2. Ausgabe [pdf] - Musisches Haus-Gotthold Ephraim Lessing

Am Freitag vor den Ferien ist es mir dann doch mal passiert. Leider mal
wieder viel zu spät ins Bett gegangen, den Wecker nicht gestellt gehabt und
geweckt hatte mich auch niemand. Zwei Minuten nach dem Vorklingeln –
also drei Minuten vor Unterrichtsbeginn – kam ich am Hintereingang der
Schule an, wo mich ein Lehrer mit strafendem Blick erwartete. Heute ist ein
schlechter Tag, dachte ich da ganz optimistisch, aber zu meinem Erstaunen
wurde ich nur dazu angehalten, jetzt aber schnell reinzukommen. Keine
Aufforderung, zu der Liste des Grauens zu gehen? Keine Rede über
Pünktlichkeit und das Aufhalten des Unterrichts? Verblüfft nutzte ich diese
Gelegenheit, um in Richtung Musik Hauptfach zu flüchten, bevor man es sich
hier noch anders überlegen würde.
So ein Glück hat man seit der neuen Regelung wahrscheinlich höchstens
einmal in seinem langen Schulleben. Es ranken sich mittlerweile schon viele
Geschichten um die Folgen des „Zu­Spät­Kommens“, aufhaltend lange
Schlangen vor der Liste zählen noch zu den geringsten Übeln.
„Normalzustand“, erklärt einer der „Profi­Zu­Spät­Kommer“.
Doch andererseits, so muss man sagen,
drückt eben diese Liste auch in
gewisser Weise das Maß an
Verzweiflung aus, mit dem sich die
Lehrerschaft mittlerweile dem
immensen Problem der
Undiszipliniertheit einiger Schüler
gegenübergestellt sieht. Und die Idee
ist ja auch nicht schlecht. Wer sich zum
Klingeln zu Beginn der Vorbereitungszeit nicht im Schulgebäude befindet, der
hat sich bei der Liste einzufinden und einzutragen. Wer dreimal zu spät
kommt, bekommt eine Benachrichtigung an die Eltern nach Hause geschickt
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