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Inklusion – nur ein neuer Trend? - Franziskanerbrüder

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<strong>Franziskanerbrüder</strong>vom heiligen kreuzDer Begriff Empowerment wird auchfür <strong>ein</strong>en erreichten Zustand von Selbstverantwortungund Selbstbestimmungverwendet; in diesem Sinn wird im DeutschenEmpowerment gelegentlich auchals Selbstkompetenz bezeichnet.Zusammengefasst bedeuten diese 3Begriffe, dass jeder Mensch <strong>ein</strong> Teil desGanzen ist, s<strong>ein</strong>e Fähigkeiten <strong>ein</strong>bringt,autonom und selbstbestimmt leben kann,sowie <strong>ein</strong> Wahlrecht hat, unabhängig vons<strong>ein</strong>er Herkunft, s<strong>ein</strong>en Einschränkungen,s<strong>ein</strong>em Geschlecht oder s<strong>ein</strong>em Alter.Die gesamte Umgebung muss so gestaltets<strong>ein</strong>, dass k<strong>ein</strong>e Barrieren den Menschenbehindern und er aktiv an der Gestaltungder Prozesse teilnehmen kann.Es lassen sich viele Definitionen zu denBegriffen <strong>Inklusion</strong>, Partizipation und Empowermentfinden, die auch teils unterschiedlichsind. Alle m<strong>ein</strong>en aber das gleiche:Es geht um die Menschenrechte unddie Wahrung der Würde aller Menschen.Historie der BegriffeAber wenn jeder Mensch diese Rechtefür sich persönlich in Anspruch nimmt,warum muss es dann <strong>ein</strong>e UN-Behindertenrechtskonventiongeben? Diese Fragewird schnell beantwortet, wenn man malschaut, nach welchen Thesen die Behindertenarbeitvor <strong>Inklusion</strong>, Partizipationund Empowerment ausgerichtet war.Helmut Schwalb und Georg Theunissenzitieren in ihrem Buch, <strong>Inklusion</strong>, Partizipationund Empowermentarbeit <strong>–</strong> Best<strong>–</strong> Practice <strong>–</strong> Beispiele 2009, den SchweizerHeilpädagogen Bürli (1997), der sichmit der Begriffsgeschichte der Arbeit mitbehinderten Menschen seit dem 19. Jahrhundertbeschäftigt hat und diese in vierPhasen unterscheidet:Die erste Phase benennt er als Phaseder Exklusion. In der Phase waren Menschenmit Behinderung von der Teilhabean gesellschaftlichen Regelsystemen ausgeschlossen,sie wurden weggeschlossen(zuhause oder in Anstalten, für von derNorm abweichende Menschen).In der zweiten Phase, die Bürli als Phaseder Segregation bezeichnet, wurdenMenschen mit Behinderung zwar weiterhinals krank, behandlungs- und versorgungsbedürftigbezeichnet, dem Fürsorgesatzfolgend wurden für sie abernunmehr eigene, abgetrennte Sozialstations<strong>ein</strong>richtungengeschaffen, in denensie gefördert werden konnten. DiesePhase war gekennzeichnet durch die inder zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertsforcierte Institutionalisierung von Menschenmit Behinderungen. Damals wares in den Industrienationen zu zahlreichenHeim- oder Anstaltsgründungengekommen. Die Beweggründe dafürwaren recht unterschiedlich. Neben denchristlichen Impulsen der Nächstenliebeund Barmherzigkeit ging es um „Heilung“und Erziehung zur „Brauchbarkeit“ fürdie Gesellschaft. Dabei zeigte sich jedoch,dass es behinderte Menschen gab,die die Anforderungen nicht oder kaumerfüllen konnten und diese Erfahrungförderte die Vorstellung, dass es sinnvollsei, das Heim- und Anstaltswesenin Anstalten oder Abteilungen für „bildbare“Personen auf der <strong>ein</strong>en Seite undin Pflegeheime oder Pflegeabteilungenfür „bildungs- und erziehungsunfähige“Menschen auf der anderen zu differenzieren.Im 20. Jahrhundert wurde weltweitdieses von der Psychiatrie gestützteZwei-Klassen-System zunächst un<strong>ein</strong>geschränktfortgeschrieben (s. Theunissen2005). Allerdings war es in <strong>ein</strong>igen hochentwickeltenIndustrienationen (USA,skandinavische Länder) alsbald zu scharferKritik am Ausschluss der Menschenmit Behinderung von der Teilhabe angesellschaftlichen Regelsystemen gekommen.Kritisiert wurde insbesondere dieUnterbringung behinderter Menschenin Institutionen, denen <strong>ein</strong> „totaler Charakter“(Gorman) attestiert wurde. Dasbetraf vor allem staatliche Behindertenanstalten.Hierzulande war die Kritik ander Institutionalisierung verhaltener, dakirchliche Anstalten im Versorgungssystembehinderter Menschen die dominierendeRolle spielten, die sich durch <strong>ein</strong>echristlich geprägte Philosophie von denstaatlichen Institutionen (z. B. psychiatrischenLandeskrankenhäusern) abzuhebenversuchten. Die Aus<strong>ein</strong>andersetzungwurde dabei von betroffenen Menschen,von ihren Eltern und Familien sowie vonengagierten Fachwissenschaftlern, Professionellenund Bürgerrechtlern geführt.Hier setzte <strong>ein</strong>e dritte Phase der Entwicklungan, die Bürli als Phase der Integrationbezeichnet. Menschen mitBehinderung wurden zwar immer nochals defizitär ausgestattet beschrieben, eswurde jedoch nunmehr erkannt, dassdie diagnostizierten Defizite durch Förderungsoweit reduzierbar seien, dassMenschen mit Behinderung an normaleLebensbedingungen herangeführt werdenkönnen. Dies war die Stunde derheilpädagogischen Förderung.Inzwischen beginnt <strong>ein</strong>e vierte PhaseKontur zu bekommen, deren LeitbegriffEmpowerment bedeutet auch, Menschen beim Leben undWohnen in den eigenen vier Wänden zu unterstützen.<strong>Inklusion</strong> heißt. Sie hat ihren Ausgangspunktin der Kritik an der Priorisierungvon Eigeninteressen der Kostenträger,Wohlfahrtsverbände und Organisationender Behindertenhilfe sowie <strong>ein</strong>erFremdbestimmung durch die heilpädagogischeHelferkultur. Stattdessen wird<strong>ein</strong> Autonomie-Modell <strong>ein</strong>gefordert, dassich auf die Rechte-Perspektive behinderterMenschen (Menschen- und Bürgerrechte)bezieht. Im Kern geht es hierbeiganz im Sinne von Empowermentum <strong>ein</strong>en Wechsel der Zuständigkeit undUmverteilung von Macht, indem behinderteMenschen als „Experten in >7

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