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Klassik CDs<br />
Mahler<br />
SInFOnIe nR. 2<br />
Merbeth, Fink, Niederländischer<br />
Rundfunkchor, Royal Concertgebouw<br />
orkest Amsterdam,<br />
Jansons<br />
(2 sACDs, 87 Min., & DvD-Mitschnitt,<br />
aufgen. 12/2009)<br />
RCo live/Codaex RCo 10002<br />
Mahler<br />
SInFOnIe nR. 2<br />
schwanewilms, Braun,<br />
Bamberger symphoniker &<br />
Chor, Nott<br />
(2 sACDs, 84 Min., aufgen. 2010)<br />
Tudor/Naxos TUD 7158<br />
Man möchte sie eigentlich nicht mitei-<br />
nander vergleichen, diese beiden außer-<br />
gewöhnlichen ereignisse des zu ende ge-<br />
gangenen Mahler-Jubeljahres. Wenn zwei<br />
ausgewiesene Mahler-experten am Werk<br />
sind, die sich ebenso akribisch wie hinge-<br />
bungsvoll, ja bedingungslos auf den extre-<br />
men ausdruckskosmos des einzigartigen<br />
Fin-de-siècle-genies einlassen; wenn di-<br />
ese jeweils wunderbar kompakte, souve-<br />
räne Orchester und Chöre leiten und man<br />
allenfalls darüber streiten mag, ob im »ur-<br />
licht« Bernarda Fink im Vergleich zu Li-<br />
oba Braun doch etwas zu viel Vibrato-<br />
ausdrucksschwere auflegt: Dann sollte<br />
man sich getrost beide aufnahmen in den<br />
Schrank stellen.<br />
Meisterwerk<br />
sehr gut<br />
gut<br />
passabel<br />
dürftig<br />
Sowohl Mariss Jansons amsterda-<br />
mer wie auch Jonathan notts Bamber-<br />
ger »auferstehungs«-Sinfonie zählen<br />
jedenfalls zu den überwältigendsten<br />
– und den bisherigen Referenzen von<br />
Stokowski, Solti und Klemperer tontechnisch<br />
weit überlegenen – Vergegenwärtigungen<br />
dieses gigantischen chorsinfonischen<br />
Werkes. Mit ihm knüpfte<br />
Mahler bekanntlich nicht nur an Bee-<br />
thovens neunte, sondern auch an seine<br />
eigene erste an: Deren jugendlich-unge-<br />
stümen »Titan«-Helden trägt er in der er-<br />
sten abteilung (»Totenfeier«) zu grabe<br />
und vermenschlicht ihn sozusagen im<br />
Folgenden – mit der existentiellsten al-<br />
ler Fragen: »Warum hast du gelebt? Wa-<br />
rum hast du gelitten? Ist das alles nur ein<br />
großer, furchtbarer Spaß?« Im Finalsatz,<br />
seinem größten überhaupt, gibt Mahler<br />
mit Klopstocks auferstehungs-Ode und<br />
eigenen Versen eine der erschütterndsten<br />
antworten der Musikgeschichte.<br />
Hierbei setzt Jansons (noch) mehr als<br />
nott auf das Hymnisch-getragene. auch<br />
das Lyrische hat beim Letten (noch) mehr<br />
entfaltungsraum als beim engländer (betörend<br />
in amsterdam vor allem, wie das<br />
von Mahler »in ruhig fließender Bewegung«<br />
vorgegebene Scherzo singen und<br />
atmen darf). nott wiederum ›punktet‹ mit<br />
einer Vehemenz, die in der Mahler-Diskographie<br />
allenfalls noch von Solti an den<br />
Tag gelegt wurde. Immer wieder hämmert<br />
er dem Hörer Mahlers Todesfurcht,<br />
die das ganze Opus durchzieht, brachial<br />
ins Bewusstsein: so wild (und präzise!)<br />
hat – pars pro toto – noch keiner zu Beginn<br />
die rollenden und grollenden Bässe<br />
auffahren lassen. und die Pauken don-<br />
nern, dass man glaubt, neben ihnen zu<br />
sitzen – auch, wie gesagt, dank einer fa-<br />
belhaften Tontechnik. So wird Mahler<br />
auch zu Hause zum nachhaltigen erleb-<br />
nis. Christoph Braun<br />
Jansons<br />
nott<br />
Chopin<br />
13 MaZuRKaS, SCHeRZO<br />
OP. 20 u. a.<br />
Tiberghien<br />
harmonia mundi HMC 902073<br />
(70 Min., aufgen. 1/2010)<br />
Jeweils ein kleines Mazurken-Bündel im<br />
Wechsel mit einem Scherzo, einem nocturne<br />
oder mit der großen »Polonaise-<br />
Fantaisie op. 61« – und schon hat man<br />
einen ordentlichen einblick in Chopins<br />
›Traumreich der Poesie‹ (Heine) bekommen.<br />
Jedes Stück ist natürlich bereits tau-<br />
Giuseppe verdi<br />
DOn CaRLO<br />
sendfach gespielt worden. und von jedem<br />
Stück gibt es dementsprechend mindestens<br />
ein halbes Dutzend Referenzaufnahmen.<br />
Wenn aber nun der 35-jährige<br />
Franzose Cédric Tiberghien sich dennoch<br />
nicht von so einem evergreen-album abhalten<br />
ließ, dann nur aus einem einzigen<br />
grund: er wollte, ja, er musste Chopin<br />
spielen. genau so und nichts anderes. Das<br />
hat Tiberghien aber nirgendwo in einem<br />
Marketing-Info oder im Booklet seiner<br />
Chopin-CD behauptet. Diese unbedingte<br />
Hin- und Zuwendung ist in jeder Minute<br />
seiner aufnahme dokumentiert.<br />
Selbstverständlich hält sich Tiberghien<br />
an alle Basistugenden, die Chopin so fordert.<br />
arabeske Leichtigkeit und konzentrierter<br />
ernst nebst einer Prise Schwerblütigkeit<br />
hier und lieblich Salonhaftem dort.<br />
Doch das ist eben nur die grundausstattung,<br />
mit der Tiberghien wie kein Zweiter<br />
seiner generation umzugehen weiß. Mit<br />
einer schon fast unheimlich wirkenden<br />
Subtilität macht er die Dreidimensionalität<br />
dieser Stücke durch und durch überdeutlich,<br />
ohne sich jemals kopflastig wie<br />
etwa ein Mikhail Pletnev oder apollinisch<br />
ritterlich wie Maurizio Pollini zu geben.<br />
und auf einmal erkennt und spürt man,<br />
dass Chopin nie etwas mit assoziativen<br />
Charakterstücken am Hut hatte, sondern<br />
Montserrat Caballé, shirley verrett, Plácido Domingo, sherrill Milnes, Ruggero Raimondi,<br />
Ambrosian opera Chorus, orchestra of the Royal opera House, Carlo Maria Giulini<br />
EMi 966 8502 (209 Min., aufgen. 8/1970)<br />
es gibt wohl nur wenige aufnahmen, die nicht nur in der allgemeinen Wahrnehmung, sondern<br />
auch von den beteiligten Künstlern noch Jahrzehnte danach als mustergültig eingeschätzt wer-<br />
den. einer dieser seltenen glücksfälle einer einspielung, bei der einfach alles stimmt, ist Carlo Ma-<br />
ria giulinis fünfaktiger »Don Carlo« aus dem Jahr 1970. Der Maestro, der sich zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits mehr oder weniger aus dem Operngeschäft zurückgezogen hatte, weil er der dort üblichen<br />
Intrigen überdrüssig war, scharte eine gruppe von jungen Sängern – alle in ihren Dreißigern – um<br />
sich, die er zu einem (man kann es nicht anders sagen) exquisiten ensemble verschmolz. Montserrat<br />
Caballé hält das endergebnis denn auch nicht wegen ihrer eigenen Leistung, sondern wegen des ausgezeichneten gesamtstandards<br />
für außergewöhnlich. Ähnlich äußert sich auch Plácido Domingo. Das ist umso bemerkenswerter, als alle<br />
fünf Hauptdarsteller hier in der Form ihres Lebens singen, für jeden ist es, wenn nicht die beste aufnahme, so zumindest<br />
eine aus dem Top-Trio.<br />
Die Caballé verbindet die Schönheit ihrer Stimme mit einer bei ihr keinesfalls selbstverständlichen gestalterischen Prägnanz<br />
und Intensität. Shirley Verrett ist eine vor Sinnlichkeit bebende, energiegeladene eboli mit fulminanter Höhe. Sherrill<br />
Milnes, der sonst gerne auch mal den kraftmeiernden Vokalcowboy gibt, ist nirgends differenzierter und betörender zu hören<br />
als hier. Ruggero Raimondi, wiewohl Jüngster im ensemble, lässt es als Filippo nicht an vokaler und interpretatorischer<br />
autorität mangeln. und auch Domingo in der Titelpartie sorgt für pure Wonne beim Hörer. Kurzum: fünf durchweg phantastische<br />
Sänger, die sich zu einem phänomenalen, wirklich einmaligen ensemble steigern. Michael Blümke<br />
sie finden einen Ausschnitt auf der beiliegenden<br />
RoNDo CD #43 Titel xx<br />
Klassik-Olymp #70<br />
1/2011 <strong>Rondo</strong>plus 5