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„Materialien zu Über Jungs“ [PDF-Datei - 888 KB] - GRIPS Theater

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»über jungs«Was beschäftigt die Jungen am meisten?Von Ceryl Bernard und Edit SchlafferDie Bereiche, die Jungen in der Adoleszenz die größten Probleme bereiten, können wir wie folgt <strong>zu</strong>sammenfassen: - Wirkung auf und Position in der Gruppe - Umgang mit körperlichen und emotionalen Veränderungen - Umgang mit dem anderen Geschlecht und der Geschlechtlichkeit an sich - Entwicklung von Werten und Zukunftsbildern Wirkung auf und Position in der Gruppe Wie wirke ich auf andere? Werde ich als hinreichend männlich wahrgenommen? Körpergröße und –kraft sollen <strong>zu</strong>mindest im Normbereich, lieber etwas drüber liegen. Ein anerkannter Platz in der Gruppe ist es-­senziell. Wer nicht als Führer akzeptiert wird, sucht eine andere Rolle, als Adjutant des Führers, als Führer einer Gegengruppe, als loyaler Mitläufer. Wer in der Schule gut ist, vermeidet den Ruf eines unsympath-­ischen Strebers, indem er andere abschauen lässt und lernt, sich nicht darum <strong>zu</strong> küm-­mern, indem er sich <strong>zu</strong>rückzieht und als schrullig betrachten lässt. Wer durch kör-­perliches Aussehen oder anderen Eigen-­schaften eine Außenseiterrolle einnimmt, profiliert sich als Clown oder erringt Respekt durch für irgendeine besondere Begabung, <strong>zu</strong>m Beispiel für verbalen Mut gegenüber Lehrern oder coolen Sprüchen. Das Gerangel um die Position und die Findung einer Zuweisung verschlingt sehr viel jugendliche Energie und Zeit und stellt eine hohe Priorität dar. Schulische Konflikte entstehen nicht selten, wenn die von <strong>zu</strong> Hause vorgesehene Rolle in der Schule nicht durchführbar ist. Niklas´ Vater ist Universitätsprofessor und ständig auf Tagungen und Symposien, er verbringt wenig Zeit mit der Familie, die neben Niklas auch noch die jüngere Schwester Lisa umfasst Niklas´ Mutter ist Hausfrau. Ihr Ehrgeiz und ihre Energie lenkt sie primär auf Niklas, auf den sie sehr stolz ist. Der stets höfliche, adrett gekleidete kleine Kavalier Niklas ist bei der Volks-­schullehrerin, einer älteren Dame, genauso ein Liebling wie <strong>zu</strong> Hause. Das ändert sich im Gymnasium. Hier herrschen rauere Sitten, Niklas ist nun nicht mehr das Musterkind seiner Klasse, sondern in Gefahr, als etwas lächerliche, verweichlichte Figur dem Spott einer aggressiven Jungenkategorie ausge-­setzt <strong>zu</strong> sein. Er erkennt dies schnell. Nach einigen Monaten des Leidens und Aus-­geschlossenseins gelingt es ihm, sich mit den zwei wildesten, frechsten Schülern in der Klasse an<strong>zu</strong>freunden. Um ihn <strong>zu</strong> akzeptieren, verlangen sie ihm Mutproben ab, die ihn bald in Konflikt mit den Lehrern bringen. Niklas´ Mutter ist entsetzt und fassungslos. Es dauert ein halbes Jahr, bis die Lehrer sie überhaupt davon überzeugen können, dass ihr Sohn in der Schule Probleme bereitet und nicht bloß das Opfer gemeiner Anschul-­digungen wurde. Ihre Besuche in der Schule und ihre Interventionen, ihre Verteidigung seines Verhaltens haben bei Niklas <strong>zu</strong>r Folge, in der Schule noch auffälliger <strong>zu</strong> werden, denn ihr häufiges Kommen und Gehen in den Sprechstunden ist ebenfalls Anlass für Spott in der Klasse, und er muss sich von ihr distanzieren. Niklas wird <strong>zu</strong> einem echten Problemkind. Manche Lehrer haben Ver-­ständnis für seine Situation, andere finden seine ständigen Störungen des Unterrichts ärgerlich und mögen ihn nicht. Es ist auch nicht leicht für ihn, ständige Enttäuschungen und das Unglück seiner Mutter <strong>zu</strong> spüren. Aber er sieht keinen Ausweg. Das Risiko, erneut von den dominanten Jungen der Klasse abgelehnt und gequält <strong>zu</strong> werden, ist einfach <strong>zu</strong> groß. Er muss sich ihnen anschließen, auch wenn es eigentlich seiner Persönlichkeit widerspricht und die Situ-­ation ihm schulische, soziale und private Probleme bereitet und ein Bruch in seiner Persönlichkeitsentwicklung darstellt. Dieser Fall, der aus unserer vierjährigen Beob-­achtung einer Schulklasse entnommen ist, stellt so etwas wie einen Archetyp dar. Abertausende Jungen befinden sich in derselben Situation wie Niklas. Von ihrer Veranlagung her sind sie eher ruhige, etwas introvertierte Persönlichkeiten, vielleicht mit einer künstlerischen Ader. Sie sind ver-­träglich, gescheit und zwischenmenschlich 47

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