Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Retro-Diskothek<br />
»Das neue ist selten das gute«, meinte Schopenhauer, »weil das gute nur kurze Zeit<br />
das neue ist.« aus der Fülle der Wieder veröffentlichungen auf CD stellt Michael Wersin<br />
in seiner »Retro-Diskothek« die besten der guten alten Scheiben vor.<br />
Die Retro-Rubrik beginnt<br />
das neue Jahr mit<br />
einigen grüßen zurück<br />
in das soeben zu ende<br />
gegangene: Robert<br />
Schumanns 200. geburtstag<br />
wurde da u. a.<br />
gefeiert, und Sir adrian<br />
Boults grandiose einspielung von Schumanns<br />
vier Sinfonien darf in diesem Zusammenhang<br />
nicht unerwähnt bleiben. Sie entstand im Schumann-Jubiläumsjahr<br />
1956; Sir adrian dirigierte<br />
das London Symphony Orchestra. Der 1889 geborene<br />
blickte zu diesem Zeitpunkt nicht nur<br />
zurück auf eine bereits über 40 Jahre währende<br />
Karriere als Orchesterleiter, sondern profitierte<br />
speziell in Sachen Schumann auch noch vom<br />
direkten austausch mit einigen wichtigen Persönlichkeiten<br />
des Schülerkreises von Clara Schumann,<br />
die er als junger Mann in London getroffen<br />
hatte. adrian Boults klangvoller, edler, schlichtweg<br />
souveräner Schumann wird ergänzt durch<br />
einen bunten Strauß von acht quirligen Berlioz-<br />
Ouvertüren, die dem faszinierend inspirierten Dirigenten<br />
nicht weniger gut glückten.<br />
london Philharmonic orchestra/sir Adrian Boult –<br />
The 1956 Nixa-Westminster stereo Recordings vol. 2.<br />
First Hand Records/harmonia mundi FRH 07<br />
ein anderer großer englischer<br />
Pultstar erfuhr<br />
ende 2010 eine klingende<br />
ehrung durch<br />
sein langjähriges<br />
Schallplattenlabel eMI:<br />
Sir John Barbirollis vierzigster<br />
Todestag fiel auf<br />
den 29. Juli 2010. Der von italienischen einwanderern<br />
abstammende Barbirolli war zunächst Cellist<br />
in verschiedenen englischen Orchestern und<br />
Kammermusikformationen, begann dann aber<br />
eine steile Karriere als Dirigent, die ihn u. a. nach<br />
Covent garden und zum new york Philharmonic<br />
Symphony Orchestra führte. ab 1943 widmete er<br />
sich dem damals in Dekadenz befindlichen Hallé<br />
Orchestra und formte es zu einem der führenden<br />
englischen Klangkörper; mit ihm und den anderen<br />
großen britischen Orchestern produzierte er<br />
zahllose Schallplatten, von denen viele bis heute<br />
den Rang von Referenzeinspielungen haben. einige<br />
davon, wie beispielsweise elgars Cellokonzert<br />
mit Jacqueline du Pré oder Berlioz‘ »nuits<br />
d’été« mit Janet Baker, finden sich in der vorliegenden<br />
10-CD-Jubiläumsbox.<br />
sir John Barbirolli – The Great EMi Recordings. EMi<br />
457 767-2<br />
ein eher trauriger anlass<br />
war am 9. September<br />
das gedenken<br />
an den Tod Jussi Björlings<br />
im Jahre 1960:<br />
Der schwer alkoholabhängige<br />
schwedische<br />
Tenor wurde nur 49<br />
Jahre alt. Seine tragische Suchtkrankheit breitet<br />
einen melancholischen Schleier über die vielen<br />
Impressionen aus seinem einzigartig aufregenden,<br />
erfolgreichen Leben, die uns Biographen<br />
und Zeitzeugen vermittelt haben. Zwischen 1945<br />
und 1959 war Björling ensemblemitglied der new<br />
yorker Met, und in dieser Zeit konnte man ihn oft<br />
in den damals so beliebten Rundfunksendungen<br />
mit Live-Musik hören. »Voice of Firestone«, »Ford<br />
Sunday evening Hour« oder »Bell Telephone<br />
Broadcast« hießen diese Radio-events, für die sich<br />
große Stars in den Studios einfanden und einen<br />
bunten Mix aus ›echten‹ klassischen Titeln und<br />
leichtgewichtigeren nummern (»Jeanie with the<br />
Light Brown Hair« etc.) in den Äther schickten.<br />
Björlings ungemein phonogene Stimme war stets<br />
gern gehört, und wenn wir heute diese herzerwärmenden<br />
Dokumente genießen, dann verstehen<br />
wir sofort wieder, warum. ein Muss für alle<br />
Björling-Fans!<br />
Jussi Björling – Broadcast Concerts 1937-1960. West<br />
Hill Radio Archives/Note 1 WHRA 6036<br />
Fast genau 30 Jahre<br />
nach Jussi Björling, am<br />
19. Oktober 1990, verstarb<br />
in new york der<br />
Komponist und Dirigent<br />
Leonard Bernstein,<br />
eine der wichtigsten<br />
musikalischen<br />
Identifikations- und Integrationsfiguren für das<br />
amerika des 20. Jahrhunderts: neben seinen<br />
Leistungen auf dem rein klassischen Sektor war er<br />
nämlich erfolgreicher und ambitionierter grenzgänger<br />
in Richtung unterhaltungsmusik. auf Basis<br />
des Broadway-Show-Repertoires der frühen<br />
Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts schuf<br />
er ein neues, ganz und gar amerikanisches Musiktheater,<br />
das sowohl bei den Mitwirkenden als<br />
auch beim Publikum ein sehr breites Spektrum an<br />
Kräften zusammenzuführen vermochte. Die fünf<br />
in dieser Box vereinigten Werke, darunter »West<br />
Side Story«, »Candide« und »On the Town«, jeweils<br />
vertreten durch erstklassige Belegaufnahmen, demonstrieren<br />
dies in eindrucksvoller Weise. Wir<br />
hören Kiri Te Kanawa und José Carreras als Tony<br />
und Maria, wir erleben den unvergessenen Jerry<br />
Hadley als Candide neben nicolai gedda und<br />
Christa Ludwig, wir erinnern uns an die großartige<br />
Federica von Stade in der Rolle der Claire<br />
(»On the Town«). am Pult stand zumeist Leonard<br />
Bernstein selbst; für »On the Town« und »a White<br />
House Cantata«, produziert erst nach des Komponisten<br />
Tod, fanden sich mit Michael Tilson Thomas<br />
und Kent nagano würdige nachfolger.<br />
leonard Bernstein – Theatre Works. Deutsche Grammophon/Universal<br />
477 8853<br />
1/2011 <strong>Rondo</strong>plus 9