Lösung zu Sachverhalt II (Meinungsfreiheit I) – Werbeverbot
Lösung zu Sachverhalt II (Meinungsfreiheit I) – Werbeverbot
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Dr. Daniela Winkler Fallbesprechung im Staatsrecht <strong>II</strong> (Grundrechte)<br />
<strong>Lösung</strong> <strong>zu</strong> <strong>Sachverhalt</strong> <strong>II</strong> (<strong>Meinungsfreiheit</strong> I) <strong>–</strong> <strong>Werbeverbot</strong><br />
<strong>Lösung</strong> <strong>zu</strong> <strong>Sachverhalt</strong> <strong>II</strong> (<strong>Meinungsfreiheit</strong> I) <strong>–</strong> <strong>Werbeverbot</strong><br />
I. Vorprüfung: Anwendbarkeit des Art. 5 I 1 1. Alt. GG<br />
<strong>II</strong>. Schutzbereich<br />
1. Sachlicher Schutzbereich: Meinung<br />
2. Persönlicher Schutzbereich: Art. 19 <strong>II</strong>I GG<br />
a) Persönlicher Schutzbereich der L-OHG<br />
aa) Juristische Person?<br />
ab) Inländisch (+)<br />
ac) Anwendbarkeit der Grundrechte „ihrem Wesen nach“?<br />
(1) entsprechend ihrem Wesen in der Rechtsordnung schlechthin<br />
(2) entsprechend des spezifischen Wesens der <strong>Meinungsfreiheit</strong><br />
b) Persönlicher Schutzbereich der K-AG<br />
ba) Juristische Person (+)<br />
bb) Inländisch (+)<br />
bc) Anwendbarkeit der Grundrechte „ihrem Wesen nach“?<br />
(1) entsprechend ihrem Wesen in der Rechtsordnung schlechthin<br />
(2) entsprechend dem spezifischen Wesen der <strong>Meinungsfreiheit</strong><br />
<strong>II</strong>I. Eingriff<br />
IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung?<br />
1. Einschränkbarkeit?<br />
2. Schranke, die den genannten Anforderungen entspricht?<br />
a) (Formell verfassungsmäßiges) Gesetz<br />
aa) Gesetzgebungskompetenz<br />
ab) Ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren<br />
ac) Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG)<br />
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit<br />
ba) Vereinbarkeit mit Vorgaben des Grundrechts; vgl. Art. 5 <strong>II</strong> GG<br />
(1) Allgemeines Gesetz (P!)<br />
(2) Jugend- oder Ehrschutz? (-)<br />
(3) Kollidierendes Verfassungsrecht?<br />
bb) Vereinbarkeit mit sonstigen Verfassungsrechts, insbes.<br />
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />
(1) Legitimer Zweck:<br />
(2) Eignung:<br />
(3) Erforderlichkeit:<br />
(4) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.)<br />
D:\Daniela\Lehrstuhl\SS 2010\Fallbesprechung - Grundrechte\<strong>Lösung</strong> <strong>zu</strong> <strong>Sachverhalt</strong> <strong>II</strong>.doc - 06.05.2010 12:16:00
- 2 -<br />
Die L-OHG und die K-AG sind in ihren Grundrechten aus Art. 5 I 1 1. Alt. GG verletzt,<br />
wenn das Grundrecht anwendbar ist, die gewerbliche Werbung vom Schutzbereich der<br />
<strong>Meinungsfreiheit</strong> umfasst ist, das <strong>Werbeverbot</strong> als Eingriff <strong>zu</strong> qualifizieren ist und dieser<br />
nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.<br />
I. Vorprüfung: Anwendbarkeit des Art. 5 I 1 1. Alt. GG<br />
Im Rahmen einer Vorprüfung ist <strong>zu</strong>nächst <strong>zu</strong> erörtern, ob im Hinblick auf die<br />
Werbung in Rundfunk und Presse Art. 5 I 1 1. Alt. GG nicht subsidiär hinter Art.<br />
5 I 2 2 GG (Presse- und Rundfunkfreiheit) <strong>zu</strong>rücktritt. Dies wäre dann der<br />
Fall, wenn diese Vorschrift das für alle Meinungsäußerungen in Presse und<br />
Rundfunk speziellere Grundrecht wäre. Allerdings schützt Art. 5 I 2 GG nur die<br />
im Presse- und Rundfunkwesen tätigen Personen. 1 Zudem schützt Art. 5 I 1 1.<br />
Alt. GG ausweislich seines Wortlauts das Verbreiten seiner Meinung in Wort,<br />
Schrift und Bild, so dass gerade die Veröffentlichungen und Verbreitung der<br />
eigenen Meinung in Presse und Rundfunk unmittelbar von Art. 5 I 1 1. Alt. GG<br />
geschützt wird. Nach richtiger Auffassung des BVerfG sind die Grundrechte aus<br />
Art. 5 I 2 GG keine Spezialfälle der Meinungsäußerungsfreiheit, welche<br />
Prüfungsmaßstab ist, wenn es um die Zulässigkeit des Inhalts einer bestimmten<br />
Äußerung geht. Die Pressefreiheit ist demgegenüber einschlägig, wenn die im<br />
Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, ein Presseerzeugnis,<br />
seine institutionell-organisatorische Vorausset<strong>zu</strong>ng oder die Institution der freien<br />
Presse überhaupt 2 oder die Veröffentlichung einer dritten Meinung betroffen<br />
sind. 3 Keiner dieser Fälle ist vorliegend gegeben. Art. 5 I 1 1. Alt. GG findet<br />
daher Anwendung.<br />
<strong>II</strong>. Schutzbereich<br />
1. Sachlicher Schutzbereich: Meinung<br />
Der Begriff der Meinung umfasst Werturteile und nach h.M.<br />
Tatsachenbehauptungen, jedenfalls wenn sie Vorausset<strong>zu</strong>ng für die<br />
Meinungsbildung und soweit sie nicht bewusst unwahr sind.<br />
Def.: Ein Werturteil ist an<strong>zu</strong>nehmen, wenn die Äußerung durch Elemente<br />
der subjektiven Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens im Rahmen<br />
einer geistigen Auseinanderset<strong>zu</strong>ng geprägt ist, wenn die Richtigkeit oder<br />
Unrichtigkeit der Behauptung eine Sache der persönlichen Überzeugung<br />
bleibt.<br />
1<br />
BVerfGE 20, 162 (175) <strong>–</strong> Spiegel.<br />
2<br />
BVerfGE 85, 1 (12 f.) <strong>–</strong> Bayer-Aktionäre; BVerfGE 95, 28 (34) <strong>–</strong> Werkszeitungen; BVerfGE 97, 391<br />
(400) <strong>–</strong> Mißbrauchsvorwurf.<br />
3<br />
BVerfGE 102, 347 (359) <strong>–</strong> Benetton.<br />
2
- 3 -<br />
Eine Tatsachenbehauptung beschreibt hingegen wirklich geschehene oder<br />
exisierende, dem Beweis <strong>zu</strong>gängliche Umstände.<br />
Str. ist, ob auch Werbung in den Schutzbereich der <strong>Meinungsfreiheit</strong> fällt.<br />
Nach e.A. ist Werbung nicht auf die Äußerung einer bestimmten Ansicht<br />
gerichtet, sondern auf die Beeinflussung des Käufers, mit dem Ziel ihn<br />
kaufbereit <strong>zu</strong> machen. Hiernach der wirtschaftliche Charakter der Werbung<br />
in den Vordergrund gerückt. Insbesondere die frühere Rechtsprechung des<br />
BVerfG hat Werbung daher nur dem Schutzbereich des Art. 12 I GG<br />
unterstellt. 4 Art. 5 I 1 1. Alt. GG verlange hingegen als konstitutives Element<br />
der politischen Ordnung einen <strong>zu</strong>sätzlichen politischen Gehalt von<br />
Werbung.<br />
Nach der Gegenauffassung ist eine weite Schutzbereichsinterpretation <strong>zu</strong><br />
wählen, welche die Berücksichtigung der Motive des Teilnehmers am<br />
Meinungsbildungsprozess verbietet; andernfalls finde eine Unterscheidung<br />
in „wertvolle“ und „wertlose“ Meinungen statt. Zudem lassen sich politische<br />
und (rein) wirtschaftliche Werbung nicht präzise trennen. 5 Geschäftliche<br />
Werbung enthält demnach eine Meinung, mit der auf andere eingewirkt<br />
wird, damit sie das angepriesene Produkt kaufen oder von der angepriesenen<br />
Dienstleistung Gebrauch machen. Hiernach fällt Werbung unterschiedslos<br />
unter den Schutzbereich der <strong>Meinungsfreiheit</strong>. 6<br />
In eine ähnliche Richtung geht auch die jüngere Rechtsprechung des<br />
BVerfG. 7 Hier heißt es, dass sich der Schutz des Art. 5 I 1 1. Alt. GG auch<br />
auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung<br />
erstreckt, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. 8 Ein solcher<br />
meinungsbildender Inhalt kommt jedenfalls einer Werbung <strong>zu</strong>, die den<br />
Verbrauch von Energie anpreist und damit die durch einen übermäßigen<br />
Ressourcenverbrauch hervorgerufenen Probleme (insbes. Klimawandel)<br />
bagatellisiert.<br />
Der Werbung muss dementsprechend aber jedenfalls eine Meinungsäußerung immanent<br />
sein. Aber: Auch suggestiv wirkende Plakate haben einen wertenden, meinungsbildenden<br />
Charakter, etwa das Rauchen „schick“ ist und die Menschen miteinander verbindet oder<br />
dass Rauchen mit persönlicher Freiheit verbunden ist.<br />
Ergebnis: Der sachliche Schutzbereich der <strong>Meinungsfreiheit</strong> ist eröffnet.<br />
4 BVerfGE 41, 371 (382).<br />
5 Hufen, in: Bauer u.a. (Hrsg.), FS Schmidt, 347 (353).<br />
6 So etwa Hufen, in: Bauer u.a. (Hrsg.), FS Schmidt, 347 (356 f.).<br />
7 Hier<strong>zu</strong> Hufen, in: Bauer u.a. (Hrsg.), FS Schmidt, 347 (353).<br />
8 BVerfGE 71, 162 (175) <strong>–</strong> Autobiographie eines Chefarztes; BVerfGE 102, 347 (359) <strong>–</strong> Benetton.<br />
3
- 4 -<br />
Weiterführende Rechtsprechung und Literatur: BVerfGE 102, 347 ff. <strong>–</strong> Schockwerbung I;<br />
BVerfGE 107, 275 ff. <strong>–</strong> Schockwerbung <strong>II</strong>; Hufen, <strong>Meinungsfreiheit</strong> als Grundrecht<br />
ökonomischer Kommunikation, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Vosskuhle (Hrsg.), Wirtschaft im<br />
offenen Verfassungsstaat, FS Schmidt, 2006, 347 ff.<br />
2. Persönlicher Schutzbereich: Art. 19 <strong>II</strong>I GG<br />
Grundrechtsschutz kommt grundsätzlich nur natürlichen Personen <strong>zu</strong><br />
(„jeder“, „jedermann“, „niemand“). Dies resultiert insbesondere aus dem<br />
Menschenwürdegehalt (Art. 1 I 1 GG) der Grundrechte.<br />
Ausnahmsweise kommt gemäß Art. 19 <strong>II</strong>I GG auch juristischen Personen<br />
<strong>zu</strong>, „soweit (die Grundrechte) ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.<br />
Vorüberlegungen:<br />
Anerkannt wird hiermit eine eigene Grundrechtssubjektivität der<br />
juristischen Person, nicht lediglich deren Treuhänderschaft für ihre<br />
Mitglieder. Sie kann daher den Grundrechtsschutz im eigenen Namen<br />
geltend machen.<br />
Grundsätzlich wird Grundrechtsschutz nach Art. 19 <strong>II</strong>I GG anerkannt bei<br />
- inländischen<br />
- juristischen Personen (des Privatrechts,<br />
- auf welche das Grundrecht seinem Wesen nach anwendbar ist.<br />
Insbesondere die letzte Vorausset<strong>zu</strong>ng führt <strong>zu</strong> Anwendungsschwierigkeiten,<br />
da diese Formulierung zwei Deutungsmöglichkeiten <strong>zu</strong>lässt: Das „Wesen“<br />
der Grundrechte i.S.d. Vorschrift kann deren Wesen in der Rechtsordnung<br />
schlechthin oder das spezifische Wesen des einzelnen Grundrechts<br />
meinen.<br />
Soweit das „Wesen“ der Grundrechte deren Wesen in der Rechtsordnung<br />
schlechthin meint, setzt die Auslegung an der Art der juristischen Person an<br />
und damit an der Frage, ob speziell dieser juristischen Person<br />
Grundrechtsschutz <strong>zu</strong>kommen kann.<br />
Ein Grundrecht kann auch aufgrund seines spezifischen Wesens nicht auf<br />
juristische Personen anwendbar sein. So scheidet der Rückgriff auf solche<br />
Grundrechte aus, welche eine spezielle Beziehung <strong>zu</strong>m Menschsein bzw.<br />
<strong>zu</strong>m Personsein aufweisen (z.B. Menschenwürde, Recht auf Leben und<br />
körperliche Unversehrtheit).<br />
4
- 5 -<br />
Weiterführende Literatur: Bleckmann, Helm, Die Grundrechtsfähigkeit juristischer<br />
Personen, DVBl. 1992, 9 ff.; Schoch, Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen, Jura 2001,<br />
201 ff.<br />
a) Persönlicher Schutzbereich der L-OHG<br />
aa) Juristische Person?<br />
Als juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG gelten <strong>zu</strong>nächst<br />
vollrechtsfähige Organisationseinheiten, denen unbeschränkte<br />
Rechtsfähigkeit <strong>zu</strong>kommt. Z.B. AG (§ 1 I AktG); GmbH (§ 13 I<br />
GmbHG); rechtsfähiger Verein (§ 21 BGB).<br />
Teilrechtsfähige Personenvereinigungen werden nach einfachem<br />
Gesetzesrecht nicht unter den Begriff der juristischen Person<br />
gefasst. Das Verfassungsrecht unterstellt hier jedoch ein weiteres<br />
Begriffsverständnis 9 und spricht auch diesen<br />
Personenvereinigungen Grundrechtsfähigkeit <strong>zu</strong>, soweit sie die<br />
Fähigkeit <strong>zu</strong>r eigenständigen Willensbildung und <strong>zu</strong> eigenem<br />
Handeln besitzen. Z.B. BGB-Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB); KG (§<br />
161 Abs. 2 HGB); nicht-rechtsfähige Verein (§ 54 BGB) <strong>–</strong> insbes.<br />
Parteien.<br />
Über die Begründung dieser Tatbestandserweiterung herrscht jedoch<br />
Uneinigkeit.<br />
Teilweise wird auf die weniger weitgehende Verselbständigung im<br />
Vergleich <strong>zu</strong> vollrechtsfähigen Organisationen verwiesen. 10 Die stärker<br />
personal strukturieren teilrechtsfähigen Personenvereinigungen müssten<br />
daher erst recht grundrechtsfähig sein. Allerdings will Art. 19 Abs. 3<br />
GG bei einer juristischen Person im engeren Sinne die gerade auf Grund<br />
ihrer rechtlichen Verselbständigung eintretende Lücke des<br />
Grundrechtsschutzes verhindern. Dieser Schutzzweck wird im Falle der<br />
unvollständigen rechtlichen Ablösung eines Zusammenschlusses<br />
verfehlt, da in diesem Fall den Mitgliedern die Möglichkeit verbleibt,<br />
ihre Grundrechtsinteressen selbst wahr<strong>zu</strong>nehmen. 11<br />
Nach <strong>zu</strong>treffender Ansicht begründet sich daher die<br />
Grundrechtsträgerschaft aus dem Umstand, dass die durch die<br />
Teilrechtsfähigkeit im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung<br />
begründeten Erleichterungen der Rechtswahrnehmung für die so<br />
9<br />
A. v. Mutius, Jura 1983, 30 (35); F. Schoch, Jura 2001, 201 (202).<br />
10<br />
Dürig, in: T. Maunz, G. Dürig (Hrsg.), GG <strong>II</strong>I, 48. Lfg. 2006, Art. 19 Abs. 3 GG (1977) Rn. 8, 29; dem<br />
folgend K. Stern, StaatsR <strong>II</strong>I/1, 1988, S. 1131, 1134.<br />
11<br />
Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Art. 19 GG Rn. 62; vgl. auch W. Rüfner, in: Isensee, Kirchhof (Hrsg.), HStR<br />
V, 1992, 485-524 § 116 Rn.56.<br />
5
- 6 -<br />
<strong>zu</strong>sammengeschlossenen Personen konsequenterweise auch auf den<br />
Grundrechtsbereich aus<strong>zu</strong>dehnen sind. 12<br />
ab) Inländisch (+)<br />
ac) Anwendbarkeit der Grundrechte „ihrem Wesen nach“?<br />
(1) entsprechend ihrem Wesen in der Rechtsordnung<br />
schlechthin<br />
Die hiermit verbundene Frage, ob speziell dieser<br />
juristischen Person Grundrechtsschutz <strong>zu</strong>kommt,<br />
beantwortet <strong>zu</strong>m einen die sog. Durchgriffsthese, wonach<br />
die Beeinträchtigung einer juristischen Person jedenfalls<br />
möglicherweise auf die dahinter stehenden natürlichen<br />
Personen („personales Substrat“) durchgreifen muss (so<br />
etwa das BVerfG). 13 Dieser Auffassung wird<br />
entgegengehalten, dass sie die eigene Grundrechtsfähigkeit<br />
der juristischen Person nicht hinreichend deutlich macht,<br />
vielmehr eine Treuhänderschaft, die von Art. 19 Abs. 3 GG<br />
gerade nicht gewollt sei, vermuten lasse.<br />
Daher erachten weite Teile der Literatur nicht den<br />
personellen Be<strong>zu</strong>g, sondern die „grundrechtstypische<br />
Gefährdungslage“ der juristischen Person als maßgeblich. 14<br />
Art. 19 Abs. 3 GG soll hiernach die juristische Person um<br />
ihrer selbst willen schützen, da andernfalls der Vorschrift<br />
kein eigener Sinn <strong>zu</strong>komme.<br />
Hier: Nach erster Auffassung ist ein Durchgriff<br />
insbesondere aufgrund der nur tlw. Verselbständigung der<br />
Gesellschaft auf das dahinter stehende personale Substrat<br />
gegeben.<br />
Schwierigkeiten ergeben sich nach dieser Auffassung<br />
insbesondere bei großen Konzernen, die etwa in der Form der<br />
Aktiengesellschaft geführt werden. Allerdings wird die<br />
Durchgriffsthese nicht in dem Sinn verstanden, dass sie eigentlich<br />
den hinter der juristischen Person stehenden Menschen<br />
Grundrechtsschutz gewährt. 15 Ein solcher Individualschutz könnte<br />
nicht erklären, warum etwa auch Kapitalgesellschaften,<br />
international verflochtenen Konzernen, Holdinggesellschaften<br />
oder Stiftungen (auch nach der Rechtsprechung des BVerfG)<br />
12 Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Art. 19 GG Rn. 63.<br />
13 BVerfGE 21, 362, 369; 61, 82, 101; 68, 193, 205 f.; 75, 192, 196.<br />
14 Vgl. etwa Dreier, in: H. Dreier (Hrsg.), GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 <strong>II</strong>I GG Rn. 33.<br />
15 F. Schoch, Jura 2001, 201 (205).<br />
6
- 7 -<br />
grundsätzlich Grundrechtsschutz <strong>zu</strong>kommen soll. Hinter der<br />
Durchgriffsthese steht vielmehr der Gedanke eines<br />
„schutzgutspezifischen Mehrwerts“, wonach „mit der<br />
organisatorischen Verselbständigung <strong>zu</strong>sätzliche, schutzwürdige<br />
Interessenlagen geschaffen werden, die durch Grundrechte der<br />
hinter ihnen stehenden natürlichen Personen nicht bereits<br />
abgedeckt sind“. 16<br />
Nach zweiter Auffassung befindet sich die L-OHG in einer<br />
„grundrechtstypischen Gefährdungslage“, da sie in gleicher<br />
Weise wie eine Einzelperson wirtschaftlich tätig und daher<br />
gezwungen ist, ihre wirtschaftliche Tätigkeit an<strong>zu</strong>preisen.<br />
Ergebnis: L-OHG kann sich grundsätzlich auf<br />
Grundrechtsschutz berufen.<br />
(2) entsprechend des spezifischen Wesens der <strong>Meinungsfreiheit</strong><br />
Die <strong>Meinungsfreiheit</strong> ist kein Grundrecht, das in spezieller<br />
Weise auf das Menschsein abstellt. Daher kann sich auch<br />
die L-OHG auf dieses Grundrecht berufen.<br />
Ergebnis: Der persönliche Schutzbereich der L-OHG ist eröffnet.<br />
b) Persönlicher Schutzbereich der K-AG<br />
ba) Juristische Person (+)<br />
bb) Inländisch (+)<br />
bc) Anwendbarkeit der Grundrechte „ihrem Wesen nach“?<br />
(1) entsprechend ihrem Wesen in der Rechtsordnung<br />
schlechthin<br />
Die grundsätzliche Grundrechtsfähigkeit der K-AG als<br />
Aktiengesellschaft ergibt sich aus ihrer<br />
grundrechtstypischen Gefährdungslage (Arg.<br />
entsprechend oben) bzw., soweit man von der<br />
Durchgriffsthese ausgeht, aus dem hinter ihr stehenden<br />
Arbeitnehmern, die im Zusammenschluss der K-AG<br />
wirtschaftlich tätig werden und hierbei ihre entsprechenden<br />
Grundrechte in Anspruch nehmen.<br />
Problematisch könnte hier allerdings sein, dass K-AG <strong>zu</strong><br />
jeweils 34 % in der Hand der kreisfreien Stadt S und des<br />
Landkreises K ist.<br />
16 Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 2005, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 227.<br />
7
- 8 -<br />
Weiterführende Rechtsprechung und Literatur: Poschmann,<br />
Grundrechtsschutz gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, 2000;<br />
Selmer, Zur Grundrechtsberechtigung von Mischunternehmen, in:<br />
Papier/Merten (Hrsg.), HGrdR <strong>II</strong>, § 53.<br />
Über den Wortlaut hinausgehend werden unter juristischer Person<br />
i.S.d. Art. 19 <strong>II</strong>I GG regelmäßig nur juristische Personen des<br />
Privatrechts verstanden. Aufgrund der besonderen<br />
Kompetenzverhältnisse im staatlichen Bereich wird davon<br />
ausgegangen, dass Grundrechte ihrem Wesen nach nicht auf<br />
juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar sind.<br />
Werden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung durch jur. Pers.<br />
des Privatrechts erfüllt, die sich in öffentlicher Hand befindet, so<br />
kommt diesen grds. kein Grundrechtsschutz <strong>zu</strong>.<br />
Grundrechtsfähigkeit muss von organisatorischer Ausgestaltung<br />
unabhängig sein. Der öffentlichen Hand selbst kommt aber grds.<br />
kein Grundrechtsschutz <strong>zu</strong>; sie ist Grundrechtsverpflichteter,<br />
nicht Grundrechtsberechtigter.<br />
Nach e.A. ist es unerheblich, ob sich Unternehmen, das<br />
öffentliche Aufgabe ausübt, <strong>zu</strong> 100% oder nur <strong>zu</strong> Mehrheit<br />
in öffentlicher Hand befindet, und staatlicher Bindung<br />
unterliegt. Arg.: Öff. Hand hat auf Grund ihrer<br />
Mehrheitsbeteiligung die Möglichkeit, auf die<br />
Geschäftsführung entscheidenden Einfluss <strong>zu</strong> nehmen.<br />
Elektrizitätsversorgungsunternehmen unterliegt auf Grund<br />
des EnWiG im Hinblick auf Versorgungspflicht und <strong>–</strong><br />
bedingungen so starken Bindungen, dass von<br />
privatrechtlicher Selbstständigkeit nahe<strong>zu</strong> nichts übrig<br />
bleibt. Insbesondere können sie sich ihre Kunden nicht<br />
aussuchen und sind auch in der Gebührenhöhe festgelegt.<br />
Maßgeblich wird auf öffentliche Beteiligung und Bindung<br />
abgestellt (so auch das BVerfG <strong>–</strong> funktionale<br />
Betrachtungsweise). 17<br />
Nach a.A. ist Grundrechtsschutz gegeben, soweit Private<br />
beteiligt sind. Arg.: Zu berücksichtigen ist der Schutz der<br />
privaten Anteilseigner. Maßgeblich wird auf private<br />
Beteiligung abgestellt. Aber: In dreidimensionalen<br />
Grundrechtsverhältnissen Staat <strong>–</strong> private Anteilseigner <strong>–</strong><br />
Dritte kann die Grundrechtsberechtigung und <strong>–</strong><br />
17 BVerfG (K), NJW 1990, 1783 (1783) mit ablehnender Anm. Kühne, JZ 1990, 335 f. In einer kürzlich<br />
ergangenen Entscheidung <strong>zu</strong>r Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Telekom AG stellt das BVerfG maßgeblich<br />
auf den beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand ab; BVerfGE 115, 205 ff. <strong>–</strong> Geschäfts- und<br />
Betriebsgeheimnisse; vgl. auch BVerwG, NVwZ 2004, 742 f<br />
8
<strong>II</strong>I. Eingriff<br />
- 9 -<br />
verpflichtung nicht derart pauschal bestimmt werden kann.<br />
Der private Anteilseigner begibt sich freiwillig in<br />
„Staatsnähe“ und muss daher gegebenenfalls auch mit dem<br />
Reduktion seiner Grundrechte rechnen.<br />
Deshalb wird von einer weiteren Auffassung die Idee eines<br />
reduzierten Grundrechtsschutzes befürwortet. 18 Hiernach<br />
soll der Grundrechtsschutz in dem Maße abnehmen, indem<br />
die Staatsbeteiligung wächst. Ihr ist jedoch die mangelnde<br />
Handhabbarkeit und Praktikabilität entgegen<strong>zu</strong>halten. 19<br />
Nach <strong>–</strong> <strong>zu</strong>stimmungswürdiger <strong>–</strong> letzter Auffassung ist<br />
daher auf das Ausmaß der staatlichen Beherrschung eines<br />
Unternehmens ab<strong>zu</strong>stellen. 20 Dieses soll über die Höhe der<br />
Kapitalanteile, gesetzliche oder vertragliche<br />
Einflussmöglichkeiten usw. ermittelt werden. Handelt es<br />
sich demnach um ein primär privates Unternehmen, ist ihm<br />
Grundrechtsschutz <strong>zu</strong> gewähren; ein primär staatliches<br />
Unternehmen ist hingegen grundrechtsverpflichtet.<br />
(2) entsprechend dem spezifischen Wesen der <strong>Meinungsfreiheit</strong><br />
(+) vgl. oben.<br />
Def.: Jedes staatliche Handeln, welches einen Handeln, das in den Schutzbereich<br />
des Grundrechts fällt, unmöglich macht oder erschwert.<br />
Gem. § 5 I des Gesetzes <strong>zu</strong>r Ablösung des EnWiG besteht ein <strong>Werbeverbot</strong> für<br />
Energieversorgungsunternehmen. Hierin liegt ein Eingriff in die<br />
<strong>Meinungsfreiheit</strong> der L-OHG und der K-AG.<br />
IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung?<br />
1. Einschränkbarkeit?<br />
Gemäß Art. 5 <strong>II</strong> GG ist die <strong>Meinungsfreiheit</strong> durch allgemeine Gesetze oder<br />
Gesetze <strong>zu</strong>m Schutz der Jugend oder der Ehre einschränkbar.<br />
2. Schranke, die den genannten Anforderungen entspricht?<br />
Als Schranke kommt § 5 des Gesetzes <strong>zu</strong>r Ablösung des EnWiG in Betracht.<br />
18 Aus neuerer Zeit Storr, Staat als Unternehmer, 227 ff., 243 ff.<br />
19 Vgl. Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 286.<br />
20 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 <strong>II</strong>I GG Rn. 77; Graf Vitzthum, in: Merten/Papier<br />
(Hrsg.), HdGR <strong>II</strong>, 2006, 1079-1127 (1107 f.), § 48 Rn. 55; Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, 5.<br />
Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 288.<br />
9
- 10 -<br />
a) (Formell verfassungsmäßiges) Gesetz<br />
aa) Gesetzgebungskompetenz<br />
Die Gesetzgebungskompetenz folgt aus Art. 74 I Nr. 11 GG<br />
(Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung). Das Erfordernis<br />
bundesgesetzlicher Regelung gem. Art. 72 <strong>II</strong> GG ist gegeben, da<br />
Versorgungsgebiet eines Energieunternehmens sich über Teile<br />
verschiedener Bundesländer erstrecken kann.<br />
ab) Ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren<br />
Mangels Angabe in SV (+)<br />
ac) Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG)<br />
Mangels näherer Informationen in SV ist davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass<br />
Anforderungen des Zitiergebots eingehalten sind.<br />
Alternativ ist darauf <strong>zu</strong> verweisen, dass Ausnahmen vom<br />
Zitiergebot bestehen:<br />
Soweit man davon ausging, dass vorliegend ein allgemeines<br />
Gesetz vorliegt, ergibt sich dies daraus, dass Art. 19 I 2 GG im<br />
Fall des Art. 5 <strong>II</strong> GG nicht anwendbar ist. Arg.: Sinn eines „allg.<br />
Gesetzes“ i.S. dieser Vorschrift kann es gerade nicht sein, sich<br />
gegen eine Meinung an sich <strong>zu</strong> wenden. Daher schränkt Gesetz<br />
die <strong>Meinungsfreiheit</strong> nur in bestimmtem Einzelfall ein. 21 ]<br />
Andernfalls ist die Einhaltung des Zitiergebots ohnehin nicht<br />
möglich, da das Gesetz ja gerade nicht als Grundrechtsschranke<br />
konzipiert war.<br />
Jedenfalls: Kein Verstoß gegen Art. 19 I 2 GG.<br />
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit<br />
21 BVerfGE 28, 36 (46 f.); 44, 197 (201 f.).<br />
ba) Vereinbarkeit mit Vorgaben des Grundrechts; vgl. Art. 5 <strong>II</strong> GG<br />
(1) Allgemeines Gesetz (P!)<br />
Der Begriff des allgemeinen Gesetzes ist str.<br />
Nach Auffassung der Sonderrechtslehre sind allgemeine<br />
Gesetze diejenigen, die nicht eine Meinung als solche<br />
10
- 11 -<br />
verbieten. (Arg.: Ansicht erklärt Funktion der Schranken<br />
des Ehren- und Jugendschutzes).<br />
Hier: Es ist <strong>zu</strong> diskutieren, ob sich das <strong>Werbeverbot</strong> gegen<br />
eine bestimmte Meinung richtet. Fraglich ist, ob der<br />
Werbebegriff konkret genug ist, um das Verbot gegen eine<br />
bestimmte Meinung <strong>zu</strong> bejahen. Argumentiert werden<br />
könnte auch, dass Werbung einen unterschiedlichen Inhalt<br />
haben kann. Durch <strong>zu</strong> enge Anforderungen würde allerdings<br />
der Begriff des allgemeinen Gesetzes ab absurdum geführt.<br />
Vorliegend wird daher von einem Verstoß gegen den<br />
Allgemeinheitsgrundsatz ausgegangen.<br />
Nach Auffassung der Abwägungslehre sind Gesetze<br />
allgemein, wenn das von ihnen geschützte Rechtsgut<br />
höherwertiger ist als die <strong>Meinungsfreiheit</strong>. D.h.<br />
Qualifikation als allgemeines Gesetz ist Ergebnis eines<br />
Abwägungsprozesses, der schwanken kann.<br />
Hier: Das Gesetz dient dem Gemeinschaftswert des<br />
Umwelt- und Ressourcenschutzes (vgl. Art. 20a GG), der<br />
im vorliegenden Einzelfall höher als die <strong>Meinungsfreiheit</strong><br />
<strong>zu</strong> werten ist. Es ist daher als allgemeines Gesetz <strong>zu</strong> werten.<br />
Das BVerfG verknüpft die beiden Ansätze und bezeichnet<br />
als allgemeines Gesetz ein solches, welches nicht eine<br />
Meinung als solche verbietet, sondern vielmehr dem Schutz<br />
eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte<br />
Meinung <strong>zu</strong> schützenden Rechtsguts dient, dem ggü der<br />
<strong>Meinungsfreiheit</strong> Vorrang <strong>zu</strong>kommt. Auch hiernach stellt §<br />
5 des Gesetzes <strong>zu</strong>r Ablösung des EnWiG kein allgemeines<br />
Gesetz dar.<br />
(2) Jugend- oder Ehrschutz? (-)<br />
(3) Kollidierendes Verfassungsrecht?<br />
Als Schranke kommt weiterhin kollidierendes<br />
Verfassungsrecht in Betracht.<br />
Abgeleitet aus dem Prinzip der Einheit der Verfassung können auch<br />
vorbehaltlose Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht <strong>–</strong><br />
also kollidierende Grundrechte Dritter oder andere mit<br />
Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter <strong>–</strong> eingeschränkt werden<br />
(verfassungsimmanente Schranken; vgl. praktische Konkordanz).<br />
Nach h.M. ist auch in solchen Fällen eine gesetzliche Grundlage<br />
erforderlich, die zwischen den widerstreitenden Prinzipien abwägt<br />
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(BVerfGE 108, 282 <strong>–</strong> Kopftuch). Der Grund für dieses Erfordernis ist<br />
das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes.<br />
Strittig ist allerdings, ob eine Einschränkung über<br />
kollidierendes Verfassungsrecht auch im Fall explizit<br />
einschränkbarer Grundrechte möglich ist. Nach<br />
Auffassung des BVerfG und der herrschenden Lehre kann<br />
auch hier die Einschränkbarkeit über kollidierendes<br />
Verfassungsrecht begründet werden. 22 Nach anderer<br />
Auffassung besteht in diesen Fällen <strong>zu</strong>r Anwendung<br />
kollidierenden Verfassungsrechts kein Anlass, da das<br />
Grundgesetz dort, wo es Gesetzesvorbehalte enthält, die<br />
Eingriffsmöglichkeiten so geschaffen habe, wie es die<br />
Eingriffsnotwendigkeit bejaht hat. 23 Andererseits: Wenn<br />
sogar die uneingeschränkt gewährleisteten Grundrechte über<br />
kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar sind, so<br />
muss dies erst recht für die schwächer geschützten<br />
Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt gelten.<br />
Hier: Als kollidierendes Verfassungsrecht kommt Art.<br />
20a GG in Betracht. Art. 20a GG dient dem Schutz der<br />
natürlichen Lebensgrundlagen, worunter auch der<br />
Ressourcenschutz fällt. Diesem wiederum dient auch das<br />
<strong>Werbeverbot</strong> für die Energieversorgungsunternehmen, da<br />
dieses dem Anreiz <strong>zu</strong> übermäßigem Energieverbrauch<br />
entgegenwirken soll.<br />
bb) Vereinbarkeit mit sonstigen Verfassungsrechts, insbes.<br />
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />
(1) Legitimer Zweck<br />
22 So BVerfGE 66, 116, 136; 111, 147, 157.<br />
23 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 331.<br />
Grds. gilt als legitimer Zweck, jeder Zweck, der als solcher<br />
erlaubt ist. Vorliegend kommt als Zweck jedoch nur die<br />
Verfolgung von Grundrechten Dritter oder anderer Werte<br />
mit Verfassungsrang in Betracht, da nur in diesen Fällen die<br />
Rechtfertigung der Einschränkung über kollidierendes<br />
Verfassungsrecht möglich ist. Als solcher Zweck kommt<br />
vorliegend der Klima- und Ressourcenschutz in Betracht.<br />
Die Werbung der Energieunternehmen zielt darauf ab, den<br />
Kunden <strong>zu</strong> stärkerem Stromverbrauch, d.h. <strong>zu</strong><br />
umweltschädlicherem Verhalten <strong>zu</strong> bewegen; das<br />
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<strong>Werbeverbot</strong> dient mithin der Verhinderung erhöhten<br />
Energieverbrauchs.<br />
(2) Eignung<br />
Geeignet ist das Gesetz immer dann, wenn mit seiner Hilfe<br />
das angestrebte Ziel gefördert werden kann.<br />
Hier: (+)<br />
(3) Erforderlichkeit<br />
Erforderlich ist ein Gesetz, wenn es kein milderes Mittel<br />
gibt, welches den gleichen Erfolg mit der gleichen Sicherheit<br />
und einem vergleichbaren Aufwand herbeiführen würde.<br />
Hier: Als milderes Mittel käme allenfalls staatliche<br />
Gegenkampagne in Betracht. Mittelbarer Eingriff ist jedoch<br />
nicht schwächer als unmittelbarer.<br />
(4) Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.)<br />
Angemessen ist das Gesetz, wenn das mit ihm verfolgte Ziel<br />
in seiner Wertigkeit gegenüber der Intensität des Eingriffs<br />
nicht unverhältnismäßig ist (Zumutbarkeit der Belastung).<br />
Hier: Abwägung von Umwelt- und Ressourcenschutz ggü.<br />
<strong>Meinungsfreiheit</strong>. Besondere Bedeutung des Umweltschutzes<br />
in heutiger Situation. Daher: Angemessenheit (+)<br />
Ergebnis: Die K-AG und die L-OHG sind nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 5 I 1 1.<br />
Hs. GG verletzt.<br />
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