TitelthemaUmsetzung der UN-Konvention:Öffnung der Förderschule für alleText: Christine AllgeyerFotos: Juliane ZitzlspergerFast eine Premiere in Bayern: Ein Förderzentrum öffnet sich für nichtbehinderte Kinder. Die St.-Wolfgang-Schule der <strong>KJF</strong> in Straubing bietetnach Nürnberg die dritte Klasse Bayerns an, in der behinderte undnicht behinderte Kinder gemeinsam lernen. Bewegung kommt in dieStrukturen vor Ort, in Schulen und Behörden. Das Recht behinderterMenschen auf Inklusion gerade auch in der Bildung macht einen großenSchritt nach vorn, ein entscheidender Grundstein für das eigeneSelbstverständnis und den späteren Lebensweg wird gelegt.Ab dem Schuljahr 2011/12 werden sich Kinder ausStraubinger Regelschulen in der Bildungsstätte St.Wolfgang etablieren. Das hänge entscheidend damitzusammen, dass sich das Förderzentrum mit Förderschwerpunktgeistige Entwicklung schon seit Jahrenmit Regelschulen vernetze, ist sich Gesamtleiter JohannListl sicher: „Derzeit sind es vier Partnerklassenin drei Grundschulen und eine Klasse in der Mittelschule.“Das neue BayEUG weist ausdrücklich daraufhin, dass Inklusion auf schulischer Ebene nicht nurvon der Förderschule in die Regelschule, sondernauch umgekehrt erfolgen soll. „Genau das machenwir jetzt“, freut sich Listl, der auf die gewachsenenStrukturen und Kontakte zum Sachaufwandsträger,der Stadt Straubing, und dem zuständigen Schulamtbauen konnte, um das Vorhaben auf den Wegzu bringen.„Wir haben in der sonderpädagogischen Förderungeine hohe Qualität erreicht. Dieses Niveau musserhalten bleiben und darf nicht durch schnelle Dezentralisierungsschritteverwässert werden“, führtder Leiter von St. Wolfgang weiter aus. Die Förderzentrensind Kompetenzzentren, sie zu öffnen seider Ressourcen schonendere Schritt. Eine personelleMehrung in den Förderzentren zum weiteren Ausbauder Partnerklassen – das sind Klassen behinderterKinder, die an Regelschulen zum Teil gemeinsammit nicht behinderten Kindern unterrichtet werden– sei nicht zu erwarten. Nach wie vor sollten diesejedoch weiter bestehen.„Unser Schritt ist der richtige: Die Kompetenzen dortzu lassen, wo sie bereits vorhanden sind“, betontListl. Die gegenseitige Vernetzung und Öffnung vonFörderzentrum und Regelschule sei der richtige Wegzur ‚Schule für alle’. Überall dort, wo unsere Kindermiteinander lernen und den Schulalltag gestalten,wird Inklusion zur Selbstverständlichkeit.“18Kontakte 1/2011
TitelthemaDie Inklusionsklasse steht schon fastBereits zwölf Eltern haben ihre Kinder in der Inklusionsklassein St. Wolfgang angemeldet, berichtetKonrektorin Marianne Welsch. Gemeinsam mitsechs Schulanfängern „geistige Entwicklung“ besuchensie ab Herbst die erste Klasse. Weitere dreiKinder fehlen noch. Marianne Welsch zeigt sich aberzuversichtlich, da aus der kooperierenden SprengelschuleSt. Jakob sicher noch weitere Kinder dazukämen.Endlich wird Wirklichkeit, was schon so viele Jahreangedacht und geplant worden war. Es gäbe bereitsAnmeldungen für das Schuljahr 2012/13, so Welsch.Neun Eltern nicht behinderter Kinder, davon sechsaus dem Integrativen Kindergarten in St. Wolfgang,nehmen das Angebot gerne wahr. Dies darf alle darinbestätigen, dass die Bemühungen, die Kindergemeinsam zu erziehen, zu fördern und zu unterrichten,erfolgreich waren und den Eltern geholfenhaben, sich für die Inklusionsklasse zu entscheiden.Zwei Infoabende mit Führung richteten sich sprengelübergreifendan die Eltern – und überzeugten. Eingemeinsamer Spielenachmittag setzte den Anfangfür ein gutes Miteinander. Die neue Lehrerin UteSchiewe wurde bereits von Schulrat Johannes Mülleran der Bildungsstätte St. Wolfgang vorgestellt.„Dieser Weg liegt mir schon lange am Herzen. Alsich davon gehört habe, dass er nun eingeschlagenwird, habe ich mich dafür sofort beworben. Ich glaube,dass wir damit in die richtige Richtung gehen!“Grundschüler profitieren enormIn der Inklusionsklasse werden zusätzliche sozialeKompetenzen vermittelt und die unterschiedlichenLernvoraussetzungen aller Kinder berücksichtigt.Sie lernen in offenen, differenzierten Unterrichtsformen,in Partner-, Gruppen- und Einzelarbeit. Außerdemsteht fächerübergreifendes Projektlernen aufdem Plan. Die Eltern beteiligen sich am Schulleben,auf Wunsch können die Grundschüler am pädagogischgestalteten Ganztagsangebot teilnehmen.Die Öffnung der Bildungsstätte St. Wolfgang ergänztdas in der Vergangenheit ausdifferenzierteIntegrationsangebot auf einer neuen Stufe der Kooperation.Mit einem hohen Anteil gemeinsamenUnterrichts in enger Zusammenarbeit aller Beteiligten,der Pädagogen, Kinder, Eltern und Schulen wollensich die Fachkräfte dem in der UN-KonventionArt. 24 geforderten Ziel einer „Schule für alle“ weiterannähern, so dass Barrieren für das Lernen und dieTeilhabe an der Gesellschaft abgebaut werden.„Bei Inklusion in der Bildung geht es nicht darum,ob ein Kind in eine bestimmte Schule passt.Schule muss von vorneherein so beauftragtund gestaltet sein, dass sie auf die ErziehungsundBildungsbedürfnisse aller Kinderund Jugendlichen kompetent eingeht.“Maria Welsch zur Öffnung des Förderzentrums:„In der Diskussion um eine ‚Schule für alle‘ hat sichschnell gezeigt, dass es notwendig ist, über das bisherigeLeitziel der Integration hinaus weiter zu dem derInklusion zu gehen. Mit dem Begriff der Integrationist heute die Forderung verbunden, die ErziehungsundBildungsbedürfnisse wie die spezifischen ‚Förderbedarfe’aller als behindert bzw. nicht behindertgeltenden Schüler in gemeinsamen Lernprozessen ineiner ‚Schule für alle’ zu erfüllen. Das Konzept Inklusiongeht insofern über Integration hinaus, als hiernicht mehr zur Entscheidung ansteht, ob ein Kind ineine bestimmte Schule hineinpasst, sondern Schulevon vornherein so beauftragt und gestaltet wird, aufdie Erziehungs- und Bildungsbedürfnisse aller Kinderund Jugendlichen kompetent einzugehen, auchderer, die aus unterschiedlichen Gründen besondererUnterstützung bedürfen: als ‚Schule für alle‘Wir sehen die Öffnung der Förderschulen und dieUmsetzung kooperativer und integrativer Formengemeinsamen Lernens als pädagogisch und bildungspolitischwichtigen und notwendigen Beitrag,um die Forderungen der UN-Konvention umzusetzen,wobei ohne Einschränkungen sicherzustellenist, dass die Qualität der Förderung aller Kinder unbedingterhalten bleibt.“Die Bildungsstätte St. Wolfgang ist eine interdisziplinäreBildungseinrichtung, die sich um Kinderund Jugendliche, die geistig beeinträchtigt odervon geistiger Behinderung bedroht sind, sorgt undsie fördert. Die Bildungsstätte umfasst folgendeBereiche:• Interdisziplinäre Frühförderstelle (IFS)• Integrativer Kindergarten• Schulvorbereitende Einrichtung (SVE)• Förderzentrum mit dem Förderschwerpunktgeistige Entwicklung (Schule/FZ GE)• Tagesstätte (TS)• Therapie• NardiniheimKontakte 1/2011 19