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37. SPES VIVA-Zeitung

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Ein weihnachtliches Gebet – das ganze Jahr hindurchPastor Norbert FriebeVor vielen Jahren war ich Pastor in Bremen an der schönen altenKirche St. Johann, ursprünglich eine Klosterkirche der Franziskaner.Sie liegt in der Bremer Innenstadt zwischen Weser undDom, am Eingang des bekannten Schnoorviertels, umgeben vonStraßen, Geschäften, Restaurants, Büros. Jeden Mittag um 12Uhr wird eine Glocke in dem kleinen Glockenturm geläutet –mitten im Lärm der Großstadt. Ab und zu war das Läutewerkdefekt, und die Glocke blieb stumm.Dann kamen sofort im Pfarrbüro einige Anrufeaus den umliegenden Büros an: „Was ist los?Warum wird nicht geläutet?“ Das Geläut gehörteeinfach zum täglichen Arbeitsablauf dazu.Kaum einer der Anrufer wusste, warum wirklichum 12 Uhr geläutet wurde. Es ist ein alterBrauch, der schon nach dem Jahr 1300 aufkam,dass die katholischen Kirchen morgens um 6Uhr, mittags um 12 und abends um 18 Uhrden „Engel des Herrn“ läuten – so lauten dieersten Worte des Gebetes, das die Menschendann sprechen, wenn das dreimalige Geläuterklingt. Das Gebet erinnert an das große Geheimnisdes Glaubens aller Christen, das wiran Weihnachten festlich begehen: Gott istMensch geworden und hat unter uns gewohnt.Das Gebet lautet so:Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfingvom Heiligen Geist. Gegrüßet seist du, M aria, voll der Gnade,der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeitist die Frucht deines Leibes, Jesus.Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und inder Stunde unseres Todes. Amen.Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehenach deinem Wort.Gegrüßet seist du, Maria…Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.Gegrüßet seist du, Maria…Bitte für uns, heilige Gottesmutter, dass wir würdig werden derVerheißung Christi.Lasst uns beten: Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsereHerzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die MenschwerdungChristi, deines Sohnes, erkannt. Lass uns durch seinLeiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen. Darumbitten wir durch ihn, Christus unseren Herrn. Amen.Die ersten beiden der drei Aussagen des Gebetes und auch dererste Teil des „Gegrüßet seist du, Maria“ stammen aus der Ankündigungder Geburt Jesu, von der im 2. Kapitel des Lukas-Evange-liums erzählt wird. Sie beginnt damit, dass der Engel Gabriel, derGottesbote, Maria als „Begnadete“, mit Gottes Liebe reich beschenkteFrau grüßt und ihr auch das Wort sagt, das in der Bibel immerwieder Menschen zugesprochen wird: ,,Fürchte dich nicht!“ Weitersagt der Gottesbote zu ihr, dass sie ein Kind empfangen, einen Sohngebären soll. Der wird Jesus heißen – Gott rettet -.Er ist der von Israel ersehnte Sohn Davids, er wird „heilig“ und„Sohn Gottes“ genannt werden. Auf die Frage Marias, wie das allesgeschehen soll, erhält sie die Antwort: „Der Heilige Geist wird überdich kommen“. Er ist es, der bewirkt, „dass das Wort Gottes Fleischwird und unter uns Menschen wohnt“. So sagt es die dritte Aussagedes Gebetes nach einem Wort aus dem gewaltigen Vorwortdes Evangeliums nach Johannes.Lukas hat diese Erzählung wohl aus einermündlichen Überlieferung empfangen. Warumhat er sie aufgeschrieben? Er will nichteinfach informieren, was damals in Nazaret„passiert“ ist. Er will bezeugen, was die Christender ersten Zeit von Jesus glaubten. Er ist– so haben sie es erfahren – Mensch, in allemuns gleich, außer der Sünde, aber er ist zugleichder ganz andere, der erfüllt vom HeiligenGeist in göttlicher Kraft lehrt, heilt, Sündenvergibt und am Ende durch den Tod hindurchschreitet und ihn überwindet. In ihmschenkt Gott uns sich selbst und seine ganzeLiebe. Aber noch mehr sagen diese Worte:Was an Maria in einzigartiger, unüberbietbarerWeise geschah, geschieht an uns allen.Gott spricht jeden von uns an, sagt uns, dasswir seine geliebten Kinder sind. Er traut auchGlockengießermodelluns zu, seine in Jesus sichtbar gewordene Liebein die Welt zu bringen – in der Kraft des"Verkündung an Maria"von Franz Ignaz Günther(1725-1775, München,Hl. Geistes, der jedem geschenkt wird, derRokkoko-Bildhauer)glaubt. Aber er zwingt uns nichts auf, bittet(Orginal im Stadtmuseumum unser freies Ja – wie Maria es ihm gegeIngolstadt, Bayern)ben hat.Jetzt zu Weihnachten fragt uns Jesus wieder: Glaubst du mir,kannst du meine Botschaft von der Liebe Gottes annehmen?Wagst du es, wie Maria mit mir zu gehen den Weg des Glaubensund der Liebe? Wir brauchen alle seine Zusage, sind dankbar, dasser uns vertraut: die Kranken und von Leid Geplagten, damit sieihre Last tragen und die Hilfe anderer annehmen können, aberauch diejenigen, die Kranke pflegen und behandeln, die sie besuchen,bei ihnen aushalten, damit sie sich in ihrem Tun getragenund gestärkt spüren und nicht aufgeben, sondern täglich neu dasJa sagen zum Ruf zu lieben.Ein schlichtes Wort, das früher gern in das Poesiealbum geschriebenwurde und das ich von einer Krankenschwester gehört habe,mag den Anruf des „Engel des Herrn“, dieses weihnachtlichen Gebetesdas Jahr hindurch, noch einmal zusammenfassen:Das will ich mir schreiben in Herz und Sinn, dass ich nicht fürmich selber auf Erden bin, sondern dass ich die Liebe, von der ichleb’, liebend an andere weitergeb’.

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