vorratSdatenSPeiCherung„Im Ergebnis muss jedoch einStandard gewährleistet werden, derunter spezifischer Berücksichtigungder Besonderheiten der durch einevorsorgliche Tele kommunikationsverkehrs daten speicherung geschaffenenDaten bestände ein besondershohes Maß an Sicherheit gewährleistet.Dabei ist sicherzustellen, dasssich dieser Standard […] an demEntwicklungsstand der Fachdiskussionorientiert und neue Erkenntnisse undEinsichten fortlaufend aufnimmt.Entsprechend ist vorzusehen, dassdie speicherpflichtigen Unternehmen- zum Beispiel auf der Grundlagevon in regelmäßigen Abständen zuerneuernden Sicherheitskonzepten- ihre Maßnahmen hieran nachprüfbaranpassen müssen. DasGefährdungspotential, das sich aus denin Frage stehenden Datenbeständenergibt, erlaubt es nicht, die beschriebenenSicherheitsanforderungen einerfreien Abwägung mit allgemeinenwirtschaftlichen Gesichtspunkten zuunterwerfen.“ (Abs. 224)Richter als IT-SpezialistenDas Bundesverfassungsgericht schlägtdem Gesetzgeber vor, den speicherndenStellen folgende Daten sicherheitsmaßnahmengesetzlich vorzuschreiben:• separate Speicherung der anlasslosgespeicherten Daten• asymmetrische Verschlüsselung mitgetrennt aufbewahrten Schlüsseln• gesichertes Zugriffsregime unterNutzung etwa des Vier-Augen-Prinzips• revisionssichere Protokollierung vonDatenzugriffen und DatenlöschungDie Einhaltung der in der Anlage zu§ 9 Bundesdatenschutzgesetz genannten„acht Gebote der Datensicherheit“ lässtdas Bundesverfassungsgericht nicht ausreichen.Die Vorschrift sei zu abstraktund zu allgemein, als dass sie die notwendigenhohen Sicherheitsstandardsgewährleisten könne.Transparenz,Rechtsschutz, SanktionenZusätzlich zu diesen technischenMaßnahmen fordert das Bun desverfassungsgerichtwirksame Transparenzregeln,effektiven Rechtsschutzund adäquate Sanktionen. Dies bedeutet:– Daten dürfen nur mit Genehmigungdes Gerichts an staatliche Behördenübermittelt werden (Richtervorbehalt).– Der Betroffene muss vorab informiertwerden, dass ihn betreffendeDaten abgerufen werden sollen.– Ist im Einzelfall eine heimlicheDaten übermittlung notwendig, so mussder Betroffene zumindest im Nachhineininformiert werden.– Der Betroffene muss die Möglichkeithaben, die Rechtmäßigkeit des Datenabrufsnachträglich gerichtlich überprüfenzu lassen.– Rechtsverstöße der Behörden müssenwirksam geahndet werden, z. B.durch Verwertungsverbote.Handlungsanleitung <strong>für</strong>den GesetzgeberDie Ausführungen des Ersten Senatssind teilweise so detailliert, dass sich derRichter Wilhelm Schluckebier in einemSondervotum davon distanziert:„Die Senatsmehrheit schränkt überdiesden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumdes Gesetzgebers, auf demFelde der Straftatenaufklärung undder Gefahrenabwehr zum Schutz derMenschen angemessene und zumutbareRegelungen zu treffen, im praktischenErgebnis nahezu vollständig ein. Damitträgt sie auch dem Gebot verfassungsrichterlicherZurückhaltung (‚judicialself-restraint’) gegenüber konzeptionellenEntscheidungen des demokratischlegitimierten Gesetzgebers nichthinreichend Rechnung. Sie gibt demGesetzgeber eine gesetzliche Regelungbis in die Einzelheiten nach Art einerHandlungsanleitung vor, die ihm keinennennenswerten Raum <strong>für</strong> eine Lösungbelässt, welche den gegebenen, fortentwickeltenVerhältnissen im Bereichder Telekommunikation nach seinerEinschätzung gerecht wird.“In der Tat hat das Bundes verfassungsgerichtdie Anforderungen, die an anlassloseDatenspeicherung verfassungsrechtlichgestellt werden, sehrgenau definiert. Das Urteil liest sichdeshalb stellenweise wie ein Rechtsgutachten.Beamte in Ministerien undSicherheitsbehörden werden diesesGutachten jetzt ihrerseits analysieren,auf Schwachstellen untersuchen und imSinne ihrer Dienststelle interpretieren.„Ich verstehe die zögerliche Haltungder Justizministerin nicht. Sie mussdas Urteil nur noch abschreiben.Einfacher geht es nicht.“Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemannin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung06.03.2010Ob als Ergebnis ein neues, diesmal verfassungsgemäßesGesetz verabschiedetwird, bleibt abzuwarten.Bereits jetzt steht jedoch fest, dassdas Urteil des Bundesverfassungsgerichtszur VorratsdatenspeicherungPolitikern, Bürgerrechtlern und Juristenviel Diskussionsstoff bietet, vielleichtauch Sprengstoff. Erst mit einiger zeitlicherDistanz wird man beurteilen können,ob die Entscheidung aus Karlsruheals Erfolg <strong>für</strong> den <strong>Datenschutz</strong> oder docheher als Rückschlag einzuordnen ist.18DANA • <strong>Datenschutz</strong> Nachrichten 1/2010
naChriChtenSönke HilbransErweitertes Überwachungsverbot <strong>für</strong> Rechtsanwältein Sicht – Fortschritte auch <strong>für</strong> andereBerufsgeheimnisträger?(sh) Im Januar 2010 versandtedie Bundesregierung an „interessierteVerbände“ einen Referentenentwurfzur Änderung von § 160ader Strafprozessordnung (StPO). Diemit dem Gesetzespaket zur Vorratsdatenspeicherungeingeführte undebenfalls umstrittene Vorschrift befasstsich mit der Überwachung vonBerufsgeheimnisträgern. Sie sieht gegenwärtigvor, dass etwa Rechtsanwälte,Ärzte und Journalisten überwacht werdendürfen, wenn das öffentliche Interessean der Strafverfolgung den Schutzdes Berufsgeheimnisses überwiegt,ein sog. relatives Erhebungsverbot.In die Tätigkeit von Strafverteidigern,Geistlichen und Abgeordneten dürfenErmittlungen hingegen grundsätzlichnicht eingreifen, ein sog. absolutesErhebungsverbot. § 160a StPO brachteaus Sicht vieler Berufsgeheimnisträgerkeine Verbesserung gegenüber der vorgefundenenRechtslage, sondern regelte erstmalsEingriffe, die vorher unmöglich erschienen.Besonders die Unterscheidungvon Rechtsanwälten im allgemeinen undStrafverteidigern (die theoretisch nichtnotwendig Rechtsanwälte sein müssen)bleibt unter Juristen hoch umstritten, wirdnicht nur von der Rechtsanwaltschaft politischbekämpft und ist Gegenstandeiner Auseinandersetzung vor demBundesverfassungsgericht. Nachdemdie schwarz-gelbe Bundesregierung imKoalitionsvertrag angekündigt hatte, dieumstrittene Unterscheidung im Interesseder Vertraulichkeit zwischen Anwaltund Mandant zu beseitigen, ist nunmehrder entsprechende Referentenentwurfvom Bundesministerium der Justizan Verbände zur Stellungnahme weitergeleitetworden. Sowohl der<strong>Deutsche</strong> Anwaltverein (DAV) als auchRepublikanische Anwältinnen undAnwälte Verein (RAV) haben sich be<strong>für</strong>wortendgeäußert, allerdings auch weitereForderungen an die BundesregierungCartoongestellt. So kritisiert der RAV, dassdie Parallelvorschrift in § 20u desBundeskriminalamtgesetzes (BKAG),welche im Bereich der Gefahrenabwehrebenfalls die Masse der Anwälte einerÜberwachung ihrer Mandantenkommunikationau szu setzen bereit ist,von dem Regierungsentwurf nicht erfasstist. Dies muss nicht wundern, da dasBKAG in den Zuständigkeitsbereich desCDU-Innenministers fällt, während dasliberale Justizministerium die Änderungvon § 160a StPO zu verantworten hätte.Auch § 20u BKAG ist vor demBundesverfassungsgericht mit einer ganzenReihe von Verfassungsbeschwerdenpotentiell betroffener Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälte angegriffen worden.Der Referentenentwurf enthältkeine Vorschläge zur Absicherung derBerufsgeheimnisse anderer Berufsgeheimnisträger(Ärzte, Journalisten,Drogenberatungsstellen usw.). DasBun des justizministerium fordert die angehörtenVerbände auf, zu der gegenwärtigin Kraft befindlichen VorschriftErfahrungswerte mitzuteilen, um insoweitÄnderungsbedarf zu prüfen.Allerdings muss bezweifelt werden, dasses schon belastbare Erfahrungswertezu einer zum 01.01.2008 in Kraft getretenenVorschrift zur Regulierungim Wesentlichen heimlicher Überwachungseingriffe gibt. Der einzige sichereErfahrungswert dürfte sein, dassdie Dunkelziffer hoch ist.DANA • <strong>Datenschutz</strong> Nachrichten 1/201019