Willy Eisenschitz - Kunsthandel Widder
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Hans Böhler<br />
Wien 1884 – 1961 Wien<br />
Akt, 1913, Bleistift auf Papier, 30 x 43 cm, monogrammiert HB<br />
Die Leistungen von Klimt und Schiele, von Hoffmann und Loos<br />
sind dank zahlreicher Großausstellungen und einer potenten<br />
Schar internationaler Sammler mittlerweile weltberühmt. Doch<br />
was die österreichische Kunst aus dem ersten Viertel unseres Jahrhunderts<br />
an Großem und Beständigem neben diesen Heroen zu<br />
bieten hat,wird noch immer nur teilweise zur Kenntnis genommen.<br />
Hans Böhler, Zeichner und Maler, Förderer und Sammler ist in<br />
diesem Zusammenhang zu bewerten.<br />
Nach einer frühen Phase, in der Böhler mit impressionistischen<br />
Techniken experimentiert und Einflüsse des Wiener Jugendstils<br />
verarbeitet, wendet er sich ab 1915 einer expressiven, von der<br />
Ausdruckskraft der Farbe bestimmten Malweise zu, wobei er der<br />
Zeichnung immer weniger Platz in seinem Werk einräumt. Im<br />
Frühwerk und vor allem während seiner langen Auslandsaufenthalte<br />
in China, entstehen jedoch hauptsächlich graphische<br />
Arbeiten. Unsere beiden Blätter, deren Linienführung die Auseinandersetzung<br />
mit der asiatischen Kunst ebenso zeigen wie die<br />
Verhaftung in der heimischen Kunstszene im Umfeld Klimts und<br />
Schieles, stammen aus dieser Zeit. Es sind virtuose Arbeiten,<br />
Zeichnungen aus einem Guss, ohne Nachbesserungen und<br />
Korrekturen. Da fließt jede Linie, da sitzt jeder Strich und da<br />
stimmt jede Verkürzung. Es ist ein gekonnter Linienschwung mit<br />
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dem Böhler den Moment erotischer Selbstvergessenheit festhält,<br />
zu Papier bringt, wie sich Körperliches wölbt und streckt, räkelt<br />
und kauert. Natürlich bietet er uns Gelegenheit zum frivolen<br />
Blick, doch fern exhibitionistischer Absicht. Denn das Modelzeichnen<br />
im Atelier ist im künstlerischen Schaffen eine Sache für<br />
sich. Es ist privater und es ist von Stimmungen und Angeregtheit<br />
abhängig. Es sind Situationen von Blöße und Verhüllung, ein<br />
Festhalten des Augenblicklichen. Auch für Böhler spielt dabei<br />
das erotische Flair eine wichtige Rolle. Zeichnend wird vereinnahmt,<br />
was es zu schauen gilt. Wie bei Klimt ist bei Böhler alles<br />
aus Linie und Linienfluss entwickelt. Zeichnen ist ihm ein lustvolles<br />
Unterfangen, ein Erschmecken und Auskosten.Auch darin<br />
ganz und gar Zeichner, bezeugt er außerordentliche Sensibilität<br />
und all das wofür bei ihm und seiner Generation Zeichnen<br />
dafürsteht.<br />
Hans Böhler, einer begüterten Industriellenfamilie entstammend,<br />
besuchte in Wien die Malschule Jaschke und kurzzeitig auch die<br />
Akademie. Früh geriet er unter den Einfluss der Secession, wo er<br />
1908 erstmals ausstellte. Seit 1909 Mitglied der Neukunstgruppe<br />
unterhielt er enge Kontakte zu Klimt und Schiele, die er zugleich<br />
durch Aufträge und Ankäufe förderte. Mehrmonatige Studienreisen<br />
führten in 1910/11 nach Russland, Japan und China, 1913/14 nach<br />
Südamerika und in die USA wohin er 1936 übersiedelte. 1929 erschien<br />
vom Schiele-Förderer Arthur Rössler eine erste Monographie<br />
über Böhler, der etliche weitere Publikationen und Ausstellungen<br />
folgten. 1934 wurde er Mitglied der Wiener Secession, die ihm<br />
1950 eine große Ausstellung widmete. Nach seinem Tod 1961 kam<br />
es zu zahlreichen Retrospektiven, u.a. in London, Wien und<br />
München.<br />
Literatur: Martin Suppan: Hans Böhler. Leben und Werke, Wien<br />
1990; Österreichische Galerie (Hg.): Hans Böhler, 1884 – 1961,<br />
Salzburg 1981; Wolfgang Ketterer: Hans Böhler, Graphische Arbeiten,<br />
München; Arthur Rössler: Hans Böhler, Wien 1929<br />
Hans Böhler<br />
Wien 1884 – 1961 Wien<br />
Akt, 1914, Bleistift auf Papier, 30 x 43 cm , monogrammiert HB<br />
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