Mein Name ist Sasha Grey.Vielleicht kennen Sie mich aus Filmen wie Gang Bang My Face, Swallow My Childrenoder Blow Me Sandwich 11. Vielleicht haben Sie mich auch in Steven Soderberghs FilmThe Girlfriend Experience oder in dem Musikvideo gesehen, in dem ich Eminems Freundin spiele.Vielleicht haben Sie auch noch nie von mir gehört. Davon gehe ich einfach mal aus und fange ganzvon vorne an. Mein Name ist Sasha Grey, und ich war mal ein Pornostar.© privat6Shades of GreyMein Buch handelt von einer Frau, die ihre sexuellenFantasien nicht in dem Maße ausleben kann,in dem ich es tat, wie sie mit diesem Dilemma umgehtund wohin es sie führt. Ihr Name ist Catherine.Catherines Freund studiert Wirtschaft und arbeitetim Wahlkampfbüro eines dynamischen, jungen Kandidatenfür das Senatorenamt namens Bob DeVille.Eines Abends muss Jack länger arbeiten. Catherinebeschließt, mit ein paar Freundinnen in einen Clubzu gehen. Dort quatscht sie ein Typ an, doch anstattseine ganz offensichtliche, plumpe Anmache zu ignorieren,lässt sie sich darauf ein. Und schon bald läuftalles aus dem Ruder.Wenn ich Ihnen erzählen würde, dass es eine Geheimgesellschaftgibt, deren Mitglieder nur aus denmächtigsten Menschen der Welt besteht: Banker,Superreiche, Medienmoguln, Vorstandsvorsitzende,Anwälte, Richter, Waffenhändler, hochdekorierteMilitärs, Politiker, Regierungsbeamte, ja selbst prominenteVertreter der katholischen Kirche – würdenSie mir glauben?Und ich rede jetzt nicht von den Illuminaten. Oderder Bilderberg-Gruppe, den Treffen in BohemianGrove oder irgendwelchen klischeehaften Märchen,mit denen verlogene Verschwörungstheoretiker undIrre wie Alex Jones oder David Icke den Leuten dasGeld aus der Tasche ziehen.Nein. Dieser Club ist auf den ersten Blick viel unschuldigerund harmloser.Auf den ersten Blick.Aber nicht auf den zweiten.Henry Kissinger hat mal gesagt, dass Macht das ultimativeAphrodisiakum ist. Da hatte er schon langegenug an den Schaltstellen der Macht gesessen, umgenau zu wissen, wovon er sprach. Dieser Club istder Beweis.Man könnte ihn den Fortune 500-Fickerclub nennen.Die Liga der Unsterblichen Motherfucker.Den World Bang.Die Sexliga.Oder die Juliette Society.Die Juliette, nach der die Gesellschaft benannt wurde,ist eine von zwei fiktiven Schwestern (die andereheißt Justine), geboren (wenn man es denn so nennenwill) von Marquis de Sade, einem französischenAdeligen, der im 18. Jahrhundert lebte. Ein Freigeist,Schriftsteller und Revolutionär, dessen Bücher überseine sexuellen Abenteuer Kaiser Napoleon so sehrempörten, dass dieser ihn für seine Obszönitäten indie Bastille werfen ließ. Was im Nachhinein wohl einFehler war. Der Marquis saß in seiner Zelle und hatteden lieben langen Tag nichts anderes zu tun als sicheinen von der Palme zu schütteln. Da dachte er sichnatürlich nur noch mehr und gewaltigere Obszönitätenaus. Schon aus Prinzip. Während seiner Haftschrieb er den wichtigsten erotischen Roman derWelt: Die 120 Tage von Sodom. Das einzige Buch, das dieBibel in puncto sexueller Perversion und Gewalt nochübertrifft, wobei es nur unwesentlich kürzer ist.Juliette ist die unbekanntere der beiden Schwestern.Nicht, weil sie die Ruhigere ist, ganz im Gegenteil.Juliette lebt schamlos ihre Lust am Sex und am Tötenaus, und es gibt keinen fleischlichen Genuss, der ihrfremd ist. Sie fickt und tötet und fickt, und manchmaltut sie beides gleichzeitig. Und kommt immerungeschoren davon, muss niemals den Preis für ihreLaster und Verbrechen bezahlen.Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Und jetzt kapierenSie auch, warum diese Geheimgesellschaft,die Juliette Society, nicht ganz so unschuldig ist, wiees den Anschein hat.320 Seiten, Hardcover19,99 € [D] / 20,60 € [A] / 28,50 CHF (UVP)ISBN 978-3-453-26886-9Aus dem Amerikanischen von Carolin MüllerOktober 2013»Ich verlasse das Badezimmer und trete in den schummrigenKorridor, der in den Club führt. Er wartet dort auf michin einer dunklen Nische.Erst sehe ich ihn gar nicht, doch als ich an ihm vorbeigehe,streckt er die Hand aus und packt meinen Unterarm.Er zieht mich zu sich. Ich lasse es geschehen.Er dreht mich herum, sodass ich mit dem Rücken zurWand stehe.Seine Hände liegen auf meiner Hüfte, umklammern mich.Er drückt seinen Unterleib gegen meinen.Er küsst mich sanft auf die Lippen. Seine Hände gleitenüber meinen Körper, über meinen Rücken und auf meineSchultern.Er beugt sich vor, und irgendwie entdeckt er diesen magischenPunkt auf meinem Hals zwischen dem Schlüsselbeinund meinem Ohr, eine erogene Zone, die mich willenlosmacht. Es fühlt sich so gut an. Kurz bevor das Dopaminmein Hirn erreicht, halte ich inne und denke: Wie hat er dasgeschafft?Er vergräbt die Nase hinter meinem Ohr und inhaliertmeinen Duft. Er drückt seine weichen, feuchten Lippen aufmeinen Hals, seine Zunge beschreibt suchende Kreise, gleitetdann langsam die Kurve zu meinem Ohr hinauf, dringtin die Ohrmuschel und zieht eine dünne Spur Speichel hintersich her. Er knabbert an meinem Ohrläppchen, beißt geradeso fest hinein, dass ich seine scharfen Zähne spüren kann.Ich stöhne auf. Das gefällt dir, flüstert er mir ins Ohr. Es isteher eine Feststellung als eine Frage, weil er genau weiß, waser tut, wohin er mich führt. Und wie er meinen Widerstandnach und nach zum Schmelzen bringt.«Ich bin jetzt vierundzwanzig. Ich habe mit einundzwanzigaufgehört – nach drei Jahren an der Spitzeder Branche. Nachdem ich in Hunderten von Pornofilmenmitgespielt habe, kann ich jetzt mit meinemBuch Die Juliette Society zum ersten Mal meine eigeneWelt, meine eigenen Figuren und meine eigeneGeschichte erschaffen. Und auch meiner eigenenVersion von Sex und Sexualität Ausdruck verleihen.Es soll ein Buch werden, das Sie beim Lesen anmacht –und mich beim Schreiben.7Aus dem Amerikanischen von Kristof Kurz