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blaue Liste ... Spickzettel

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58 ethos 2 I 2007<br />

I<br />

ch brauche <strong>Liste</strong>n und zücke schnell Stift<br />

und Zettel. Deswegen bin ich sogar vor<br />

Jahren mehrmals ernstlich gerügt worden.<br />

<strong>Liste</strong>n wären in der Gemeindearbeit<br />

völlig fehl am Platze, ja geradezu ein<br />

freches Eingreifen in Gottes Wirken und<br />

die persönliche Freiheit eines Christen –<br />

wurde mir verärgert bedeutet.<br />

Ich nehme Kritik ernst. Trotzdem<br />

konnte ich mich dieser Meinung nicht<br />

anschliessen. Eine Unterschrift soll ja<br />

vor allem den Leitern helfen, den Überblick<br />

zu behalten und sie in ihrer ohnehin<br />

nicht einfachen Aufgabe unterstützen. So<br />

gesehen verwandelt sich mein Kürzel auf<br />

einem gewöhnlichen Stück Papier in ei-<br />

SIMONE KATHRIN WOLLMANN<br />

<strong>Liste</strong>n begegnen uns überall.<br />

Sie sind aus unserem Alltag nicht<br />

wegzudenken. Manche verabscheuen<br />

sie, andere wiederum<br />

lieben und brauchen sie.<br />

(M)eine geheime<br />

<strong>blaue</strong> <strong>Liste</strong> ...<br />

und andere<br />

<strong>Spickzettel</strong><br />

nen Funken Nächstenliebe. Deshalb habe<br />

ich mich auch letzten Sonntag nach dem<br />

Gottesdienst wieder einmal verbindlich<br />

in eine <strong>Liste</strong> eingetragen.<br />

<strong>Liste</strong>n im Kampf gegen<br />

Vergesslichkeit, Chaos<br />

und Drückeberger<br />

Ich klammere mich längst nicht mehr<br />

an die Illusion, dass irgendwer schon<br />

irgendwann irgendetwas erledigt. Seit<br />

über zwanzig Jahren führe ich einen relativ<br />

grossen Mehrgenerationenhaushalt<br />

und war nebenher teilweise berufs-


tätig und in der Gemeindearbeit stark<br />

engagiert. Da braucht man echte Managerqualitäten,<br />

wenn alles einigermassen<br />

reibungslos funktionieren soll. <strong>Liste</strong>n<br />

verschiedenster Art helfen mir auch<br />

heute noch, meinen Alltag, inzwischen als<br />

«Nurfamilienfrau», zu strukturieren und<br />

zu organisieren.<br />

Auf die Frage, die mir oft gestellt<br />

wurde: «Wie schaffst du all das bloss?»,<br />

hätte eine Antwort lauten können: mit<br />

Gottes Hilfe und mittels Terminer und<br />

<strong>Liste</strong>n. Selbst simple Merkzettel sind<br />

wirksame Waffen im Kampf gegen zunehmende<br />

Vergesslichkeit, das ganz alltägliche<br />

Chaos und gegen «Drückeberger»,<br />

vor allem dann, wenn Teamarbeit in<br />

der Familie angesagt ist.<br />

Von einer angeheirateten Cousine und<br />

neunfachen(!) Mutter übernahm ich die<br />

Idee für eine erprobte Wochenarbeitslis te.<br />

Zusätzlich zum Zensurenspiegel wird das<br />

Taschengeld der Schulkinder danach ausgerichtet.<br />

<strong>Liste</strong>n können kleine Faulpelze<br />

durchaus positiv motivieren! Ausserdem<br />

entdeckt man bei Gross und Klein offensichtliche<br />

Zeichen der Befriedigung,<br />

wenn Dinge erledigt und selber abgestrichen<br />

werden dürfen.<br />

Wünsche und Möglichkeiten<br />

Die beliebteste <strong>Liste</strong> in unserer Familie<br />

wird im November herumgereicht: der<br />

Wunschzettel für Geburtstage und Weihnachten.<br />

Es gab und gibt dabei immer<br />

wieder etwas zum Staunen, Schmunzeln<br />

oder Knobeln, besonders wenn das Ganze<br />

noch in Form eines Bilderrätsels von den<br />

Jüngsten verschlüsselt wurde oder wenn<br />

die Rechtschreibkünste der Schulanfänger<br />

zur allgemeinen Erheiterung beitrugen.<br />

Ab und zu musste Mutti allerdings<br />

auch mal betonen, dass der Wunschzettel<br />

keinen Einkaufsplan darstellt. Mit der<br />

Wunschliste bekamen wir als Eltern (und<br />

viel effektiver die Geschwister unter sich)<br />

bereits im Vorfeld die Möglichkeit, teilweise<br />

utopische Vorstellungen behutsam<br />

zu korrigieren. Hauptsache teuer und ein<br />

Werbehit bedeutet eben nicht zwangsläufig<br />

beste Qualität.<br />

Gerade heute, wo der immense Druck<br />

auf unsere Kinder, Markenartikel zu besitzen<br />

und immer das Neueste haben zu<br />

müssen, um ein Vielfaches gestiegen ist,<br />

sind ehrliche Gespräche unbedingt nötig.<br />

Es wird trotzdem sehr weh tun, wenn<br />

zeitweise der Geldbeutel die Erfüllung<br />

selbst bescheidener, sinnvoller Wünsche<br />

einfach nicht zulässt. Ich habe immer erlebt,<br />

dass unsere Kinder die Situation viel<br />

leichter annehmen können, wenn wir ihnen<br />

nichts vorgaukeln, sondern erklären,<br />

warum dieses oder jenes für uns momentan<br />

nicht in Frage kommt. So finde ich<br />

es besser, die Kinder in die finanziellen<br />

Möglichkeiten der Familie altersgemäss<br />

einzuweihen und die persönlichen Prioritäten<br />

(z. B. auch den Zehnten geben)<br />

zu erläutern, als Enttäuschung und lange<br />

Gesichter oder gar Tränen an Festtagen.<br />

Vielleicht gelingt es anhand einer einfachen<br />

Aufstellung, den Kids und Teenys<br />

die Augen für die finanziellen Tatsachen<br />

zu öffnen. Ein Familienabend zum<br />

Thema, Papier und Bleistift genügen, um<br />

Einnahmen und notwendige Ausgaben<br />

– und vor allem den tatsächlich verbleibenden<br />

Rest – anschaulich gegenüberzustellen.<br />

Möglicherweise führen die Eltern<br />

ohnehin ein Haushaltsbuch oder haben<br />

ein entsprechendes PC-Programm installiert,<br />

mit dem man das Familieneinkommen<br />

verwaltet. Diese Budgetliste wird<br />

hoffentlich den Nachwuchs zusätzlich<br />

unterstützen, später die eigenen Finanzen<br />

zu managen, falls die Ausbildung, das<br />

Studium oder gar der Auszug in die ers te<br />

eigene Wohnung anstehen. Wir sollten<br />

unsere positive Vorbildwirkung nicht unterschätzen.<br />

Anleitung zur Selbständigkeit<br />

Einmal fand ich im Zimmer meiner<br />

jüngsten Tochter Sara-Marie eine Art<br />

Lernliste, die sie sich für jeden Wochentag<br />

ganz allein zusammengestellt hatte.<br />

Wahrscheinlich, da sie sich sehnlichst<br />

wünschte, an einem bestimmten Gymnasium<br />

aufgenommen zu werden.<br />

Mein ältester Sohn David bat mich<br />

zum Ausbildungsbeginn, mit ihm ge-<br />

meinsam die Sparkasse aufzusuchen,<br />

um einen Sparplan für grössere Anschaffungen<br />

in der Zukunft zu erstellen.<br />

Die freudig überraschte Sparkassenberaterin<br />

meinte, dass das eher untypisch<br />

für die heutige Jugend sei, wie die Statistiken<br />

leider belegen. Wenn man sich die<br />

entsetzliche Verschuldung deutscher Jugendlicher<br />

vor Augen hält, müssten die<br />

Alarmglocken bei uns als Eltern oder<br />

Grosseltern schrillen.<br />

Eine andere simple Aufstellung, die<br />

unsere Grossen bereits übernommen haben<br />

und meine Jüngsten vor jeder Reise<br />

einfordern, ist die Kofferpackliste. Für unsere<br />

Vorschüler habe ich anfangs zu diesem<br />

Zweck sogar eine Hilfe gemalt: eine<br />

Anziehpuppe und was und wie viel sie für<br />

den entsprechenden Zeitraum braucht.<br />

Es war mir einfach wichtig, den Kindern<br />

frühzeitig Selbständigkeit beizubringen.<br />

Beim Packen vor gemeinsamen Urlaubsreisen<br />

lernten sie ausserdem, aufeinander<br />

Rücksicht zu nehmen, Verzicht zu üben,<br />

damit alle Geschwister etwas Spielzeug<br />

und Mutti und Papa ein paar Bücher, eine<br />

Handarbeit oder Malzeug zusätzlich einpacken<br />

konnten.<br />

Besonders bei unserer Ältesten ging<br />

das anfangs nicht so ganz ohne Schmollen<br />

ab. Conny hätte gern das halbe Kinderzimmer<br />

und diverse Sport- bzw. Spielgeräte<br />

für sich allein mitgeschleppt, doch<br />

weder das Familienauto, noch Koffer und<br />

Rucksäcke sind aus Gummi.<br />

Prioritäten setzen<br />

Unsere menschlichen Kontingente und<br />

Kapazitäten sind immer begrenzt, ob<br />

es sich nun um Platz, Geld, Zeit, Kraft,<br />

Merkfähigkeit oder Sonstiges handelt. Ich<br />

kann weder alles haben, noch alles Anstehende<br />

schaffen. Je eher ich das einsehe,<br />

umso besser.<br />

Mir selbst ist das auch nie leicht gefallen.<br />

Als junge, völlig überforderte Mutter<br />

mit einem ungesunden Drang zum Perfektionismus,<br />

rutschte ich während einer<br />

schlimmen Krankheit und dem Verlust<br />

meiner geliebten Grossmutter in eine<br />

tiefe Depression ab. Erstaunlicherweise<br />

ethos 2 I 2007 59<br />

GEGEN DAS CHAOS


half mir damals – ausser der grossen<br />

Liebe und Gnade Gottes – eine Art Befindlichkeitsliste<br />

wieder heraus. Ich stellte<br />

in meinem Tagebuch meinen täglichen<br />

Gesundheitszustand den erledigten Arbeiten<br />

gegenüber und lernte mit der Zeit,<br />

realistischer und barmherziger mit mir<br />

selbst umzugehen.<br />

Seit meiner Krebserkrankung leide ich<br />

immer noch an unverhältnismässigen Erschöpfungszuständen.<br />

Einigen Patienten<br />

mit «Tumorerschöpfung – Fatigue» wird<br />

heute das Führen eines «Energietagebuches»<br />

(eine simple Tabelle) empfohlen,<br />

um das nötige Gleichgewicht zwischen<br />

Über- und Unterforderung während dieser<br />

schweren Lebensphase auszubalancieren.<br />

Mit meinen Reserven haushalten lernen,<br />

um wenigstens meinen Pflichten als<br />

Ehefrau und Mutter sowie als ehrenamtliche<br />

Betreuerin nachzukommen, bleibt<br />

eine schwierige Lektion. Ich muss aber<br />

lernen, persönliche Prioritäten zu setzen,<br />

denn ich werde auch älter. Dabei helfen<br />

mir meine vielen <strong>Spickzettel</strong>, angefangen<br />

von der Geburtstagsliste, über den leidigen<br />

Einkaufszettel, einen Gartenarbeitsplan,<br />

bis hin zu einer neuen Brief-Fotoliste. Seit<br />

dem letzten Sommer habe ich mir sogar<br />

einen persönlichen Wochenarbeitsplan –<br />

mit zugegeben kleinem Hintergedanken<br />

(Vielleicht erbarmt sich ja mal ein anderer?!)<br />

– deutlich sichtbar an den Kühlschrank<br />

geheftet.<br />

Meine <strong>blaue</strong> <strong>Liste</strong><br />

Nicht zuletzt besitze ich noch eine andere,<br />

fast geheime <strong>blaue</strong> <strong>Liste</strong>: Sie hängt<br />

nirgendwo aus. Nein, ich «arbeite» sie in<br />

der Stille ab – genauer gesagt in meiner<br />

kostbaren Stillen Zeit am Morgen.<br />

Es gab in meinem Leben schon immer<br />

viele Menschen und Nöte, für die ich<br />

gerne beten wollte, aber auch auf diesem<br />

Gebiet reichten meine Kapazitäten nie.<br />

Ausserdem wanderten meine Gedanken<br />

beim Frühgebet umher und ich bekam<br />

Mühe, mich zu konzentrieren. Manchmal<br />

hatte ich jemandem versprochen zu beten<br />

und es dann irgendwann vergessen.<br />

60 ethos 2 I 2007<br />

So bat ich Gott, mir zu helfen und zu<br />

zeigen, wie und für wen ich konkret ein<br />

Jahr lang treu täglich einstehen sollte.<br />

Da ist es dann irgendwie passiert. Mitten<br />

im Nachdenken über Gottes Wort,<br />

beim Beten und Hören während meiner<br />

Morgenandacht, standen Menschen und<br />

christliche Werke vor meinen Augen, deren<br />

Namen und Anliegen ich mir kurzerhand<br />

hinten in der Losung notierte, einfach<br />

weil in dem Moment kein anderes<br />

Zettelchen zur Hand war. Gerade das erwies<br />

sich als praktisch, denn dadurch ist<br />

die <strong>blaue</strong> <strong>Liste</strong> jeden Morgen garantiert<br />

zur Hand und geht nicht verloren.<br />

Einige Namen tauchen inzwischen jedes<br />

Jahr wieder in dieser handschriftlichen<br />

Gebetsliste auf: natürlich mein<br />

Mann, unsere Kinder, Freunde, Familienangehörige<br />

… Gelegentlich bin ich allerdings<br />

sehr überrascht, wen Gott mir aufs<br />

Herz legt oder wer mich direkt um regelmässige<br />

Fürbitte anspricht.<br />

Ich habe schon grosses Erstaunen in<br />

Gesichtern entdeckt, wenn es mir einmal<br />

unverhofft im Gespräch herausrutschte:<br />

«… Sie stehen übrigens auf meiner täglichen<br />

Gebetsliste.» Vor allem suchende,<br />

gottferne Menschen schienen tief berührt.<br />

Im Gegenzug freue ich mich natürlich<br />

auch, wenn ich unverhofft erfahre, dass jemand<br />

regelmässig für mich betet. Gottes<br />

Wort trägt das Gebet allen Christen ausdrücklich<br />

auf: «So ermahne ich euch nun,<br />

dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte,<br />

Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle<br />

Menschen …» (1. Tim. 2,1). Mit ein paar<br />

wenigen Freunden bin ich in täglicher<br />

gegenseitiger Fürbitte verbunden. Das ist<br />

für mich äusserst kostbar.<br />

Gott handelt erfahrungsgemäss nicht<br />

immer nach unseren – oft egoistischen<br />

– Vorstellungen und Wünschen, aber gewiss<br />

immer richtig. In Jesaja 55,9 heisst es<br />

deshalb: «… sondern so viel der Himmel<br />

höher ist denn die Erde, so sind auch meine<br />

Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken<br />

denn eure Gedanken.» Nur wenn<br />

wir das akzeptieren, können wir Frieden<br />

finden, denn verschiedenste Nöte werden<br />

trotz intensiver Fürbitte nicht kleiner.<br />

Hinter manch geliebten Namen habe<br />

Ich habe schon grosses<br />

Erstaunen in Gesichtern<br />

entdeckt, wenn es mir einmal<br />

unverhofft im Gespräch<br />

herausrutschte: «... Sie stehen<br />

übrigens auf meiner<br />

täglichen Gebetsliste.»<br />

Vor allem suchende,<br />

gottferne Menschen<br />

schienen tief<br />

berührt.<br />

ich leider weinend ein Kreuz auf meiner<br />

<strong>Liste</strong> setzen müssen, obwohl ein langer<br />

ausdauernder Gebetskampf von vielen<br />

Gläubigen vorausgegangen ist. Das ist<br />

hart, auch wenn ich mich unter Gottes<br />

Willen beuge, im Wissen, das ER keine<br />

Fehler macht.<br />

Für Verstorbene brauche ich dann<br />

nicht mehr zu beten. Das verbietet die<br />

Heilige Schrift. Trotzdem bleibt ihr Name<br />

auf meiner <strong>Liste</strong> bis zum Jahresende stehen.<br />

Ich schliesse die Hinterbliebenen in<br />

meine Gebete ein und danke Gott dafür,<br />

dass ich durch den Heimgegangenen gesegnet<br />

wurde. Das Danken hilft mir, mit<br />

meinen widersprüchlichen Gefühlen<br />

während der Trauerzeit klarzukommen.<br />

Ein bis zwei Mal in der Woche verwandle<br />

ich die Fürbitten in eine Dankesliste.<br />

Ich gehe die Namen in Gedanken<br />

durch, manchmal in einer schlaflosen<br />

Nacht oder noch einmal auf meinem täglichen<br />

Morgenspaziergang, und überlege,<br />

wie oder wodurch ich von diesem


P. S. für alle <strong>Liste</strong>ngegner:<br />

Unser grosser, allwissender Gott braucht selbstverständlich<br />

keine <strong>Liste</strong>n – schon gar nicht unsere –, aber er besitzt<br />

erstaunlicherweise eine. Wer sonst alle Aufstellungen<br />

ablehnt, sollte doch grösste Sorge tragen, dass sein Name<br />

wenigstens in der allerwichtigsten <strong>Liste</strong> gefunden wird: im<br />

Buch des Lebens (Offenbarung 17 und 20).<br />

Menschen speziell beschenkt wurde. Das<br />

ist gar nicht immer so einfach, manche<br />

Menschen scheinen ständig nur zu nehmen.<br />

Aber selbst wenn das so wäre, kann<br />

Gott sie als Werkzeug seiner Gnade an<br />

uns gebrauchen, um uns wichtige Glaubensdinge,<br />

wie Geduld, Sanftmut, Güte,<br />

Freundlichkeit (Gal. 5,22), zu lehren.<br />

Danken ehrt Gott, tut gut und ändert<br />

die Perspektive auch auf unsere Mitmenschen<br />

entscheidend. Meine <strong>blaue</strong> <strong>Liste</strong><br />

ist mich nämlich auch schon sehr sauer<br />

angekommen. Warum? Da waren «Kandidaten»<br />

in meine Aufstellung geraten,<br />

deren Namen ich lieber nie gekannt hätte<br />

und die ich, wenn möglich, nicht nur von<br />

meiner <strong>Liste</strong> ausradiert hätte ...<br />

Für seine Feinde zu beten ist eine bewusste<br />

Entscheidung. Wenn man von<br />

Freunden oder Geschwistern, für die man<br />

täglich Fürbitte getan und sie vielfach unterstützt<br />

hat, plötzlich und unerwartet gemein<br />

hintergangen, verleumdet und verraten<br />

wird, geht das nur im Aufblick auf<br />

Jesus. Es ist ein bisschen wie sterben.<br />

Trotz der schmerzenden Verletzungen<br />

solche Menschen täglich weiter zu segnen,<br />

kostet Überwindung und Gehorsam<br />

Gottes gutem Wort gegenüber. Jesus<br />

selber fordert uns auf: «Ich aber sage<br />

euch: … segnet, die euch fluchen; tut wohl<br />

denen, die euch hassen; bittet für die, so<br />

euch beleidigen und verfolgen …» (Matth.<br />

5,44).<br />

China: Jetzt mehr als 100 Millionen Christen<br />

7o Millionen treffen sich in Privatwohnungen zu Gottesdiensten<br />

idea. Die Zahl der Christen in der I,3 Milliarden Einwohner zählenden<br />

Volksrepublik China hat offenbar die 100-Millionen-Marke überschritten.<br />

Die Zunahme resultiert vor allem aus dem Wachstum der<br />

evangelikalen Hauskirchen. Dabei handelt es sich um kleine Gruppen<br />

protestantischer Christen, die sich zu Gottesdiensten und Bibelstunden<br />

in privaten Wohnungen treffen. Die Hauskirchen-Bewegung<br />

umfasst nach eigenen Angaben inzwischen 70 Millionen<br />

Christen. Die Hauskirchen, die in ländlichen Regionen schon lange<br />

verbreitet sind, blühten jetzt auch in den Städten auf, heisst es in<br />

einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Diese Gemeinden<br />

würden von der staatlichen Obrigkeit misstrauisch beobachtet.<br />

Sie schwanke zwischen Duldung und Verfolgung. Allein<br />

in Peking gebe es zwischen 2000 und 3ooo Hauskirchen, hingegen<br />

nur acht offizielle Kirchen der protestantischen und vom Staat über-<br />

Mehrmals habe ich zähneknirschend<br />

zum Herrn Jesus gesagt: «Bis zum 31.12.<br />

und keinen Tag länger!» Jesus wusste<br />

schon lange vor dem «Knall», was die<br />

richtige Medizin für meine seelischen<br />

Wunden in dieser grässlichen Situation<br />

sein würde. Und eigentlich weiss ich doch<br />

auch, wozu Gottes Gebote gut sind: damit<br />

es mir selber ganz schnell wieder besser<br />

geht und die Spirale des Bösen sich nicht<br />

weiter aufbauen kann.<br />

Zum neuen Jahr gibt es jedes Mal<br />

ein druckfrisches Losungsbüchlein aus<br />

dem nahe gelegenen Herrnhut. Gern<br />

stehe ich an Neujahr zeitig auf und mache<br />

es mir bewusst besonders schön am<br />

Kamin ofen, mit Kerzen und einer grossen<br />

Tasse Milchkaffee. Eine Bibel und das<br />

Andachtsbuch dürfen natürlich nicht<br />

fehlen. Ich spüre eine kribbelnde Vorfreude<br />

auf Gottes Wirken, wenn ich innerhalb<br />

der ersten Morgenandacht des<br />

neuen Jahres zum Kugelschreiber greife<br />

und einige Namen und Gebetsanliegen<br />

notiere. Niemand stört mich dabei. Nur<br />

meine Hündin, die auf dem Vorleger vor<br />

sich hindöst und geduldig auf ihren Spaziergang<br />

wartet, hebt ab und zu ein Augenlid.<br />

Yessy ahnt wohl kaum, dass sie<br />

zwar den letzten, aber immerhin auch einen<br />

Platz auf Frauchens geheimer <strong>blaue</strong>r<br />

<strong>Liste</strong> einnimmt ... ■<br />

wachten «Drei-Selbst-Bewegung». Sie hat nach offiziellen Angaben<br />

I8 Millionen Mitglieder. Schätzungen über die Zahl der Katholiken<br />

bewegen sich zwischen zwölf und I8 Millionen; davon sollen rund<br />

sechs Millionen regimetreu sein. Die Partei könne das Wachstum<br />

der Hauskirchen nicht mehr aufhalten und versuche deshalb, sie zu<br />

kontrollieren, so die FAZ. Sie zitiert einen Hauskirchen-Repräsentanten<br />

mit den Worten: «Die Polizei weiss von unseren Hauskirchen,<br />

aber sie belästigt uns nicht. Man beobachtet uns, man hat uns bedeutet,<br />

wir sollten keine Ausländer zu unseren Zusammenkünften<br />

lassen und die Gruppe nicht zu gross werden lassen.» Manche Provinzen<br />

gehen jedoch verschärft gegen die Hauskirchen vor. So wurden<br />

nach Angaben der US-amerikanischen Hilfsorganisation «China<br />

Aid» von Mai 2005 bis Mai 2006 in 15 Provinzen fast 2000 Christen<br />

festgenommen.<br />

ethos 2 I 2007 61<br />

GEGEN DAS CHAOS

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