Willy Eisenschitz - Kunsthandel Widder
Willy Eisenschitz - Kunsthandel Widder
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Jakob Gauermann<br />
Öffingen 1773 – 1843 Wien<br />
„In der Natur gibt es Scenen, die einen in ihrer Großartigkeit<br />
oder Schönheit wegen ergreifen, entzücken, z.B. im Gebirge,<br />
manchmal Felsparthien, reine große strömende Bäche, Wasserfälle,<br />
Gruppen alter großer Bäume usw. Dann Aussichten von<br />
Bergen über weite Strecken mit Dörfern, Bergschlösser, Flüsse,<br />
Seen, bebaute Gefilde und waldige Berge und Wiesen usw. Das<br />
was in der Natur gefällt, gefällt gewöhnlich auch in der Kunst;<br />
und diese Wirkungen, die das Großartige und Schöne in der<br />
Natur in uns erweckt, dies soll der Landschaftsmaler trachten<br />
durch seine Kunst in uns ebenfalls zu beleben.“ schreibt Jakob<br />
Gauermann programmatisch in sein Tagebuch.<br />
Was Gauermann uns mit vorliegender intimer Genredarstellung<br />
darbietet, exemplifiziert geradezu diese Kunstauffassung. Eine<br />
figurale Szene eines flötenspielenden Ziegenhirten bildet den<br />
Mittelpunkt der Darstellung. Umringt von zwei Bauernmädchen<br />
und einem Knaben hat sich eine Ziege zum Kreis der Vier gesellt<br />
und scheint andächtig der Musik zu lauschen. Etwas unaufmerksamer<br />
knabbert eine zweite von den Zweigen der Eichen,<br />
die die Gruppe beschatten. Zur rechten fließt sanft ein Waldbach<br />
vorbei, der von einer dunklen Felswand begrenzt wird. Dahinter<br />
sieht man ein kleines Haus, welches die beiden Figuren ansteuern,<br />
die sich klein am linken Bildrand ausmachen lassen. Im<br />
dichtbewaldeten Hintergrund erhebt sich ein Bergmassiv, das<br />
wohl der Kompositionsgabe des Künstlers zu verdanken ist.<br />
Höchstwahrscheinlich ist die Gegend um Miesenbach die eindrucksvolle<br />
Kulisse für vorliegende Szene. Denn dort besitzt<br />
Gauermann ein Haus und dort verbringt er auch zahlreiche<br />
Sommer. Die Schönheit der niederösterreichischen Landschaft<br />
bietet ihm Erholung und ist ihm zugleich Inspirationsquelle.<br />
Hier schöpft er Kraft und Energie, unternimmt ausgedehnte<br />
Wanderungen und ist bestrebt, die Schönheit der waldreichen<br />
Umgebung künstlerisch zu erfassen.<br />
Dabei ist ihm nicht eine möglichst realistische Wiedergabe das<br />
Anliegen, vielmehr bildet die Natur die Vorlage, die er seinen Vorstellungen<br />
gemäß zu einer idealen Landschaft gestaltet. Gerade<br />
aber das erdverbundene Landleben sensibilisiert Gauermann<br />
wiederum für eine realistischere Landschaftsauffassung, deren<br />
Ziel es ist, auch die „Wahrheit“ der Natur künstlerisch fassbar<br />
zu machen und sich vom vorherrschenden klassizistischen<br />
Denken, der Kombination von Schönheitselementen, zu lösen.<br />
„So entstand eine Landschaftskunst, deren Grundprinzip forderte<br />
halb Naturwahrheit, halb Erfindung zu sein, um, so drückt es<br />
Gauermann öfters aus, in ihrer Überwirklichkeit Anteil an einer<br />
höheren, also dem Geheimnis des Göttlichen näheren, Wahrheit<br />
zu gewinnen.“ Mit dieser Feststellung bringt Walter Koschatzky,<br />
der Kenner von Gauermanns Werk, pointiert zum Ausdruck<br />
worin den Reiz seiner Malerei liegt. Wer dies schätzt, wer nachvollzieht<br />
was Gauermann in Zeiten des künstlerischen Umbruchs<br />
hervorbringt, wird sicherlich auch seine Freude am vorliegenden<br />
Werk dieses Künstlers haben.<br />
Als Sohn eines Tischlers absolvierte Jakob Gauermann zunächst<br />
eine Steinhauerlehre, wo er jedoch bald durch sein Zeichentalent<br />
auffiel. 1788 – 91 wurde ihm durch ein Stipendium Herzog Karls<br />
von Württemberg ein Studium an der renommierten Stuttgarter<br />
Akademie ermöglicht. 1798 gelangte der Künstler nach Wien, wo<br />
er anfangs mit Zeichenunterricht und Radierungen seinen Lebensunterhalt<br />
bestritt. 1802 bereiste Gauermann mit Martin von<br />
Molitor die Alpen, um Aquarellvorlagen für Mappenwerke mit<br />
Karten und Kupferstichen anzufertigen. Bald wurde der Künstler<br />
für das große topographische Werk „Voyages pittoresques en<br />
Autriche“ engagiert und zählte bereits wenig später zu den Begleitern<br />
Erzherzogs Johanns, an dessen Programm zur systematischen<br />
Erfassung der Steiermark er mitwirkte. 1818 wurde Jakob<br />
Gauermann zum Kammermaler des Erzherzogs ernannt. Nach<br />
einem erfüllten künstlerischen Leben voller Anerkennung zog sich<br />
der gebildete und literarisch engagierte Maler nach 1830 immer<br />
mehr auf seinen Landsitz bei Miesenbach zurück, wo er sein künstlerisches<br />
Wissen an seinen Sohn Friedrich weitervermittelte.<br />
Literatur: Eva Marko: Jakob Gauermann (1773 – 1843) Leben<br />
und Werk, Dissertation, Wien 1980; Walter Koschatzky: Jakob<br />
Gauermann und seine Zeit, in: Katalog zur Biedermeierausstellung<br />
Friedrich Gauermann und seine Zeit, Wien 1962; Walter<br />
Koschatzky: Kammermaler Jakob Gauermann, in: Die Kammermaler<br />
um Erzherzog Johann. Ausstellungskatalog des Johanneums,<br />
Graz 1959; Rupert Feuchtmüller: Gauermann Museum,<br />
Miesenbach Scheuchenstein, Miesenbach 1976<br />
Jakob Gauermann<br />
Öffingen 1773 – 1843 Wien<br />
Flötenspielender Ziegenhirte, um 1816, Öl auf Holz, 31,5 x 31,5 cm, signiert J Gauermann Wien,<br />
unleserlich datiert, verzeichnet in Eva Marko: Jakob Gauermann, Diss. Wien 1980, S. 316, Wvz. Nr. 647<br />
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