– 36 –Wagner in FarbeBei Richard Wagner an Farben zu denken, drängt sich zunächst nichtunmittelbar auf. Zwar hat er mit seinem ästhetischen Konzept des Gesamtkunstwerkesexplizit auch das Visuelle, also die Bildende Kunst imVisier, doch wie er selbst über Farben dachte, welche er bevorzugte undwie er mit Farben in seiner Umgebung umging, erschließt sich erst nachdetailliertem Studium der zur Verfügung stehenden schriftlichen Zeugnisse.Wagner hat uns nichts Ausführliches über Energie und Glück derFarben hinterlassen, wie etwa Baudelaire, Nietzsche, Rimbaud oderStendhal. Weit vorher erfunden, beschränkte sich die angewandte Fotografienoch bis in die 1930er Jahre auf monochrome Verfahren. 1 So sinduns ausschließlich auch nur solche fotografischen Bildnisse Wagnersüberliefert. Es gibt aber durchaus andere Möglichkeiten, sich dem ThemaFarben bei Wagner zu nähern: einerseits über gemalte Porträts und gemalteInnenansichten von Wagners Wohnungen und Häusern, andererseitsüber schriftliche oder mündliche Äußerungen, die vom „Meister“überliefert sind. Zu unterscheiden ist zwischen den Kleidern, die er trug,und der Einrichtung seiner Wohnräume, sofern etwas darüber bekanntist. Da im 19. Jahrhundert gemäß bürgerlicher Sitte farbige Tapeten verwendetwurden, ist dieser Aspekt recht aussagefähig. Es gilt gleichwohlder Frage nachzugehen: Sind – hier wie da – bei Wagner Präferenzenauszumachen, oder gilt das Prinzip „bunt gemischt“?Erste Hinweise liefern die wenigen gemalten Porträts, die von Wagnerüberliefert sind. Allerdings scheinen bei diesen die Farben kaum Beachtungzu finden, jedenfalls widmet sich die einschlägige Wagner-Ikonographie2 , wenn überhaupt, dann rein deskriptiv diesem Thema. Die erstebekannte Farbabbildung ist ein Aquarell, das Clementine Stockar-Escher1853 in Zürich angefertigt hat. Auffallend ist im Bildaufbau die fahle,blau-türkise Farbe des Zürichsees im Hintergrund, die von dem eher kleinerscheinenden blauen Sessel aufgenommen ist, auf dem Wagner sitzt.Die Farbigkeit von dessen Kleidern ist hingegen zurückhaltend und beschränktsich auf dezente rot- und grau-braune Töne. „Wie steht es umdie schöne Schweiz? Ist der See noch so licht grün und blau?“, poetisierteer in einem Brief an Mathilde Wesendonck vom 28. Juni 1863, 3 undtatsächlich erscheinen diese Farben bei Wagner zuweilen in Briefen zurpräziseren Umschreibung von Landschaften und Meer.Differenzierter Auskunft zu Wagners Kleidervorlieben gibt das Porträtvon Cäsar Willich, ein 1862 in Biebrich im Auftrag Otto Wesendoncksgemaltes Ölbild (Abb. 1). Wagner ist dargestellt in einem dunkelgrünenSchlafrock, zu welchem er festhält: „Willich malt. Er traf mich an einemkalten Julimorgen in meinem alten venezianischen Sammetschlafrock:und will nun, des Effekts willen, durchaus nicht aufgeben, mich in dieserTracht zu malen.“ 4 Der Schlafrock ist zweifellos ein intimes persönlichesKleidungsstück, in dem Wagner dem Maler Modell saß. Trotzdem wirkt derKomponist dank dem vornehmen, dunkelgrünen Stoff mit rostbraunemPelzbesatz seltsam gekünstelt und von aristokratischer Aura, fast wie einRenaissance-Fürst. 5 Einen im Verhältnis geradezu wuchtigen Farbtupferergibt die rote, wallende Schleife, die auf Willichs Gemälde Wagners Kopfumspielt. Es ist das bunteste, farbenkräftigste Porträt, das vom Komponistenbekannt ist.Das umstrittene Gemälde, das Richard Wagner Ende 1864 für König LudwigII. von Bayern von Friedrich Pecht in München malen ließ, gibtweitere Hinweise zum Thema. Das im Atelier gemalte Ölbild ist wieder in
zumeist dunklen Farben gehalten, im Hintergrund zu sehen ist ein dunkelgrüner,samtener Plüschvorhang mit goldbesticktem Besatz, in denTonwerten dem venezianischen Schlafrock des Willich-Bildes verblüffendähnlich. Aber auch Pecht gibt in seiner Darstellung keinerlei üppige Farbigkeitpreis. Der dunkle Galerieton der Münchner Schule mag mit zudieser Darstellungs<strong>art</strong> beigetragen haben. Diese Deutung stützt das berühmtgewordene Ölbild von Auguste Renoir, der Wagner am 15. Januar1882 in einer nur 35-minütigen Sitzung in Palermo malen durfte. 6 Eineinteressante Episode, dass der deutsche Komponist ausgerechnet einemFranzosen Modell saß, zumal Wagner von Renoir und der Kunst der französischenImpressionisten, die auf Schwarz und erdige Farbtöne zugunstenstarker Farbigkeit verzichteten, keine Ahnung hatte. 7 Auch in RenoirsBild trägt der Porträtierte eine Kleidung wie bei Willich und Pecht,zu erkennen ist ein dunkelgrüner Mantel mit braun-rotem Pelzbesatz unddunkler Schleife. Umso mehr wird der Betrachter angezogen von demrosigen Gesicht Wagners und den verkniffenen Augen, aber auch von derFarbigkeit des Hintergrundes. Hier herrschen die Farben Lila und Rosavor, was dem Porträtierten ein seltsam schillerndes Äußeres verleiht. Dasim Musée d’Orsay aufbewahrte Gemälde wird von Cosima als „sehr wunderliches,blau-rosiges Ergebnis“ bezeichnet. 8Dunkles, samtiges Grün und Rosa bis Rot, das sind also Farben, die sichbei den Porträts am ehesten Bahn brechen. Tatsächlich kommt die FarbeGrün auch in Wagners persönlicher Umgebung immer wieder vor. So berichteter Eliza Wille 1858, dass sein Schlafzimmer in Venedig, wo er sichnach der Abreise aus Zürich aufhielt, grün sei. 9 Und ein Jahr späterbeichtet er Mathilde Wesendonck aus Luzern: „Aber nun komme ich mitnoch etwas, nur sagen Sie um des Himmels Willen Wesendonck nichtsdavon. – Ich führe meine Decken und Betten mit mir – ich verwöhnterMensch! – Die seidenen Ueberzüge sehen aber so fürchterlich schmutzigaus, dass ich mich vor dem Stubenmädchen schäme. Sehen Sie dochgelegentlich zu, ob Sie in Zürich Stoff dazu vorräthig finden; sie warengrün, könnten zur Noth aber auch roth werden, wie das Laub im Herbstes wird.“ 10 In dieser Zeit scheint Grün ein wichtiger Bestandteil vonWagners Wohnwelt gewesen zu sein, jedenfalls erscheint die Farbe auchin Tribschen, wo der umtriebige und permanent umgetriebene Komponistab 1866 für sieben Jahre sesshaft wurde. Er baute das herrschaftlicheHaus am Vierwaldstädtersee nach seinem Gusto um und richtete dort eingrünes Zimmer ein, wie er König Ludwig II. von Bayern schrieb: „Um 1Uhr ruft mich dann Jacob zu Tisch. Da verlasse ich denn mein Pult in dergrünen Arbeitsstube. Dieses ist ein merkwürdiges, durch den von mirunternommenen Umbau der ganzen Wohnung neugewonnenes kleinesZimmer.“ 11 Noch heute steht der Sessel, auf dem Wagner einst in Tribschenmit seinem Töchterchen Eva auf dem Arm von Jules Bonnet fotografiertworden war, im Wagner-Museum bei Luzern. Auch dieser Sesselist von einem dunklen Grün ähnlich Willichs Gemälde und Pechts Hintergrundund mit feinen, bunten Blumen besetzt (Abb. 2). In Tribschen gabes genau wie später in Wahnfried auch einen Salon mit Orange-Tapete.12Wagner legte viel Wert auf die Ausstattung seiner Wohnräume, etlicheDetails dazu kennen wir dank Bertha Goldwag, einer Putzmacherin, diejahrelang in Wagners Diensten stand. Sie richtete dem Komponisten dreiWohnungen ein: in Penzing bei Wien, im Haus an der Briennerstraße inMünchen und in Tribschen bei Luzern. In jedem dieser Domizile hatte siedie Aufgabe, nach Wagners Anweisungen ein geheimes Kabinett einzu-– 37 –
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