24Peter Neuner3.2 <strong>Die</strong> Reformatoren und das Konzil <strong>von</strong> Trient3.2.1 LutherIn der Reformation wurden, jedenfalls <strong>von</strong> Luther, <strong>die</strong> Taufe und ihre Gültigkeitnicht grundsätzlich infrage gestellt. 12 Kritik entstand im Kontext der allgemeinenSakramentenlehre, wo <strong>die</strong> Vorstellung <strong>von</strong> einem opus operatum als magischzurückgewiesen wurde, so als ob <strong>die</strong> Taufe auch ohne Glauben wirken und denMenschen <strong>von</strong> der Erbsünde reinigen würde. Demgegenüber betonte Luther denGlauben als konstitutives Element der Taufe. <strong>Die</strong> Verheißung Gottes besteht in derZusage, <strong>die</strong> Sünde zu vergeben, den alten Menschen zu ersäufen und ihn inReinheit auferstehen zu lassen. <strong>Die</strong>se Zusage wendet sich an den Glauben, derneben dem Wasser zum Taufgeschehen selbst gehört. Unser ganzes Leben mussein geistliches Taufen sein, der Mensch muss täglich der Sünde absterben undGott sichert ihm zu, <strong>die</strong> Sünde auch nach der Taufe zu vergeben. Zum Taufsakramentgehören das Zeichen, also das Wasser, das Wort, also <strong>die</strong> Taufformel undGottes Befehl. Luther trat leidenschaftlich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Säuglingstaufe ein. Gott selbstwirkt den Glauben, den er als fi<strong>des</strong> infusa auch dem Säugling verleiht. Mit <strong>die</strong>semArgument aus der Tradition <strong>des</strong> spätmittelalterlichen Nominalismus begründetLuther, dass auch der Unmündige glauben kann. <strong>Die</strong> fi<strong>des</strong> infantium ist identischmit dem Angeredetsein durch das Wort Gottes und darin donum Dei. Insofernerfolgt <strong>die</strong> Taufe auf den Glauben hin, der <strong>von</strong> Gott gewirkt ist und den derMensch in seinem Leben nachvollziehen kann und soll. Der Evangelische Erwachsenenkatechismusfasst zusammen, „dass der Glaube auf der Taufe ruht undnicht <strong>die</strong> Taufe auf dem Glauben“. 13 In der Säuglingstaufe gewinnt <strong>die</strong> Lehre <strong>von</strong>der Rechtfertigung ihre höchste Zuspitzung: Gott schenkt das Heil ohne unsereVorleistung. Alles andere wäre <strong>für</strong> Luther pelagianisch oder semipelagianisch. DerGedanke der Initiation in <strong>die</strong> Kirche spielt bei Luther eine eher untergeordneteRolle, im Zentrum steht <strong>die</strong> promissio <strong>des</strong> Heils vor dem Hintergrund der Lehre<strong>von</strong> der Erbsünde. Insgesamt hat Luther <strong>die</strong> Tauflehre ungebrochen weitergeführt,allerdings <strong>die</strong> Firmung nicht als Sakrament verstanden. In der Taufe erfolgt <strong>die</strong>volle Gnadenwirkung und Geistmitteilung.3.2.2 <strong>Die</strong> reformierte TauflehreZwingli hält im Gegensatz zu Luther <strong>die</strong> überkommene Sakramentenpraxis <strong>für</strong>Magie und Zauberei. Er versteht <strong>die</strong> Taufe als Pflichtzeichen, ähnlich dem Abzeichen<strong>des</strong> eidgenössischen Heeres, das den Christen als Soldaten Christi ausweist.Im Empfang der Taufe verpflichtet sich der zum Glauben Gekommene zu Umkehrund zu einem Leben nach der Regel Christi. Taufe ist Bekenntnis- und Verpflichtungsakt<strong>des</strong> Menschen, nicht – oder jedenfalls nicht primär – Handeln Gottes amMenschen. An <strong>die</strong>ser Stelle sieht Schlink den eigentlichen Differenzpunkt in der⎯⎯⎯⎯⎯⎯12 Siehe hierzu M. Hardt, <strong>Die</strong> Taufe in der ökumenischen Diskussion, in: Chr. Böttigheimer / H. Filser(Hg.), Kircheneinheit und Weltverantwortung. FS P. Neuner, Regensburg 2006, 593-616.13 Evangelischer Erwachsenenkatechismus, Gütersloh 5 1989, 1063.
Ekklesiologische Implikationen der TaufeLehre <strong>von</strong> der Taufe: Auf der einen Seite verstehen <strong>die</strong> Ostkirchen, <strong>die</strong> katholischeKirche, Luther und weithin auch Calvin <strong>die</strong> Taufe als Handeln Gottes am Menschen.Auf der anderen Seite stehen Zwingli und in seinem Gefolge <strong>die</strong> Täufer,bei denen <strong>die</strong> Taufe als Bekenntnisakt <strong>des</strong> Menschen verstanden wird. Handeln<strong>des</strong>Subjekt ist hier der Mensch, der sich im Glauben <strong>für</strong> ein Leben nach demGebot Christi in einer konkreten christlichen Gemeinde entscheidet. Hier wird <strong>die</strong>Taufe vor allem als Entscheidung <strong>des</strong> Menschen gedeutet. Zu einer solchen Entscheidungist naturgemäß der Unmündige nicht fähig, so dass in <strong>die</strong>ser Tradition<strong>die</strong> Säuglingstaufe eigentlich ausgeschlossen sein müsste. <strong>Die</strong> Täufer haben <strong>die</strong>Konsequenz aus Zwinglis Ansatz gezogen und oft bis zum Martyrium durchgehalten.Zwingli selbst jedoch hat an der Kindertaufe festgehalten. Nach heutiger Interpretationwar <strong>die</strong>se Entscheidung bestimmt durch sein Kirchenverständnis.Durch <strong>die</strong> Abschaffung der Kindertaufe wäre <strong>die</strong> überkommene Einheit <strong>von</strong> Christengemeindeund Bürgergemeinde aufgelöst worden, an der er unbedingt festhaltenwollte. Zürich als Bürgergemeinde sollte <strong>die</strong> <strong>von</strong> Zwingli verkündete Botschaft<strong>des</strong> Evangeliums annehmen, nicht eine Minderheit derer, <strong>die</strong> sich individuell dazuentschieden. Letztlich war es nicht eine Frage <strong>des</strong> rechten Taufverständnisses, <strong>die</strong>ihn dazu veranlasste, <strong>die</strong> Kindertaufe zu verteidigen, sondern <strong>die</strong> darin implizierteEkklesiologie. Taufe ist Bekenntnis zum Glauben und <strong>die</strong> öffentliche Aufnahme indas Gottesvolk, <strong>des</strong>halb darf sie nur vor versammelter Gemeinde stattfinden.Calvin steht in seiner Tauflehre zwischen den Positionen Zwinglis und Luthers.Der Taufakt und das Taufwasser sind Bilder, der Gnadenempfang, der mit derTaufe zugesagt wird, ist nicht an <strong>die</strong> Taufe allein gebunden, <strong>die</strong> Taufe also nichtim strengen Sinne heilsnotwendig. Das Heil wird durch den Glauben, nicht durch<strong>die</strong> Taufe geschenkt, darum soll es auch keine Nottaufen geben. Aber Gott wollteseine Gnadengabe mit dem Taufakt verbinden, <strong>des</strong>wegen soll aus göttlichemGebot <strong>die</strong> Taufe gespendet werden, in der Gott sich dem Menschen zusagt undder Mensch seinen Glauben bekennt. <strong>Die</strong> Taufe „ist ein Merkzeichen, mit demwir öffentlich bekennen, dass wir zum Volk Gottes gerechnet werden wollen“. 14Sie besiegelt den Gnadenbund, dem ein Kind christlicher Eltern schon <strong>von</strong> seinerGeburt her angehört. Aber Gott hat sich <strong>die</strong>sem Zeichen verbunden, so dass beiCalvin dann doch festgehalten wird, dass Gott der Handelnde ist, das Bekenntnis<strong>des</strong> Menschen erscheint als <strong>die</strong> Antwort in einem dialogischen Geschehen. InCalvins Institutio nimmt <strong>die</strong> Verteidigung der Kindertaufe einen breiten Raum ein.<strong>Die</strong>s ist wohl ebenfalls nicht durch <strong>die</strong> Lehre <strong>von</strong> der Taufe begründet, sondern inseinem Kirchenverständnis. Kirche ist bestimmt durch <strong>die</strong> Identität <strong>von</strong> Altem undNeuem Bund. So wie im Alten Bund Knaben am achten Tag nach der Geburtbeschnitten und dadurch in <strong>die</strong> Gemeinschaft <strong>des</strong> Volkes Gottes aufgenommenwurden, so sollen jetzt <strong>die</strong> Kinder vor einer eigenen Entscheidung der christlichenGemeinde eingefügt werden. <strong>Die</strong> Kindertaufe wird damit begründet, „dass <strong>die</strong>Kinder christlicher Eltern bereits Glieder <strong>des</strong> Gottesvolks, wiedergeboren undgeheiligt sind“. 15 Darum darf ihnen <strong>die</strong> Taufe als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zur⎯⎯⎯⎯⎯⎯14 J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion. Institutio christianae religionis. Nach d. letztenAusg. übers. u. bearb. v. O. Weber, Neukirchen-Vluyn 5 1988, IV 15,13.15 E. Schlink (Anm. 10), 130.25