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Nr. 39 - DKP

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SozialistischeWochenzeitung –Zeitung der <strong>DKP</strong>www.unsere-zeit.deArbeitsschutzArbeitsbedingungenzu gestalten,die nicht krankmachen, ist eineHerausforderung.Seite 2ErmittlungenDie Polizei legt offenbarfrisierte Aktenzum „Blockupy“-Aktionstagin FrankfurtAnfang Juni vor.Seite 527. September 2013 – <strong>Nr</strong>. <strong>39</strong> – 45. Jahrgang PVSt K 4956 D – Entgelt bezahlt 2,80 €DemokratiespielAm vergangenen Sonntag stimmtendie Schweizer über Wehrpflicht, längereArbeitszeiten im Einzelhandel,Stimmrecht für MigrantInnen undBurka-Verbot ab.Seite 7Thema der Woche1938: MünchenerAbkommenAm 30. September 1938 – vor 75 Jahren– wurde das Münchener Abkommengeschlossen, mit dem das so genannteSudetenland an das faschistischeDeutsche Reich angeschlossenwurde und der tschechoslowakischenRepublik der Todesstoß versetzt wurde.Das Abkommen bedeutete, wie dasZK der KPD damals in einer Erklärungfestellte, die Verhöhnung desSelbstbestimmungsrechts der Völkerund war ein wesentlicher, weitererSchritt zum Krieg.Seite 9Foto: www.cdu.deKein Wechselwille?Für die Beschäftigten geht es umviel bei der Bundestagswahl –nämlich darum, die Weichen füreinen Politikwechsel zu stellen. Unddafür zählt jede Stimme“, hatte derDGB-Vorsitzende Michael Sommerim Vorfeld der Bundestagswahlenerklärt. In einem Wahlspot fordertedie IG Metall gute Arbeitsplätze,bessere Bildung, soziale Gerechtigkeitund eine menschenwürdigeRente.All dies sind Forderungen, die vieleMenschen im Land haben. Undtrotzdem, trotz wachsender sozialerVerwerfungen, hat eine Mehrheit derWählerinnen und Wähler – unter ihnenviele abhängig Beschäftigte undArbeitslose – CDU und CSU gewählt.Diese stellten sich als „Macher“und„erfolgreiche Krisenbewältiger“ in derEU dar. Der FDP gelang dies nicht.Was Kanzlerin Merkel nutzte, erwiessich für die „Liberalen“ als Rohrkrepierer.(Siehe auch Seite 4)Merkel und Co. konnten vielen vermitteln,dass nur mit ihnen Stabilität undWirtschaftswachstum erreicht werdenkann – trotz der auch hierzulandewachsenden Kluft zwischen Arm undReich, trotz Niedriglöhnen, Hartz IV,zunehmender Kinder- und Altersarmut.Auch die Skandale – einschließlichdes um Verteidigungsminister deMaizière –, NSU und NSA haben denUnionsparteien ebenso wenig Stimmengekostet wie die Kandidatur derRechtsaußenpartei AfD, deren Stimmenzahleinen gefährlichen Trendzeigt. Im Wahlkampf war die Parteimit EU-skeptischen, nationalchauvinistischensowie fremdenfeindlichenLosungen aufgefallen und erhielt ausdem Stand mehr als zwei MillionenStimmen.Aber auch die gezielt geschürten Ängstevor dem Verlust des Arbeitsplatzes,vor sozialem Abstieg, Zukunftsängsteund vor allem das Fehlen einer überzeugendengesellschaftlichen Alternativehaben zum Wahlergebnis für dieUnionsparteien beigetragen …Der von Sommer beschworene Politikwechselfand also nicht statt. Und eswird ihn auch mit einer SPD in einerGroßen Koalition oder einer Schwarz-Grünen-Koalition nicht geben.Der <strong>DKP</strong>-Vorsitzende Patrik Köbeleerklärte deshalb in einer ersten Stellungnahmezum Ausgang der Bundestagswahl:„Egal welche Koalition dieUnionsparteien eingehen werden – fürdie Menschen hierzulande wird sichnicht viel ändern: Die Kriegseinsätzeder Bundeswehr werden weitergehen.Der nächste EU-Rettungsschirm fürBanken wird verabschiedet werden.Und der nächste Sozialraubzug wirdin Angriff genommen werden, um dieführende Position deutscher Bankenund Konzerne in EU auf dem Rückender Lohnabhängigen hierzulande undin Europa auszubauen. In diesem Sinneist das Ergebnis ein Wahlsieg für dieBanken und Konzerne.“ (Siehe Seite 8)Am Montag gratulierte die stellvertretendeDGB-Vorsitzende Elke Hannackin Berlin der Kanzlerin, äußerteaber auch die Erwartung, „dass einezukünftige Regierung umsteuert – hinzu einer sozial gerechten Politik.“Die wird aber nicht „umsteuern“, sonderndie bisherige Politik fortsetzen,wenn es nicht einen wesentlich stärkerenDruck als bisher aus Betrieben,Gewerkschaften, von der Straße gibt.Wenn der Widerstand nicht breiterwird. Höhere Löhne, Bekämpfung vonLeiharbeit und Niedriglohnjobs, Abschaffungvon Hartz IV, der Rente mit67, bessere Bildung, keine Zweiklassen-Medizin,Sicherung und Ausbauvon demokratischen Grundrechtenund Frieden angesichts der drohendenimperialistischen Interventionspolitik,derzeit beispielsweise gegen Syrien –das sind die unmittelbaren sozialenund politischen Lebensinteressen derMenschen.Im Bundestag sitzen jetzt nur nochvier Parteien. Und unter ihnen ist nureine wirkliche Oppositionspartei, diePartei „Die Linke“, die zur drittstärkstenPartei wurde. Sie kann und mussdiesem Protest eine parlamentarischeStimme geben.Nina HagerAblauf11.30 Uhr – 13.00 UhrAuftaktkundgebung Kalkar13.00 Uhr – 14.00 UhrDemonstration zur von Seydlitz-Kaserne14.00 Uhr – 15.30 UhrAbschlusskundgebung vor der KaserneRednerInnen:Sevim Dagdelen, MdB „Die Linke“Uli Sander,Bundessprecher VVN-BdAWilfried Porwol, DFG-VK KleveMusik:Fresh GameWestliche Politiker – von US-AußenministerKerry über den „sozialistischen“französischen Präsidenten Hollandebis zum deutschen AußenministerWesterwelle – posaunen in die Welthinaus, für den Einsatz von Chemiewaffenin der Nähe von Damaskus seidas syrische Regime verantwortlich.Und die Massenmedien wiederholendiese Behauptung in der Art tibetanischerGebetsmühlen. Die Beweisedafür, so heißt es, liefere der Untersuchungsberichtder UN-Inspekteure anden UN-Generalsekretär.Abgesehen davon, dass in dem Berichtnur festgestellt wird, dass es Hinweisefür den Einsatz von Giftgas gibt, aberkeine Schuldigen benannt werden, sinddie Fakten des Berichts, auf die sich diewestlichen Politiker und ihre medialenNachbeter bei ihren Behauptungen berufen,fragwürdige „Beweise“. Sie reduzierensich darauf, dass die Inspekteurezwei Geschossteile gefunden habenund eines davon mit kyrillischenZeichen. Daraus wird geschlussfolgert,solche Waffen könne nur die syrischeArmee eingesetzt haben.Zweifelhafte „Beweise“ gegen AssadRussische Experten zum Bericht der UN-InspekteureRussische Experten haben diese kühneBehauptung postwendend widerlegt.So wird in einem Bericht derAgentur Ria Novosti Ruslan Puchow,Direktor des Moskauer Zentrums fürStrategie- und Technologieanalyse angeführt,der erklärte: „Das erste Geschosslässt sich leicht identifizieren:Es wurde im Bericht als 140-mm-Raketevom Typ M-14 für den alten sowjetischenMehrfachraketenwerfer BM-14–17 aus dem Jahr 1952 bezeichnet.“Weiter stellte der Experte fest, die syrischeArmee habe alle MehrfachraketenwerferBM-14–17 längst außerDienst gestellt, auch die Geschossedes Typs M-14 hätten ihre Haltbarkeitlängst überschritten. Jedenfallshabe die Sowjetunion kaum chemischeGeschosse an Syrien geliefert. Eshandele sich offenbar um einen Umbaueines alten Geschosses zu einemchemischen.Puchow hält es für unwahrscheinlich,dass die syrische Regierungsarmeedie veralteten Geschosse verwendethabe und die damit verbundenenRisiken eingegangen sein könnte.„Wenn sie chemische Geschosse hätteeinsetzen wollen, hätte sie eher dieStandardsysteme BM-21 ‚Grad‘ genutzt,für die sie auch die Munitionhat.“ Der Experte mutmaßt, dass dieRegimegegner „diesen alten Kram“ ineinem der eroberten Munitionslagergefunden haben.Zum zweiten Geschoss vermutet derrussische Experte, dass dieses Geschossvom Kaliber 360 mm offenbaraus einem „Eigenbau“ stamme. Erbezweifelt, dass die syrische Armee„derart primitive Munition produziertund einsetzt“.Was die kyrillischen Buchstaben aufeinem Trümmerteil der genannten140-mm-Rakete vom Typ M-14 betrifft,so hat der Chef der AdministrationPräsident Putins, Sergej Iwanow,darauf hingewiesen, dass diese heuteveraltete sowjetische Rakete in den1950er und 1960er Jahren an DutzendeLänder, darunter auch an Libyengeliefert wurde.Der Hinweis auf Libyen ist interessant.Auch er kann zu den tatsächlichSchuldigen für den Chemiewaffeneinsatzin der Nähe von Damaskus führen.Waren doch selbst in westlichenMedien Aussagen zu finden, dass zuden in Syrien gegen die Regierungkämpfenden Dschihadisten auch solcheGruppen gehören, die zuvor inLibyen gegen Gaddafi und für einenislamistischen Gottesstaat gekämpfthaben. Nach dem mit Hilfe von NA-TO-Staaten herbeigebombten EndeGaddafis sind diese Gruppen dannunter Mitnahme großer Waffenbeständeaus geplünderten libyschenWaffenlagern nach Syrien weitergezogen.Zu diesen Waffen könntendurchaus auch die jetzt bei Damaskusgefundenen Raketen sowie derenchemische Ladungen gehört haben.Schließlich hatte Libyen mit 12000 Tonnen Chemiewaffen, bei derenVernichtung heute auch deutsche Expertenmitarbeiten, ein noch größeresArsenal dieser Waffen als Syrien.Allerdings sind Zweifel daran angebracht,dass die Befürworter einesKrieges gegen Syrien ein Interessedaran haben, diesen Spuren nachzugehen.Willi GernsErgebnisse der <strong>DKP</strong>-DirektkandidatInnenBundestagswahl 2013BerlinBerlin-MitteTunia Erler, 0,2 % (260 Stimmen)BrandenburgOberhavel – Havelland II:Brigitte Müller, 0,2 %(292 Stimmen)Dahme-Spreewald – Teltow-Fläming III – Oberspreewald-Lausitz I:Lothar Fritz Nätebusch, 0,2 %(333 Stimmen)Cottbus – Spree-Neiße:Sebastian Zachow-Vierrath,0,2 % (245 Stimmen)Elbe-Elster – Oberspreewald-Lausitz II:Wilfried Klare, 0,3 % (319 Stimmen)Baden-WürttembergAalen-Heidenheim:Johann Holzheu, 0,1 %(230 Stimmen)


2 Freitag, 27. September 2013 Wirtschaft und Sozialesunsere zeitDie Wirtschafts-NATOSeit dem 8. Juli 2013 wird über einFreihandelsabkommen zwischen denUSA und der EU verhandelt. Momentanspielt das Thema in den Medienkeine Rolle. Abgesehen davon,dass die Verhandlungen geheim sind,ist das Schweigen im Blätterwaldwohl auch dem NSA-Spitzelskandalund den noch immer drohenden„Racheraketen“ der USA auf Syrienzu verdanken. Da macht es sichnicht so gut, wenn man durch Lobhudeleiüber die Riesenvorteile einessolchen Abkommens der noch engerenBindung an die USA das Wort redet.Zwar sind die US-Bomben zum„Schutz der syrischen Bevölkerung“vorerst gestoppt“, aber aufgeschobenist nicht aufgehoben …Mit welchen Superlativen warennoch in der ersten Jahreshälfte dieJubelrufe zu hören und zu lesen. Dasprachen die Medien von „der ganzgroßen Lösung (Deutsche Welle), vonder „gigantischen Freihandelszone“(Die Welt), „Die Früchte wären fastgrenzenlos“ (US-Vizepräsident JoeBiden) „… noch engeres Zusammenrücken… „(US-Präsident Obamabei seinem Besuch in Berlin) undKanzlerin Merkel: „Nichts wünschenwir uns mehr als ein Freihandelsabkommenzwischen Europa und denVereinigten Staaten.“ (im Februar2013)Es geht um die Vereinheitlichungvon Gesetzen für Verbraucher undSozialstandards. Und es geht um dieSchaffung eines imperialistischenWirtschaftsblocks als Abwehr gegendie aufkommende neue wirtschaftlicheMacht der Schwellenländer.Dieser Wirtschaftsblock würde ca.50 Prozent des Welthandels beherrschenund die Sicherheit bieten, dassdie vom Westen aufgestellten Vorgabenfür die Wirtschaft auf Jahrzehnteglobal Gültigkeit haben.Zwei Millionen neue Arbeitsplätzeinsgesamt, davon allein 180 000 fürDeutschland erhofft man sich vondiesem Superblock. Und da ebenliegt der Hase im Pfeffer. Von welchenArbeitsplätzen ist da die Rede?Bei den Gesprächen wird über denAbbau „nicht-tarifärer Handelshemmnisse“debattiert, im Klartext:Abbau von Rechten und Bestimmungen,die durch die Arbeiterschaftund ihre Gewerkschaftenin Jahrzehnten erkämpft wurden,im Freihandelsabkommen aber alsHandelshemmnisse deklariert werden.Besorgt fordern die österreichischenGewerkschaften die Beteiligungsämtlicher Sozialpartner anden Verhandlungen, um SicherheitsundGesundheitsstandards in der Arbeitsweltund den Umweltschutz zuerhalten.Auch der ver.di-Bundesvorstand istskeptisch und dabei, seine Bedenkenzu formulieren. Uwe Wötzel,tätig beim ver.di-Bundesvorstand,weist in „ver.di-Publik“ darauf hin,dass „mehrere der in Europa selbstverständlichenGewerkschaftsrechte– darunter die Freiheit zur Gründungvon Arbeitnehmerverbänden,die Kollektivvertragsfreiheit sowieÜbereinkommen für gleiche Entlohnung,in den USA nicht einklagbarsind“. „Vor allem aber haben dieUSA gerade einmal zwei der insgesamtacht Kernarbeitsnormen derILO (Internationale Arbeitsorganisation)übernommen: die Abschaffungder Zwangsarbeit und das Verbotschwerster Formen der Kinderarbeit“.Der Vertrag soll eine Schiedsstellezur Schlichtung von Streitigkeitenzwischen Investoren und Staatenvorsehen, wobei die Befürchtung sichernicht unberechtigt ist, dass denInvestoren mehr Rechte eingeräumtwerden als den Staaten – ähnlicheEinrichtungen bei der WTO und derWeltbank bestätigen solche Befürchtungen.Die Klage des schwedischenKonzerns Vattenfall gegen den deutschenStaat wegen der Abschaltungder AKW’s lässt grüßen.Eine weitere Frage: Was passiert mitunseren Verbraucher-Schutzregeln?Im Lebensmittelbereich dürften wiruns dann freuen auf gentechnischveränderten Mais, Sojabohnen, Kartoffeln,Zuckerrüben etc. – natürlichalle ohne Kennzeichnung, denn daswären ja „Handelshemmnisse“. Auchden Bestrebungen von MONSAN-TO und ähnlichen Konzernen, Patentrechteauf manipulierte Pflanzenund Tiere zu erwerben, wären kaumnoch Barrieren entgegenzusetzen.Aufpassen, dass wir den Kampf gegendieses Freihandelsabkommennicht verschlafen!Christine ChristofskyArbeit darf nicht krank machenMitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte werden durch Arbeitsschutz erweitertArbeitsschutz ist seit mehreren Jahrenein Dauerthema. Nicht zuletzt auchdadurch, dass die Zahl der psychischErkrankten permanent steigt. Mittlerweilesind psychische Erkrankungenzu einem Drittel für Erwerbsminderungsrentenverantwortlich. Und auchdie Gewerkschaften haben das Themaaufgegriffen. Sei es durch den DGB-Index „Gute Arbeit“ oder die ver.di-Kampagne „Faire Arbeit“. Aber wiesieht es innerhalb der Betriebe aus,welche Möglichkeiten haben die Interessenvertretungen?Der folgendeBeitrag versucht, sich dem Thema Arbeitsschutzgrundsätzlicher zu nähernund Paradigmenwechsel zu erläutern.„Wiegen, Messen, Zählen“Die Ausgangssituation hinsichtlich desArbeitsschutzes war bis 1996 dadurchgekennzeichnet, dass die mit Arbeitssicherheitbetrauten Personen im Unternehmendarauf achteten, dass die,zumeist von den Berufsgenossenschaften,vorgegebenen Werte eingehaltenwerden. Insgesamt waren diese Wertean einem Durchschnittsmenschen=Normmenschen ausgerichtet. Der Schreibtischmusste eine Normhöhe (74–76cm) haben, die Bürostühle hatten imUnterbau fünfstrahlig ausgestattet zudas Direktionsrecht des Arbeitgebershingewiesen. Begleitet wurde diesesmit den Hinweisen, dass den Interessenvertretungeneine Mitbestimmungbei wirtschaftlichen Angelegenheitengesetzlich versagt ist oder bei der Personalplanungletztlich nur ein Beratungsrechtbesteht. Die Bedingungenblieben also so, wie sie sind – belastendund krankmachend.MenschengerechteGestaltung der ArbeitDas in den vorigen Kapiteln Dargestelltehat sich seit 1996 durch das Arbeitsschutzgesetz(ArbSchG) geändert.Es „dient dazu, Sicherheit undGesundheitsschutz der Beschäftigtenbei der Arbeit durch Maßnahmen desArbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern“(§1 Abs.1). Bei den Maßnahmenhandelt es sich auch um solche der„menschengerechten Gestaltung derArbeit“ (§2 Abs.1). Dabei hat der Arbeitgeberbei den Maßnahmen u. a. vonfolgenden allgemeinen Grundsätzenauszugehen (§4 Abs.1): Es sind „gesichertearbeitswissenschaftliche Erkenntnissezu berücksichtigen“ (Ziff.3)und „Maßnahmen sind mit dem Ziel zuplanen, Technik, Arbeitsorganisation,sonstige Arbeitsbedingungen, sozialeArbeitnehmer bei der Durchführungseiner Arbeit einen zeitlichen Spielraum,kann er also entscheiden, was erwann machen will, dann ist das positivzu bewerten. Hat er keinen Spielraum,wie z. B. in einem Call Center, in dem ernicht entscheiden kann, ob er nun einenAnruf annimmt oder nicht, ist dasnegativ zu bewerten. Je nach Ausprägungdieser Belastung und Kompensationdurch Ressourcen – Faktoren, diesich stressmindernd auswirken (Antonovsky/Franke,1997) – ist die Arbeitmenschengerecht oder nicht. Jemand,der einen Einfluss auf den zeitlichenSpielraum seiner Arbeit hat, wird wenigerbelastet sein, als derjenige, dereinen Anruf nach dem nächsten abarbeitet– ohne ausreichend Pausen undZeitpuffer.Grundlegende VeränderungenDie in der Einleitung genannten Paradigmenwechselergeben sich wie folgt:Der „Norm- oder Durchschnittsmensch“wurde ad acta gelegt. Wiegen,Messen, Zählen reicht nicht mehr aus.Um in unserem Beispiel zu bleiben,sind nun auch Schreibtische anzuschaffen,die auf die individuelle Körperlängeder Arbeitnehmer ausgerichtet sind.Aber auch Arbeitsinhalte, Arbeitsab-ver.di-Aktion am WahlsonntagBerliner Senat erlaubte Öffnung von GeschäftenAm vergangenem Wahlsonntag habenaus aktuellem Anlass ver.di KollegInnenund der H&M-Betriebsrat vor derH&M-Filiale an der Friedrichstraßeeine Aktion durchgeführt. Die <strong>DKP</strong>übergab dabei den KollegInnen diefolgende Solidaritätserklärung.Liebe Kolleginnen und Kollegen,die Mitglieder der Deutschen KommunistischenPartei (<strong>DKP</strong>) solidarisierensich mit Eurem Arbeitskampf!Wir unterstützen die ver.di -Forderung,in dieser Tarifrunde neben einer Erhöhungder Löhne und Gehälter um einenEuro je Stunde, eine deutliche Erhöhungder Ausbildungsvergütungen,die Verkürzung der Laufzeit des Tarifvertragsund die Streichung von Abschlagsklauselnfür Klein- und Kleinstbetriebesowie für sog. Ferienjobs imEntgeltbereich durchzusetzensowie die unveränderteWieder-Inkraftsetzungdes Manteltarifvertrags.Wir unterstützen Eureheutige Aktion gegendie vom Senat genehmigteLadenöffnungam Wahlsonntag. DerStellungnahme derDienstleistungsgewerkschaft(ver.di)stimmen wir zu, diees für einen „Skandalvon besonderer Qualität“hält, dass der Berliner Senat ausgerechnetam Sonntag der Bundestagswahldie Öffnung der Läden erlaubt.Dies ist nicht nur eine Missachtungund verletzende Wertschätzung derVerkäuferinnen und Verkäufer, diedadurch in der Wahrnehmung ihresWahlrechts behindert werden. DieVeranstaltung „Berlin Art Week“ alsangeführte Begründung für die Sonntagsfreigabeseitens des Senats machtdeutlich, dass hier die Profitinteressendes Einzelhandels Vorrang vor denbürgerlich-demokratischen Grundrechtenhaben.Wir wünschen Euch einen erfolgreichenArbeitskampf und versichernEuch unserer solidarischen Unterstützung.Mit solidarischen Grüßen<strong>DKP</strong> Landesverband BerlinFoto: ver.diFoto: IG Metallsein oder die Beleuchtung war dannausreichend, wenn sie einen bestimmtenWert nicht unterschreitet (500 Luxim Arbeitsbereich an bestimmten Arbeitsplätzen),um nur einige Beispielezu nennen. Sind diese messbarenRahmenbedingungen eingehaltenworden, dann war alles in Ordnung,das Unternehmen musste nichts mehrmachen. Doch die Realität sieht andersaus. Nehmen wir als Beispiel nurdie Körperlänge eines Menschen. Füreinen „Durchschnittsmenschen“ magdie Schreibtischhöhe von 75 cm ausreichendsein. Was ist aber mit denjenigen,die von diesem Durchschnittabweichen, also eine Körperlänge von164 cm oder 193 cm haben? Für die einenist der Schreibtisch zu hoch, für dieanderen zu niedrig, geändert wurde inder Regel jedoch nichts, weil die Rahmenbedingungeneingehalten wordensind. Die Belastungen blieben.„Arbeit ist Chefsache“Stress, Leistungsdruck, Über- oderUnterforderung, all das und noch vielmehr kennen wir. Es sind zumeist Folgenaus der Organisation der Arbeit,aus dem Inhalt der Arbeit oder demzugewiesenem Arbeitspensum. HierÄnderungen durch die Interessenvertretungenzu bewirken, war meist nurmöglich, wenn die Vorschläge betriebswirtschaftlichinteressant waren, wennalso durch die Änderungen Kosten eingespartoder Arbeitsabläufe effizienterwurden. Traf dieses nicht zu, dann wardas das Aus, dann wurde letztlich aufBeziehungen und Einfluss der Umweltauf den Arbeitsplatz sachgerecht zuverknüpfen“ (Ziff.4). Und dabei handeltes sich nicht um einmalige Maßnahmen,denn es geht nicht nur umdie Sicherung des Gesundheitsschutzesbei der Arbeit, sondern auch darum,diesen zu verbessern (§1 Abs.1). InVerbindung mit § 87 BetrVG erweitertsich hier das Mitbestimmungsrecht desBetriebsrats.Kriterien für menschengerechteGestaltung der ArbeitUm die Arbeit bzw. eine Arbeitstätigkeitbewerten zu können, bedarf esder Antwort, was eigentlich gute, alsodem Menschen gerechte Arbeit ist. DieAntwort findet sich in und durch dieArbeitswissenschaft. So hat der ArbeitswissenschaftlerW. Volpert 1990neun Aspekte menschengerechter Arbeitherausgearbeitet. Dazu gehören:- Zeitautonomie- Handlungsspielraum- Strukturierbarkeit der Arbeitsaufgabe- Regulationserfordernisse- Körperliche Aktivität- Beanspruchung vielfältiger Sinnesqualitäten- Bezug zu sozialen Bedingungen- Unterschiedliche Realisierungswegefür eine Aufgabe und- Zwischenmenschliche Kommunikationund KooperationAm Beispiel der Zeitautonomie sollverdeutlicht werden, was menschengerechteArbeit ausmacht. Hat derläufe oder Arbeitspensen sind demeinzelnen Beschäftigten entsprechendzu gestalten.Die Verantwortung der Interessenvertretungenist gestiegen: Zum einen,weil sie nunmehr auch ein Mitbestimmungsrechtbei Arbeitsinhalten,Arbeitsabläufen, ja selbst bei derPersonalbemessung haben, wenn esdarum geht, erkannte Belastungenzu reduzieren – und das sowohl beibestehenden als auch bei zukünftiggeplanten Arbeitsplätzen. Und zumanderen, weil sie selber Ideen für dieGestaltung von Arbeit im Sinne einermenschengerechten Gestaltung entwickelnmüssen.Unsere AufgabeAls in der Interessenvertretung aktiveKommunisten ist es uns nicht egal,wie die Arbeitsbedingungen gestaltetsind. Das unterscheidet uns im Übrigenauch nicht von anderen. Was unsjedoch oft unterscheidet, ist das Wissen,dass die Umsetzung von Maßnahmenim Sinne einer menschengerechtenGestaltung der Arbeit nur gelingt,wenn gleichzeitig entsprechende finanzielleMittel der Unternehmen zurVerfügung gestellt werden, was nichtsanderes bedeutet, als dass sich der privatangeeignete Mehrwert verringert.Und sich dafür einzusetzen, bereits imKapitalismus Arbeitsbedingungen zugestalten, die nicht krank machen, isteine Aufgabe, die wir offensiv in denInteressenvertretungen im Betrieb vorantreibenmüssen.Olaf Harms


unsere zeitWirtschaft und SozialesNull-Stunden-ArbeitsverträgeDas englische Beispiel könnte bald auch in Deutschland Nachahmer findenEngland gilt als Wiege der Industrialisierungin Europa. FriedrichEngels setzte sich daher bekanntlichsehr früh mit der prekären Lageder Arbeiterschaft im industriell schonhochentwickelten England auseinanderum Schlussfolgerungen allgemeinauch die Folgen der kapitalistischenProduktionsweise auf sie ableiten zukönnen.Und auch heute ist ein Blick überden Kanal auf die dortige aktuelleEntwicklung so lohnend wie erschreckend.Seit Jahren nehmen zeitlichbefristete Arbeitsverträge in ganz Europazu. Daher wird „der zeitlich unbegrenzteKontrakt (CDI)“, besondersfür JungarbeiterInnen in immermehr EU-Staaten zur heiß ersehntenRarität. Stattdessen breitet sich diePrekarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungeneuropaweit krebsartigaus. „Im Musterland des Kapitalismus“Großbritannien nimmt diesekatastrophale Entwicklung geradezuerschreckende Ausmaße an. Bei derEntwicklung immer neuer Sklavenhaltungssystemeist die Phantasie derKapitalbesitzer grenzenlos. So wird inBritannien zum Beispiel derzeit ein relativneues Phänomen zum Skandal:die „zero hour contracts“, ja richtiggelesen – Stunden! Mit einem solchenNullstundenarbeitsvertrag werden dieBeschäftigten zwar vertraglich an dasUnternehmen gebunden, haben aberdamit keinen Anspruch auf eine bestimmteArbeitszeit und damit auchnicht auf einen garantieren Lohn.Die Lohnabhängigen wissen nicht,wie oft, zu welchen Tageszeiten undob überhaupt ihre Arbeitskraft abgerufenwird. Sie sind damit also demUnternehmer hundertprozentig ausgeliefert.Wenn der Boss keine ArbeiterInnenbraucht, na dann müssen siehalt ohne Lohn auskommen und esbleibt ihnen nichts anderes übrig alsauf bessere Zeiten zu warten. Denndie Nullstundenverträgler dürfen inder Zwischenzeit nicht für einen anderenAuftraggeber arbeiten. Ihr Arbeitsvertragbeinhaltet nämlich eineExklusivitätsklausel.Diese barbarischen Beschäftigungsverhältnissekönnen mit dem Zauberwort„Flexibilität“ weder erklärt undschon gar nicht gerechtfertigt werden.Sie sind der bisherige Gipfel der Perversion.Foto: National Shop Stewards Network (NSSN)Diese Art der Sklavenhalterei sei nureine marginale Randerscheinung, behauptetdie britische Regierung – bisAnfang August dieses Jahres der „Guardian“die von einem unabhängigenInstitut ermittelten aktuellen Zahlenveröffentlichte. Diesen zufolge umfasstdie neue Reservearmee rund eine MillionErwerbstätige – Menschen also,die „dank“ dieser ultraprekären Arbeitsverträgezu Monatsbeginn nichtwissen, wie viele Stunden sie arbeitenwerden, ob sie überhaupt etwas verdienen,wie sie ihre Familien durchbringenkönnen. Es sind nicht nur dieChefs von kleinen Klitschen, die sichangesichts der Arbeitslosigkeit erlaubenderart die Kosten für Ferien undKrankheitsgeld für ihre Beschäftigtenzu sparen. Auch große Unternehmenwie z. B. der Sicherheitskonzern G4S,McDonald’s und Burger King, Amazon,die Drogeriemarktkette Boots, dasModelabel Abercrombie & Fitch, derKinobetreiber Cineworld. Der SportartikelhändlerSports Direct hat sage undschreibe neunzig Prozent seiner Belegschaft– rund 23 000 Beschäftigte – aufder Basis solcher Nullstundenverträgeangestellt. McDonald’s hält derzeit mit82 800 Null-Stunden-Einstellungen denabsoluten Rekord. Doch es sind nichtnur Privatfirmen, die aus diesem flexibelstenaller flexiblen ArbeitskräftereservoirsProfite abschöpfen – selbst derBuckingham-Palast, die Tate-Galerien,viele Kommunen und sogar der staatlicheHealth Service bedienen sich dieserultraprekären Arbeitsverträge. Dasneue englische Beispiel könnte baldauch in Deutschland Nachahmer finden.Ich höre schon die Herren Branchenführerder Gastronomie und andererDienstleistungsbranchen, wie sie dieHunderte Bäcker streikten im vergangenen Monat in Wigan, einer Stadt in der britischen Grafschaft Greater Manchester.Einführung des Null-Stunden-Arbeitsvertragesin diesem unserem Lande begründenwerden: „Für unsere Brancheist es geradezu überlebenswichtig, dasswir Leute dann beschäftigen können,wenn wir sie brauchen.“ Und die geradeneugewählte Geschäftsführung derDeutschland AG wird nichts dagegenunternehmen, denn die derart Beschäftigtenhaben ja einen Arbeitsvertragund sind so weg von der Arbeitslosenstatistik.Wehren wir uns also rechtzeitiggegen diesen Weg zur „Vollbeschäftigung“Manfred Dietenberger4 200 Euro Rente für fünf Jahre systemrelevante ArbeitÜber das harte finanzielle Los geschasster PolitikerEntlassene Minister fallen in Deutschlandweich. Nach der bayerischenLandtagswahl erwischte es die kompletteFDP-Riege: Dumm gelaufen –aber abgesichert. Dr. Wolfgang Heubischhätte, so rechnete das MünchnerAbendblatt aus, als „normaler Arbeitnehmer“150 Jahre in die Rentenkasseeinzahlen müssen, um auf die Summezu kommen, die er nun nach nurfünf Jahren als Minister für Wissenschaftund Kunst unter Horst Seehofer(CSU) bekommt: 4 200 Euro proMonat.Die Rente nennt sich dann nicht Rente,sondern „Ruhegehalt“. Diese Bezeichnungentspricht vielleicht auch eherder bisherigen Tätigkeit. Die Summeentspricht 30 Prozent des letzten Gehalts.Ein Minister in Bayern bekommtfür seine systemrelevante Arbeit monatlich14 088 Euro, Staatssekretäre12 993 Euro.Neuer Wein in alten Schläuchen?Siemens hat einen neuen ChefDer abrupte Abgang von Peter Löscherund der Wechsel zu Joe Kaeserals neuem Vorstandsvorsitzenden derSiemens AG sorgte für einige Überraschung.Denmeisten Beschäftigten warjedoch schon nach der ersten Pressekonferenzklar: Der Neue hält fest amAlten.Joe Kaeser will weder am geplantenStellenabbau noch an den völligüberzogenen Margenplänen etwasändern. Auch wenn er die Zahlzwölf Prozent Gewinnerwartungnicht mehr in den Mund nimmt, forderter von den Beschäftigten bessereErgebnisse als die Wettbewerber, undzwar bald.In Erlangen haben die Betriebsräteschon mal zusammengerechnet undkommen auf etwa 2 000 Arbeitsplätze,die wegfallen sollen. Die Kolleginnenund Kollegen von der IG Metall sprechenvon Kahlschlag. In der Betriebszeitungaus Erlangen Mitte heißt esüber deren Standort:„Erlangen G als Großstandort zähltdabei derzeit 18 Programme, von denennach aktuellem Stand über 1 000Arbeitsplätze auf die eine oder andereWeise betroffen sind.Der ehemalige WirtschaftsministerMartin Zeil (FDP) ist erst 57 Jahre alt.Er muss noch etwas warten, bis seineRente ausgezahlt wird. Aber aucher fällt nicht tief, denn er bekommt„zum Abschied sofort 140 000 Euro.Zugegeben: Ein hartes Los, denn vorzehn Jahren gab es die Ministerrenteschon mit 55 Jahren. Es gibt noch einzusätzliches kleines Polster, denn dasGehalt für die drei FDP-Mitglieder inder Staatsregierung läuft auch noch imOktober weiter. Die Auszahlung endeterst, wenn die neue bayerische Staatsregierungsteht.Unter versicherungsmathematischenGesichtspunkten und mit Blick aufihre abgewählten Minister mag dasFDP-Wahlprogramm nicht geschriebenworden sein. Dort heißt es nämlich:„Die Versicherten müssen sich inihrer Lebensplanung darauf verlassenkönnen, dass sich die Höhe der Rentean den eingezahlten Beiträgen orientiert.Deshalb stehen wir Liberalenfür eine konsequent beitragsbezogeneRente.“ Würde dieser Maßstab an dieMinisterriege angelegt werden, dürftees wohl kaum 4 200 Euro nach fünfJahren geben.Und es gibt noch ein Ruhekissen: SechsMonate Übergangsgeld. Zunächst für12 Wochen das komplette Monatsgehalt,danach die Hälfte. Voraussetzungist allerdings, dass der Ex-Ministerwirklich arbeitslos ist. Hätte er einenJob, dann würde der Lohn dafür vomRuhekissen abgezogen.In NRW unter der Landesregierungvon SPD und Grünen werden dieMinister ähnlich versorgt: Nach fünfJahren gibt es 4 142 Euro – allerdingsschon mit 60 Jahren. Wer acht JahreMinister war, darf sich über 5 136Euro pro Monat freuen, sobald er 55Jahre alt ist. Die Gegenrechnung desEin Ende ist dabei noch nicht klar erkennbarin Sicht: Über weitere Programmemit einem noch zu bezifferndenPersonalabbau laufen Verhandlungenzwischen Betriebsräten undFirmenvertretern. Auch im operativenManagement keimt mittlerweile einealarmierende Frage auf: „Wer soll eigentlichzukünftig die Arbeit erledigen?Das Vertrauen in die Kompetenzund die Entscheidungen des Vorstandssinkt auf breiter Ebene.“Die dortige Betriebsratsvorsitzendezieht ein Fazit: „Siemens 2014 schadetdem Unternehmen und den Beschäftigten.Es wird Zeit, dass sich etwasändert. Auf die Einsicht des Managementszu hoffen ist trügerisch. Wir werdenunser Schicksal selbst in die Handnehmen müssen.“Bundes der Steuerzahler: Ein Durchschnittsverdienerbekommt nach 45Jahren Arbeit ab 67 Jahren eine Rentevon 1 250 Euro. Für eine Ministerrentemüsste ein „normaler Arbeitnehmer“170 Jahre lang eingezahlt haben.Zur Gruppe der am besten ausgestattetenPolitrentner dürfte der Magna-Lobbyist Dieter Althaus, ehemaligerCDU-Landtagsabgeordneter und Ministerpräsidentvon Thüringen zählen.Er kommt nach Prof. Dr. Hans Herbertvon Arnim in „Report Mainz“ vom26.10.2009 auf insgesamt 12 000 Europro Monat. – Für die UZ-Redaktionlegte die Bundesregierung keine Berechnungenzu den Rentenansprüchenihrer MinisterInnen und der Kanzlerinvor. Vielleicht passen die ja demnächstauf den Bierdeckel von Ex-MdB FriedrichMerz (CDU), der für den Verkaufder WestLB ein Tageshonorar von5 000 Euro bekam. Uwe KoopmannDie IGM-Betriebszeitung bei SiemensEnergy sieht das keinen Deut anders:„Durch die Bekanntgabe weitererMaßnahmen wird immer klarer, dassein langfristiges und zukunftsweisendesUnternehmenskonzept fehlt. …Diegeplanten Maßnahmen erscheinen willkürlichund für die Betriebsräte an denStandorten nicht nachvollziehbar undschlüssig.“Schlüssig und nachvollziehbar scheinteinzig das Nein der Kolleginnen undKollegen zu diesen Plänen der Konzernleitung.Alternativen zum Arbeitsplatzabbaugibt es, auch am StandortErlangen.Allerdings kostet das die Aktionärewas. Eigentum verpflichtet, Mr. Kaeser.Aus: Erlangen Rot, Zeitung der <strong>DKP</strong> Erlangen,<strong>Nr</strong>. 4/2013Freitag, 27. September 2013 3Personalvorschlag desIG Metall-VorstandesWie die IG Metall mitteilte, beschlossder Vorstand der IG Metall vergangeneWoche seinen Personalvorschlag fürdie zukünftige Führung der IG Metall.Der Vorschlag sieht für das Amt desErsten Vorsitzenden Detlef Wetzel(60) vor, derzeit Zweiter Vorsitzenderder IG Metall.Für das Amt des Zweiten Vorsitzendenwird Jörg Hofmann (57), Bezirksleiterdes IG Metall Bezirks Baden-Württembergund als Hauptkassierer JürgenKerner (44), geschäftsführendes Vorstandsmitglied,nominiert. Als weiteregeschäftsführende Vorstandsmitgliedersollen Irene Schulz (49), Bezirkssekretärinaus Berlin-Brandenburg-Sachsen sowie Wolfgang Lemb (51),Erster Bevollmächtigter der VerwaltungsstelleErfurt, neu hinzukommen.Die geschäftsführenden VorstandsmitgliederChristiane Benner (45) undHans-Jürgen Urban (52) bleiben imAmt. Die Wahl der künftigen Führungerfolgt durch die Delegierten des vonder IG Metall einberufenen 6. außerordentlichenGewerkschaftstages am 24.und 25. November 2013 in Frankfurt.Bundesregierung:Geringes ArmutsrisikoNach Ansicht der gerade abgewähltenBundesregierung leben die meisten Familienin Deutschland in sicheren materiellenVerhältnissen. In der EuropäischenUnion gehöre Deutschland miteiner Armutsrisikoquote von 15,6 Prozentbei Kindern zu den Staaten miteinem unterdurchschnittlichen Wert.Das Nettoeinkommen eines Haushaltesmit Kindern werde oftmals durchmonetäre Familienleistungen undweitere Sozialtransfers über die statistischeArmutsrisikogrenze von 60Prozent des mittleren Einkommens inDeutschland gehoben.Kindeswohl vorrangigberücksichtigenAnlässlich des Weltkindertags forderteCaritas-Präsident Peter Neher: “AlleKinder brauchen Schutz, Fürsorge undFörderung. Das Wohl des Kindes mussbei allen gesetzlichen Entscheidungen,die sein Leben betreffen, Prioritäthaben“. Neher verwies dabei aufdie UN-Kinderrechtskonvention, dieDeutschland unterzeichnet hat. DerCaritas Boss kritisierte: „Bisher ist esder deutschen Gesetzgebung und denBehörden nicht gelungen, dies uneingeschränktumzusetzen. Hier mussdringend gehandelt werden.“ Neherillustriert das Problem am Beispielder Situation von Kindern, die ohneEltern auf der Flucht sind: MinderjährigeFlüchtlinge in asyl- und ausländerrechtlichenVerfahren werdenbereits mit 16 Jahren wie Erwachsenebehandelt. „Schutzbedürftige Kinder,die in ihrem Heimatland und auf derFlucht oftmals Gewalt, Hunger oderVerfolgung erlebt haben und höchstverwundbar sind, werden überfordertund alleine gelassen.“Tarifverhandlungenzur LeiharbeitDie Tarifverhandlungen zur Leiharbeitsind vergangene Woche in Berlin abgeschlossenworden. Darauf verständigtesich die Tarifgemeinschaft desDGB mit den beiden ArbeitgeberverbändenInteressensverband DeutscheZeitarbeitsunternehmen (IGZ) undBundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister(BAP). Das Grundentgeltfür Leiharbeitsbeschäftigtesteigt in drei Stufen ab 1. Januar 2014um insgesamt 9,6 Prozent im Westenund 12,8 Prozent im Osten. Zudemwurde erreicht, dass Leihbeschäftigtenicht als Streikbrecher eingesetzt werdendürfen. Nach zähen Verhandlungenerreichte die Tarifgemeinschaftfür Hunderttausende Leiharbeiterinnenund Leiharbeitern deutliche Verbesserungenin den Tarifverträgen. DerMindestlohn wird in einer ersten Stufeim Westen zum 1. Januar 2014 auf 8,50Euro, zum 1. April 2015 auf 8,80 Euround zum 1. Juni 2015 auf 9,00 Euro angehoben.Im Osten steigt der Mindestlohnebenfalls in der Laufzeit auf 8,50Euro. Der Lohnunterschied zwischenOst und West wird dabei deutlich reduziert.


4 Freitag, 27. September 2013 Innenpolitikunsere zeitRestlose AusforschungUmfrageergebnisse – Wählerinnen und WählerDie Meinungsforschungsinstitutehatten in den letzten WochenHochkonjunktur. Bemerkenswertübereinstimmend waren dieTrends, etwas überraschend einige tatsächlicheErgebnisse am Wahlsonntag.Seit Wochen wurden ein Sieg der Kanzlerinund dem Kanzlerkandidaten eineNiederlage sowie ein Verschwinden derFDP aus dem Bundestag vorausgesagt.Forsa und insa/Bild ermittelten sogar,dass die Linkspartei vor den Grünenliegen würde. Richtig daneben, aberimmer noch im Rahmen von Voraussagen,waren die ermittelten Ergebnisseder Piratenpartei und der AfD. Dieletzteren wurden in den 14 Tagen vomganzen Medienzirkus vor dem Wahltagregelrecht hochgepuscht. Das Stichwort:Die so genannten unentschlossenenWählerinnen und Wähler. Damitund mit den Fernsehshows der Senderkonnte die Wahlbeteiligung geringfügigum 0,7 Prozent im Vergleich zur letztenWahl 2009 gesteigert und die Wahlder Unionsparteien sowie ihres neuenRechtsauslegers AfD begünstigt werden.Doch schauen wir uns die Ergebnisse,Tendenzen und Erscheinungen genaueran – aus Sicht der Ermittlungen derMeinungsforschungsinstitute. Wenn68 Prozent der Befragten der Meinungsind – übrigens doppelt so viele wie2009 –, dass Deutschland gut für dieZukunft aufgestellt sei und es diesemLand wirtschaftlich besser gehe als seineneuropäischen Nachbarn, darf mansich über den Sieg der Unionsparteiennicht wundern, allenfalls über die Versenkungdes FDP-Wirtschaftsministers.Die Unionsparteien haben daherin allen Altersgruppen der Wählerinnenund Wähler die größten Zustimmungenerhalten. 45 Prozent der Frauenstimmten für Frau Angela Merkel,auch 40 Prozent der Männer. Wir wusstenbisher, dass besonders Ältere denUnionsparteien die Stimmen geben,49 Prozent der über 60-jährigen warenes diesmal. Aber auch 35 Prozentder unter 30-jährigen stimmten für dieUnionsparteien. 30 Prozent der Erstwählerinnenund –wähler befolgten dieParole der Jungen Union „Cool bleiben– Kanzlerin wählen!“ Etliche vonihnen bezeichneten diese platte Losungals „coolsten“ Wahlslogan.Wenn nun Michael Hüther, Chef desInstituts der Deutschen Wirtschaft, amTag nach der Wahl erklärte, dass erFoto: micagoto/ flickr.com (CC BY-NC 2.0)„nicht erwartet habe, dass es die FDPderart zerlegen würde“ und ihr Ausscheidenaus dem Bundestag als „historischeMarke“ bezeichnete, ist das einerseitsauf Grund der lange vor derWahl verbreiteten Umfrageergebnisse(ja, wo lebt der denn?) erstaunlich, aberandererseits realitätsnah. Denn dasAusscheiden der FDP aus dem Bundestagist ein historisches Ereignis mitFolgen. Wie kann der Niedergang dieserPartei, die seit Gründung der BundesrepublikDeutschland im Parlamentund meistens in der Regierung saß, begründetwerden? Durch den Verlustvon 2,2 Millionen Wählerinnen undWählern, die diesmal zu den Unionsparteien(zurück-)gingen? Durch dieknapp eine Million Wählerinnen undWähler, die sich der SPD und AfD zuwandten?Durch die 430 000, die zuNichtwählern wurden? In Umfragenäußerten 90 Prozent der FDP-Sympathisanten,dass die FDP 2009 vielversprochen und fast nichts umgesetzthabe. 74 Prozent sind der Meinung, dassdie Partei in den letzten Jahren nichtsbewegt habe. So verspielte die FDP ihrWahlergebnis von 2009, wo sie 6,4 MillionenStimmen mit ihren bekanntenstarken Sprüchen erreichte, und versankjetzt mit 2,1 Millionen Stimmenin der außerparlamentarischen Opposition.Erstaunlich war trotz alledem ihreZustimmung unter Erstwählern – sinddas Karrieresuchende? BDI-PräsidentGrillo bedauerte ebenso wie Hüther,dass die FDP nicht mehr im Bundestagvertreten ist. „Liberales Gedankenguthat uns vorangebracht.“ Und der Präsidentdes Mittelstandsverbandes, Ohoven,meinte: „Die Liberalen standenund stehen für eine sehr mittelstandsfreundlicheWirtschaftspolitik.“ Hingegenfreute sich der Geschäftsführer desParitätischen Wohlfahrtsverbands, UlrichSchneider, darüber, dass die FDPdraußen ist. „Der Marktradikalismusist abgewählt. Die Menschen habenden radikalen Neoliberalismus aus demParlament verwiesen.“Dass sich Kritiker des Europakurses zueiner Partei zusammenschließen würden,ist wohl eher als eine Panne, aberauch als eine normale Begleiterscheinungim bürgerlich-demokratischenParteiensystem zu werten. Das kannzu einem Auffangbecken für eurokritischeStimmen im bürgerlichen Lagerwerden. Möglicherweise ist das schonMöglicherweise ist die AfDdie Ersatztruppe für die FDPdie Ersatztruppe für die FDP. Wir werdenes bei den Europawahlen sehen.Bei der Bundestagswahl hat die AfDvon allen Parteien abgesaugt: 450 000Stimmen von der FDP, 300 000 von derUnion und sogar – immer den Wahlforschernzu Folge – 360 000 von derPartei „Die Linke“. In Ostdeutschlandhat sie im Schnitt 5,8 Prozent, im Westenhingegen 4,4 Prozent ergaunert.37 Prozent der AfD-Wählerinnen undWähler geben an, für diese Partei gestimmtzu haben, weil sie mit den anderenParteien unzufrieden sind. Aberauch ihre eurokritische Linie hat Punktegebracht. 42 Prozent der Wählerinnenund Wähler glauben, dass derEuro für Deutschland eher Nachteilehat, bei den AfD-Sympathisanten sindes 80 Prozent. Es wundert nicht, dassausgerechnet Finanzminister Schäuble,der die südeuropäischen Staatenmit seiner rigiden Politik erpresst, sichan Franz Josef Strauß erinnert, derdie Devise ausgab, dass es am rechtenRand der Union keine andere Parteigeben dürfe.Ein bemerkenswertes Wahlergebnishat die Partei „Die Linke“ beider Bundestagswahl 2013 erzielt: DieLinkspartei wurde mit 8,6 Prozentzur drittstärksten Partei im Bundestag.Zu Recht feierte Gregor Gysi dasam Wahlabend ab: „Wer hätte 1990gedacht, dass unsere Partei zur drittstärkstenPartei des Bundestages werdenwürde.“ Die Partei hat wie dieGrünen Wählerinnen und Wähler imVergleich zur Bundestagswahl 2009verloren: 3,3 Prozent. Obwohl sie –im Gegensatz zur heftig gepuschtenAfD – nicht oft im Mittelpunkt der Medienstand, aber doch durch einige Initiativensehr wirkungsvoll, insgesamt3 752 577 Stimmen (= 8,6 Prozent) erreicht.Sie bekam in den ostdeutschenBundesländern zwischen 20 Prozent(Sachsen) und 23,9 Prozent (Sachsen-Anhalt). In den alten Bundesländernerreichte sie zehn Prozent im Saarlandund 10,1 Prozent in Bremen sowie inallen anderen Ländern – mit Ausnahmevon Bayern 3,8 und Baden-Württemberg4,8 Prozent – Ergebnisse überder Fünf-Prozent-Hürde. Das bedeutet64 statt 76 Bundestagssitze. Damit istgesichert, dass eine Antikriegsparteiweiterhin im Bundestag und erstmalswohl als stärkste Oppositionsparteivertreten ist.Wenn nun in diesem Land 74 Prozentder Befragten der Meinung sind, diewirtschaftliche Lage sei gut, kann kaumeine neue Politik erwartet werden. Bekräftigtwird das durch jene 57 Prozent,die meinen, dass eine CDU/CSU/SPD-Koalition gut für das Land wäre. Andererseitsdemonstrieren Zehntausendeim Rahmen der Aktionen Umfairteilenin Berlin, Bochum und anderswoin der Republik – es ist eine weite Strecke,die zwischen den Teilnehmerinnenund Teilnehmer der DemonstrationenUmfairteilen und den Wählerinnenund Wählern gegangen werden muss,um für neue Einsichten, Erkenntnisseund Schlussfolgerungen an Wahltagenzu werben.Rolf PriemerDass die FDP nach anfänglichen Irritationennun doch in den Landtageingezogen ist, mag emotionales Bedauernzur Folge haben, spielt aberansonsten keine Rolle. Die verschiedenenFraktionen des Kapitals könnennun untereinander koalieren undden Sozialabbau fortsetzen. Dazudient in Hessen auch der sogenannte„Rettungsschirm“ für die Kommunen,den CDU/FDP beschlossen haben,den auch SPD/Grün gerne angenommenhaben, um sich mit diesem„Sachzwang“ beim „Sparen“ herauszureden.Wir Kommunisten begreifen uns in ersterLinie als Partei, die die Interessender Arbeiter, Angestellten, Rentnerund der Jugend im Betrieb und auf derStraße aufgreift, ohne nur Interessenvertretersein zu wollen. Es gilt nachwie vor: Werdet aktiv, kämpft für EureInteressen.So konnten wir in Hessen sehen, wieErzieherinnen, Erzieher und Eltern gegendie geplante Verschlechterung inKindergärten und -horten (KiföG) aufdie Straße gingen. In Teilen (Verhinderungder Einstellung von fachfremdemPersonal) wurde ein kleiner Erfolg errungen.Die Schulzeitverkürzung mit der Einführungvon G8 (Abitur nach 8 Jahren)musste weitestgehend durch denKein „Politikwechsel“ in SichtZum Ausgang der Landtagswahl in HessenFoto: campact/ flickr.com (CC BY-NC 2.0)Kampf von Schülern, Lehrern, Elternund ihren gewählten Vertretungen zurückgenommenwerden.In beiden Fällen war es die Partei „DieLinke“ (PDL), die als einzige echte Oppositionsparteiden Protest der Straßeaufnahm und somit die Interessen dersich wehrenden Bürger nicht nur imParlament vertrat.Die PDL tritt ein für die Rücknahmeder Privatisierung der Uni-KlinkenGießen und Marburg – die UKGMmuss wieder in öffentliches Eigentumdes Landes Hessen überführt werden.Diese Beispiele waren neben anderemAnlass dafür, dass die <strong>DKP</strong> zur Wahlder PDL aufrief. „Für Menschen, diefür ihre Interessen auf die Straße gehen,ist diese Partei die einzige Chance,im Parlament ihre Belange vertretenzu sehen.“ (aus dem Wahlaufruf der<strong>DKP</strong>)Wenig genutzt haben dürften der PDLeinige antikommunistische Äußerungenzum 17. Juni und auch ihre Bereitschaftzur Koalition mit bzw. Duldungeiner SPD/Grünen Regierung. Die Sachescheint noch nicht vom Tisch.Das Ergebnis der rechten Parteien,insbesondere der NPD kann zunächsterfreuen; ihre Bedeutungslosigkeit beiWahlen darf jedoch nicht überschätztwerden. Erwähnt werden muss ihr Abschneidenin Allendorf-Lumda, wosie nach antifaschistischen Protestenvon 0,6 auf 2,0 Prozent zulegte unddie PDL von 5,3 auf 3,9 Prozent fiel.In diesem Zusammenhang ist auch derWiedereinzug des Volksverhetzers undRechtsaußen H.-J. Irmer (CDU) ausWetzlar als Beispiel für nach wie vorvorhandenen Boden für faschistischeIdeologie zu sehen.Hinweisen möchte ich gerne auf Gießen.Hier hat die PDL zugelegt – trotzeiner schwachen Organisation und inzwischenüberwundener Streitigkeiten,die zur Spaltung bei den letztenKommunalwahlen führten. Obwohldie PDL landesweit 0,2 Prozent verlor(von 5,4 auf 5,2), konnte sie in Gießen1,1 Prozent hinzugewinnen – dasist der höchste Zuwachs in größerenhessischen Städten – und erreichte 8,4Prozentpunkte. In vielen Gesprächenmit deren Mitgliedern und Sympathisantenwurde eine deutliche Positiongegen Regierungsbeteiligung hörbarund Übereinstimmungen mit der <strong>DKP</strong>festgestellt.Im Gießener Echo haben wir zur Wahlder PDL aufgerufen, aber zugleichfestgestellt, dass ein Regierungswechselkeinen Politikwechsel beinhaltet:„Ob Merkel, Steinbrück… ganz egal,in Deutschland herrscht das Kapital.“Die „junge Welt“ vom 23. Septemberfasste richtig zusammen: „Deutschlandhat gewählt: 80 Prozent für die Kriegsparteien.“Rechnerisch würde das auchfür Hessen gelten. Dennoch muss mander jW einen Fehler vorwerfen, derimmer wieder in bürgerlichen Medienund bei uns auftaucht: 80 Prozent bei70 Prozent Wahlbeteiligung entspricht56 Prozent. Die Nichtwähler werdenvergessen.„Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden,welches Mitglied der herrschendenKlasse das Volk im Parlamentniederhalten und zertreten soll – das istdas wirkliche Wesen des bürgerlichenParlamentarismus… auch in den allerdemokratischstenRepubliken.“ (Lenin)Die Menschen in den sozialen Brennpunkten,die kaum zur Wahl gehen,haben das zumindest aus Erfahrungund emotional begriffen. Abgehakt!Jetzt geht’s wieder in den Betrieb, indie Wohngebiete, zur Gewerkschaft, indie Bündnisse und auf die Straße.Die persönliche Einladung der PDL zuihrem 6. ordentlichen Parteitag nimmtder Vorsitzende der <strong>DKP</strong> Hessen (alsoich) gerne an und wird die Möglichkeitzur Diskussion nutzen. Michael Beltz


unsere zeit Innenpolitik Freitag, 27. September 2013 5Ermittlungen gegen fast 1 000 DemonstrantenPolizei legt offenbar frisierte Akten zum „Blockupy“-Aktionstag: vorFoto: engelsDie Staatsanwaltschaft Frankfurtam Main hat fast 1000 Ermittlungsverfahrengegen Demonstranteneingeleitet, die bei den sogenannten„Blockupy“-Aktionstagenam 1. Juni dieses Jahres in der Bankenmetropoleeingekesselt worden waren.Diesen Skandal machte in der letztenWoche der Leipziger Rechtsanwalt DanielWerner öffentlich, der im Nameneines Betroffenen gegen den damaligenPolizeieinsatz vorgeht.Unter dem Motto „Blockupy Frankfurt– Widerstand im Herzen des EuropäischenKrisenregimes“ hatten antikapitalistischeOrganisationen damalsnach Frankfurt mobilisiert, um die EuropäischeZentralbank (EZB) zu blockierenund gegen die Macht der Bankenzu demonstrieren.Die Polizei hatte damals eine Demonstration,die zuvor von den Behördengenehmigt worden war und an der insgesamtmehrere Tausend Menschenteilgenommen hatten, ohne ersichtlichenGrund gestoppt und fast 1 000Personen eingekesselt. Über 7 Stundenwaren die Demonstranten von den Beamtenfestgehalten worden, womit diedamaligen Proteste de facto von derPolizei unterbunden wurden.Der Leipziger Rechtsanwalt DanielWerner hatte infolge der Proteste Strafanzeigegegen die Verantwortlichendes Polizeieinsatzes gestellt und denEinsatzleitern „Freiheitsentziehung“vorgeworfen. Die Anzeige richtet sichdabei sowohl gegen die vor Ort eingesetztenPolizeibeamten, als auch gegendiejenigen, die den Polizeieinsatz angeordnethatten.„Das stundenlange Einkesseln meinesMandanten stellt eine Freiheitsentziehungdar. Die Freiheit des Einzelnen istein durch das Grundgesetz besondersgeschütztes und hohes Gut. Eine Einschränkungdieser Freiheit muss daherganz besondere Kriterien erfüllen. Dasgilt auch und besonders bei Polizeieinsätzen“,kommentierte der Rechtsanwaltsein Vorgehen in einer der UZvorliegenden Erklärung. Eben diesegesetzlichen Kriterien für eine „Freiheitsentziehung“durch die Polizei siehtder Jurist im vorliegenden Fall jedenfallsnicht erfüllt:„Wenn die Polizei die Freiheit einesDemonstrationsteilnehmers entziehenwill, darf sie das nicht einfach anordnen.Das Grundgesetz sieht vor, dassvorher ein Richter entscheidet. Solltedies nicht möglich sein, so muss dierichterliche Entscheidung unverzüglichnachgeholt werden. Hierbei ist der vonder Freiheitsentziehung Betroffene anzuhören.Mein Mandant musste sicham 1. 6. 2013 mehr als sieben Stundengegen seinen Willen im Polizeikesselaufhalten. Eine Anhörung bei einemRichter hat in der ganzen Zeit nichtstattgefunden. Eine solche Vorgehensweiseder Polizei verstößt offensichtlichgegen das Grundgesetz“, berichteteWerner weiter.Da die Staatsanwaltschaft Frankfurtim vorliegenden Fall gegen die Polizeiführungder Stadt Frankfurt ermittelnmüsste, hatte der Rechtsanwalt dieStrafanzeige bei der StaatsanwaltschaftDarmstadt eingereicht.Obwohl gegen die Einkesselung bereitszahlreiche Klagen beim VerwaltungsgerichtFrankfurt anhängig sind,hatte die Polizei in den vergangenenMonaten die Akten zurückgehalten.Als Grund hierfür wurde angegeben,diese müssten noch bearbeitet werden.„Ein solches Vorgehen ist mehr als ungewöhnlichund legt den Verdacht derAktenmanipulation nahe“, kritisierteDaniel Werner, der darauf verwies,dass erst Anfang September erstmalspolizeiliche Unterlagen an das VerwaltungsgerichtFrankfurt übersandtworden seien. Dabei war dem Anwaltaufgefallen, dass vorliegende Akten bearbeitetworden sind, da mehrere Berichteerst mit großem zeitlichen Abstandzur Demonstration, die bereitsam 1. Juni stattfand, angefertigt wurden.„Die Berichte ähneln sich außerdemim Wortlaut und erwecken denEindruck, dass sich die Verfasser beimSchreiben der Berichte abgesprochenhaben“, kritisiert Werner weiter.Bemerkenswert sei außerdem, dassProfessor Dr. Michael Brenner, welcherden Lehrstuhl für Deutsches undEuropäisches Verfassungs- und Verwaltungsrechtin Jena inne hat und alsParteifreund des hessischen InnenministersBoris Rhein gelte, bei Abfassungseines Gutachtens zum umstrittenenVorgehen der Polizei offensichtlichandere Akten vorgelegen hätten, so derRechtsanwalt weiter. Schließlich würdein besagtem Gutachen mehrfach aus„Aufklärungsergebnissen“ und „Einsatzdokumentationender Befehlsstelle“zitiert, welche in den nun vorgelegtenAkten jedoch nicht zu finden seien.Dass überhaupt so viele Verfahren eingeleitetwurden, sieht Werner indes alsVersuch, einen nicht gerechtfertigtenund stark kritisierten Polizeieinsatznachträglich zu legitimieren. „Kaumnoch jemand glaubt daran, dass diestundenlange Einkesselung und dasdamit einhergehende Beenden derDemonstration rechtmäßig gewesenist. Fast 1 000 Strafverfahren einzuleitenist ein durchschaubarer Versuch,unschuldige Demonstranten zu kriminalisierenund so den Fokus vom Versagender Polizei abzulenken“, monierteder renommierte Anwalt weiter.Markus BernhardtKundgebung fürPavlos FissasBerliner Protest gegen Mordin GriechenlandUnter dem Motto „Ich lass mich nichteinschüchtern“ haben am vergangenenSamstag mehre hundert in Berlin lebendeGriechen und Antifaschisten amHolocaust-Mahnmal in der Hauptstadtdemonstriert. Sie reagierten damit aufden Mord griechischer Neofaschistenan dem Gewerkschafter, Antifaschistenund Rapper Pavlos Fissas alias Killah P.Der 34-jährige ist gemeinsam mit Freundenam 17. September in der HafenstadtPiräus von einer Gruppe von rund zwanzigNeofaschisten angegriffen und mitdrei Messerstichen niedergestreckt worden.In unmittelbarer Nähe des Tatortssoll sich auch eine Motorrad-Einheitder griechischen Polizei aufgehalten,aber erst eingriffen haben, als der Großteilder Angreifer bereits geflohen war.Der Musiker Fissas starb wenig späterim Krankenhaus. Festgenommen wurdekurze Zeit darauf der mutmaßlicheHaupttäter samt Tatwaffe. Der 45jährige,Mitglied der neofaschistischen Partei„Goldene Morgendämmerung“, soll dieTat samt politischem Hintergrund gestandenhaben. In Griechenland gab esnach dem Mord Demonstrationen mehrererTausend Antifaschisten.Der Mord an Pavlos Fissas ist der Höhepunkteiner Serie von Übergriffenund Gewalttaten von Neofaschistenin Griechenland. In erster Linie hattesich die Gewalt gegen Migrantinnenund Migranten gerichtet. Zuletzt kames verstärkt auch auf Angriffe gegenpolitische Gegner. Nur wenige Tagevor dem Überfall auf Pavlos Fissas undseine Freunde hatte eine Gruppe vonetwa 50 Neonazis Mitglieder der KommunistischenPartei (KKE) und ihrerJugendorganisation (KNE) beim Plakatierenmit Stöcken und mit Nägelnversehenen Latten angegriffen. NeunGenossinnen und Genossen wurdenTrier: Abermals keinDurchkommen für NazisAm Samstag, den 14. September hattedie neofaschistische NPD mal wiederzu einer Demonstration in Trieraufgerufen. Diesen Termin hatte manvon Seiten der NPD bewusst gewählt,da an diesem Tag die Aktionen desBündnisses „Umfairteilen“ und eineDemonstration gegen den Bau einesAtomendlagers in Bure in Metz geplantwaren. Man hoffte auf wenigGegenwehr. Doch die Rechnung derNPD und ihrer Unterstützer („SturmdivisionSaar“, „Kameradschaft Eifelland“,„Heimatschutz Donnersberg“,NPD-Kreisverband Westpfalz „Pfalzsturm“)ging nicht auf.Ein breites Bündnis hatte unter demMotto „Trier stellt sich quer“ zu einerGegenkundgebung aufgerufen.Etwa 200 AntifaschistInnen blockiertendie Route der Nazis, so dassdiese nicht marschieren konnten.Die anwesende Polizei, die nicht einschritt,als die Nazis alle Strophen des„Deutschlandliedes“ sangen und einigeden rechten Arm hoben, schlugdem Versammlungsleiter der NPDSafet Babic eine Alternativroutevor, die dieser ablehnte. Von Seitender Polizei wurde der Versuch, dieBlockade zu brechen, schnell aufgegeben.Zwei von der Polizei enttäuschteNazis ließen ihre Wut undNeofaschistische Provokationen undantifaschistischer WiderstandEnttäuschung an Polizisten aus undgriffen diese an. Dies führte zu derensofortiger Festnahme, nicht aber zumAbbruch der Nazizusammenrottung.Auch Markus Mang (NPD-Bundestagskandidatfür Rheinland-Pfalz ausSaarlouis sic!) wurde festgenommen.Die Nazikundgebung dauerte nochbis ca. 20 Uhr. Unfähig sich von Ortund Stelle zu bewegen, hielt die NPDdennoch ihre Kundgebung vom Startihrer Demoroute. Safet Babic kündigtein seinem Redebeitrag „eineendgültige Lösung für die Linkenund Grünen“ an. Die neofaschistischenRedebeiträge wurden seitensder AntifaschistInnen mit Lärm undPfeifkonzerten begleitet.Katrin Werner, Bundestagsabgeordneteder Partei „Die Linke“, wertetedie Aktion als Erfolg – „wenngleichauch die Zahl der AntifaschistInnenmit unter 200 für eine Stadt wie Trierzu gering ist“. Daran muss und wird dasBündnis „Trier stellt sich quer“ weiterarbeiten und geht z. B. mit dem Konzertder Musikandes und ihrem Programm„Der andere 11. September“am 30.10.2013 in der Trierer Tuchfabrikandere Wege um Menschen fürAntifaschismus zu interessieren. E. B.„Die Nazis haben Wuppertal schon einmal zerstört.Das darf nicht noch einmal passieren.“Eine Wuppertaler Passantin (78)Wuppertal: AntifaschistInnenerzwingenAbbruch von NazidemoAm Samstag, den 21.09.2013, führteder Bundesverband der Partei „DieRechte“ eine Demonstration in Wuppertaldurch. Hinter der Demo steckenauch Wuppertaler Nazis der Kameradschaft„Nationale Sozialisten Wuppertal“,die für eine Vielzahl von schwerenStraftaten (Cinemaxx-Überfall, Flohmarkt-Überfall,Schändungen vonDenkmälern, Messerstechereien undschwere Körperverletzungen etc.) verantwortlichsind. Aufgerufen wurde zueiner „Schlacht von Wuppertal“. EinNeonazi-Rapper prophezeite den AntifaschistInnen,sie seien „zum Glückbald tot“: „Wir machen weiter undweiter, bis euer Blut in unsere Wupperfließt.“ In einen Agitationsvideopropagierten „Kameraden aus Süddeutschland“:„Es kommt der Tag derRache, und dann rechnen wir mit euchab!“ Und ein maskierter Neofaschistwarnt: „Jedes antideutsche Schweinjagen wir in die Wupper rein“. Die Polizeisah darin keinen Grund die neofaschistischeKundgebung zu untersagen,so dass am Samstag etwa 150Neofaschisten am Barmer Bahnhofzusammenkamen.Nach Angaben der WestdeutschenZeitung fanden sich ca. 1 000 AntifaschistInnenein, um die Neofaschistenzu stoppen. Es gelang ihnen den Beginnder Naziveranstaltung ca. eineStunde zu verzögern. Der Polizei gelanges allerdings den Nazitross in Bewegungzu versetzen: Gegen 13 Uhrsetzte sich der Zug in Bewegung – engbegleitet von der Polizei, zu Fuß, mitEinsatzwagen und einem Wasserwerfer.Entlang der Wupper wurden dieNeofaschisten von lautstarken Protestenbegleitet. An der Werther Brückeschließlich gelang es den AntifaschistInnendie Marschroute zu blockieren.Versuche der Polizei die Routefreizustoßen misslangen, so dass sichdie Neofaschisten unter enger Polizeibegleitungauf den Rückweg machenmussten.Als Fazit bleibt, dass durch massivenPolizeieinsatz es den Neofaschistenzwar ermöglicht wurde zu marschieren.Aber den AntifaschistInnen gelanges mit Blockaden und Protestenden Marsch zu verzögern und schließlichzu unterbrechen.MHadPavlos Fissasverletzt und mussten zum Teil im Krankenhausbehandelt werden.Am Samstag auf der Kundgebung inBerlin sprach neben VertreterInnenvon Syriza und dem Berliner Solidaritätskomiteefür Griechenland fürdas Aktionskomitee neuzugewanderterMigrantinnen und Migranten inBerlin auch ein Mitglied der KKE. Esverurteilte die Neonazigewalt in Griechenlandebenso wie die Übergriffe inDeutschland, zuletzt den Angriff aufeine Gruppe von Schülern in Sachsenund kennzeichnete die Neonaziorganisationenals Bestandteil des kapitalistischenSystems. Die Rechten versuchtenArbeiterInnen gegeneinanderauszuspielen und Hass zwischen ArbeiterInnenund MigrantInnen zu sähen.Deshalb sei es kein Zufall, dass einFlüchtlingsheim in Berlin-LichtenbergZiel der Angriffe der NPD sei. Ebensowenig,dass Mitglieder der „GoldenenMorgendämmerung“ in Griechenlandversuchten, die Werftarbeiter gegen dieMitglieder der klassenkämpferischenGewerkschaft PAME aufzuwiegeln.„Sie wollen die klassenorientierte Arbeiterbewegungzerschlagen“ und diewirklichen Probleme, die „die Familienaus den Volksschichten und die MigrantInnenquälen“ verschleiern. DerGenosse endete mit dem Appell, dieNeonazis zu isolieren: „Wir müssen siestoppen, so dass sie in keine Arbeitsstelle,keine Gewerkschaft, in keinenVerein, keine Migrantengemeinde, inkeine Schule und keinen Stadtteil eindringenkönnen.“Wera Richter


6 Freitag, 27. September 2013 Internationale Politikunsere zeitRücktritte nach Rapper-MordZwei hochrangige Polizisten haben nachdem Mord an einem linken Musiker inAthen ihren Rücktritt erklärt. Die regionalenPolizeichefs für Süd- und Zentralgriechenlandlegten ihre Ämter nieder,wie die Polizei am Montag mitteilte.Hintergrund sind Ermittlungen zu möglichenVerbindungen zwischen der Polizeiund der Neonazi-Partei Chrysi Avgi(Goldene Morgenröte). Auch mehrerehochrangige Polizisten auf der Insel Eviawurden des Dienstes enthoben, weil sieeinen Waffenfund in einem Parteibürovon Chrysi Avgi nicht untersucht hatten.Ein Mitglied der Nazipartei war amSamstag wegen vorsätzlicher Tötungangeklagt worden. Der 45-Jährige hattezugegeben, den Rapper Pavlos Fyssos inder Nacht zum 18. September erstochenzu haben. Er berief sich auf „Notwehr“.Fyssos, der bei Konzerten unter demRapper-Namen Killah P auftrat, war fürseine kritischen und antifaschistischenSongs bekannt.Seit dem Mord an dem Musiker greifendie griechischen Behörden verschärftgegen die Neonazi-Partei durch. So werdenalle Ermittlungen zu Gewalttaten,hinter denen Chrysi Avgi stehen soll, vonden Antiterror-Diensten übernommen.Zudem wurde den 18 Abgeordneten derPartei sowie den örtlichen Parteibürosder Polizeischutz entzogen. Chrysi Avgiwird für mehrere Angriff auf Einwanderer,Mitglieder der KommunistischenPartei und der Kommunistischen Jugendsowie linksgerichtete Aktivisten verantwortlichgemacht.168 Millionen Minderjährigeleisten KinderarbeitWaren es zur Jahrtausendwende noch246 Millionen Kinder in aller Welt, dieauf dem Feld, in Kleiderfabriken, Steinbrüchenoder auf Müllhalden Geldverdienen mussten, sind es Ende vergangenenJahres immer noch rund 168Millionen Minderjährige gewesen, wiedie Internationale Arbeitsorganisation(ILO) am Montag in Genf mitteilte.„Wir gehen in die richtige Richtung“,sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder,„aber zu langsam“.Die UNO hatte vereinbart, bis 2016 dieschlimmsten Formen der Kinderarbeitabzuschaffen. Mehr als die Hälfte der168 Millionen Kinder, die arbeiten müssen,tun dies in gefährlicher Umgebung,wie die ILO mitteilte. Ihre Gesundheit,ihre Sicherheit und ihre geistige Entwicklungseien dort in Gefahr. Die meistenKinder, die arbeiten müssen, gibt esin der Asien-Pazifik-Region – rund 78Millionen. In den Subsahara-Staatenallerdings ist der Anteil der Kinderarbeitim Verhältnis zur Bevölkerung amhöchsten: Er beträgt 21 Prozent. Kinderarbeitist nach Definition der ILOArbeit, die ein Kind davon abhält, Kindzu sein, sowie die es seiner Entwicklungsmöglichkeitenund seiner Würdeberaubt.Mswati ließ wählenDer Herrscher von Swasiland, MswatiIII., hat seinen Untertanen in der vergangenenWoche Parlamentswahlen gewährt.Das Land mit etwas über einerMillion Einwohnern ist eine absoluteMonarchie. Folgerichtig riefen die Partei„Vereinigte Demokratische Volksbewegung“(Pudemo) und die KP Swasilandszum Wahlboykott auf, unterstützt auchvom in Südafrika ansässigen Swasiland-Solidaritätsnetzwerk. Daraufhin wurdeder stellvertretende KP-GeneralsekretärMusa Dubes verhaftet. Die demokratischenKräfte Swasilands fürchten nunum Dubas Leben.Swasiland ist eines der ärmsten Länderder Welt, obwohl der Monarch über eingeschätztes Vermögen von 100 MillionenEuro verfügt. Rund 70 Prozentder Bevölkerung leben unterhalb derArmutsgrenze und 31 Prozent der Erwachsenensind HIV-infiziert. SozialeErhebungen gibt es kaum noch, da diePolizei in den vergangenen Jahren jedenfriedlichen Protest brutal niedergeschlagenhat.Für „Genf II“Russland und China treten für dieschnellstmögliche Einberufung einer internationalenKonferenz zur Beilegungdes Syrien-Konfliktes ein, heißt es in einerErklärung beider Parlamente.Vorlesestunde mit Willem AlexanderDer König der Niederlande verkündet das Ende des SozialstaatsIn dieser Woche brachte die RegierungArgentiniens den Staatshaushaltfür 2014 in das Parlament ein. Aus derargentinischen Linken gibt es reichlichKritik.Dabei spielt zum einen die zweifelhafteGrundlage der Berechnungen eineRolle, nach der die Regierung unterPräsidentin Cristina Fernández die erwarteteInflationsrate und das Wirtschaftswachstumviel zu optimistischberechnet, zum anderen wird gleichzeitigdie Verteilung kritisiert, innerhalbderer die Schuldentilgung mehrGewicht hat als die Ausgaben für Gesundheitund Bildung.Nichts Neues also, und auch die Berechnungenwaren schon im Vorjahrfalsch, so die Kolumnistin FabianaArencibia. Die Regierung geht danachfür 2014 von einem Wachstum von 6,2Prozent und einer Inflation von 9,9 Prozentaus, bei einem Dollarwert von 6,33Pesos. Für das Jahr 2013 war die Regierungvon einem Dollartausch von5,10 Pesos ausgegangen; derzeit stehtder US-Dollar bei fast 5,80 Pesos. Es seiFrieden – eine Angelegenheit der ganzen GesellschaftZum Stand der Friedensgespräche zwischen den RevolutionärenStreitkräften Kolumbiens (FARC-EP) und der kolumbianischenRegierung hat die Delegation der Guerilla folgendeErklärung veröffentlicht:1. Die 14. Runde ist beendet, und es ist uns immer noch nichtgestattet worden, dem Kongress, den politischen Parteienund Bewegungen unsere Position zum Friedensreferendumdarzulegen, welches die Regierung dem Senat vor einigenTagen einseitig vorschlug.2. Dem Allgemeinen Abkommen zur Beendigung des Konfliktsund Aufbau eines stabilen und anhaltenden Friedens, das am26. August 2012 in Havanna, Kuba, unterzeichnet wurde, entspringenRechte und Verpflichtungen für die Regierung und dieFARC-EP. Im Falle des vorgeschlagenen Referendums ignoriertedie Regierung das Abkommen. Die Regierungsinitiative zueinem Referendum war nicht am Verhandlungstisch zwischenden Parteien beschlossen worden. Es handelt sich um eineneinseitigen Vorschlag, den die Regierung dem Kongress zugeleitethat, und der mithin Geist und Buchstabe des Havanna-Abkommens verletzt. Unter diesen Bedingungen haben wir keinenAnteil an der Initiative. Weder steht er mit einem Abkommenmit der FARC-EP in Verbindung noch verpflichtet er uns.3. Die Rechte und Zusagen aus dem im August 2012 in Havannaunterzeichneten Abkommen geben wir nicht preis. Diebilaterale Entwicklung in Übereinstimmung und Treue zu seinenInhalten garantiert einen stabilen und anhaltenden Frieden.Danach streben wir. Das wünschen und beabsichtigenAm dritten Dienstag im Septemberist in Den Haag großer Trubel. Esist „Prinsjesdag“: Der jeweiligeMonarch – seit April König Willem Alexander– fährt in einer goldenen Kutschedurch die Straßen des niederländischenRegierungssitzes und hält vordem Parlament seine Thronrede. DieserPomp und Prunk schaffte es auchin die deutschen Nachrichten. Auch diebeglückt lächelnde neue Königin Máximaim goldenen Kleid und des KönigsDank an seine Mutter Beatrix, die vorihm 33 Jahre an der Spitze des Staatesstehen durfte. Weniger Erwähnung fanddie Tatsache, dass Seine Majestät, der inWirklichkeit nur die Etatrede des jeweiligenKabinetts verlesen darf, das Endedes niederländischen Sozialstaats verkündete.An allen Ecken und Enden desHaushalts soll gespart werden, doch obBrüssel mit diesen drastischen Kürzungenzufrieden ist, muss sich noch zeigen.Auch für Finanzminister Jeroen Dijsselbloemvon der sozialdemokratischenPvdA war es der erste Prinsjesdag. Indem Köfferchen aus Ziegenleder, daser traditionsgemäß um 15 Uhr demVorsitzenden der Zweiten Kammerofferiert, befindet sich die „Miljoenennota“,der Etat mit sechs Milliarden anEinsparungen.Die wirtschaftlichen Folgen wurden bereitsgenau berechnet. „Der Wirtschaft“wird es nächstes Jahr etwas besser gehen.Die Kaufkraft geht in diesem Jahrmit 1,25 Prozent zurück, im nächstenJahr mit einem weiteren halben Prozent.Die Zahl der Arbeitslosen wirdweiter ansteigen.Die Höhe der Kürzungen (6 Milliarden)entspricht den Vorgaben von EU-Kommissar Olli Rehn. Dieser sagte zuBeginn des Jahres, dass die Niederlandemindestens sechs Milliarden einsparenmüssten. Auch müsse das Haushaltsdefizitzurückgedrängt werden, am bestenum 2,8 Prozent, so Rehn.Der Wille Rehns ist Gesetz für das Kabinettaus rechtsliberaler VVD und sozialdemokratischerPvdA, weil die EU-Kommission ab diesem Jahr mehr überdie Haushalte der Mitgliedstaaten zuOptimistische Berechnungen?Argentiniens Regierung legt ihren Haushaltsentwurf voraber davon auszugehen, dass der US-Dollar 2014 die berechneten Zahlenwiederum übersteigen wird.Die Inflation hatte die Regierung 2013bei 10,8 Prozent kalkuliert, nun soll siealso niedriger liegen. Wirtschaftsanalystensehen sie für 2014 jedoch eherhöher als tiefer.Mittels eines Notfalldekrets hat Argentinienkürzlich die vorgesehenen Ausgabenum 23 Milliarden Pesos (2,95Milliarden Euro bzw. knapp vier MilliardenUS-Dollar) erhöht, um damitder herrschenden EnergieknappheitHerr zu werden sowie Gelder für dieInfrastruktur im Transportwesen zu haben.Das ging unter anderem, weil 19,4Milliarden Pesos nicht in den Schuldendienstfließen mussten, da es einen TeilSchulden gibt (die so genannten Couponzahlungen– dazu und zum GesamtschuldenstandArgentiniens siehe auchUZ vom 10. Mai), deren Tilgung an einMindestwachstum von 3,2 Prozent gebundenist – und das wurde 2012 nichterreicht. Für das laufende Jahr werden5,1 Prozent erwartet. Das würde Zahlungenvon etwa vier Milliarden US-Dollar bedeuten.Im Einzelnen geht die Regierung imHaushaltsplan von 860,4 MilliardenPesos Einnahmen und 782,3 MilliardenPesos Ausgaben aus. Da an Schuldzinszahlungen2014 jedoch 77, 2 MilliardenPesos auf Argentinien zukommen,bleibt recht wenig Überschuss: 0,87Milliarden (150 Millionen US-Dollar).Wenn es denn so kommt. Denn derletzte Haushalt hatte für 2013 einenÜberschuss von 587 Millionen Pesosbehauptet, aber nun steht ein Defizitvon 44,6 Milliarden Pesos.Hinzu kommt, dass die Einnahmeseite,die um 27,2 Prozent höher liegen soll als2013, nicht nur Steuern aufführt, sondernauch die Einzahlungen der Menschenin die Sozialversicherungen, wasumstritten ist. Mit 250 Milliarden Pesosstellen sie mit 29 Prozent auch gleichden dicksten Brocken, während dieMehrwertsteuer 18,6 %, die Gewinnsteuerund Ein- und Ausfuhrerträge je14 % betragen, neben anderen Steuereinnahmenaus dem Kreditwesen,wir. Der Verhandlungslauf geht nicht von Siegern aus nocherkennt er welche an. Am Tisch sollte ein gleichberechtigtesVerhältnis zwischen den beiden Teilen herrschen.4. Frieden kann nicht an Daten gebunden sein oder den Interesseneiner Partei folgen. Frieden muss staatliche Politik sein.5. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass wir zur Diskussiondes sechsten Gegenstand der Agenda zu kommen,werden wir gemäß unserem Recht auf die Einberufung einerverfassunggebenden Versammlung als Gegenzeichnerbestehen. Ihre Bedeutung ist von Experten anerkannt. Wirwerden diese Initiative diskutieren müssen, aber nicht hinterdem Rücken des Volkes, sondern mit einem Aufruf an diegesamte Nation, mit allen sozialen Gruppen und dem Kongressder Republik Einigkeit darüber zu erzielen, die Vereinbarungenin Kraft zu setzen, die im Verhandlungslauf erzieltwurden, und die auftretenden Meinungsverschiedenheitenzu untersuchen, damit die verfassunggebende Versammlungdamit Schritt halten kann. Die Möglichkeit, einen Verfassungsgebereinzuberufen, wird in der Verfassung behandelt.Diese anzuführen, überrascht niemanden. Dies ist jetzt eineNotwendigkeit Wir haben in dieser Hinsicht verschiedeneAspekte untersucht, um sicherzustellen, dass sie nach Annahmedes Rufs durch den Volkssouverän das geeigneteInstrument zur Bestätigung und Legitimierung politischerBeteiligung mit den Zielen echter Demokratisierung, einesFriedens mit sozialer Gerechtigkeit und nationaler Versöhnungwerden kann.sagen hat. Im Oktober muss Den Haagden Etat zur Beurteilung nach Brüsselschicken. Die Kommission kann dannAnpassungen fordern, vor allem wenndas Defizit nicht genügend verringertwurde. Sollte Brüssel den Haushalt nichtakzeptieren, droht schlimmstenfalls einBußgeld. So weit will es Dijsselbloem,der zugleich auch Vorsitzender der Euro-Gruppeist, nicht kommen lassen.Geplant sind u. a. eine Absenkung derEinheitsgrundrente AOW ab 2015(dies trifft vor allem ärmere Senioren),eine Absenkung des Kindergelds fürdie meisten Eltern, Erhöhung vielerSteuern und Abgaben, aber auch dieMöglichkeit bis zu 100 000 Euro steuerfreian seine Kinder zu verschenken,wenn diese dafür ein Haus bauen. DasKabinett will rund 600 Millionen vorallem ausgeben, um die Bauwirtschaftim Lande wieder anzukurbeln. Außerdemsollen vier Milliarden Euro für dieBeschaffung von 35 Kampfjets „JointStright Fighter“ ausgegeben werden.Kritik an der Sparpolitik kommt sowohlvon der linken Opposition im Parlament(SP), von den GewerkschaftenFNV und CNV, aber auch von der Handelskammer(KvK). Der Vorwurf lautet,dass die Wirtschaft kaputtgespartwerde. SP und FNV fordern Investitionenstatt weiterer Etatkürzungen,da letztere das Land weiter in die Krisetreiben würden. Marcel de Jongvon Treibstoffen und anderen. Nur 1,4Prozent, so führt die Regierung auf,kommen dabei aus Luxus-, Immobilien-und Aktienbesteuerung. Hier wäredeutlich mehr zu holen, aber das giltnicht nur für Argentinien.Bei den Ausgaben liegt der Anstiegbei 19,2 Prozent und damit über derregierungsamtlichen Inflationsannahme.44 % gehen in Sozialausgaben, alsoRenten, Pensionen, Familienunterstützung,Kindergeld und Arbeitslosenunterstützung.9,3 % betragen die Ausgabenfür Energie und Treibstoffe, 9 %die Schuldzinszahlungen, 7,9 % Bildungund Kultur, 6,5 % Transport, und ansechster Stelle steht der Gesundheitsbereichmit 3,4 %.Mit der Annahme eines Dollarkursesvon 6,33 Pesos werden die stündlichenSchuldzinszahlungen 1,4 Millionen US-Dollar betragen, was in einer einzigenSekunde immerhin 387 US-Dollar bedeutet.Das haben zahlreiche Argentinier/innenin einem Monat nicht zurVerfügung.Günter Pohl6. Das Abkommen betont: „Der Aufbau des Friedens ist eineAngelegenheit der gesamten Gesellschaft, welche unterschiedslosdie Beteiligung Aller erfordert …“ . Dies ist keinebanale Aussage, denn sie überträgt die Zuständigkeit für denAufbau des Friedens auf die ganze Gesellschaft, den Souverän,das Volk. Keine Partei kann sich eine Macht anmaßen, diesich nicht aus dem Abkommenstext herleitet, beispielsweisenach Jahren des Kampfes zu erwägen, dass es lediglich einenVerursacher gäbe, dass die Geschichte und die Wahrheit überdie Geschehnisse während vier Generationen des Blutvergießensnur von einem der Akteure des Konflikts erzählt undbestimmt werden solle oder dass eine der Parteien die Rolledes „edlen Kriegers“ annehmen und die Rolle des „schlechtenKriegers“ dem Gegner unterschieben könne. Ein Staat,der begonnen hat, seine Verantwortlichkeit als Protagonistwiderrechtlicher Taten anzuerkennen, die – durch Handelnoder Unterlassen – zu Szenen eines brutalen und gnadenlosenKrieges führten, kann auch nicht einseitig rechtliche Rahmenbedingungenfür den Übergang entwerfen und einführen.7. Wir sind in Havanna, um Vorgehensweisen zu vereinbaren,die dem Land, dem Volk, der ganzen Nation ein Endedes Konfliktes sichern. Es ist wichtig, die Wahrheit über dasGeschehene zu kennen, und die überarbeitete, verbesserteund wieder wirksame Verfassung ist ein Friedensvertrag.Friedensdelegation FARC-EPHavanna, Kuba, Ort der Friedensgespräche,19. September 2013


unsere zeitInternationale PolitikKämpferische StimmungManiFiesta – Volksfest der Partei der Arbeit Belgiens154 Organisationen, 2 000 freiwilligeHelfer/innen, zwölf Podiumsdiskussionen,25 Konzerte, sieben Botschafter/innen und ein Fest: das Fest der Parteider Arbeit Belgiens, kurz: die ManiFiesta.Als Peter Mertens, Vorsitzender derPartei der Arbeit Belgiens (PdA), dieHauptbühne am Samstagnachmittagbetrat, konnte er bereits 10 000 Gästebegrüßen. Die ManiFiesta, welche am21. und 22. September in Bredene aanZee stattfand, wird wesentlich getragenvon der Parteizeitung „Solidaire“ sowieder Organisation „Medicine pour lepeuple“ (Medizin für das Volk), einerOrganisation von Ärzt/innen, Krankenpfleger/innensowie freiwilligen Helfer/innen in ganz Belgien, die einen kostenfreienZugang zur Gesundheitsversorgungbieten.Insgesamt präsentierte sich die ManiFiestanicht nur als überaus gut besuchtes,sondern auch hervorragend organisiertes,kompaktes Fest. Der Zeitplan wareng gestrickt, denn Musik und inhaltlichesProgramm teilten sich vor allemden Samstag. Und egal ob Diskussionszelte,Büchermarkt, Kinderdorf, Hauptbühne,Infomarkt, Kuba-Zelt oder Jugendbereich– überall war etwas los,überall herrschte Besucher/innenandrang.Ein Blick auf die internationalenGäste wiederum zeigte, dass eineReihe von Schwesterparteien der <strong>DKP</strong>den Weg an die belgische Nordseeküstegefunden hatten.Die hohe Zahl der Gäste wie auch diespürbar gute Stimmung auf dem Festsind Ausdruck der wachsenden Stärkeder Partei der Arbeit Belgiens, die inden letzten Jahren nicht nur beträchtlichenMitgliederzuwachs, sondern aucheine Reihe von Wahlerfolgen vorweisenkann. Dazu kommt die ebenfallsdeutlich sichtbare Verankerung derPartei in Betrieben und Gewerkschaften.So war der sozialistische GewerkeschaftsdachverbandBelgiens auf demInfomarkt unübersehbar und Kolleg/inn/en der Bereiche Metall sowieTransport und Kommunikation warenneben dem PdA-Vorsitzenden Mertensunter den Hauptredner/innen. Ineinem prall gefüllten Festzelt machtensie klar, dass sie nicht bereit sind densozialen Abstieg der ArbeiterklasseBelgiens weiter zu akzeptieren. Darinwaren sie sich mit dem kämpferischenPublikum offenbar einig.Lars MörkingDemokratie der 16 ProzentVolksabstimmungen in der SchweizAuch die Schweiz rief am 22. Septemberzu den Urnen. Über landesweiteund kantonale Initiativen wurde abgestimmt.Doch die direkte Demokratieermöglicht bei niedrigsten Wahlbeteiligungenimmer neue Angriffe auf dieArbeiterschaft. Zumindest die Wehrpflichtkonnte verteidigt werden – gegen„links“.Die Schweiz wählt den österreichischenWeg: Bei der Abstimmung über die eidgenössischeVolksinitiative „Ja zur Aufhebungder Wehrpflicht“ votierte einewuchtige Mehrheit für die Beibehaltungder Wehrpflicht. Ganze 73 Prozentder Abstimmenden verwarfen dieInitiative, die mit der Abschaffung derWehrpflicht ein „freiwilliges Milizheer“für die Schweiz gefordert hatte.Im Januar diesen Jahres erzielte einähnlich gelagertes Referendum überden Umbau der Armee in Österreichdas selbe Resultat.Die Wehrpflicht-Initiative war vonlinks-utopistischen Gruppen vorangetriebenworden. Die Gruppe füreine Schweiz ohne Armee (GSoA)war federführend, im Nachtrab folgtenihr die JungsozialistInnen und dieJungen Grünen. Im Abstimmungskampfverwiesen sie auf den Zwang,den die Wehrpflicht gegenüber jungenMännern bedeutet („Nicht alle habenZeit, Krieg zu spielen“) sowie auf diefestgefügten Rollenbilder, die sie repräsentiere.Andererseits wurde dieNotwendigkeit betont, die Armee andie Bedürfnisse des 21. Jahrhundertsanzupassen. Eine Wehrpflichtigenarmeesei nicht mehr zeitgemäß. VomZiel der Abschaffung der Armee nahmendie Initianten explizit Abstand;die Aufhebung der Wehrpflicht stehein keiner Verbindung zum Ende derArmee. Entsprechend konnten sie ihrkleinbürgerlich-pazifistisches Klientelnur unterdurchschnittlich mobilisieren.Hingegen eroberten sich rechtsbürgerlicheParteien vergleichsweise einfachdie Meinungshoheit um die Armeefrage.Mit einer nationalistisch geprägtenKampagne – „Schweiz schwächen?Nein zur Unsicherheits-Initiative“ –dominierten die Rechtsaußen-ParteiSVP, die schweizerische FDP unddie „Mitte“-Parteien CVP und EVPsowohl Plakat- wie auch Inseratplätze.Sie machten den Wehrpflicht-Entscheidzur Grundsatzfrage über dieArmee und deuten nun die Niederlageder GSoA als Bejahung der Armee.Foto: MörkingPdA-Vorsitznder Peter Mertens eröffnete die „ManiFiesta“Auch Gruppen wie die KommunistischeJugend Zürichs (KJZ) widersprachender Aufhebung der Armee. Sieverwiesen darauf, dass die Aufhebungder Wehrpflicht nur dem reaktionärenUmbau der Armee zum Profiheerdient. Im Diskurs um die Wehrpflichtwurde Deutschland zum Thema: Kooperationsvereinbarungenvon Schulenmit dem Militär und Plakat- sowieInseratkampagnen der Bundeswehr fürdie Werbung neuer Rekruten seit der„Aussetzung“ der Wehrpflicht dientenals Beispiel gegen die Initiative. So hießes aus kommunistischen Kreisen, dassein Ende der Wehrpflicht nicht weniger,sondern mehr Militarismus bedeute.Die Schweizer Armee umfasst momentanetwa 100 000 Soldaten. Umgerechnetauf die Bevölkerung hält sich daskleine Berge- und Bankenland damiteine der größten Armeen Europas.Auch die Militärausgaben stiegen inden vergangenen Jahren stetig, von 3,9Milliarden Franken 2011 auf 4,5 Milliarden2013 und prognostizierten 4,7Milliarden im Jahr 2015.Ein Schlag gegen die Arbeitenden gelangdem Bürgertum an anderer Stelle.Eine Änderung des Arbeitsgesetzeswurde mit 55,8 Prozent der Stimmenentschieden. Nun dürfen SchweizerTankstellenshops ihr gesamtes Sortimentrund um die Uhr verkaufen.Was auf den ersten Blick harmloswirkt, ist eine versteckte Arbeitszeitverlängerung.Der Kern des neuen Arbeitsgesetzesist die „Liberalisierung“der Arbeitszeiten. Mit den Tankstellenshopswurde nun ein Präzedenzfallgeschaffen, der den 24-Stunden-Arbeitstagmöglich macht. Der SchweizerischeGewerkschaftsbund sprichtvon einem „Dammbruch“. Tatsächlichenthüllte die Gewerkschaftszeitung„work“, dass Dutzende neue Tankstellenshopsgegründet werden sollen. ImNationalrat werden bereits Forderungennach Angleichung des normalenEinzelhandels mit den Tankstellenshopslaut – aus Wettbewerbsgründen.So soll die Ausweitung der Arbeitszeitenerreicht werden, die in bisherigenAbstimmungen regelmäßig abgelehntwurde.Diesen Sieg errang das Bürgertumdurch eine Desinformationskampagne.Bundesrat und bürgerliche Parteiengingen Hand in Hand mit der Argumentation,es handele sich nur umdie Änderung des Sortiments wenigerTankstellenshops. Trickreich war auchdie millionenteure Werbekampagne„Bratwürste legalisieren!“Bereits jetzt sind die Arbeitsbedingungenim Einzelhandel prekär. Die Branchekennt Löhne weit unterhalb desSchweizer Durchschnitts und auffälliglange Arbeitszeiten. Sie ist geprägt voneiner zunehmenden Monopolisierungund einem erschreckend schwachengewerkschaftlichen Organisationsgrad,etwa 5 Prozent. Allerdings kam es letzthinzu mehreren Arbeitskämpfen, etwaeinem elftägigen Streik in einem Spar-Tankstellenshop in Dättwil.Zwei kantonale Initiativen verdeutlichendie rassistischen Tendenzender Schweiz. In Zürich wurde überdie Initiative „Für mehr Demokratie“abgestimmt, im Tessin über ein Burka-Verbot.Die Zürcher Demokratie-Initiative, vorangetrieben von der Sozialdemokratie,forderte ein schnelleresStimmrecht für MigrantInnen auf Gemeindeebene.Sie wurde mit 75 Prozentverworfen.Die Burka-Initiative befördert hingegenantimuslimische Ressentiments.Sie erhielt eine Unterstützung von65,4 Prozent der abgegebenen Stimmen.Damit steht sie in der Traditiondes Minarett-Verbots und der ebenfallsangenommenen „Ausschaffungs-Initiative“,die die Ausweisung „kriminellerAusländer“ forderte.Die Beteiligung an den Abstimmungenwar gewohnt niedrig. Bei denschweizweiten Abstimmungen gabennur 46 Prozent der Stimmberechtigtenihr Votum ab. Doch diese Zahl ist nichtaussagekräftig. Von den etwa 8 MillionenEinwohnern und Einwohnerinnender Schweiz sind lediglich 5,1 Millionenstimmberechtigt, also etwa 63 Prozentder Bevölkerung. Gerade die schlechtgestelltenSchichten der Arbeiterklasse,die Pflegearbeit verrichten, im Einzelhandeloder auf dem Bau arbeiten,sind weitgehend ausgeschlossen: alsMigrantInnen haben sie kein Stimmrecht.Betrachtet man die Abstimmung überdie Arbeitszeiten im Einzelhandel, ergibtsich folgendes Bild: 55 Prozent von46 Prozent der Stimmberechtigten, dieselbst keine zwei Drittel der Bevölkerungdarstellen, wollen längere Arbeitszeiten.Im Effekt: Etwa 16 Prozentder Bevölkerung bestimmen über dieGesellschaft. So sieht die direkte Demokratieder Schweiz aus.Johannes SupeFreitag, 27. September 2013 7Provinzwahlenin Sri LankaWichtiges Ergebnis: Friedlicher VerlaufAuf Sri Lanka haben am 21. SeptemberWahlen zu drei Provinzparlamentenstattgefunden. Besonderes Interessekam dabei der Wahl in der Nordprovinzzu, wo mehr als vier Jahre nachdem Ende des Bürgerkriegs und erstmalsseit 1987 wieder über eine regionaleRegierung abgestimmt wurde.Während in der Nordwest- und derZentralprovinz vor allem die Fragestand, wie deutlich sich das RegierungsbündnisUPFA (United People’s FreedomAlliance) behaupten würde, standin der überwiegend von der tamilischenBevölkerungsminderheit bewohntenNordprovinz mit der Halbinsel Jaffnadie Frage, inwieweit die UPFAdort überhaupt Rückhalt besitzt, währendein Sieg der ethnisch orientiertenITAK (Ilankai Tamil Arasu Kadchi) alsausgemacht galt. Offen war allenfalls,wie deutlich dieser ausfallen würde undwie friedlich er zustande käme.In den mehrheitlich von der singhalesischenBevölkerungsmehrheit bewohntenProvinzen Nordwest und Centralentscheiden sich Wahlen traditionellzwischen der sozialdemokratisch geführtenUPFA und der neoliberalenUnited National Party (UNP). Die KP(CPSL) ist Bestandteil der UPFA, währenddie größere und sich ebenfalls alsmarxistisch verstehende VolksbefreiungsfrontJVP, die dieses Bündnis nach2005 verlassen hat, eigenständig antratund politisch zur dritten Kraft, zumindestin der singhalesischen Bevölkerung,wurde. 2010 unterstützte die ursprünglichmaoistische JVP jedoch beiden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen,dort gemeinsam mit der UNP,den Ex-General Sarath Fonseka, unterdessen Ägide als Oberbefehlshaber diemilitärische Zerschlagung der so genanntenBefreiungstiger von Tamil Eelam(LTTE) im Mai 2009 gelang, gegenden amtierenden Präsidenten MahindaRajapakse. Fonseka unterlag, wurde angeklagtund verschwand für einige Zeitin Haft. Er gründete im April 2013 dieDemocratic Party – jetzt wieder ohnedie JVP. Von Interesse war also auch,welche Ergebnisse die JVP und die vonihr groß gemachte Democratic Partyeinfahren würden.In allen drei Provinzen gibt es zudemmuslimische Minoritäten, deren politischeRepräsentanz durch den Sri LankaMuslim Congress (SLMC) gebildetwird, während es im Hochland der Central-Provinzeine weitere große tamilischeMinderheit gibt, die sich von jenerim Norden und Osten der Insel dadurchunterscheidet, dass sie historisch nichtals indigen gilt. Es handelt sich um dieNachfahren der durch die Briten alsKontraktarbeiter aus Südindien verbrachtenArbeiter auf den – im Besonderen– Teeplantagen. Eine lange Zeitweitgehend entrechtete Gruppe, ohneWahlrecht und Staatsbürgerschaft. Siefinden ihre Vertretung im Ceylon WorkersCongress (CWC), einem Hybridaus gelber Gewerkschaft und Partei,sowie deren etwas linkerer Abspaltung,der Up-Country People’s Front.Die tatsächlichen Ergebnisse sind nichtermutigend, auch wenn das Bündnis,dem die KP angehört, zufrieden seinkann. Sie demonstrieren nämlich vorallem eines: Auf Sri Lanka funktioniertdie ethnische Fragmentierung weiterhinund sie vermag die antagonistischeLage der Klassen zu verschleiern. Nichtohne Schuld der Linken. Denn sowohlaus der UPFA als auch der JVP kommenzuweilen chauvinistische Töne, denendie KP nicht wirksam entgegentritt.Während sich die sozialen Probleme aufder Insel weiter verschärfen, kommt esweiterhin immer wieder zu Ausschreitungengegen ethnische Minoritäten,wobei diese sich nach der Niederlageder LTTE, die lange Zeit den Nordenund Osten der Insel kontrollierte, inRichtung der Muslime verschieben.In der Nordprovinz siegte mit78,48 Prozent die ITAK, weit vor derUPFA (18,38 %) und dem SLMC mit1,5 Prozent, was jedoch durch das relativgute Ergebnis auf Mannar noch zueinem Sitz im Provinzparlament reicht.Erstaunlich: Die UNP versank mit0,68 Prozent in der Bedeutungslosigkeit.Dass es die Democratic Party nochschlimmer erwischte, war vorhersehbar.Fonseka hat dort keinen guten Ruf.Anders in den anderen beiden Provinzen.Hier gelang es der DP sich als dritteKraft hinter UPFA und UNP zu etablierenund die JVP zu verdrängen, fürdie es lediglich in der Nordwest-Provinzgerade noch für einen Sitz reichte.Nun waren beide Provinzen nichtgerade deren Hochburgen, die liegenim Süden und Westen der Insel, gleichwohlist ein signifikanter Verlust feststellbar.Sie erreichte im NW geradenoch 1,85 und im Hochland sogar nur1,17 Prozent, während die DP es dortauf 3,8 Prozent und zwei Sitze brachteund in NW mit 4,34 Prozent drei Sitzeerzielte. Als ernsthafte dritte Kraft indiesen Provinzen können damit beideParteien nicht gelten.Für jeweils einen Sitz reichte es auch fürden SLMC mit 2,62 (NW) und 1,49 Prozent(Central). Allerdings sind beideProvinzen keine muslimischen Siedlungsschwerpunkte.Anders bei denHochlandtamilen. Der CWC errang mit2,46 Prozent zwei Mandate und die Up-Country People’s Front mit 2,09 Prozenteines. Dabei zeigte sich, dass beideParteien vor allem lokalen Bezug haben.Während die Stimmen des CWCaus den etwas städtischeren DistriktenKandy und Matale kamen, punktete dieUp-Country PF nur in einem Distrikt,der Hochlandregion um Nuwara Eliya,in der viel teurer Tee produziert wird.Für die Tröge der Macht reichte das allesnicht. Dies entschieden wie immerUPFA und UNP. Und das ziemlichdeutlich.Die UNP verlor in fast allen Wahlkreisenaußer Mahanuwara (die StadtKandy in der Zentral-Provinz) wo siesich mit 44,8 Prozent gegen die UPFAdurchsetzte, die hier nur 40,83 Prozenterreichte. Ein für die UNP schlechtesErgebnis, denn die größeren Städtefallen meist eher an sie, während dieUPFA das Land beherrscht. Ähnlichauch dieses Mal, in den Städten hattedie UNP noch die besseren Ergebnisseim Verhältnis zum Gesamtergebnis. Insgesamtverlor sie aber beide Provinzendeutlich. In der Zentral-Provinz kamsie auf lediglich 27,79 Prozent, währenddie UPFA 60,16 Prozent erzielte, undin der Nordwest-Provinz kam es nochhärter. Hier stand es am Ende 24,21 zu66,43 Prozent zuungunsten der UNP.Einfach betrachtet ein schönes Ergebnisaus linker Sicht: Sozis zusammen mit„Genossen“ gewinnen gegen konservativ-neoliberal.Es bleibt aber, neben einer starkenZersplitterung der marxistischen Linken,eine Fragmentierung nach ethnischenGesichtspunkten, also zwischenden „Völkern“, die tatsächliche Herrschaftsverhältnissenicht nur verschleiert,sondern letztlich ihre Fortsetzungermöglicht. Es bleibt auch eine Fragmentierungzwischen Stadt und Land.Und auch der eigene Sieg ist keiner.Eine revolutionäre Umgestaltung istnicht angestrebt, allenfalls etwas mehrVerteilungsgerechtigkeit. Und die gegenwärtigeRegierung, der mehrereFamilienangehörige des Präsidentenangehören, versteht in Teilen den Regierungsauftragdahingehend, mit denPfründen der Macht Patronatssystemeaufrecht zu erhalten, selbst Privilegienzu nutzen, agiert in Teilen offen singhalesisch-chauvinistischund kommt mitMoraldiktaten daher, während es zukeiner echten Demilitarisierung odereinem Rückbau des exzessiven Sicherheitsapparateskommt, während dieLasten für die Bevölkerung, sei sie singhalesisch,tamilisch oder muslimisch,ständig wachsen. Eine „Volksregierung“ist das trotz des Namens nicht.Eine Revolution ist allerdings auchnicht in Sicht.Eines dürfte alle Beteiligten dennochgefreut haben: Die Wahl verlief – auchim Norden – relativ friedlich.AF


8 Freitag, 27. September 2013 Kommentare / Dokumentationunsere zeitGastkolumne von Klaus WagenerEs hätte kaum schlechterkommen könnenNachdem das „WIR“ nun doch nichtgewonnen hat und Frau Merkel mitHilfe von rosa oder olivgrün wohlweiterhin Kanzlerin von Deutschlandsein wird – lag der einzige Lichtblickdes Sonntagabends in den, sagen wires freundlich, betretenen Mienen jenerLeute, die sich anmaßenderweisePartei der Freiheit nennen – hiernun ein paar Bemerkungen zu dengeschobenen Rechnungen, die nun,da die Lila-Laune-Bären abgeräumtwerden, wieder auf den Tisch kommenwerden.Die Krise war in diesem Wahlkampfseltsam unpopulär. Drei Autosuggestionender Bundesregierung, von denGebetsmühlen der Großmedien biszum Überdruss heraus getrötet, reichtenfür das Unternehmen Wiederwahlvöllig hin: „Deutschland geht es gut“und „Angela Merkel ist die beliebtesteBundeskanzlerin aller Zeiten“ und„Drei Viertel der Deutschen sind mitihrer persönlichen wirtschaftlichenLage zufrieden“. Die Demoskopen,die Herrscher über die Statistiken,und wichtiger noch, über die Fragen,verwandelten die Phantasie inWirklichkeit und die Wirklichkeit inPhantasie. Self Fullfilling Prophecy alsWahlkampf-Konzept. Den Rest besorgteder „Pfundskerl“ Steinbrück.Was wird also bleiben nach diesem„Demokratischen Hochamt“? DerKrieg, in Syrien und wo auch immerFreedom and Democracy herbei gebombtund geschossen werden. DieArmut und der Hunger, denen mehrals eine Milliarde Menschen preisgegebensind. Die Arbeitslosigkeit, diemomentan streng auf Wachstumskursist und selbst nach ILO-Kriterien die200-Millionen-Grenze durchschlagenhat. Und natürlich die globale Überwachungvon allem und jedem.Nicht unser Problem. „Deutschlandgeht es gut“, verkündet die Kanzlerin.Bekanntlich nicht allen. Die rosaolivgrünschwarzgelbeAgenda-Politik hatdie Zwei-Drittel-Gesellschaft durchgesetzt.Die reiche ExportmaschineDeutschland wird durch Hungerlohnund Zwangsarbeit geschmiert. Und jeärmer, umso sinnloser erscheint dieStimmabgabe. Ein Drittel ist auch ander Urne draußen. Die Zustimmungzur Arbeit des US-Kongresses pendeltelaut Gallup in den letzten Jahrenzwischen 10 und 20 Prozent. VonAmerika lernen …Die größte Ökonomie der Welt steht,bei überbordendem Reichtum, wiedereinmal kurz vor dem Offenbarungseid.Das 16,7 Bio.-Dollar-Limitist erreicht. Die Republikaner nehmendas Land in Geiselhaft um neueSparbeschlüsse durchzudrücken. Wo?Beispielsweise bei den Suppenküchen.40 Mrd. Dollar sollen die in dennächsten 10 Jahren sparen. 46,5 Mio.Menschen leben laut US Census Bureauunter der Armutsgrenze.Um die Konjunktur nicht vollständigabsaufen zu lassen, flutet die US-Zentralbank(Fed) den Finanzmarkt mitmonatlich 85 Mrd. Dollar. Der Erfolgist (außerhalb der Konten der Finanzjongleure)lausig, aber es ist das einzigExpansive, was angesichts desSpardiktates bleibt. Schon zweimalhat die Fed versucht den Fuß vomGas zu nehmen. Und zweimal wurdenschon die Ankündigungen zumDesaster.Und bleiben wird selbstverständlichdie europäische Katastrophe. DieMerkel-Regierung – „Mutti“ – hatdafür gesorgt, dass Millionen in Armutund Verzweiflung gestürzt wurden,nur um der Spekulation denArsch zu retten. Dafür, dass der Hungerund der Zusammenbruch staatlicherInfrastruktur – selbst der medizinischen– endlich auch wieder inEuropa zurück sind. Und sie steht fürdie Perspektivlosigkeit einer ganzenJugendgeneration, die sich dem vernichtendenUrteil gegenüber sieht,nicht gebraucht zu werden. Nach denmilitärischen Bemühungen im letztenJahrhundert nun die Verwüstung mitden Mitteln der Finanzindustrie.So wie die Armut und die Arbeitslosigkeitwachsen, so wachsen auchdie Schulden. Je weiter die BerlingesteuerteTroika die Austeritätsgarotteanzieht, umso weniger werdendie Strangulierten in der Lage sein,sich jemals aus der Schulden- undEuro-Falle zu befreien. Wenn es einKonzept gibt, Deutschland mit einemGlacis „gescheiterter“ und abhängigerStaaten, mit einem unerschöpflichenReservoir billiger Arbeitskräftezu umgeben, so ist das Wahlergebnisdes letzten Sonntag ein Meilensteinauf diesem Weg: Weiter so! Für diearbeitenden Menschen in Europahätte es kaum schlechter kommenkönnen.Karikatur: Bernd BückingEin Wahlsieg für die Banken und KonzerneEinschätzungen des <strong>DKP</strong>-Vorsitzenden Patrik Köbele zum Ausgang der BundestagswahlenWas die herrschenden Medien seit Monatenin ihrer Berichterstattung vorweggenommenhaben, ist bei den gestrigenBundestagswahlen eingetreten:CDU/CSU sind deutliche Wahlsieger –unter anderem auf Kosten der FDP, dienicht mehr im Bundestag vertreten ist.Der <strong>DKP</strong>-Vorsitzende Patrik Köbeleschätzt dazu ein: „Egal welche Koalitiondie Unionsparteien eingehen werden– für die Menschen hierzulandewird sich nicht viel ändern: Die Kriegseinsätzeder Bundeswehr werden weitergehen.Der nächste EU-Rettungsschirmfür Banken wird verabschiedetwerden. Und der nächste Sozialraubzugwird in Angriff genommen werden,um die führende Position deutscherBanken und Konzerne in der EU aufdem Rücken der Lohnabhängigen hierzulandeund in Europa auszubauen. Indiesem Sinne ist das Ergebnis ein Wahlsiegfür die Banken und Konzerne.“Die Ergebnisse der Bundestagswahlenspiegeln – wenn auch verzerrt – denBewusstseinsstand der arbeitendenBevölkerung unter den momentanenKräfteverhältnissen wieder. Dass auchgroße Teile der Arbeiterklasse den Parteienihre Stimme gegeben haben, diefür Kriegspolitik, Sozial- und Demokratieabbaustehen, ist ein Ausdruckihres derzeitigen Bewusstseinsstandes:Die Propaganda, dass „Deutschland“im Gegensatz zu anderen Ländern inder EU gut dastehe, habe laut Köbelegegriffen – auch aufgrund der gezieltgeschürten Ängste vor einem sozialenAbstieg. Der <strong>DKP</strong>-Vorsitzende weistaber gleichzeitig darauf hin, dabei Widersprüchlichkeitenim Blick zu behalten:„Wenn einerseits die Unionsparteiendie Wahl gewinnen, andererseitsaber laut Infratest selbst 74 % derCDU-Wähler für einen gesetzlichenMindestlohn sind, weist das deutlichauf die Risse im Wählerspektrum derUnionsparteien entlang von Klassenfragenhin.“ In diesem Sinne müsse esbei den kommenden außerparlamentarischenKämpfen – aber auch bei denWahlkämpfen 2014 – darum gehen, anden unmittelbaren Interessen der arbeitendenKlasse anzusetzen, um dienächsten Angriffe des Kapitals möglichstgeschlossen abzuwehren. DerEinzug der Partei „Die Linke“ in denBundestag könne hierzu einen Beitragleisten.Nicht zuletzt mit Blick auf das gute Abschneidender reaktionären Kraft „Alternativefür Deutschland“ begrüßteKöbele nochmals den Beschluss des<strong>DKP</strong>-Parteivorstandes, zu den EU-Wahlen 2014 anzutreten: „Wenn einePartei aus dem Stand fast 5 % erhält,die nationalistische und rassistischeStimmungen bedient, ist es notwendigerdenn je, dass eine kommunistischePartei kandidiert, die ihr NEIN zur EUder Banken und Konzerne mit einenNEIN zu Rassismus und Nationalismusverbindet. Denn eines ist klar: Widerstandgegen die EU hat nur Aussichtauf Erfolg, wenn die Lohnabhängigenin Deutschland den Schulterschluss mitden Lohnabhängigen in den Ländernsuchen, die durch die Spardiktate derEU-Troika in massive Armut getriebenwerden.“Ausdrücklich bedankte sich PatrikKöbele bei den fünf Direktkandidatinnenund -kandidaten der <strong>DKP</strong>, diein Heidenheim, Brandenburg und Berlinangetreten sind, aber auch den Genossinnenund Genossinnen, die denWahlkampf engagiert unterstützten.Sie hätten einen Beitrag dazu geleistet,dass die Losung „Wählt den Wegdes Widerstandes!“ sich auf den Wahlzettelnmanifestiert habe. Diesen Weggelte es weiterzugehen.mgGregor Gysi zum Ausgang der BundestagswahlFür DIE LINKE ist es ein historischesErgebnis: Dass wir drittstärkste politischeKraft in Deutschland gewordensind, markiert einen Akzeptanzgewinn,der 1990 undenkbar schien. Wirhaben uns mit vereinten Kräften dasVertrauen zurückerkämpft, dass wirzwischenzeitlich im Laufe der vergangenenvier Jahre selbst verspielt hatten.Das ist ein Verdienst der ganzenPartei, besonders aber der beiden Parteivorsitzenden.DIE LINKE ist aus der deutschen Politiknicht mehr wegzudenken und erstrecht nicht mehr wegzukriegen. Mitdieser Wahl hat sich das Land endgültigeuropäisch normalisiert.Mit 32 in den westdeutschen und 32 inden ostdeutschen Ländern gewähltenAbgeordneten, mit 36 Frauen und 28Männern haben wir eine wunderbareMischung in der neuen Fraktion, diewir jetzt politisch produktiv machenwerden.Wir werden uns sofort an die Arbeitmachen und unsere Vorschläge für einenPolitikwechsel in Deutschland inparlamentarische Initiativen gießen,über die der Bundestag dann noch indiesem Jahr entscheiden soll: Mindestlohn,staatliche Strompreisaufsicht,Mietpreisbremse, Equal Pay in derLeiharbeit, Vermögensteuer.Foto: Die LinkeDenn – und das gerät angesichts derZahlen für die Union bisher zu sehraus dem Blick: Angela Merkel hatzwar ein sehr gutes Wahlergebnis erzielt,aber sie hat eben keine Mehrheitfür eine Fortsetzung ihrer Politik. Rot-Rot-Grün hat die Mehrheit, wenn SPDund Grüne ihre Wahlprogramme ernstmeinen. Unsere Initiativen im Bundestagin den ersten Wochen werden fürsie zur Probe aufs Exempel werden.Die Wahl hat gezeigt, dass man einenPolitikwechsel nur dann glaubwürdiggegenüber den Wählerinnen undWählern vertreten kann, wenn mandie politischen Realitäten und die politischenMehrheiten dafür akzeptiertund offensiv nutzt, statt sich in Ausschließeritiszu üben und Türen füreine andere Politik zuzumachen. Ichbin sicher, dass es dies in dieser Formzum letzten Mal gegeben hat.Für diese Erkenntnis kann man aucheinen Blick nach Hessen werfen, dassja schon häufig in den letzten JahrzehntenLabor für politische Neuerungenin Deutschland war. Dort hatDIE LINKE letztlich die Fortsetzungvon Schwarz-Gelb verhindert, Rot-Grün hatte dazu nicht die Kraft. Hessenzeigt auch, dass DIE LINKE imWesten auch in Flächenländern Wahlengewinnen kann. Wir müssen dienächsten Jahre nutzen, um die Parteiim Westen breiter in der Gesellschaftzu verankern.Es ist an der Zeit, den Wählerwillenund die politischen Mehrheiten Ernstzu nehmen, so wie sie die Wählerinnenund Wähler bestimmt haben. DIELINKE steht für einen Politikwechselhin zu mehr sozialer Gerechtigkeit,friedlicher Außenpolitik, mehrdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeitenund unsere Türen für solcheGespräche waren und sind offen.Und wenn nicht heute, wird die SPDspätestens bei den Landtagswahlenim nächsten Jahr in Thüringen, Sachsenund Brandenburg zeigen müssen,ob sie bereit ist, einen anderen Wegzu gehen.Ein Wort noch zur Abwahl der FDP:Dies ist ein historischer Vorgang, derletztlich die Konsequenz daraus ist,dass die FDP-Führung den politischenLiberalismus aufgegeben hat.Der Wirtschaftsliberalismus alleinträgt nicht, sich als Anhängsel der Unionzu präsentieren auch nicht. Da wirselbst schon ähnlich bittere Stundendurchgemacht haben, verbietet sichjede Häme. Es wird schwer für dieFDP, einen Ausweg aus dieser tiefenKrise zu finden.Ich bin froh, dass die AfD nicht inden Bundestag gewählt wurde. Hinterder professoralen Altherren-Fassade tummelt sich ein gruseligerRechtspopulismus, Nationalchauvinismusund ein merkwürdiges Demokratieverständnis.Die Kanzlerinsollte das Abschneiden der AfD dennochals Warnsignal gegenüber ihrerfalschen Euro-Rettungspolitik verstehenund begreifen, dass die Rettungvon Banken, Aktionären, Hedgefondsbei gleichzeitigen massiven Sozialkürzungendie europäische Idee in einemMaße zerstört, dass eben derartigeantieuropäische Parteien Raum gewinnenkönnen.Ich möchte unseren Wählerinnen undWählern für ihr Vertrauen danken,das viele mir gegenüber auch sehr direktgeäußert haben. Ich möchte denvielen selbstlosen Wahlkämpferinnenund Wahlkämpfern danken, die mit ihrerengagierten Arbeit dafür gesorgthaben, dass wir einen leidenschaftlichenWahlkampf geführt und wichtigeWahlziele erreicht haben. Nun geht esmit der gleichen Leidenschaft an dieArbeit. DIE LINKE tut Deutschlandgut, dem Frieden, der sozialen Gerechtigkeit,der Demokratie und der deutschenEinheit. Das soll und wird auchso bleiben.linksfraktion.de, 23. September 2013


SozialistischeWochenzeitung –Zeitung der <strong>DKP</strong>www.unsere-zeit.deFoto: Bundesarchiv, Bild-F051631-0017 / CC-BY-SAFoto: Bundesarchiv, Bild 183-58507-003 / CC-BY-SA1938: Münchener AbkommenVerhöhnung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und nächster Schritt zum KriegAm 30. September 1938 – vor75 Jahren – wurde das MünchenerAbkommen geschlossen, mitdem das so genannte Sudetenland andas faschistische Deutsche Reich angeschlossenwurde und der tschechoslowakischenRepublik der Todesstoßversetzt wurde.Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H12988 / CC-BY-SANach dem Anschluss Österreichs am13. März 1938 bereitete sich die Hitlerregierungverstärkt auf eine Eroberungder Tschechoslowakei vor. Truppenwurden an der Grenze konzentriert,um die Prager Regierung unter Druckzu setzen. Die junge tschechoslowakischenRepublik hatte von Beginn anmit den Folgen des ersten Weltkriegeszu kämpfen. Aus dem zerfallenenhabsburgischen Besitztümern Böhmen,Mähren und Galizien entstanden, lebtenauf dem neuen Staatsterritoriumneben Tschechen und Slowaken einestarke deutschsprachige Minderheit(von den Hitlerfaschisten als „Sudetendeutsche“bezeichnet), sowie Ungarn,Polen und Ukrainer. Die Hauptmethodeder Faschisten zur inneren Aufweichungdes tschechoslowakischen Staatesbestand darin, die deutschsprachigeMinderheit aufzuputschen und dennationalen Hader anzustacheln. Dazuförderten sie den Aufbau der SudetendeutschenPartei unter dem FaschistenKonrad Henlein, die mit einer „Heimins-Reich“-Propagandaund zahlreichenterroristischen Aktionen dentschechoslowakischen Staat schwächenund Stimmung in Deutschland für eingewaltsames Eingreifen der Hitlerregierungmachen sollte. Ziel der Hitlerfaschistenwar es, die gesamte Tschechoslowakeidem Deutschen Reich einzuverleiben.Nominell waren Frankreich und GroßbritannienVerbündete der Tschechoslowakei.Tatsächlich verfolgten sie jedochmit ihrer „Appeasement-Politik“andere Ziele. Am 15. September 1938traf sich der britische PremierministerChamberlain mit Hitler auf dem Obersalzbergund erklärte sich bereit, dessenForderungen auf die sudetendeutschenGebiete durchzusetzen. Im Gegensatzzu den Westmächten stand die Sowjetuniontreu zur Tschechoslowakei. Ineinem Vertrag vom 20. September 1938versicherte sie der Tschechoslowakeibei einem Überfall Hitlerdeutschlandsmilitärische Hilfe zu leisten, wenn diePrager Regierung um sowjetische Hilfeersuchen werde.Ein militärischer Überfall war jedochfür die Hitlerfaschisten nicht notwendig.Am 29. September 1938 trafen sichChamberlain, Daladier (Frankreich),Hitler und Mussolini (Italien) zu Besprechungenin München in derenVerlauf das Münchener Abkommenzustande kam. Über das Schicksal derTschechoslowakei wurde ohne Vertreterder tschechoslowakischen Regierungentschieden. Hitler selbst bedauertespäter, dass er den Krieg nichtschon 1938 begonnen habe: „Aber ichkonnte nichts machen, da die Engländerund Franzosen in München allemeine Forderungen akzeptierten“.In dem Münchener Abkommen wurdedie Tschechoslowakei gezwungen, dieSudetengebiete an das Deutsche Reichabzutreten – mitsamt aller industriellensowie militärischen Anlagen, die nachdem ersten Weltkrieg zum Schutz voreiner erneuten deutschen Aggressionerrichtet worden waren. Polnischeund ungarische Gebietsforderungenwurden ebenfalls erfüllt. Am 1. Oktober1938 marschierte die faschistischeWehrmacht in die Sudetengebiete ein.Die faschistische deutsche Propagandaverbreitete ebenso wie die„Befriedungs“-Politiker in Frankreichund Großbritannien die Legende, dasMünchener Abkommen habe den Friedenin Europa gerettet. Tatsächlichhaben die herrschenden Kreise derWestmächte mit ihrer Beteiligung amAbkommen die Interessen des tschechoslowakischenVolkes verraten – entgegenaller vorher geschlossenen Friedens-und Beistandsbekundungen.Mit dem Münchener Abkommen wurdedie deutsche faschistische Gier nach„Lebensraum im Osten“ keineswegsgebremst: Am 15. März 19<strong>39</strong> annektierteHitlerdeutschland das restlichetschechische Territorium und errichtetedas so genannte Protektorat Böhmenund Mähren, sowie einen slowakischfaschistischen Marionettenstaat. Unmittelbarnach der Annexion wurdenAntifaschistInnen, Juden und Jüdinnen,Sinti und Roma verfolgt und in dieKonzentrationslager verschleppt. Dietschechoslowakische Regierung unterEdvard Beneš ging nach London insExil und wandte sich aber in der Folgezeit,von den Westalliierten enttäuscht,der Sowjetunion zu.Nach der Tschechoslowakei standenim Osten Polen und schließlich die Sowjetunionauf der Liste der deutschenFaschisten. Mit dem Münchener Abkommenhatten die Westmächte den„Deutsches Volk! München wareine Verhöhnung des Selbstbestimmungsrechtsder Völker. Die Tschechoslowakeiwar von der Entscheidungüber ihr eigenes Geschick ausgeschaltet.Und Hitler hat das Diktatzu Unterdrückung von einer MillionTschechen, zur Unterdrückung vielerrein tschechischer Orte ausnützenkönnen. Nein, der Münchener imperialistischeKuhhandel entsprichtebenso wenig der Sehnsucht unseresdeutschen Volkes nach einemwirklichen und dauerhaften Friedenwie der Friedenssehnsucht der anderenVölker.“– Aus dem Aufruf des ZK der KPD„An das deutsche Volk!“ , AnfangOktober 1938deutschen Faschismus gestärkt undseine Position als Bollwerk gegen dieSowjetunion ausgebaut.MHadQuelle: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung;Band 5; 1966; DietzVerlag BerlinFoto: Bundesarchiv, Bild 146-1972-026-51 / CC-BY-SABild ganz oben rechts: Nach der Unterzeichnung des Münchener Abkommensam 29.9.1938 durch Hitler, Daladier, Chamberlain und Mussolini okkupierte dasfaschistische Deutschland bedeutende Grenzgebiete der tschechoslowakischenRepublik.Bild oben links: Der französische Premier Daladier vor dem Abflug aus München.Bild oben: Einmarsch in das Sudetenland. Sudetendeutsche Henleinfaschistensind auf einem Marktplatz zur Begrüßung der Wehrmachttruppen angetreten.Bild unten: Die Synagoge brennt in Oprava.Bild links: Das mit der englischen und der französischen Flagge geschmückte Gebäudeauf dem Königlichen Platz in München, in dem die Begegnung zwischenAdolf Hitler, dem italienischen Regierungschef Benito Mussolini, dem britischenPremierminister Chamberlain und dem französischen Ministerpräsidenten Daladierstattfand.Foto: http://www.holocaust.cz/cz2/resources/pres/kristalovanoc70/kristalovanoc70


10 Freitag, 27. September 2013 Politisches Buch / Theorie und Geschichteunsere zeitSind wir „nach“, „vor“ oder „inmitten“ Marx?Bücher zum MarxismusIch denke, ich kann die Frage beantworten. Nebenmeinem Laptop liegen derzeit drei Bücherzu Marx – ein viertes ist im Entstehungsprozess,der Autor hat den Kontakt zu mir gesucht, damitich seinen Text kritisch anschaue – und ein fünfteshat Roman Stelzig gerade für die „MarxistischenBlätter“ besprochen. Besprochen? – Wohlzu Recht „zerrissen“.Zuerst eine Vorbemerkung: In den sechziger/siebzigerJahren hatten wir eine Art Höhepunkt in SachenMarxismus-Literatur erreicht. Es waren diesJahre, in denen im Laufe eines Jahres in unseremLand mehr zu diesem Thema veröffentlicht wurde,als in Jahrzehnten zuvor zusammen genommen.Kein Verlag von Bedeutung ließ es sich nehmen,wenigstens eine Sammlung von Werken Marx‘, Engels‘,auch Lenins‘ – auf keinen Fall jedoch Stalinsherauszubringen. Eine „Einführung in das Studiumvon Marx, Engels und Lenin“ erschien in vierAuflagen im Verlag C. H. Beck, München. Erstmit dem Abflauen der 68er Jahre und dem Bruchvon 1989/90 hielt der Beck-Verlag die Zeit für gekommen,von einer weiteren Veröffentlichung desSchleifstein-Werks abzusehen – das bringt dochkein Geschäft mehr …Wir brachten es in unserem Neue Impulse Verlag,Essen, heraus.Es muss aber auch noch erwähnt werden, dass eszur damaligen Zeit „Marxismus“-Literatur nochvon ganz anderer Art gab: Es wurden Bücher aufden Markt gebracht, in denen Marx, Engels, wenigerLenin „ergänzt“ wurden durch Gedankengängeanderer Autoren, die sich für Marxisten hielten,es teilweise auch waren. Aber es herrschte dieTendenz vor, gewissermaßen mit Marx und seinen„Ergänzern“ gegen Marx, Engels (insbesonderegegen ihn) und Lenin zu wirken. Nach dem Einschnitt1989/90 verschwanden auch Werke dieserArt weitgehend aus den Verlagsprogrammen, anihre Stelle traten im Gefolge Kinkels vermehrtjournalistische Wadenbeißer.Hier ist aber eine Unterbrechung angebracht.Unmittelbar nach Engels‘ Tod wurde eine probateMethode von Marxismus-Kritik ausgetüfteltund die ging so: Engels selbst habe doch betont,dass Marx die erste Geige und er nur eine zweiteneben Marx gespielt habe, worauf er aber stolzsei (und sein konnte, meine ich, R. St.). Also istes möglich, in die Welt zu setzen, dass Engels denMarx entweder nicht immer richtig verstandenoder ihm hin und wieder etwas Gewalt angetanhabe, so dass es nicht nur einen Marxismus, sondernauch einen Engels-simus gebe, der sich zumArbeiterbewegungs-Marxismus entwickelte, demLenin verfallen sei – und über Stalin rede man erstgar nicht. Mit dem Marxismus, das könnte man tolerieren,aber einen Engels-sismus oder Arbeiterbewegungs-Marxismus,die haben doch mit Marxnicht wirklich zu tun, den man allenfalls noch ertragenkönnte.Übrigens: Der Trick wird oft angewandt. Die hiervorzustellenden Bücher haben damit nichts zu tun.HDamals, als die Marxismus-Literatur aus demVerkehr gezogen wurde, schrieb ich, die Zeit werdewieder kommen, in welcher die Marxismus-Literatur neue Konjunktur habe, dann, wenn derKapitalismus erkennbar in Schwierigkeiten gelange– und es könnte sein, dass wir aus solchenGründen – nicht nur aus solchen – wieder vermehrtzum oder gegen den Marxismus zu lesenbekommen.Um es gleich zu sagen: Jene Marx-Bücher, diejetzt auf meinem Schreibtisch liegen, gehörennicht in die eben kritisch erwähnten, es handeltsich um ernste Texte. Norbert Blüms dummerSpruch, Marx sei tot, Jesus lebe (da hatte dieseIntelligenzbestie nicht bemerkt, dass sie in Wahrheitsagte: Der Sozialismus sei tot, der Kapitalismuslebe) ist als Motto für unsere Tage nichtbesonders gut geeignet. Der Grund? Ich hatteden damals so benannt: „Marx zwingt ihnen dieThemen auf!“ und das kann ja auch von Leutennicht bestritten werden, die wahrnehmen, wie esim gesellschaftlichen, im geistigen Leben unsererTage zugeht.Ab er zu den oben erwähnen Büchern: Es handeltsich um die folgenden:„Nach Marx. Philosophie, Kritik, Praxis“, herausgegebenvon Rahel Jaeggi und Daniel Loick.Urs Lindner, „Marx und die Philosophie, WissenschaftlicherRealismus, ethischer Perfektionismusund kritische Sozialtheorie“ sowie HorstKreschnak, „Karl Marx und der Weg in die Zukunft.Zwischen sowjetischem Sozialismusmodellund Marktfundamentalismus“.HDas erste Buch dokumentiert – nach einer gründlichenEinleitung der Herausgeber, die auf’s Bucheinstimmt –, die Referate eines in Berlin (Humboldt-Universität)unter dem Titel „Re-ThinkingMarx. Philosophie, Kritik, Praxis“ abgehaltenenTagung. Die dort vorgetragenen Texte wurden, imErgebnis von Diskussionen, überarbeitet. Einigeder Texte wurden von Autoren nachgereicht, diean der Konferenz selbst nicht teilnehmen konnten.Nach einem Überblick zum gesamten Buch kommendie 20 Autorinnen und Autoren mit ihrenTexten zu Wort (die natürlich diskutiert wurden).Es gab sechs Arbeitsgruppen zu diesen Komplexen:Freiheit und Gemeinschaft, Normativität undKritik, Wahrheit und Ideologie, Recht und Subjektivität.Kapitalismuskritik und Klassenkampf,Politische Praxis.Es ist natürlich sinnlos, auch nur zu versuchen,die Inhalte der Referate und der Komplexe hierwieder zu geben, nur dies sei gesagt: Selbst einemsolchen „Orthodoxen“, wie ich einer bin, gebendie Texte durchweg Anregung zum Weiterdenken,und es kam auch nur ganz vereinzelt vor, dass einAutor – etwa Hauke Brunkhorst, es nicht unterlassenkonnte, auch einmal für eine kurze Streckeseines Textes entlang das Diskussionsfeld inRichtung landesüblicher Agitation zu verlassen.Aber dass Jürgen Habermas gelegentlich – wieder Volksmund sagt – sein Fett wegbekommt, hatmir durchaus gefallen (S. 101, S. 105).Mich hat der Titel des Buches etwas amüsiert:Nach Marx? Na ja, es werden Entwicklungen mitMethoden und Mitteln unter die Lupe genommen,die man zu Marxens Zeit nicht kannte – aberdurchweg bewegt man sich dabei im Umfeld vonMarx und ist insofern nicht (oder nicht nur) nachMarx, sondern auch bei und vor und mitten unterihm „zu Haus“.HDas zweite Buch ist von anderer Art, denn es unternimmtals Monografie den Versuch, das MarxscheWerk selbst, von seinen Ursprüngen undQuellen her, in seinen Wandlungen zu entwickeln,dabei auch philologisch manche Lesart korrigierendund sich dabei – was ich für einen Mangelhalte – am Thema Philosophie zu orientieren.Meines Erachtens tut man nicht gut, Marx alleinals Philosophen, oder Ökonomen oder Politkerzu behandeln, denn Marxismus ist eine integrativeund integrierende Sache, in der Theorie undPraxis und die eben genannten drei Arbeits- undForschungsbereiche eine Einheit bilden.Gewiss kann man von einer „marxistischen Philosophie“sprechen, aber das geht nicht, ohne dieGrenzen des Philosophischen zu überschreiten.Lindner tut dies, vor allem gegen Ende seines Buches,aber die Reduktion des Marxschen Werdegangsoder dessen Bewertung allein mit Bezug aufdie Philosophie engt dieses Werk ein. Und dieseEntwicklung einerseits vor dem AlthusserschenVersuch zu bewahren, im Werden des MarxschenWerkes einen strengen Schnitt zwischen angeblichideologischen und wissenschaftlichen Aspektenzu ziehen, den historischen Charakter des Marxismusgewissermaßen zu unterschlagen, führt zukeiner weiterführenden Erkenntnis. Es entstehtdann die Gefahr, vor lauter Änderungen auf demWeg den Weg selbst zu verlieren, nicht zu merken,dass – wie es bei Quante im Suhrkamp-Buchheißt: „Zwischen dem Marxschen Denken, wie essich seit 1843 herausbildet, und dem MarxschenDenken, wie wir es bis zu den letzten Arbeitenam Kapital vorfinden, (…) es aus philosophischerSicht eine fundamentale Kontinuität“ gibt. (S. 70)Dass „im Marxschen Werk sich zwar viele Entwicklungenund Modifikationen identifizieren, dasGrundgerüst seines Philosophierens aber davon… nicht betroffen“ ist (Ebenda).Lindner redet einer kritischen Sozialtheorie dasWort, sensibel gegenüber dem Machtproblem,vielstimmig, aus verschiedenen Ansätzen undPerspektiven zusammen gesetzt (S. 387), das istmir aber entschieden zu viel „Leipziger Allerlei“!HKrechnaks Buch ist von völlig anderer Art, einInsider-Buch.Der Autor Jahrgang 1930, Professor in der DDR,aus der handwerklichen Tätigkeit herkommend(so etwas ist immer eine wohltuende Grundlagefür’s theoretische und pädagogische Arbeiten!),war er in der DDR in der Lehrerbildung tätig, didaktischalso erfahren, Direktor des ForschungsundRechenzentrums der Akademie der PädagogischenWissenschaften der DDR tätig, bis ihnder Bannfluch der Freiheitlichen und Liberalenereilte.Das Werk Krechnaks ist insofern von völlig andererArt, als es vom Standpunkt der Aufgabengeschrieben wurde, die sich bei der Überwindungdes Kapitalismus stellen müssen. Dies aber nichtim Stil der Agitation, sondern der wissenschaftlichenAnalyse, wobei sich dieses Buch wohltuendunterscheidet von der Auseinandersetzung mitTheorie- und Praxis-Ansätzen modern-bürgerlicherArt, die vorrangig vom Standpunkt der Kritikaus geschrieben wurden (das habe ich leider auchso gehandhabt).Krechnak will zunächst darstellen (aus der Sichtder praktischen und theoretischer Vernunft), warumdas sowjetische Sozialismus-Modell scheiterteund warum es dem Marktradikalismus nicht besserergehen wird. (S. 17) Er sucht nach Ansätzenin klassisch-marxistischen und (und!) in zeitgenössischen(also auch bürgerlichen!) Konzeptionentheoretischer und praktischer Vernunft (das Themauntersucht er gründlich), die uns einen Auswegaus der vermaledeiten Situation möglich werdenlassen. Zu Wort kommen also auch Selbstorganisations-und Chaos-Theorie. Stegmüller und Popperwerden nicht einfach „abgetan“.Konzeptionen des „Kurzen Lehrgangs“ zur Geschichteder KPDSU werden durchleuchtet.Es wird natürlich noch viel Zeit in Anspruch nehmen,bis man daran gehen kann, die VorschlägeKreschnaks auszuprobieren – es wäre gut, dieseZeit währte nicht zu lang und um sie abzukürzenmüssen wir Marxisten, Sozialisten, Kommunisten– wie Goethe zu sagen pflegte – „die Pflichtdes Tages“ ableisten. Für alles das ist KreschnaksBuch – nicht nur das seine – ein solches zumgründlichen Nachdenken.Robert SteigerwaldNach Marx. Philosophie, Kritik, Praxis. Herausgegebenvon Rahel Jaeggi und Daniel Loick. suhrkamptaschenbuch wissenschaft, 2006, 520 Seiten,22,- Euro ISBN, 978–3-516–29 666-0,Urs Lindner, Marx und die Philosophie, WissenschaftlicherRealismus, ethischer Perfektionismusund kritische Sozialtheorie, SchmetterlingVerlag, Stuttgart 2013, 476 Seiten, ISBN 3–89 657-060–9Horst Kreschnak, Karl Marx und der Weg in dieZukunft. Zwischen sowjetischem Sozialismusmodellund Marktfundamentalismus, PapyRossa,Köln 2011, 298 Seiten, 19,- Euro. ISBN 978–3-894–464-7Land der Reisfelder…. das Geschichtsbuch von Günter Giesenfeldhandelt von Vietnam, Laos und Kambodscha, ihrenBeziehungen untereinander, ihren Schicksalenals Objekte von kolonialer und neokolonialer Aggressionsowie als handelnde Subjekte des Widerstandskampfes.Im Mittelpunkt steht Vietnam mitseinen Befreiungskämpfen gegen die französischeKolonialmacht und – als Schwerpunkt – gegen dieUS-amerikanische Aggression. Also nur ein Buchfür in die Jahre gekommene, linke Nostalgikerund einstige Vietnam-Aktivisten? Keineswegs.Der Autor richtet zwar seinen Blick weit zurückauf die Anfänge Vietnams, doch er konzentriertsich dabei auf durchaus aktuelle Fragestellungenwie auf innere Klassenauseinandersetzungen undWiderstandskämpfe gegen die Invasoren, auf dieTräger revolutionärer Prozesse, auf die sozialenund politischen Ursachen von Volksaufständensowie die sich verändernden ökonomischen undstrategischen Interessen der verschiedenen Besatzerund Aggressoren. Seit den 30er Jahren des20. Jahrhunderts wurden diese Aufstände von denvietnamesischen Kommunisten entscheidend mitorganisiert. Wenn Giesenfeld betont, dass die vietnamesischenKommunisten niemals die Führungmonopolisiert haben, gibt er einen wichtigen Hinweisdarauf, weshalb ihre Bündnispolitik erfolgreichwar, wofür die Vietminh und die NationaleBefreiungsfront exemplarisch stehen.Giesenfeld räumt mit Klischees, Legenden undLügen über diesen Krieg auf, die in der Zeit desKalten Krieges antikommunistisch konnotiert undlegitimiert wurden. Sie waren – so wie heute – Bestandteileder ideologischen Kriegführung derUSA und wurden vom „westlichen Lager“ mehrheitlichgeteilt. Es war die ideologische Blindheit,die es den US-Regierungen nicht erlaubte, „Tatsachenzur Kenntnis zu nehmen, die nicht ins eigeneWeltbild aus der Perspektive der unbesiegbarenGroßmacht passen“. Als Beispiel sei das von ihnenselbst geschaffene Horrorbild des „Vietcong“genannt, jenem Zerrbild eines Kommunisten, demausschließlich barbarische, unmenschliche Attributezugeordnet wurden. Es lag daher in der Logikder US-Kriegführung, schlitzäugige, blutrünstigeUngeheuer sowie ihre mutmaßlichen Anhänger,und seien es Greise, Frauen und Kinder, mit allenMitteln zu bekämpfen, zu foltern, zu vergewaltigen,mit Napalm zu verbrennen und wie Ungeziefermit dem von Dow Chemical produziertenSchädlingsbekämpfungsmittel Agent Orange auszurotten.Diese Kriegslogik aber trieb immer größereTeile der Bevölkerung Südvietnams, selbstSoldaten, auf die Seite der Nationalen Befreiungsfront.Und eben diese Kriegslogik führte auch zuwachsendem Widerstand in den USA und ihrenSoldaten in Vietnam. So verlor die WeltmachtUSA den Krieg, den sie zu einem Testfall dafürhatte mache wollen, jederzeit und an jedem Ortjedwede Befreiungsbewegung vernichten zu können.In Westdeutschland hatte das Selbstbild derUSA als Land der Menschenrechte, der Freiheitund der Demokratie zumindest im Bewusstseinder damals jüngeren Generation, aber auch inTeilen der Öffentlichkeit, erhebliche (Blut-)Fleckenbekommen. Im Januar 1973 forderten deutscheKünstler und Intellektuelle vergeblich BundeskanzlerWilly Brandt auf, öffentlich gegen dieerneute Bombardierung Nordvietnams zu protestieren.Tatsächlich hat sich keine einzige bundesdeutscheRegierung jemals von der Unterstützungdes US-Krieges distanziert.Giesenfeld setzt sich kritisch mit den Publikationenüber den Vietnamkrieg auseinander; u. a. auchmit der von Bernd Greiner. Dieser sieht den Vietnamkriegals einen „asymmetrischen Krieg“, lastetder vietnamesischen Guerilla – unter Verdrehunghistorische Tatsachen – den Terrorismus gegenüberder Zivilbevölkerung an und entschuldigt die Verbrechender US-Regierung damit, sie habe ja nurden Terror der Guerilla kopiert. Der US-Krieg waraber nicht nur in militärischer Hinsicht asymmetrisch.Für die Vietnamesen, nicht nur für die vietnamesischenKommunisten, bestand die auch inexistenzieller Hinsicht: Sie mussten in ihrem eigenenLand um „das pure Überleben nicht nur desEinzelnen, sondern des gesamten Volkes“ kämpfen.Und genau diese Asymmetrie war eine wesentlicheBedingung des Sieges der Schwachen über dieWeltmacht.Der Autor erinnert daran, dass die Aggressionengegen Vietnam nicht eingestellt wurden, nachdemdie US-Amerikaner im April 1975 in Panik Saigonverlassen hatten. Die neue amerikanisch-chinesischeAllianz hat weiterhin gegen das befreite Vietnamintrigiert, Fehler und innere Konflikte genutzt,um das Land zu destabilisieren, u. a. mit der Kampagneder Bootsflüchtlinge, mit Hilfe der kambodschanischenLon Nol-Diktatur und den mörderischenRoten Khmer, die Vietnam in einen mehrjährigenGrenzkrieg verwickelten. Auch verlangtendie USA von ihren Partnern, sich dem Wirtschaftsboykottgegen Vietnam anzuschließen. Das allesbehinderte den Wiederaufbau Vietnams – und dievietnamesische Regierung tat sich schwer, sich daraufeinzustellen. Der Zusammenbruch des sozialistischenLagers führte zu einer weiteren Krise.Es ist eine besondere Stärke des Buches, sich auchmit den jüngsten Jahrzehnten der vietnamesischenGeschichte auseinanderzusetzen: wie Reformen ander fehlerhaften Umsetzung scheitern, wie Vietnamauf das Eindringen des Neoliberalismus reagiert,sich aus der wirtschaftlichen Isolation zu befreienversucht. Der Autor formuliert abschließenddie Hoffnung, dass es Vietnam doch noch gelingenkönne, „Moral, Menschlichkeit und Zusammengehörigkeitsgefühlals Grundlagen eines nichtkapitalistischenWeges gegen den Terror der Kommerzialisierungzu verteidigen.“Jutta von FreybergGünter Giesenfeld, Land der Reisfelder. Vietnam,Laos und Kambodscha. Geschichte und Gegenwart,Argument Verlag 2013, 19,- Euro


12 Freitag, 27. September 2013 Krisendebatteunsere zeitDie Dialektik des KapitalismusVon Andreas Hüllinghorst, BerlinFoto: Kevin Baird/ (CC BY-NC-ND 2.0)Klaus Wageners Ansatz zur Krisenanalyseist zu unterstützen:Der Charakter der gegenwärtigenKrisensituation ist nicht alleinaus Analyse und Empirie zu gewinnen,es bedarf ebenso einer theoretischenDurchdringung der Entwicklungdes Kapitalismus, seines – wieWagener in erfreulich dialektischemTon schreibt – Sichselbstwerdens. Notwendigist eine solche theoretischeDurchdringung, weil das menschlicheErkenntnisvermögen so ausgelegt ist,dass es bestimmte Seinsformen nichtmit den Sinnen, wohl aber im Denkenerfahren kann.Für den Marxisten gibt es etwas,schreibt Lukács, „das wirklicher unddarum wichtiger ist als die einzelnenTatsachen oder Tendenzen: die Wirklichkeitdes Gesamtprozesses, dasGanze der gesellschaftlichen Entwicklung“(Lenin, S. 16). Die einfachen, diegrundlegenden Züge der Entwicklungdes Kapitalismus sind solche, die mannur im Denken erfährt – um sie zu sehen.Die Entwicklung des Kapitalismuskann aber – so meine ich im Unterschiedzu Wagener – nicht bloß alsGeschichte der Kapitalakkumulationtheoretisch konstruiert werden. Zwarist die Zirkelbewegung des Kapitalsals sich selbst verwertender Wert seineeinfache, aber, allein betrachtet,doch seine unlebendige Bewegungsweise– sozusagen eine Laborexistenz,herausgerissen aus seinen historischenZusammenhängen. Das giltauch dann, wenn er die Akkumulationin verschiedenen Phasen des neoliberalenImperialismus anspricht. Würdeman die Zirkulation abstrakt als Motordes Sichselbstwerdens erfassen, abstrahierteman von der wirklichen Akkumulationund reduzierte seinen theoretischenBlick auf die Entwicklungeines idealisierten, absolut gesetztenKapitals.Die KonkurrenzEin Kapital macht nur Profit und dieserwird nur wieder als Kapital angelegt,wenn es sich auf dem Markt inKonkurrenz zu allen anderen Kapitalienbehaupten kann. „Die freie Konkurrenzist die Beziehung des Kapitalsauf sich selbst als ein anderes Kapital,d. h. das (…) Verhalten des Kapitalsals Kapital in der Realität. Die innerenGesetze des Kapitals (…) werdendurch die Konkurrenz erst als Gesetzedurchgesetzt“ (Grundrisse, S. 542).Konkurrenz und der mit ihr untrennbarverbundene Markt sind das Lebenselementdes Kapitals. Beide entfaltenihre volle Wirkungskraft mit derpolitischen Entwicklung der Bourgeoisie,mit ihrem revolutionären Sieg überden Feudalismus, wodurch kapitalistischeProduktionsverhältnisse etabliertwerden. Nun erst kann sich die kapitalistischeProduktionsweise ihrer Naturnach – Akkumulation unter Konkurrenzbedingungen– entfalten.Die Zirkelbewegung des Kapitalsmüssen wir mit der Entwicklung derKonkurrenz der unzähligen Kapitalienauf dem (zunächst nationalen, baldaber schon internationalen) Markt inihrer freien, später monopolistischenund schließlich staatsmonopolistischen(zunächst keynesianischen unddann neoliberalen) Qualität denken.Das Kapital bewegt sich akkumulierendund konkurrierend auf zugleichdem Markt. Was für die Zirkelbewegungdes Kapitals gilt, muss auch beimDenken der Konkurrenz beachtet werden:Letztere hat keine Laborexistenz,die als bloße Wechselwirkung gedachtwerden kann. Auch die Konkurrenz istin ihrem historischen Zusammenhangzu denken.Die VergesellschaftungDie Schaffung des nationalen Marktesund die volle Entfaltung der Konkurrenzergibt sich nicht allein und nichtzuerst aus dem politischen Sieg derBourgeoisie über den Feudalismus,sondern der politischen Entfaltungliegt die Entwicklung ausnehmend besondererProduktivkräfte (Dampfmaschineetc.) durch die Bourgeoisie zugrunde,indem letztere erstere zu einerReife bringen, die feudalistische Produktionsverhältnisseunproduktiv undkapitalistische Produktionsverhältnissepolitisch erforderlich machen. Der innereMotor dieser Entwicklung ist dieVergesellschaftung der Produktion alsmaterielle Kritik an den feudalistischenProduktionsverhältnissen. Im Feudalismuseignete sich der individuelle Produzent– sei er Bauer oder Handwerker– sein individuelles Arbeitsproduktan; der Feudalherrscher nimmt sichdavon für sein individuelles Bedürfnis.Im Kapitalismus wird dieser Produktionsprozessaber vergesellschaftet:Keiner stellt mehr ein Produkt alleinher. Die neuen Produktionsmittel lassendas nicht mehr zu. Der Produzent,der Lohnarbeiter, wird durch die Tätigkeitmit den Maschinen ebenso vergesellschaftet.Die Vergesellschaftungist selbstverständlich auch ein Prozess.Sie entwickelt sich aus der Produktionin freien Marktverhältnissen weiter:Das frei konkurrierende akkumulierendeKapital vergesellschaftet sich,indem es z. B. Aktiengesellschaften,Konzerne, Trusts, Interessenverbändeetc. auf nationaler und internationalerEbene gründet. Es entsteht am Endeeine staatsmonopolistische Planungder Produktion anhand der imperialistischenZiele des (inter-)national führendenMonopolkapitals.Die Vergesellschaftung der Produktionhat aber noch eine andere Seite: Übereinige Jahrtausende zieht sich nämlichder Vorgang des Entstehens und Auflösensder Klassengesellschaft durch. DieVergesellschaftung der Produktion istdabei ein wichtiger Schritt zur Auflösung.Jedoch folgte bisher keine Vergesellschaftungder Aneignung des Mehrwertsaus der Produktion (siehe MEWBd. 20, S. 252 f.). Darum ist die Vergesellschaftungder Produktion nur eineunter Wahrung der privaten Aneignungdes Mehrwerts aus der Produktion. Sieentwickelt sich nur in dem Rahmen,den die Eigner des Mehrwerts bestimmenund die Arbeiterklasse dies zulässt.Die Bestimmung der Vergesellschaftungder Produktion und besondersdie der Aneignung des Mehrwertsist das Wesen des Klassenkampfs.Der KlassenkampfMit der vergesellschafteten Produktionund der privaten Aneignung desMehrwerts entsteht aus dem Feudalis-mus eine neue Klassengesellschaft mitBourgeoisie und Lohnarbeitern alsHauptklassen. Beide reproduzierendie Produktionsverhältnisse auf immerneue Weise, aber stets in derselben, diekapitalistische Produktionsweise erneuerndeForm. Dieser Widerspruchist der Motor zur Auflösung dieserund der Klassengesellschaft überhaupt(siehe MEW, Bd. 20, S.264).Die Vergesellschaftung wird von derprivaten Aneignung des Mehrwertsbeeinflusst. Insofern ist sie von derBourgeoisie bestimmt. Sie bestimmtdamit auch die Entwicklung der kapitalistischenHauptproduktivkraft: derArbeiterklasse. Je bewusster Letzteresich ihrer Bestimmheit wird, jebewusster wird sie sich ihrer Bestimmung:Sie muss die bisher nichtvergesellschafteteSeite der Klassengesellschaft,die private Aneignung desMehrwerts, vergesellschaften, um dadurchauch die Vergesellschaftung derProduktivkräfte und Produktionsverhältnissevon ihrer kapitalistischen„Deformation“ (Heinz Jung) zu befreien.Der Klassenkampf bestimmtdaher die Entwicklung bzw. die Reproduktionder kapitalistischen Produktionsweise.Damit bestimmt erauch die ihn bestimmende Vergesellschaftungder Produktion, denMarkt, auf dem alle Produktivkräfteals Waren gehandelt werden, und erbestimmt die Konkurrenz auf demMarkt und schließlich die Akkumulation.Die Akkumulation ist daher ineinem mehrschichtigen dialektischenZusammenhang zu denken.Bruttoinlandsproduktund BruttolohnquoteVon Friedrich Sendelbeck, NürnbergEin wesentliches Merkmal der gegenwärtigenKrise ist weder mit „großerKrise“ noch mit „struktureller Krise“oder mit „zyklische Überproduktionskrise“beschrieben.„Groß“ sagt qualitativ eher gar nichtsaus, „strukturell“ vermutlich auchnicht, außer es soll fälschlicherweisesuggerieren, dass der Kapitalismus inein Stadium von nicht mehr beherrschbarenKrisen eingetreten sei, und „zyklischeÜberproduktion“ ist nun – statteiner neuen Erkenntnis – immer schondas kapitalistische Lebenselixier, ausdem sich dieses Wirtschaftssystem gestärktvorwärts entwickelt.Es ist jedoch notwendig, sich das anzusehen,was in dieser Qualität neuin der jetzigen Krise festzustellen ist:Wer die Entwicklung des bundesdeutschenBruttoinlandsprodukts (BIP)und der Bruttolohnquote in den letzten20 Jahren und besonders in den15 Jahren vor Beginn der gegenwärtigenKrise analysiert, stellt fest, dassvon 1993 bis 2008 das BIP um etwa50 Prozent (800 Mrd. Euro) gewachsenist, die Bruttolohnquote aber umetwa acht Prozent abgesunken ist (dafürgibt es u. a. politisch gewollte Gründe:Hartz IV, Leiharbeit, Befristungenohne Sachgrund etc.).Das Absinken der Lohnquote hat zumeinen zu einem Verlust bei den Bruttolohneinkommenvon – kumuliertfür die 15 Jahre – über einer BillionEuro (und bei den Sozialversicherungenvon etwa 400 Mrd. Euro) geführt,zum anderen zum bekannten Exportüberschussder vergangenen Jahre (derseit 2003 bis heute immer dreistelligeMilliardenbeträge aufweist) und damitzur Verschuldung hauptsächlich der europäischenNachbarstaaten. Dass mitdem Exportüberschuss auch zusätzlichder Finanzsektor immens gewachsenist, ist der Tatsache geschuldet, dassdie aus den Exportüberschüssen erlöstenBeträge eben nicht in der Realwirtschaftangelegt wurden, und auch garnicht mehr konnten (angesichts derreal existierenden Überakkumulation).Insbesondere dadurch wurde zusätzlicher(auch politischer) Druck auf dieseStaaten ausgeübt, den Sozial- undDemokratieabbau voranzutreiben(wie es ja bei uns auch „erfolgreich“durchgeführt worden war und zur bekanntenExportstärke beigetragenhatte). Erklärungen für die Auswirkungender gegenwärtigen Krise aufdie Bereiche Soziales, Umwelt, Nahrungsmittelund Energie etc. könnenanders nicht abgeleitet werden.


14 Freitag, 27. September 2013 Anzeigenunsere zeit- unsere zeit -Wochenzeitung der <strong>DKP</strong>


unsere zeitLeserbriefe / Termine / ImpressumFreitag, 27. September 2013 15Die EU und die Krisen-DebatteBetr.: Krisendiskussion in der UZ1996 war ich Gast bei dem 13. Parteitagder <strong>DKP</strong>. Ich hatte das Glück nebenKurt Bachmann zu sitzen. Er hat michgefragt, wie die Meinung der dänischenArbeiterklasse zur Europäischen Unionist. Ich habe (ein bisschen optimistisch)gesagt, dass die dänische Arbeiterklassegegen die Union sei und bleibenwerde. Was ich meinte war, es istunsere Aufgabe gegen dieselben Klassenkräfte,die hinter dem Zweiten Weltkriegstanden und hinter der heutigenAufrüstung stehen, zu kämpfen.Darum ist es für mich eine Überraschung,dass die EU kaum einen Platzin der Krisendebatte der <strong>DKP</strong> einnimmt.Wie kann es sein, dass die neuenübernationalen Formen des Kapitalismusgar nicht zur Diskussion stehen? Inden 70er Jahren gab es wertvolle ökonomischeBeiträge über die neuen Formendes staatsmonopolistischen Kapitalismus.Heute sind es nur ganz wenige,die diese Tradition weiterführen, zumBeispiel Gretchen Binus und Hans-PeterBrenner.Eine der wichtigsten Erfahrungen derKrise ist, dass die Banken und das Finanzkapitaldie Lasten der Krise auf dieBürger und die Staatskassen abwälzen.Mit welchen neuen Analysen und Aktionenkönnen wir diese Entwicklungbekämpfen? Das muss eine der Hauptfragender Debatte sein.Lars U. Thomsen, Esbjerg„Original <strong>DKP</strong>“?Betr.: Aufmacher, UZ vom 13.9.2013,S. 1Der Aufmacher zur Aktion Umfairteilen(UZ <strong>Nr</strong>. 37) berührt grundsätzlicheFragen zu den Aufgaben von Kommunistenin Bewegungen und Bündnissen,besonders im sozialen und gewerkschaftlichenBereich. So unverzichtbarunsere Beteiligung an solchen Aktivitätenist, so wichtig ist darüber hinaus dieKlarheit, welche besonderen Perspektiven,Ziele und Aufgaben wir als Kommunistendort haben.Wir wissen: Selbst wenn Menschen inihren Lebensbedürfnissen vom Monopolkapitalso massiv benachteiligt werden,dass sie protestieren, demonstrieren,Verbesserungen ihrer Lebenssituationeinfordern, dann steht dahinterpraktisch immer erst mal die Illusion,den Kapitalismus menschlicher gestaltenzu können, wenn man sich nur mitden richtigen Argumenten dafür einsetzt.Die Erkenntnis, dass das, washeute erkämpft wurde, immer wiedermorgen vom Kapital einkassiert wird,dass die Ursache für die empfundeneUngerechtigkeit im Zwang des Kapitalszum Maximalprofit liegt, dassüberhaupt im bürgerlichen Systemnicht die Lebensbedürfnisse der arbeitendenMenschen, sondern die Verwertungszwängedes Kapitals die alleinentscheidende Rolle spielen, wird nichtvon allein entstehen. Ebenso wenigdie Schlussfolgerung, dass nachhaltigeVerbesserungen nicht im Kapitalismus,sondern nur in einem anderen Systemerreicht werden kann, wo die Machtdes Monopolkapitals und seine ökonomischenZwänge beendet sind, alsoim Sozialismus. Wer Marx und Leninrichtig verstanden hat, sollte wissen,dass diese Einsichten sich den Menscheneben nicht schon dann ergeben,wenn wir mit ihnen für das Teewasserkämpfen, sondern wir müssen daranzielbewusst arbeiten, wir müssen dieErfahrungen der Kämpfe in diesemSinne auswerten, wir müssen die Entwicklungvon Klassenbewusstsein fördern,die Erkenntnis, dass eine grundlegendeSystemalternative notwendigist und dass man sich dafür politischorganisieren muss.Diesen Zusammenhang ignoriert GenosseMetzroth (…). Dementsprechendreduziert sein Fazit die Aufgabe derKommunisten auf (…), „ihren Beitragdazu zu leisten, dass es hierzulande fairerund gerechter zugeht“ (…).Thomas Mehner, KrefeldIn der Sache und Tonlagenicht nachvollziehbarBetr.: „Erklärung des Sekretariats desParteivorstands der <strong>DKP</strong>“,UZ vom 13.9.2013, S. 12Die Erklärung des Sekretariats des Parteivorstandszur Entwicklung des Meinungsstreitsin der Partei ist in der Sacheund in der Tonlage nicht nachvollziehbar.Ja, es gibt zu verschiedenen politischenFragen unterschiedliche Meinungen,es gibt „relativ klar ausgeprägte Strömungen“(Patrik Köbele), es gibtStreit – und das schon seit vielen Jahren.Nun tauschen sich Genossinnenund Genossen darüber aus, und zwar„einzeln oder in Verbindung mit anderen“(Statut), nun werden in mindestenseinem Bezirk die Ergebnisse desParteitags äußerst kritisch diskutiert,aber ist das alles „ungewöhnlich“ oder„nicht hinnehmbar“, wie das Sekretariatformuliert? Ungewöhnlich ist eherdie dramatisierende Tonlage dieserweitgehend entpolitisierten Stellungnahme.Der Parteivorstand hat auf all seinenbisherigen Sitzungen stets den Anspruchformuliert, die Debatte umStreitpunkte weiter zu führen und zuorganisieren. Da ist es doch kontraproduktiv,wenn das Sekretariat ohneZeitnot zwei Wochen vor einer Parteivorstands-Tagungeine Erklärung veröffentlicht,die meines Erachtens derkollektiven Diskussion bedarf. Zumaldiese Erklärung an mehreren StellenFormulierungen enthält, die statutenwidrigesVerhalten unterstellen.Wird hier das Stöckchen vorbereitet,über das in zwei Wochen dann der gesamteParteivorstand springen soll?Welche Stoßrichtung hat diese Erklärung– wenige Wochen vor der gewerkschaftspolitischenKonferenz inHannover, mitten in der Debatte umein Pressefest 2014, und unmittelbarvor der Herausforderung, gemeinsameinen Krieg gegen Syrien abzuwehren?Ich hoffe, der Parteivorstand wird seinerpolitischen Verantwortung bessergerecht, als es das Sekretariat mit dieserErklärung getan hat.Isa Paape, ErlangenRichtigstellungBetr.: Leserbrief desBezirksvorstandes Südbayern, UZvom 23.8.2013, S. 15Dazu möchte ich Folgendes richtigstellen:1. Das Papier des BV Südbayern zurLandtagswahl wurde auf der Bezirks-MV am 23.3.2013 zwar zur Diskussiongestellt, nach kurzer Debatte aberNICHT zur Beschlussfassung aufgerufen.(Der BV-Sprecher: „Das ist keinAntrag.“ Es sollte nach seiner Aussagezur Ergänzung noch mit dem BV Nordbayernbesprochen werden.)2. Daraus folgt: Die angeführte Positiondes BV, bei den Landtagswahlen in Bayernaufzurufen, die Partei „Die Linke“zu wählen, wurde NICHT zur Abstimmunggestellt. (Der Leserbrief behauptetdie Beschlussfassung.)3. Die Position, die Parteien „nicht ineinen Topf zu werfen“ und aufzurufen,„links von der CSU“ zu wählen, wurdevon mir in die Debatte eingebracht.(Der Leserbrief behauptet, eine solchePosition sei nicht vorgetragen worden.Mein Redebeitrag, den ich als Gegenpositionzum o. a. Papier verstehe, liegtschriftlich vor.)Peter Willmitzer, MünchenNur 29,8 Prozent für dieCDU/CSUBetr.: BundestagswahlWenn man nachprüft, wie es wirklichmit den Wahlen aussieht, dann stehtfest, dass die CDU/CSU nicht einmalein Drittel der Bundesbürger vertritt.Wahlberechtigte haben wir 61,800 MillionenBürger = 100 ProzentGewählt haben 44,185 Millionen = 71,5ProzentCDU/CSU haben gewählt 18,425 Millionen= 28,5 ProzentSPD haben gewählt 13,312 Millionen =18,3 ProzentLeider haben ich das nicht irgendwo lesenkönnen – warum?Erich Schreier, Röthenbach/PegnitzWir bitten darum, uns kurze Leserzuschriftenzuzusenden. Sie sollten unterder Länge von einer Spalte bleiben. DieRedaktion behält sich außerdem vor,Leserbriefe zu kürzen.Die RedaktionFR H 27. SepDarmstadt: Internationales Sommerfest der<strong>DKP</strong> Darmstadt-Dieburg – Thema „Viva CubaSocialista!“, mit Berichten von Teilnehmernder SDAJ-Solibrigaden und ihren Erfahrungenin Cuba. Bürgerhaus Kranichstein, Luise-Büchner-Saal, Grundstr. 10, 18.00 Uhr.SA H 28. SepErfurt: „Hat der Sozialismus in Kuba eineZukunft?“. Vortrag und Diskussion mit HeinzLanger, Botschafter a. D. der Deutschen DemokratischenRepublik. Veranstalter: RotfuchsErfurt. Gaststätte „Dahlie“, RoßlauerStr. 1, 10.00 Uhr.SO H 29. SepDuisburg: „Marx in Marxloh“ – Sonntagsbrunchdes Deutschen Freidenker-Verbandesin dem der Inhalt der Marxschen Werke „DasKapital“ Band I und „Das KommunistischeManifest“ skizziert werden. Referent: Klausvon Raussendorff (NRW-Vorsitzender desDeutschen Freidenker-Verbandes). BürgerbüroMarxloh, Kaiser-Wilhelm-Straße 278, 11 Uhr.Siegen: „40 Jahre nach dem Putsch – Nichtsist vergessen, und niemand!“ Ausstellung,Diskussionen und Kultur aus und über Chile1973 und heute. Referent: Mario Berrios Miranda.Veranstalter: <strong>DKP</strong> Siegen-Olpe-HSKu. a. VEB, Marienborner Straße 16, 17.00 Uhr.Essen: „Manifest der Kommunistischen Partei“Lesezirkel der MASCH Essen – ZweiterTeil. <strong>DKP</strong>-Parteizentrum, Hoffnungstraße 18,14.00 Uhr.MO H 30. SepDarmstadt: Mitgliederversammlung der <strong>DKP</strong>Darmstadt-Bergstraße. LinksTreff „Georg Fröba“,Landgraf-Philipps-Anlage 32, 19.30 Uhr.Darmstadt: „Let‘s talk about Cuba!“ – Berichtevon den Kuba-Brigaden, Diskussionzur kubanischen Demokratie, Cocktails undSnacks. Gemeinsame Veranstaltung derSDAJ-Darmstadt/Odenwald mit der DGB-Jugend Südhessen. DGB-Haus, Rheinstr. 50,20.00 Uhr.DO H 3. OktHof (Saale): Das Programm der <strong>DKP</strong> und„Die Antworten der <strong>DKP</strong> auf die Krise“. Seminarder <strong>DKP</strong> Oberfranken mit Heinz Stehr.Büro der Partei „Die Linke“, Ernst-Reuter-Straße 52, 10.30 Uhr.Sprockhövel: „Freiheit für die Cuban5! – Wersind sie? Wofür stehen sie?“. Gespräch mitAdriana Pérez, Ehefrau von Gerardo Hernández.Veranstalter: Netzwerk Cuba. IG MetallBildungszentrum, Otto-Brenner-Straße 100,19.00 Uhr.FR H 4. OktFrankfurt/Main: „Freiheit für die Cuban5! –Wer sind sie? Wofür stehen sie?“. Gesprächmit Adriana Pérez, Ehefrau von GerardoHernández. Veranstalter: Netzwerk Cuba.DGB-Haus; W.-Leuschner-Str. 69–77, 17.00Uhr.termine@unsere-zeit.deSA H 5. OktBochum: Festveranstaltung zum 64. Jahrestagder Gründung der DDR. Neben Kultur u. a.mit der Schalmeienkapelle „Kurt Weineck“wird es interessante Diskussionen und Vorträgegeben u. a. mit Kurt Andrä zum Lebenvon Wilhelm Pieck und mit Dieter Winderlichzum 100. Geburtstag von Friedrich Dickel.Die Moderation wird Peter Wolter (junge Welt)leiten. Veranstalter: DDR-Kabinett-Bochume. V. Pestalozzi-Realschule, Graf-Adolf-Straße40, Einlass und Essen ab 12.00 Uhr, Beginn14.00 Uhr. Eintritt ist frei, um Spenden wirdgebeten. Voranmeldung unter: info@ddr-kabinett-bochum.de.Frankfurt/Main: „Freiheit für die Cuban5 –JETZT!“. Demonstration für die Freiheit derCuban5. Anschließend Gespräch mit AdrianaPérez, der Ehefrau von Gerardo Hernández.Zum Abschluss des Abends gibt es eine „FiestaCubana“ – mit cubanischer und lateinamerikanischerMusik von Nicky und Band.Eintritt frei; Spenden erwünscht. Veranstalter:Netzwerk Cuba. Haus der Jugend, Deutschherrnufer12, Beginn Demonstration: 18.00Uhr; Beginn Abendveranstaltung: 20.00 Uhr.Hamburg: 40 Jahre faschistischer Putsch inChile. Teil I – Filmvorführung „Die SchwarzeNelke“ über das Leben von Harald Edelstam.Teil II – Konzert „Peter Franke singt Canta VictorJara“, an der Guitarra Acustica: EmanuelLeander König. Rote Flora, Schulterblatt 71,17.00 Uhr.SO H 6. OktEssen: „Manifest der Kommunistischen Partei“Lesezirkel der MASCH Essen – DritterTeil. <strong>DKP</strong>-Parteizentrum, Hoffnungstraße 18,14.00 Uhr.FR H 11. OktSchweinfurt: Gruppenabend der <strong>DKP</strong>Schweinfurt – Hassberge, Kreis Unterfrankenzum Thema „Die Dialektik von Reform undRevolution“. DFG-VK Büro, Gabelsbergerstr.1, 19.00 Uhr.SA/SO H 12/13. OktLeverkusen: „Zur Arbeit von Kommunistinnenund Kommunisten in Kommunalvertretungen,in Parlamenten und in Wahlkämpfen“ – Wochenendseminarder Karl-Liebknecht-Schule.Mit Beiträgen von Michael Gerber (Bottrop),Arno Grieger (Reinheim), Wolfgang Richter(Dortmund) und Tunia Erler (Direktkandidatinder <strong>DKP</strong> für die Bundestagswahl in Berlin-Mitte). Anmeldung unter www.karl-liebknecht-schule.org.Karl-Liebknecht-Schuleder <strong>DKP</strong>, Am Stadtpark 68, 10.30 Uhr.Terminankündigungenvon Gliederungen der <strong>DKP</strong> gehören auch indie UZ! Bitte so schnell wie möglich, spätestensam Freitag eine Woche vor dem Erscheinungsterminder entsprechenden Ausgabe derUZ, möglichst auch mit Angabe des Themasder Veranstaltung an termine@unsere-zeit.deoder UZ-Redaktion, Hoffnungstraße 18, 45 127Essen.Impressumunsere zeit (UZ) – Zeitung der <strong>DKP</strong> (ISSN 0943–4216)Herausgeber:Parteivorstand der <strong>DKP</strong>Erscheint wöchentlichRedaktion:Nina Hager (0201/1778–8914, Chef redakteurin,v. i. S. d.P.), Paul Kranefeld, ManfredIdler, Werner Sarbok, Wolfgang TeuberFür Beiträge, die mit vollem Namen gekennzeichnetsind, übernehmen allein die Autor/inn/endie Verantwortung. 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16 Freitag, 27. September 2013 Die letzte Seiteunsere zeitMeine progressive WocheVom 14. bis 20. SeptemberMittwochFrau Merkel lehnt Leihstimmen für dieFDP vehement ab. Das hat einen gutenGrund. Überhangmandate führten nachaltem Wahlrecht dazu, dass sich die größtePartei schon über die Erststimmen überproportionaleGewinne sichern konnte.Ein kleiner „Partner“ konnte – im Gegenzugfür eine Zweitstimmenkampagne– Erststimmen beisteuern. Dieses Verhältnishatten CDU und FDP noch einmalzu ihren Gunsten verbessern wollen.2012 schob das Bundesverfassungsgerichtdem einen Riegel vor. Soviel Verfassungsbruchwar dann doch zuviel. Dem vomGrundgesetz geforderten Verhältniswahlrechtwurde sein Recht verschafft. Und somuss Merkel ihren Wunschpartner FDPzumindest an diesem Punkt bekämpfen –der Verfassungstreue sei dank.DonnerstagIm Jahre 2006 hat eine Dortmunderin dasfaschistische Terror-Trio Uwe Mundlos,Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zusammenmit einem „bulligen Skinhead“beobachtet. Die Frau war eine Nachbarindes türkischstämmigen KioskbesitzersMehmet Kubasik; die vier hielten sich eineWoche vor dem Mord an Kubasik in derNähe des späteren Tatortes auf. Hier wirdkonkret, was auf der Hand liegt. Zschäpewar immer aktives Mitglied der Terrorbande.Die Zeugin wurde anscheinendnicht von den Behörden entdeckt., sondernvon den Anwälten der Opfer. DieNebenkläger beantragen sie im Prozesszu hören. Eine Nachbarin, die den ErmittlernJahre verborgen blieb? Lächerlich.Opferanwalt Andreas Thiel berichtet alleinaus Hamburg, dass nach den dortigenMorden 2 303 Personen überprüft, 478Spuren verfolgt und 502 Personen vernommenwurden. Bundesweit wurden 16Millionen Handyverbindungen, 10 MillionenKreditkartendaten und 14 000 Übernachtungenüberprüft. Warum das nichtzum Ergebnis führte? Andreas Thiel: „Eserklärt sich mir überhaupt nicht, warumich in den Ermittlungsakten nur ausländischeNamen finde.“Private sichern bemannte US-Raumfahrt… und setzen auf das große GeschäftWas vor zweieinhalb Jahren noch wieZukunftsmusik klang, wird Realität.Immer mehr Privatfirmen drängen inden USA (aber nicht nur dort) auf den„Weltraummarkt“. Und es sind nichtnur kleine „Startups“.Schon lange geht es nicht mehr nurum Weltraumtouristik für abenteuerlustigeLeute „mit Geld im Portemonnaie“.Sondern um Hochtechnologie-Entwicklungen. Es geht um Software,revolutionäre technische Lösungenebenso wie den künftigen Zugriff aufRessourcen des Mondes, der Asteroiden,um mögliche Produktionsanlagenim erdnahen Weltraum und derzeit vorallem – und ganz profan – auch um „gewöhnliche“Dienstleistungen für staatlicheUS-Stellen, vor allem die RaumfahrtbehördeNASA.Direkte „Dienstleister“ für den Transportvon NASA-Nutzlasten in den erdnahenOrbit sind derzeit SpaceX unddie Orbital Sciences Corporation. DieNASA sichert deren „Engagement“mit hohen Zahlungen ab – vor allemum die Versorgung der InternationalenRaumstation ISS zu gewährleisten:Nachschub für die ISS transportierten,nach dem endgültigen Aus fürdie Shuttle-Fähren der NASA im Jahr2011, in den letzten zwei Jahren vor allemder russische Raumfrachter Progress-M,ATV (Europäische Raumfahrtagentur)und HTV (Japan). DemAustausch der Mannschaft dienen derzeitallein die russischen Sojusraumschiffe.Schon jetzt geht es allein da um ein Milliardengeschäft,auch wenn die beteiligtenPrivatfirmen immer wieder beteuern,derzeit selbst viel mehr Geldinvestieren zu müssen …SpaceX und die Orbital Sciences Corporationsetzen dabei offenbar auf unterschiedlichetechnisch-technologischeKonzepte.H„Ich habe mir nichts zuschulden kommenlassen. Ich bin unschuldig, absolutunschuldig.“ Beteuerungen dieser Art sindeigentlich lupenreine Schuldbekenntnisse,in der Politik allemal. Wenn sie einBerlusconi vorträgt, sollten eigentlich dieHandschellen klicken. Immerhin habendie italienischen Abgeordneten gegenden Verbleib des cavaliere im Parlamentgestimmt. Ende Oktober wird das wohlrechtskräftig werden. Sollte die Justiz sichdann wirklich ernsthaft mit Berlusconibeschäftigen, wäre ihm lebenslang sicher.Andreotti und Craxi lassen grüßen.Allerdings kann kein Gericht den Schadenheilen, den Berlusconi seinem Volkzugefügt hat. Das müssen die Italienerschon selbst tun. Buona fortuna, Italia.FreitagInterne Schulungen, fachkundige Betreuung,anspruchsvolle Aufgaben, einmenschliches, offenes und faires Arbeitsklima.So beschreibt Aldi Süd seine Arbeitsweltin Anzeigen. Wer will da nichtAzubi sein?Wie es unter der Decke aussieht, zumindestin einem Zentrallager im baden-württembergischenMahlberg, ist anscheinendein anderes Ding. Heute wird bekannt:Azubis wurden mit Frischhaltefolie gefesseltund mit schwarzen Eddings imGesicht beschmiert, weil Vorgesetzte sieschlechter Leistungen bezichtigten. Verantwortlichsollen der Prokurist der Regionalgesellschaft,der Bereichsleiter, seinebeiden Stellvertreter sowie drei Lagerarbeitersein – das ist mehr als ein Einzelfall.Das riecht nach System. Das Billig-Billighat eben seinen Preis im Verhältnis zu gebeuteltenLieferanten, aber auch für dieBelegschaften.Noch gilt hier die Omerta, das Gesetz desSchweigens. Dem Konzern scheint dasnicht nur lieb, sondern notfalls auch teuerzu sein: Anstatt den Quälgeistern fristloszu kündigen, bekamen sie Aufhebungsverträge,einschließlich der dazugehörigenAbfindungen. Das verpflichtet zumStillschweigen.Adi ReiherIm Rahmen des CRS-Programms(Commercial Resupply Services) beauftragtedie NASA SpaceX für 1,6Milliarden US-Dollar, zwölf Dragon-Flüge zur Versorgung der ISS durchzuführen.Der erste Flug startete am8. Oktober 2012. Später sollen mit demRaumschiff auch bis zu sieben Personenbefördert werden können.Der Vorteil des „Drachen“ ist derzeitvor allem, dass er Nutzlasten zur Erdezurückbringen kann. Dies kann die„Cygnus“-Kapsel, der Orbital SciencesCorporation, die am 18. September mitHilfe einer „Antares“-Rakete zur ISSstartete, offenbar (noch?) nicht.Ein erster Ankopplungsversuch von„Cygnus“ scheiterte am Sonntag aufgrundvon Computerproblemen. Einweiterer fand nach Redaktionsschlussdieser Ausgabe statt. An Bord von„Cygnus“ befinden sich rund 700 KilogrammVersorgungsgüter, darunterKleidung und Lebensmittel. EinScheitern der Erprobungsmission wareinkalkuliert und gefährdet die Versorgungder Station nicht.Erst im Dezember soll es den ersten regulärenFlug geben.Interessant sind vor allem aber die Informationenüber die „Antares“-Rakete.Diese nutzt Kusnezow-NK-33-Triebwerken,die einst sowjetische Mondreisenmöglich machen sollten. Die inden 60er Jahren entwickelten und inden 70er Jahren erprobten, produzierten,dann aber nicht weiter genutztenTriebwerke wurden – teilweise – in den90er Jahren in die USA verkauft. NeueWerkstoffe und eine hochentwickelteElektronik sorgen heute nicht nur beider Orbital Sciences Corporation, sondernübrigens auch in Russland, dafür,dass die Ideen und die solide Arbeit dereinstigen Konstrukteure, sowjetischerWissenschaftler, Ingenieure und Technikerendlich Früchte trägt.nhWas lange währt, wird endlich gut, sagtder Volksmund. Das wäre ein gutesOmen für Georg Maas‘ jetzt anlaufendenSpielfilm „Zwei Leben“, dessenRealisierung laut Presseheft „einigeJahre“ dauerte. Aber wenn man dannliest, dass Maas das Drehbuch mitnicht weniger als vier weiteren Beteiligtenverfasst hat, fallen einem gleichdie sprichwörtlichen vielen Köche ein,die den Brei verderben. Dass der Roman„Eiszeiten“ von Co-Autorin HanneloreHippe, der dem Film zu Grundeliegen soll, seit Jahren unveröffentlichtist, könnte ja auch an der Borniertheitdeutscher Verlagslektoren liegen. Dieverwirrenden Zeit- und Handlungsort-Sprünge in Maas’ Film – er selber nenntes „ungewöhnliche Dramaturgie“ – legenallerdings andere Mutmaßungennahe.Immerhin, ein Film ist daraus geworden,eine deutsch-norwegische Koproduktion,die ein „Politthriller“ sein willund es nun sogar geschafft hat, bei derdeutschen Nominierung für den „Auslands-Oscar“2014 den hoch gelobten„Lola“-Gewinner „Oh Boy“ aus demFeld zu schlagen. Dahinter steckt politischesKalkül: 2007 hatte FlorianHenckel von Donnersmarck mit „DasLeben der anderen“ über die Wandlungeines Stasi-Spitzels den Oscar gewonnenund damit eine Hollywood-Karriere gestartet – es wurde ein Fehlstart.Mit ähnlicher Thematik schafftees 2013 Christian Petzolds „Barbara“nicht einmal mehr in die Vorauswahl.Und nun soll es „Zwei Leben“ richten?Gewiss, Maas‘ Film hat alle Zutaten,aus denen man einen Oscar-Hoffnungsträgerbastelt: ein opferreichesSchicksal in harten Zeiten, ein paarFinger weg vom i-Phone 5SDer Clou des neuen Smartphones des US-amerikanischen Kultkonzerns Apple ist der Fingerabdruckleser. Apple versprichtSicherheit durch Einmaligkeit, nur dem Benutzer selbst und nur seinem Fingerabdruck stehe das Gerät zur Verfügung.Nur drei Tage hat es gedauert, bis das als dreiste Lüge entlarvt wurde. Zunächst machten sich japanische Journalisten denSpass, den Sensor wahlweise auf ihre Zehen, Brustwarzen oder ihre Nase zu programmieren. Deutschen Hackern vom Chaos-Computer-Clubgelang es nun, einen Fingerabdruck von einer Glasplatte abzufotografieren, auf einen künstlichen Fingerzu übertragen und damit das neue iPhone zu entsperren. In seiner Information wiesen die Hacker darauf hin, dass man denFingerabdruck täglich zigfach irgendwo hinterlasse.Schon unmittelbar nach Vorstellung des Apple-Telefons hatten Datenschützer an die Verpflichtungen von US-Firmen gegenüberdem Geheimdienst NSA hingewiesen. Nach den bisherigen Erfahrungen liegt der Verdacht nahe, dass – ähnlichwie bei der Einreiseprozedur in die USA – die Geheimdienste ihr Projekt „Scan die Weltbevölkerung“ mit dem Fingerabdruckleserin großem Stil vorantreiben wollen.Die Stasi ist überallGeorg Maas‘ „Zwei Leben“skrupellose Finsterlinge und einenjungen Anwalt, der unerschrockenden Mächtigen entgegentritt. Maas‘Hauptfigur Katrine ist zugleich Opferund Täterin. Als „Lebensborn“-Kindvon den Nazis aus dem besetzten Norwegennach Deutschland verschleppt,gerät sie dort nach dem Krieg schonbald in die Fänge der – natürlich, derStasi! Die hat sie nicht nur zu Spionagediensten„schon im Kinderheimrekrutiert“ (O-Ton Katrine), sondernkidnappt auch lange nach dem Endeder DDR noch im norwegischen BergenKatrines Enkelin, um einen Mordzu vertuschen und der Enttarnung zuentgehen – Letzteres offenbar mit Erfolg:Ein Schlusstitel belehrt uns überbis heute unenttarnte Stasi-Spione inNorwegen. Wer sagt denn, der KalteKrieg sei vorüber?Wenn die Botschaft klar ist, kommt esauf die Stimmigkeit der Details nichtmehr so an. Das beginnt noch vor denersten Bildern mit einer Lüge: „Vonheute an“, so sagt die Radiostimme ausdem Off 1990, „haben die Siegermächtedes II. Weltkriegs bei der RegierungBerlins ihre Finger nicht mehr im Spiel.“Als hätte uns der NSA-Abhörskandalnicht längst eines Besseren belehrt. Damuss der weltgewandte Anwalt, derauf internationalen Konferenzen auftrittund große Anzeigenkampagnenschaltet, seine Ermittlungen mangelsDiktiergerät ins Notizbuch schreiben,und die Minikamera, mit der SpioninKatrine geheime Dokumente ablichtet,macht vernehmlich „klick“, währendder bespitzelte norwegische Offiziergleich daneben steht. Die Stasileute, diedoch Katrina ausgebildet haben, fallenbeim Eindringen in ihr Hotelzimmerauf den billigsten Trick der Welt herein.Ungereimtheiten ohne Ende.Juliane Köhler als Katrine scheint dieIdealbesetzung für eine Rolle, in dermehr als eine im Gesicht eingefroreneLeidensmiene nicht verlangt ist. KenDuken ist als schnatternder Anwalteine dürftige Robert-Redford-Kopieund lediglich die Bergman-Ikone LivUllmann kann in einer Nebenrolleüberzeugen; als Weltstar könnte siedem Film ein Plus bei den Oscar-Juroreneintragen. Aber wenn das nichtklappt, war‘s sowieso wieder die Stasi,denn die hat sogar eine Szene in Maas‘Drehbuch geschmuggelt, die man nurals heimliches Loblied auf die Tapferkeitihrer Kundschafter verstehenkann: Da kann die wahre Katrina, derenIdentität die falsche nutzt, dem sieverfolgenden Stasioffizier noch einBrotmesser in den Bauch rammen, bevorsie von dessen Adlatus erschossenwird, aber der wie ein Schwein Blutendekümmert sich erst um die korrekteBeseitigung der Leiche! Wenn das keinHeldentum ist! Hans-Günther DicksDer rote KanalIch bin Kuba, Kuba/UdSSR 1964Dieser wenig bekannte Klassikerbeschreibt das vorrevolutionäreKuba und die Revolution in vierEpisoden. Regisseur Mikhail Kalatozovarbeitet in einer phänomenalenBildsprache, in atemberaubendenKamerabewegungen undeiner Montage, die aus dem Vollender klassischen sowjetischen Filmkunstschöpft.So., 29. 9., 10.35–13.00 Uhr, 3satDo., 3. 10., 12.15–13.30 Uhr,zdf kulturGute Zähne nur fürReiche?, D 2013Gesunde Zähne sind für immermehr Menschen in Deutschlandkaum noch bezahlbar. Die Dokumentationbegleitet Einzelschicksaleund gibt dabei Einblicke inein System, in dem durch Verkaufsschulungentrainierte Zahnärzteals gewiefte Geschäftsleuteagieren.Mo., 30. 9., 22.00–22.45 Uhr, ndrFlüstern & Schreien, DDR 1988Kultdokumentation über vierDDR-Rockgruppen.Di., 1. 10., 23.45–1.40 Uhr, rbb

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