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Angenommen – und was nun?

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4 BUDAPESTER ZEITUNG MEINUNG 5. - 11. JULI • NR. 27ZITATEDER WOCHE„Ich schaue mich am Tisch um, ob es noch einanderes Land gibt, wo die Realwirtschaft so gutläuft, doch habe nichts dergleichen gesehen.“Premier Viktor Orbán auf einer Pressekonferenznach der Plenardebatte im Europaparlamentam Mittwoch in Straßburg.„Es ist sonderbar zu sehen, dass sich heutesolche Menschen für die Symbole des Feudalismusbegeistern, deren Vorfahren unterschlimmsten Umständen <strong>und</strong> ihrer Menschenwürdeberaubt lebten. Ich weiß nicht,<strong>was</strong> diese unseligen Leibeigenen denken würden,wenn sie sehen würden, dass sich ihreNachkommen heute nicht für die Befreiungder einfachen Menschen, sondern für diedunkelste Unterdrückung begeistern.“Istvánffy András, Präsident der außerparlamentarischenOppositionsbewegung 4K! zum am Montaginkraftgetretenen Gesetz zur Bestrafung beiBeleidigung der Heiligen Stephanskrone.„Noch vor drei Wochen hatten die MenschenAngst vor dem Wasser, ab heute werden sie eslieben, wenn es zehn Meter über ihren Köpfen ist.“Premier Viktor Orbán bei der feierlichenBrunnenübergabe auf der Margareteninsel amMontag, auf das Hoch<strong>was</strong>ser in Ungarn anspielend.„Eine E-Maut? Haben wir nicht, gibt es hier nicht.“Eine Tankstellenmitarbeiterin am Montag auf Nachfrageeines LKW-Fahrers, wo er die ab Montag geltendeungarische elektronische Mautgebühr bezahlen kann.„Die konservative Politik glaubt immer an denverfassungsrechtlichen Rechtsstaat. Sie habenden Wirkungskreis des Verfassungsgerichtesausgehöhlt, haben dessen Standpunkteder vergangenen 23 Jahre ausgelöscht<strong>und</strong> einen Angriff auf die Unabhängikeit derRechtssprechung gestartet. [...] Die europäischekonservative Auffassung ist modern: Sie setzteine aus freien Bürgern bestehende Gesellschaftvoraus. Ihre Partei schaut auf die Gesellschaftherab, verteilt Privilegien <strong>und</strong> bemüht sich,die Untergebenen des allmächtigen Staatesin den nationalistischen Populismus seineszentralen Machtfeldes miteinzubauen.“Aus der an Viktor Orbán gerichteten Redevon Lajos Bokros, Europaparlamentsabgeordneter<strong>und</strong> ex-Finanzminister Ungarnsim Europaparlament am Mittwoch.VON LÁSZLÓ SZILYZwischen den Sympathisanten <strong>und</strong>Gegnern des Fidesz herrschte in einemPunkt lange Zeit Einhelligkeit: Die Öffentlichkeitsarbeitder heutigen Regierungsparteilässt an Effizienz nichts zuwünschen übrig. Diese Sicht ist imGr<strong>und</strong>e seit der Gründung des Fideszvorherrschend. Was sich vor allem daranablesen lässt, dass der Fidesz von seinenGegnern vielfach gerade deshalb angegriffenwurde. Der gängige Vorwurf:Der Fidesz tue eigentlich nichts anderesals mit unheimlicher Professionalität zukommunizieren. Diejenigen, die eineOrbán-Phobie nähren, gingen sogar soweit, Orbán mit dem PropagandaministerHitler-Deutschlands, JosephGoebbels, zu vergleichen.Demgegenüber offenbart sich unsseit dem Antritt der zweiten RegierungOrbán im Jahr 2010 ein völlig anderesBild. Was die Öffentlichkeitsarbeitdes Regierungslagers angeht, ist festzustellen,dass sie <strong>–</strong> bis auf die Kampagnein Sachen Senkung der Wohnnebenkosten(„rezsicsökkentés“) <strong>und</strong> der Anti-IWF Plakatkampagne <strong>–</strong> bis dato ehertollpatschig war denn kompetent. Ichspreche hierbei nicht vom Inhalt derBotschaften, sondern von der Art <strong>und</strong>Weise, wie diese transportiert wurden.Die Ungeschicklichkeit der Regierungwar bisher insbesondere in der Auslandskommunikationeklatant.Die Vorgabe an die ungarischen Botschafter,umgehend kämpferische Leserbriefezu schreiben, sofern sie UngarnkritischeArtikel lesen, hat uns mit denzentral- <strong>und</strong> westafrikanischen Militärdiktaturenauf eine Stufe gesetzt. Vermutlichwaren diese Diktaturen die letzten,die sich dieser Peinlichkeit ausgesetzthaben. In diesem Zusammenhangist aber auch die „Bewegung zur geistigenVerteidigung der Heimat“ zu nennen.Die humorlose <strong>und</strong> unversöhnlicheArt, wie diese Bewegung auf jeglicheForm von Kritik an Ungarn reagiert hat,ist nicht unbedingt dafür geeignet, sichin der Welt Fre<strong>und</strong>e zu machen. DasProblem mit dieser konfrontativenVorgehensweise liegt nicht darin, dasssie schandbar borniert ist, sondern dasssie schlicht <strong>und</strong> einfach ineffektiv ist.Ebenfalls lächerlich <strong>und</strong> für den internationalenRuf Ungarns abträglich istdas Verbot gegenüber den Leitern derungarischen Kulturinstitute im Ausland,sich ohne vorherige Absprache mit derBudapester Zentrale öffentlich zu äußern.Diese Personen stehen deshalb ander Spitze der ungarischen Kultureinrichtungen,um ihren Gastländern dieungarische Kultur zu vermitteln <strong>und</strong> näherzu bringen. Der Fidesz hat diesenedlen Auftrag allerdings auf paranoide<strong>und</strong> sinnlose Weise durchkreuzt.Bei anderen gelesenDie wohl am schlechtestenkommunizierendeRegierungDer höchst amateurhafte Blog des fürPeinlichkeiten zuständigen StaatssekretärsFerenc Kumin (Tumblr-blog) wiederumfügt dem Land insofern keinen großenSchaden zu, als er von kaum jemandemgelesen wird. Kumin entpuppt sichauf seinem Blog als wahrer Kommunikationsprofi:Den witzigen, geistreichen,bunt bebilderten <strong>und</strong> vor allem kurz gehaltenenBlogs der internationalen Blogger-Szenehält er nicht enden wollende,trockene, in ihrem Tonfall beleidigte <strong>und</strong>optisch angsteinflößende Blogeintragungenentgegen, um die Maßnahmen derRegierung zu verteidigen.Und als ob das nicht genug wäre, hatdas Onlineportal 444.hu aufgedeckt, werhinter jenen 66 Zivilorganisationen aus50 Ländern steht, die das Fidesz-Gr<strong>und</strong>gesetzpreisen <strong>und</strong> auf die sich dieRegierung immer wieder mit breiterBrust beruft. Nun, hinter diesen „Zivilorganisationen“verbergen sich zumGroßteil extremistische Gruppierungenmit verqueren <strong>und</strong> homophoben Ideologien.Was auffällt, ist, dass sich auch vielesüdamerikanische Organisationen darunterbefinden, die nicht einmal über eineeigene Website verfügen <strong>und</strong> möglicherweisePhantomverbände sind. Dassdiese Organisationen von der ungarischenVerfassung keinen blassen Schimmerhaben, kann getrost angenommenwerden. Demnach beruft sich die Regierungauf Organisationen, ohne sich dieMühe gemacht zu haben, zu überprüfen,wer sich eigentlich dahinter verbirgt.Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> liegt derSchluss nahe, dass der Fidesz seinen gutenRuf in Sachen Kommunikation zueinem nicht geringen Teil jenem AndrásWermer zu verdanken hat, der von derlinken Presse regelrecht verteufelt wurde.Mit gutem Gr<strong>und</strong>! Seit es Wermernicht mehr gibt, ist der Fidesz lediglichauf einem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeitprofessionell geblieben: bei jenenWählern, die kaum Zeitungen lesen <strong>und</strong>über die Welt so gut wie keine Informationenhaben. Um diese Wählergruppebuhlt der Fidesz mit Losungen, die bloßaus zwei bis drei Wörtern bestehen <strong>–</strong> dasaber mit Erfolg. Gute Kommunikationsollte sich allerdings nicht nur darin erschöpfen.Abschließend ist festzustellen, dassdas negative Ungarn-Bild in der Weltnicht zuletzt auf die schlechte Öffentlichkeitsarbeitder heutigen Regierungzurückzuführen ist. Weder die internationaleLinke, noch die Bilderberg-Gruppe, noch eine Verschwörung dergrauen Ufos haben Ungarn in dieseSituation gebracht, sondern das höchstaggressive Verhalten des Regierungslagersgepaart mit einer großen PortionUngeschicklichkeit.Der hier abgedruckte Text erschien am 26.Juni 2013 auf der Website www.cink.hu.Bei anderen gelesen„Man fühlt sich wie aufder ‘Farm der Tiere’“MAGYAR NEMZETEU-Parlament will Ungarn unterwerfenDas EU-Parlament hat am vergangenen Mittwoch denpolitischen Druck auf Ungarn erhöht. Mit großer Mehrheitstimmten die Abgeordneten für den Forderungskatalogvon Berichterstatter Rui Tavares, der die Einhaltungdemokratischer Gr<strong>und</strong>sätze verlangt. Die konservativeTageszeitung Magyar Nemzet erkennt in dem Schrittdas Bestreben des EU-Parlaments, Ungarn zu unterwerfen:„Dass der Wille der linken Mehrheit im Europäischen Parlamentzum Tragen kommt, ist in Ord<strong>nun</strong>g <strong>und</strong> höchstdemokratisch. Dass in Ungarn wiederum die konservativeMehrheit im Parlament das Sagen hat, will den linkenAbgeordneten im EU-Parlament aber so gar nicht in denKram passen, in ihren Augen ist sogar die ungarische Demokratiein Gefahr. Man fühlt sich wie auf der Farm derTiere [von George Orwell]: Vier Beine sind gut, zweiBeine sind schlecht. (...) Während wir stabil auf zwei Beinenstehen, will die linke Mehrheit im Europäischen Parlament,dass wir einem Tier gleich auf allen Vieren kriechen<strong>und</strong> uns dem Willen Europas unterwerfen.“ (4. Juli 2013)NÉPSZAVATavares-Bericht zu Ungarn enthält viel WahresAm vergangenen Mittwoch wurde im EuropäischenParlament über den „Bericht zur Lage der Gr<strong>und</strong>rechte inUngarn“ abgestimmt, der vom portugiesischen GrünenRui Tavares erstellt worden war. Darin heißt es, die jüngstenVerfassungsänderungen in Ungarn stellten „systemischeVeränderungen“ dar, die den Gr<strong>und</strong>werten der EUzuwiderliefen. Ungarns Premier Viktor Orbán bezeichneteden Tavares-Bericht am Dienstag als „beleidigend“.Er ziele darauf ab, Ungarn in eine Kolonie zu verwandeln.Für die linke Tageszeitung Népszava indes enthältder Tavares-Bericht viel Wahres: „Das Problem liegt geradedarin, dass Orbán <strong>und</strong> die EU eine unterschiedlicheDemokratie-Auffassung vertreten. Der ungarischePremier glaubt, dass er Narrenfreiheit hat, wenn seinePartei eine Mehrheit erlangt. Das wissen die Menschenhierzulande schon zur Genüge. 'Wir werden gegen diejenigenkämpfen, die Staatsbürger zweiten Ranges aus unsmachen wollen', sagte Orbán in Straßburg. Darüber jedochverlor er kein Wort, dass unter seiner Regierung dieKategorisierung der Staatsbürger bereits stattgef<strong>und</strong>enhat. Als Privilegierte gelten die Sympathisanten derRegierung, vor allem aber ihre Verwandten, Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong>Bekannte. (...) Diese Personen stört es nicht, dass diestaatlichen Institutionen von regierungsnahen Personenbesetzt worden sind <strong>und</strong> die Verfassung nach dem BildOrbáns umgeformt wurde.“ (3. Juli 2013)MAGYAR NEMZETUngarn hat Devisenkredite zu Recht verbotenDie Europäische Kommission hat in der Vorwocheangekündigt, ein weiteres Vertragsverletzungsverfahrengegen Ungarn einzuleiten, weil die Regierung vonViktor Orbán bereits 2011 ein Teilverbot bei derVergabe von Fremdwährungskrediten verhängt hat. Diekonservative Tageszeitung Magyar Nemzet kann dieEntscheidung Brüssels nicht nachvollziehen: „Zwar lässtes die EU in bestimmten Ausnahmefällen zu, dass einMitgliedsland die Freiheiten seiner Bürger im Interessedes Gemeinwohls einschränkt. Doch leider gilt das nichtfür die Fremdwährungskredite, von denen nachSchätzungen r<strong>und</strong> drei Millionen Ungarn betroffen sind.Wenn doch nur von der in ihren Ausmaßen tragischenVerschuldung der Privathaushalte die Rede wäre! Nein,auch die Lokalverwaltungen haben eine horrendeSumme an Schulden aufgehäuft, die zum Großteil derAufnahme von Devisenkrediten geschuldet sind. (...)Und jetzt soll dieses Spiel [die Vergabe vonDevisenkrediten] von Brüssels Gnaden neuerlich beginnen.“(28. Juni 2013)

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