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Thibault Falk Quartet<br />
SuR Le FIL<br />
Unit Records/Alive 1479273<br />
(74 Min., aufgen. 3/2010)<br />
Treffen sich ein Franzose, ein ameri-<br />
kaner, ein Däne und ein Pole in Berlin.<br />
Klingt wie der anfang eines Witzes, ist<br />
aber eine sehr seriöse angelegenheit – ob-<br />
wohl man natürlich trotzdem etwas zu la-<br />
chen hat bei dem multinationalen Quar-<br />
tett um Pianist Thibault Falk.<br />
es passt, dass die Band von sich sagt,<br />
dass ihre gemeinsame Verständigungs-<br />
grundlage Deutsch mit verschiedenen<br />
akzenten sei. Denn auch ihre Musik, die<br />
man oberflächlich betrachtet freundlich-<br />
gewitzten zeitgenössischen Jazz nennen<br />
kann, zeichnet sich durch einen ganz eigenen<br />
Zungenschlag aus. Ohnehin muss<br />
man es ja mittlerweile fast schon mu-<br />
Bücher<br />
tig finden, wenn ein Pianist ausnahmsweise<br />
mal nicht im modischen Trioformat<br />
agiert, sondern freiwillig ein anderes<br />
Format wählt.<br />
Lustigerweise klingt Thibault Falks<br />
Quartett mit Josh yellon an Tenor- und<br />
Sopransax, andreas Lang am Bass und<br />
Marcin Lonak am Schlagzeug kompakter,<br />
leichter und kammermusikalischer als so<br />
manches Power-Piano-Trio. Mit einer gewissen<br />
eleganz und noblesse durchwandelt<br />
die gruppe verschiedene stilistische<br />
Terrains – mal hört man lateinamerikanische<br />
anklänge (»Moi aussi«), mal trifft<br />
französischer Revolutionsmarsch auf<br />
new Orleanser Karneval (»Mon petit napoléon«),<br />
mal wird man mit einer Bebopetüde<br />
konfrontiert (»Cri de notes«).<br />
gemeinsam ist den Stücken die Liebe<br />
zum subtilen rhythmischen Vexierspiel,<br />
was besonders deutlich in der nummer<br />
»Crooked River« wird. und bei »ufo an<br />
der Spree« schließlich verbeugt sich das<br />
Quartett nicht nur im Titel vor dem typisch<br />
humoristischen Berliner Jazz-<br />
Sound der gegenwart. aber, wie gesagt<br />
– mit einem eigenen akzent.<br />
Josef Engels<br />
Neuerscheinungen<br />
Hans Heinz stuckenschmidt<br />
DeR DeuTSCHe IM KOnZeRTSaaL<br />
Jeder großkritiker hat so seine kleine eigenart.<br />
So weigerte sich H. H. Stuckenschmidt bis zu<br />
seinem Tod 1988 stets, unter seinem vollen namen<br />
Hans Heinz Stuckenschmidt zu publizieren.<br />
Doch dies blieb die einzige Marotte. In seinen<br />
zahllosen artikeln u.<br />
a. für die FaZ setzte<br />
er auf eine sprachliche<br />
Klarheit und<br />
Verständlichkeit, um<br />
dem Leser ein musikalisches<br />
Phänomen<br />
so nahe wie möglich<br />
zu bringen. Fachchinesisch<br />
und gedankenschwereTiefensinnigkeit<br />
– das war<br />
ihm zuwider. Dennoch gehörten zu seinen engen<br />
gesprächspartnern nicht nur schon früh<br />
Schönberg und Busoni, sondern auch adorno.<br />
Stuckenschmidts Korrespondenz mit ihnen fin-<br />
Renaud García-Fons<br />
MÉDITeRRanÉeS<br />
Enja/Edel 1095632 EJM<br />
(65 Min., aufgen. 2010?)<br />
Was den amerikanern der Blues ist, sind<br />
die verschiedenen regionalen Volksmu-<br />
siken für eine gruppe europäischer Mu-<br />
sikerinnen und Musiker: ausgangspunkt<br />
für Kompositionen und Improvisati-<br />
onen. In den 1980ern erfanden sie eine<br />
›imaginäre Folklore‹, die nicht real vorhandene<br />
Volkslieder als ausgangsbasis<br />
hat, sondern mit regional typischen Instrumenten<br />
eine in Haltung und grundgedanken<br />
dem Jazz verwandte Musik aus<br />
neu erfundenen Themen schafft. genau<br />
so arbeitet auch der Kontrabassist Renaud<br />
garcía-Fons, wobei er, basierend auf<br />
der iberisch-andalusischen Tradition, diese<br />
um einflüsse des Jazz und gedan-<br />
det sich nun ebenfalls in der höchst lesenswerten<br />
Materialsammlung, die ein ereignis- wie ertragreiches<br />
Journalistenleben dokumentiert (allein<br />
die Liste mit all seinen Veröffentlichungen zwischen<br />
1919 und 1988 umfasst im anhang 70(!)<br />
Seiten). anhand von Briefen, Vorträgen und Verteidigungsreden<br />
von Komponisten, die ins Fadenkreuz<br />
der nazis geraten waren, lernt man so<br />
einen einzigartigen wie sympathischen Jahrhundertohrenzeugen<br />
kennen. gf<br />
Wolke, 288 s. 27,00 €<br />
Anthony Baines<br />
LeXIKOn DeR<br />
MuSIKInSTRuMenTe<br />
Wer weiß schon, was ein Trummscheit ist, oder<br />
eine Cister, oder die Ondes Martenot? Sie möchten<br />
sich über japanische gagaku-Musik, über das<br />
indonesische gamelan-Orchester oder einfach<br />
nur über die geschichte, die hinter ihrem häuslichen<br />
Klavier steht, informieren? nichts leichter<br />
als das: Das »Lexikon der Musikinstrumente«<br />
ken aus der neuen Musik ergänzt. Sein<br />
album »Méditerranées« kreist um elemente<br />
aus dem gesamten Mittelmeerraum;<br />
sie bringt unter anderem in »aljamiado«<br />
marokkanische Rhythmen und<br />
Flamenco zusammen, und »Fortaleza«<br />
ist ein massiv stampfender Flamenco für<br />
Kontrabass-Playback und Percussion. In<br />
»Las Ramblas« begegnen sich spanische<br />
und türkische elemente, und »Romsarom«<br />
versetzt in italienische Trattorias.<br />
Mit dem von der Bouzouki geprägten<br />
»Iraklio« geht es nach griechenland, und<br />
das Kontrabass-Solo »Bosphore« lässt<br />
orientalisches Flair aufkommen, wobei<br />
garcía-Fons hier den Klang des Oud imitiert.<br />
auf dieser Klangreise setzt er neben<br />
Kontrabass, gitarre, Laute, akkordeon,<br />
Flöten und Klarinette auch Zither, Bouzouki<br />
und arabische Percussionsinstrumente<br />
ein. es ist ein Vergnügen, sich mit<br />
diesen – fast so impulsstark wie ein Popalbum<br />
abgemischten – aufnahmen auf<br />
eine Reise in die heiße, flirrende Sommerluft<br />
von Spanien über die Türkei,<br />
griechenland, den arabischen Ländern<br />
und nordafrika zu begeben.<br />
Werner stiefele<br />
bietet ebenso instruktive wie allgemein verständliche<br />
und unterhaltsame artikel zu diesen Themen<br />
und vielen mehr. In alphabetischer anordnung<br />
erfährt man alles<br />
Wissenswerte über die<br />
gesamte Breite und Vielfalt<br />
der europäischen wie<br />
außereuropäischen Musikinstrumente<br />
und ihre<br />
geschichte. Obendrein<br />
ist das Werk reich bebildert<br />
und bietet zahlreiche<br />
notenbeispiele.<br />
1992 als »Oxford Companion<br />
to Musical Instruments« bei der renommierten<br />
Oxford university Press veröffentlicht,<br />
erschien das »Lexikon der Musikinstrumente«<br />
1995 erstmalig auf Deutsch in der bearbeiteten<br />
Übersetzung von Dr. Martin elste. autor und<br />
Übersetzer/Bearbeiter sind schon von ihren<br />
beruflichen Voraussetzungen ein ideales Paar:<br />
Baines war jahrelang Leiter der Bates Collection,<br />
der Instrumentensammlung der universität Ox-<br />
1/2011 <strong>Rondo</strong>plus 15