Titelthemaeigener Sache“ selbst darüber entscheidenmöchten, was für sie gut, sinnvollund hilfreich ist und was nicht (Theunissen2009). Die Vorstellung in Bezug aufArbeiten und Wohnen im Erwachsenenaltersind dabei <strong>ein</strong>deutig: K<strong>ein</strong> Arbeitenin Sonder<strong>ein</strong>richtungen, sondern Zugangzum allgem<strong>ein</strong>en Arbeitsmarkt und k<strong>ein</strong>eUnterbringung in stationären Einrichtungen,sondern <strong>ein</strong> Leben in kl<strong>ein</strong>en,gem<strong>ein</strong>d<strong>ein</strong>tegrierten Wohnungen, diemit <strong>ein</strong>er Öffnung nach außen als Ortdes gesellschaftlichen Zusammenlebensbetrachtet werden. Das Paradigma der<strong>Inklusion</strong> geht davon aus, dass Menschenmit Behinderung sehr wohl in der Lagesind, trotz ihrer Behinderung aber auchmit daraus erwachsenden spezifischenFähigkeiten an normalen Lebensbedingungenin den gesellschaftlichen Regelsystementeilzuhaben, dass sie <strong>ein</strong> Rechthaben auf <strong>ein</strong> selbstständiges und selbstverantwortetes Leben in der Gesellschaft.Bedeutung für die praktische Arbeit<strong>Inklusion</strong>, Partizipation und Empowerment<strong>–</strong> für viele erst <strong>ein</strong>mal <strong>nur</strong> <strong>ein</strong> paarSchlagworte. Für <strong>ein</strong>en sozialen Trägerder Behindertenarbeit, wie die <strong>Franziskanerbrüder</strong>vom Heiligen Kreuz <strong>ein</strong>ernstzunehmender und wichtiger Auftragin der Ausrichtung ihrer Angeboteund auch <strong>ein</strong> Auftrag, das grundsätzlicheDenken entsprechend anzupassen.Schaut man sich die Ausrichtung der Einrichtungender <strong>Franziskanerbrüder</strong> vomHl. Kreuz im Verlauf der letzten Jahre genaueran, sieht man, dass sich hier sehrviel in Richtung <strong>Inklusion</strong> verändert hat.Ein wichtiger Meilenst<strong>ein</strong> war unter anderemdie Einführung der IndividuellenTeilhabeplanung (THP), die mit jeder Bewohnerinund jedem Bewohner sowiemit allen Kunden der ambulanten Dienstedurchgeführt wird. In dem THP werdenausführlich die individuellen Wünscheund Bedürfnisse des <strong>ein</strong>zelnen abgefragt,woraus dann der Auftrag an die Diensteder <strong>Franziskanerbrüder</strong> vom Hl. Kreuze.V. formuliert wird. Im Altenhilfebereichwird hier vergleichbar die Pflegeplanungmit den Betroffenen erarbeitet. Im Alltagwerden die Bewohnerinnen und Bewohnerdurch Bewohnerbeiräte vertretenund über diese Gremien intensiv an derGestaltung der Angebote beteiligt.All<strong>ein</strong> das Abfragen der Wünsche reichtnatürlich nicht aus. Es ist auch wichtig,dass <strong>ein</strong> umfassendes und zeitgemäßesAngebot vorgehalten wird. Hier alleMöglichkeiten, die in den Einrichtungender <strong>Franziskanerbrüder</strong> vom Hl. Kreuze.V. angeboten werden aufzuzeigen,würde den Rahmen sprengen. Darumzeigen wir beispielhaft wie Kloster Ebernachs<strong>ein</strong> Teilhabekonzept umsetzt: DieWohn- und Betreuungsangebote vonKloster Ebernach sind an den Maßstäbender <strong>Inklusion</strong>, Partizipation und Empowermentausgerichtet:> Wohnen in Wohngem<strong>ein</strong>schaften aufdem Kerngelände> Wohnen mit intensiver Unterstützungauf dem Kerngelände> Einzel- und Paarwohnen auf demKerngelände> Wohnen in Wohngem<strong>ein</strong>schaften inverschiedenen Gem<strong>ein</strong>den des Landkreises> Wohnen in der eigenen Wohnungmit ambulanter BetreuungDie Wohn- und Betreuungsangebotevon Kloster Ebernach werden dann unterstütztdurch das „Freizeitbüro“, dasalle Kunden und Bewohner sowie auchdie Bürger des Landkreises über Freizeit-,Beschäftigungs- und Förderangebote vonKloster Ebernach informiert. Alle Angeboteder Einrichtung stehen gleichermaßenjedem zur Verfügung. Vorbildhaftist hier z.B. die Theatergruppe „Mit<strong>ein</strong>ander“,die sich aus Menschen mit undohne Behinderung zusammensetzt undnun schon ihr drittes Stück gem<strong>ein</strong>samausgesucht und <strong>ein</strong>studiert hat. Durchdie Koordination des Freizeitbüros werdenalle interessierten Personen gleichermaßenerreicht und durch die Fülle derAngebote ist für jeden etwas Passendesdabei. Darüber hinaus wurde gem<strong>ein</strong>sammit allen Einrichtungen der Region unddem Landkreis <strong>ein</strong> Teilhabesteuerkreisgebildet, in dem die Angebote aller vernetztwerden. An der Teilhabeplanungdes Landkreises haben alle interessiertenBürger, mit und ohne Behinderung, aktivteilnehmen können.AbschlussbemerkungIm Umgang mit den Begriffen <strong>Inklusion</strong>,Partizipation und Empowerment istes wichtig, dass die Begriffe auch richtigverstanden werden. Unter <strong>Inklusion</strong> kannnicht verstanden werden, dass es hierall<strong>ein</strong>e darum geht, stationäre Einrichtungenaufzulösen. Vielmehr geht es darum,dass jeder Mensch die Möglichkeiterhält dort zu leben, wo er leben möchteund selbst aktiv s<strong>ein</strong>e Umgebung mitbestimmenund mitgestalten kann. Hier istauch wichtig, dass der Mensch bei s<strong>ein</strong>enWahlmöglichkeiten nicht all<strong>ein</strong>e auf s<strong>ein</strong>eDefizite reduziert wird. Für soziale Trägerbedeutet das, dass sie ihre Angebotederart attraktiv gestalten müssen, dasssich der Mensch dann auch selbst aktivfür diese Angebote entscheidet. •Unterstützung in den eigenen vier Wänden - das ist das Ziel der Ambulanten Hilfen.8
<strong>Franziskanerbrüder</strong>vom heiligen kreuzInterview mit Andi Weilandzum Thema <strong>Inklusion</strong>Andi Weiland ist Pressesprecher der Internetplattform „Leidmedien“, die sichmit der Berichterstattung über behinderte Menschen befasst. Das Thema<strong>Inklusion</strong> spielt dabei täglich <strong>ein</strong>e Rolle.„Leidmedien.de“ ist <strong>ein</strong> Projekt der Sozialhelden in Kooperation mit derAktion Mensch. Die Sozialhelden sind in Berlin ansässig und wurden vonden beiden Cousins Raul und Jan Krauthausen gegründet. Sie beschlossen,sich sozial zu engagieren und zwar so unmittelbar wie möglich mitumsetzbaren Projekten. Raul hat die Glasknochenkrankheit und benutztaus diesem Grund <strong>ein</strong>en Rollstuhl. So boten sich Projekte aus dem sozialenBereich an. Mit „Leidmedien“ haben die Sozialhelden <strong>ein</strong>e Internetseite fürAndi WeilandJournalistinnen und Journalisten etabliert, die über Menschen mit Behinderungenberichten wollen. Hintergrund ist die Beobachtung, dass behinderte Menschen oft<strong>ein</strong>seitig dargestellt und auf ihre Behinderung reduziert werden. Pax et Bonum sprach mitAndi Weiland, dem Pressesprecher von „Leidmedien“.PeB: Was genau ist das Ziel von „Leidmedien“?A. W.: Wir wollen Journalistinnen undJournalisten, aber auch anderen Interessiertenzeigen, wie sie abseits von <strong>ein</strong>seitigenSprachbildern und Floskeln überbehinderte Menschen berichten undsprechen können. Formulierungen wie„an den Rollstuhl gefesselt“ oder „leidetan“ lassen negative Bilder im Kopf entstehen,die behinderte Menschen auf dasHäufige Urteile zum Thema <strong>Inklusion</strong> <strong>–</strong>und die Einschätzung von „Leidmedien“ dazu:„<strong>Inklusion</strong> ist <strong>nur</strong> <strong>ein</strong> neues Wort fürIntegration.“Oft wird tatsächlich <strong>ein</strong>fach <strong>nur</strong> das Wort„Integration“ durch „<strong>Inklusion</strong>“ ausgetauscht<strong>–</strong> zum Beispiel weil es modernerklingt. Das ist aber nicht „im Sinne derErfinder“: <strong>Inklusion</strong> m<strong>ein</strong>t mehr als diebloße Integration von „Abweichenden“in <strong>ein</strong>e sonst gleichbleibende Umgebung<strong>–</strong> sondern umgekehrt die Anpassung dieserUmwelt an die jeweiligen Voraussetzungender Menschen.reduzieren, was sie nicht können. Vielmehrmuss es doch darum gehen, Fähigkeitenhervorzuheben. Dazu möchten wir Tippsgeben, ohne jedoch zu verwirren. Dennniemand soll Angst haben, über Menschenmit Behinderung zu berichten. Uns geht es<strong>ein</strong>fach darum, gegen das weit verbreiteteBild von Behinderung in unserer Gesellschaftzu arbeiten: Das schwere Schicksal,das überwunden werden muss oder aufder anderen Seite auch den Heldenstatus,„<strong>Inklusion</strong> ist ja <strong>ein</strong>e nette Vorstellung,aber nicht machbar.“Das dachte man bisher bei vielen gesellschaftlichenNeuerungen. Sicherist wirkliche <strong>Inklusion</strong> noch <strong>ein</strong> weitentferntes Ideal. Doch wenn man dieletzten Jahrhunderte betrachtet, ist eserstaunlich, wie viele der <strong>ein</strong>stigen IdealeRealität wurden <strong>–</strong> weil sie gesellschaftlichgewünscht waren und alledaran mitgearbeitet haben.den Behinderte bekommen,wenn sie Dinge tun, die eigentlichzu <strong>ein</strong>em „normalen“Alltag gehören. Dafürmöchten wir mit unseremInternetangebot sensibilisieren.PeB: Selbst die Verwendung des Wortes„Behinderte“ wird teilweise als problematischempfunden und deshalb oftdurch „Menschen mit Handicap“ ersetzt.Was ist hier denn nun „politisch korrekt“?A. W.: Für uns ist immer maßgebend, inwelcher Beziehung Behinderung und Themastehen. Beiträge, die all<strong>ein</strong>e die Behinderung<strong>ein</strong>es Menschen thematisieren,wirken reduzierend. Denn Behinderung istimmer <strong>nur</strong> <strong>ein</strong> Merkmal <strong>ein</strong>es Menschenunter anderen. Ein Rollstuhl beispielsweiseist in erster Linie <strong>ein</strong>fach <strong>nur</strong> <strong>ein</strong> Fortbewegungsmittel.Die Behinderung entsteht„<strong>Inklusion</strong> ist nicht finanzierbar.“Auch hier stellt sich die Frage nach gesellschaftlichenZielen und der Bereitschaft,etwas zu verändern. Wenn <strong>ein</strong>e inklusiveGesellschaft von allen gewollt ist, werdensich Wege der Finanzierung finden. Abgesehendavon ist <strong>ein</strong>e wirklich inklusive Infrastrukturauf lange Sicht kostensparend:Wenn gleich barrierefrei gebaut wird,spart man sich die Umbaukosten. Wenngenügend Pädagoginnen und Pädagogenan Schulen <strong>ein</strong>gestellt werden, spart diesdie Kosten der Sonderbeschulung.Quelle: www.leidmedien.de9