20 <strong>WPK</strong>-QuarterlyII/2013Es war eine kleine RevolutionVor zehn Jahren ging das <strong>WPK</strong>-Quarterly <strong>zum</strong> ersten Mal online.Ein Rückblick und AusblickVon Volker StollorzEs war der 27. Oktober 2003. Damalsstartete nach intensiven Planungendie neue Kommunikationsplattformder Wissenschafts-Pressekonferenz.Als das „Baby“ endlich „online“ war,begann für mich als damaliger Internet-Vorstand der Wissenschafts-Pressekonferenz(<strong>WPK</strong>) eine kleine Revolution.Ihre Spuren reichen bis heute. DieInitiative hin zu mehr Vernetzung undSichtbarkeit der <strong>WPK</strong> war im November2002 von einer kleinen Gruppe vonMitgliedern um Michael Lange, ClaudiaRuby, Thomas Liesen und mir ausgegangen.Die Erneuerer wollten demdamals leicht sklerotischen Verbandmit einem „Plädoyer für frischen Wind“wieder mehr Leben einhauchen und soneue Mitglieder werben.Dazu sollte sich der Verein als Netzwerkzur Förderung des Wissenschaftsjournalismusin allen seinen Facettenpositionieren. Nicht nur persönlich, sondernauch online sollten sich Interessierteüber Themen und Entwicklungeninformieren können, Mitglieder konnten„crossmedial“, d.h. über alle Medienformatehinweg, voneinander lernen.Das <strong>WPK</strong>-Quarterlywollte seine Leserimmer über dasInternet erreichenFür den neuen Internetauftritt wurdeschon damals ein Diskussionsforumeingeplant, es wurde aber damals wieheute kaum genutzt für Beiträge undKommentare. Es gab schon damals –dank des unermüdlichen und findigenWebentwicklers Thilo Bauer – ein innovativesVideostreaming von <strong>WPK</strong>-Pressekonferenzen,bei dem sich Mitgliederbundesweit in lokale Veranstaltungenihres Verbandes einwählen konnten. Esgab schon damals intensive Diskussionen,welchen Stellenwert eine solcheMediathek und Internetplattform im Verbandder <strong>WPK</strong> haben sollte.Auf der neuen Webseite präsentiertesich im Oktober 2003 auch ein„ambitioniertes neues Magazin fürWissenschaftsjournalisten.“ Die Artikelim <strong>WPK</strong>-Quarterly konnte man im Volltextonline oder als <strong>PDF</strong> lesen. Mit derGründung des Online-Magazins wolltedie „Frische Wind“-Gruppe das sich„rasch wandelnde Feld des Wissenschaftsjournalismuskritisch begleiten.“Die Redaktion war von Beginn anwinzig, redigiert wurden die Texte ineinem einfachen Redaktionssystemonline, Thomas Kamp besorgte dasschlanke Layout der ersten <strong>PDF</strong>-Version,das Quarterly wurde ein Klassikerder Selbstorganisation.Einzelne Schwerpunktthemensind bis heutelesenswertSchon der Schwerpunkt der erstenAusgabe, sie zählte 14 Seiten, bleibtbis heute lesenswert. Das heiße Themalautete: „Forscher am Pranger!“ ImEditorial diskutierte ich die ambivalenteRolle von Journalisten bei der Aufklärungvon Verdachtsfällen. Hintergrundwar ein Beispiel von mutmaßlichemFehlverhalten eines französischen Forschers,der einem falschen Verdacht<strong>zum</strong> Opfer gefallen war. Der Stoff wurdein mehreren Perspektiven vertieft.Die Kollegen Hubert Rehm (Laborjournal),Ulrich Schnabel (Die Zeit) und HolgerWormer (SZ), berichteten aus derPraxis ihrer Berichterstattung. SiegfriedGroßmann, damals Ombudsman derDFG, steuerte Überlegungen über juristischeMinenfelder medialer Aufklärungvon Fehlverhalten aus der Sicht einerWissenschaftsförderorganisation bei.Das Thema Forschungsfälschungund Verdachtsberichterstattung gehörtheute <strong>zum</strong> Mainstream. Sogar diedeutsche Forschungsministerin stürzteüber ein angebliches Plagiat. Aberes war das Team des Quarterly, dassdie Brisanz des Themas früh erkannteund den Kollegen den Austausch überdie journalistischen, ethischen und juristischenFallstricke ermöglichte. Esist schade, dass die frühen Ausgabendes <strong>WPK</strong>-Quarterly nicht mehr im Netzzu finden sind, erzählen sie doch einStück Geschichte im deutschen Wissenschaftsjournalismus.Einige Artikeldienten als Grundlage für das Buch„Fakt, Fiktion, Fälschung – Trends imWissenschaftsjournalismus“ aus demuvk-Verlag, andere werden bis heute inder Ausbildung junger Wissenschaftsjournalisteneingesetzt.Schon in der ersten Ausgabe des<strong>WPK</strong>-Quarterly findet sich eine weiterhinaktuelle Sicht eines Außenseitersauf den Wissenschaftsjournalismus.Damals kritisierte Jens Katzek – in derRubrik „Unter der Lupe“ – den Umgangder Medien mit der „Grünen Gentechnik“aus der Sicht der Wirtschaft. Schonder Titel „Warnen ja, aber wo bleibt dieEntwarnung?“ war bewusst provokantgewählt. Immer wieder widmete das<strong>WPK</strong>-Quarterly dem „Wann-und-wierichtig-warnen“inspirierende Beiträge,frühzeitig übrigens auch über die Risikokommunikationdurch Klimawissenschaftlerim Weltklimarat IPCC.Wer die Kurzporträts der neuen<strong>WPK</strong>-Mitglieder in der ersten Quarterly-
II/2013<strong>WPK</strong>-Quarterly 21Ausgabe überfliegt, der erfährt, dassder Verein 2003 für Talente attraktivwurde. Unter anderen Sascha Karberg,Klaus Koch, Volkart Wildermuth undKathrin Zinkant prägen den Wissenschaftsjournalismusmit ihren Arbeitenund Aktivitäten bis heute mit.Bereits in der zweiten Ausgabewagte das <strong>WPK</strong>-Quarterly eine Positionsbestimmungund erkundete unbescheidenden wachsenden Trend hinzu mehr Entertainment: „Wissen stattWissenschaft: Wo steht der Wissenschaftsjournalismusheute?“ lautetedas Thema des Schwerpunkts. Darinstellte Michael Lange eine damalsmutige und bis heute virulente Fragean seine Kollegen im Radio: „Ran anden Experten oder ran an die Oma?“Früh erspähte die Redaktion auch denTrend hin zu einem „politischen Wissenschaftsjournalismus“,bei dem sichder Wissenschaftsjournalist „quasi alsExperte oder Anwalt des Lesers oderder Leserin in klinische Studien vertieft.“Ein Novum, das sich zu einer Zeitereignete, als die Risiken der Hormonersatztherapiefür Frauen in den Wechseljahrenkritischer bewertet wurden.Und zwar entgegen dem Rat ärztlicherFachgesellschaften, deren Expertendamals weiterhin Werbebotschaftenverbreiteten und verschwiegen, dasssie in Lohn und Brot der Hersteller vonHormonpillen standen.Das <strong>WPK</strong>-Quarterlyals Forum fürinterdisziplinären DialogBereits im zweiten Heft tauchte erstmalsauch ein Kommunikationswissenschaftlermit seinem analytischen Blickauf unsere Zunft auf. Matthias Kohring,Autor des Buches „Vertrauen in Journalismus“,provozierte mit seinen Konzeptenzur „Symbolischen Leistung derWissenschaftsberichterstattung“. Esgehe für das Publikum nicht um die Formel„Vertrauen durch Wissen“, sondernstattdessen um „Vertrauen statt Wissen.“Kohring forderte folgerichtig schondamals und zu Recht, der Journalismussei für die Gesellschaft „viel zu wichtig,als dass er sich vor den Karren der Wissenschaftspannen lassen sollte.“Die Redaktion hoffte damals in ihremEditorial, dass <strong>WPK</strong>-Quarterly möge„den interdisziplinären Dialog“ voranbringen,immerhin sei das Magazin„selbst Ergebnis eines solchen.“ Dieoriginelle und eigenwillige Verbindungzwischen Praxis und Theorie des Wissenschaftsjournalismussollte eines derAlleinstellungsmerkmale des Quarterlywerden.In der dritten Ausgabe, in der Redaktionarbeiteten nun Thomas Kamp, GritKienzlen, Thomas Liesen und VolkerStollorz mit, hieß der Schwerpunkt „Radioreporterunter Druck.“ Es ging nichtdas letzte Mal um die Krise im Journalismus,Sparzwänge und das Problemder Qualitätssicherung im Wissenschaftsjournalismus.Schon diese kurze Wiederlektüreder ersten Ausgaben – im Quarterlygab es seither viele weitere erstaunlicheThemen und Initiativen bis hin zukleinen „Forschungsprojekten“ – umreißtklar das programmatische Ziel derdamaligen <strong>WPK</strong>-Quarterly-Redaktion.Es sollte um „heiße Eisen“ gehen, deninterdisziplinären Austausch, einenanalytischen Blick von außen auf denWissenschaftsjournalismus, aber auchum praktische Fragen der Recherche,das Sichern von Qualität und frischeIdeen, wie Wissenschaftsjournalistenaus ihrem Ghetto ausbrechen und mitKrisen im Verhältnis von Wissenschaft,Wissenschaftsjournalismus und Öffentlichkeitumgehen sollten. Kur<strong>zum</strong>,das Quarterly wollte WissenschaftsjournalistenOrientierung bieten bei derjournalistischen Beobachtung der Wissenschaftund dabei Publikumserwartungenim Blick behalten.Der Name „Quarterly“ entstand übrigens,weil der ehrenamtlichen Redaktionkein besserer einfiel und sie sichselbst unter Druck setzen wollte, in jedemJahr vier Ausgaben zu stemmen.Das gelang nicht immer, weil der Kreisder komplett ehrenamtlich arbeitendenMitarbeiter stets zu klein blieb.Das ist heute noch so, <strong>zum</strong> Glückstoßen immer wieder junge Talente insTeam, die eine Zeit lang mitarbeitenund dabei Erfahrungen sammeln, diewiederum die eigene Karriere befördernkönnen.Wer mir 2003 vorhergesagt hätte,dass das <strong>WPK</strong>-Quarterly zehn Jahrespäter noch existieren würde, den hätteich für verrückt erklärt. Ich fragte michdamals und frage mich noch immer, obund wenn ja welchen Wissenschaftsjournalismuses in zehn Jahren nochgeben wird, in Zeiten der „Digital Disruption.“Der richtige Platz des<strong>WPK</strong>-Quarterly ist derzwischen allen StühlenWas also kann die Redaktion heutenoch von den Anfängen des <strong>WPK</strong>-Quarterly lernen auf dem Weg in dieZukunft? Zunächst einmal sollte die Redaktionweiter als Wanderer zwischenverschiedenen Welten agieren, ihr richtigerPlatz ist der zwischen allen Stühlen.Das Quarterly ist insofern ein prekäresProjekt. Es verdankt dem Engagementund der inneren Freiheit seiner Macheralles. Seit Jahren prägt Markus Lehmkuhldas Magazin mit großem Engagementund einzigartiger interdisziplinärerKompetenz als Chefredakteur. Dieangestrebte Professionalisierung hinzu einer „echten“ Zeitschrift mit Abonnentenist trotz aller Ideen nicht gelungen,eine ISSN-Nummer etwa hat dasQuarterly erst seit kurzem. Die richtigestrukturelle und finanzielle Verortungdes Magazins im Verband ist weiterhinnicht wirklich geklärt. Nach wie vor weißdie Redaktion nicht, wie viel seinesBudgets der Verband diesem Magazindauerhaft einräumen will, welchen Wertdieses Magazin hat im Vergleich zu Reisenund Fortbildungen.Man muss in derZukunft der Versuchungwiderstehen, das Rad neuerfinden zu wollenSein Bekanntheitsgrad könnte sicherhöher sein, aber das Quarterly hat sichinzwischen Reputation erworben überden Wissenschaftsjournalismus hinaus.Es wird sogar in der wissenschaftlichenLiteratur <strong>zum</strong> Wissenschaftsjournalis-