine we-<br />
niger spitz herüber als bei Jansons. Wie<br />
gesagt, die Tontechnik hat das nicht allzu<br />
beglückende endergebnis sicher mitzu-<br />
verantworten, aber was hilft‹s? allein<br />
die schönen Bilder, entstanden unter der<br />
kompetenten Regie von Brian Large, vermögen<br />
den gesamteindruck nicht maßgeblich<br />
zu verbessern: Obwohl Mariss<br />
Jansons seinem BR-Symphonieorchester,<br />
zu dessen 60. geburtstag dieses ereignis<br />
stattfand, ein beachtlich differenziertes<br />
Farbenspiel bei großer Präzision zu entlocken<br />
verstand, wird man Levines Version<br />
vorziehen – wenn man nicht gleich<br />
zu Riccardo Chaillys Studioproduktion<br />
von 1985 greift: Susan Dunn und Siegfried<br />
Jerusalem, beide damals auf dem Höhepunkt<br />
ihres Könnens, sind als Hauptprotagonisten<br />
des ersten Teils nicht zu übertreffen.<br />
Michael Wersin<br />
Brahms<br />
eIn DeuTSCHeS ReQuIeM<br />
schäfer, Gerhaher, Chor des<br />
Bayerischen Rundfunks, Münchner<br />
Philharmoniker, Thielemann<br />
C-Major/Naxos 703308<br />
(DvD, 83 Min., aufgen. 4/2007)<br />
an langsame Tempi sind die Münchner<br />
Philharmoniker gewöhnt: Sie zelebrierten<br />
unter dem späten Celibidache wichtige<br />
Teile des sinfonischen Repertoires teilweise<br />
im Zeitlupen-Feeling. Celi mochte<br />
zu Lebzeiten keine Mitschnitte seiner<br />
Konzerte zur Veröffentlichung genehmigen;<br />
das Wissen um die Schwierigkeit des<br />
authentischen Konservierens seines speziellen<br />
Zeitgefühls beim Musizieren könnte<br />
ein wichtiger grund dafür gewesen sein.<br />
Vor diesem Hintergrund möchte der Rezensent<br />
nicht ausschließen, dass das live<br />
mitgeschnittene Brahms-Requiem auf dieser<br />
DVD in der Münchner Philharmonie<br />
an jenem abend im april 2007 eine großartige<br />
Wirkung entfaltet hat. Im nacherleben<br />
mittels eines Ton- und Bildträgers jedoch<br />
steht es streckenweise förmlich auf<br />
der Stelle. De facto fand der Rezensent unter<br />
den zehn einspielungen des Werks in<br />
seinen CD-Regalen keine einzige, in der<br />
der vierte Satz (»Wie lieblich sind deine<br />
Wohnungen«) die Sechs-Minuten-grenze<br />
überschreitet; Thielemann musiziert das<br />
kurze Stück in 6:39. ergebnis ist, das jene<br />
Sehnsucht nach den Wohnungen des<br />
Herrn Zebaoth, von denen im Psalmtext<br />
die Rede ist, fast den Beigeschmack der<br />
agonie erhält. und im anschließenden<br />
Sopransolo »Ihr habt nun Traurigkeit«,<br />
das nur Rudolf Kempe 1955 mit elisabeth<br />
grümmer annähernd so langsam musizierte,<br />
muss Thielemanns Solistin Christine<br />
Schäfer unverhältnismäßig oft, teilweise<br />
nach einzelnen Worten, nachatmen.<br />
Sie meistert das atemproblem souverän,<br />
behält bei frontal auf sie gerichteter Kamera<br />
einen kühlen Kopf – aber die Musik<br />
rührt sich nicht vom Fleck. Ist es verwerflich,<br />
etwa bei »Sehet mich an …« ein wenig<br />
anzuziehen, wie das viele Dirigenten<br />
tun, und damit den gestus der an dieser<br />
Stelle noch intensivierten anrede zu unterstreichen?<br />
Diesen grundsätzlichen Kritikpunkten<br />
steht die Perfektion der Darbietung<br />
gegenüber; freilich musizieren Chor<br />
und Orchester unter Thielemanns minutiös<br />
genauer Leitung höchst vollkommen.<br />
aber wie mühsam ist das Zuhören,<br />
wenn selbst hochdramatische Passagen<br />
(»Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist<br />
dein Sieg«) seltsam buchstabiert daherkommen,<br />
wenn sich selbst in den finalen<br />
Fugen (»Die erlöseten des Herrn …«)<br />
die Spannung niemals über ein gelösteres<br />
Tempo entlädt? Thielemann formt und<br />
gestaltet unablässig auf Detailebene, teils<br />
mit weit aufgerissenen augen zwingt er<br />
das riesige ensemble zu einer mitunter<br />
lähmenden Langsamkeit, die den vielen<br />
aufblühenden, aufjubelnden oder aufbegehrenden<br />
Passagen nicht gerecht wird.<br />
Michael Wersin<br />
Weitere Rezensionen finden sie auf<br />
www.rondomagazin.de<br />
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