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Indien - Volker Steinbacher

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Kanada<br />

Summit Lake 67° 42´ 27,0´´ N, 136° 27´ 05,6´´ W<br />

Einst war der Rat River Handelsroute. Indianer und Pelzhändler schleppten ihre Lastenkanus im vorletzten<br />

Jahrhundert stromauf, bugsierten sie stromab. Und Anfang der 1930er Jahre wurden hier zum ersten Mal in der<br />

Geschichte Flugzeuge zur Menschenjagd eingesetzt - die kanadische Polizei fahndete nach dem "Mad Trapper of the<br />

Rat River", nach Albert Johnson, der scheinbar grundlos zwei Polizisten erschossen hatte. Im Februar 1932 narrte er<br />

Tagelang auf seiner spektakulären Flucht durch die Richardson Mountains seine Jäger. Noch heute kennt die<br />

Geschichte jeder am Mackenzie River.Seit Jahrzehnten herrscht hier unberührte Wildnis, nur selten nimmt jemand die<br />

Strapazen auf sich und versucht auf diesem Weg, vom Mackenzie River aus den Yukon zu erreichen. Nach 150km<br />

stromauf bleibt vom Rat River nicht mehr als ein kleiner Waldbach. Verbarrikadiert von unzähligen Biberdämmen,<br />

Treibholz, Erlen windet er sich durch die ebene Tundra des McDougall Passes. Kleine Seen liegen auf der Paßhöhe,<br />

umringt von tausendfünfhunderter Gipfeln, schnee- und eisfrei Ende Anfang Juli. Einen Namen trägt kaum einer.<br />

Ein winziger Graben am Westende des Summit Lake, dem größten dieser Seen, bildet den Beginn des Yukon-<br />

Wassersystems. Dort ging die Reise meiner Boten - und des anderen Augensteins - am 12. Juli weiter. Doch tags<br />

zuvor holten sie mich ans Licht und paddelten mit mir von ihrem Lager zum Südufer des Sees. Sie erklommen die<br />

mittlere von drei felsigen Rippen. Über Geröll und Flechtenteppiche, auf die wahrscheinlich noch nie ein Mensch<br />

seinen Fuß gesetzt hatte, ging es etwa fünfzehn Meter hinauf zum Fuß einer kleinen<br />

Erle, die sich im unteren Teil der Felsrippe festkrallt. Auf einem Felsvorsprung vor der Erle wurde ich abgelegt. Was<br />

eine atemberaubende Wildnis! Mein Blick schweift über den Summit Lake. Sonnenaufgänge lassen für Minuten<br />

dämonenhafte Gesichter auf Bergen und ihren Spiegelbildern erscheinen. Zwei-, dreimal im Jahr landet vor mir unten<br />

auf dem See ein<br />

Wasserflugzeug und bringt Paddler, die den anstrengenden Aufstieg über den Rat River umgehen. Die einzigen<br />

Menschen, die ich hier sehe. Jetzt, am 31. Januar 2009, dominiert Weiß meine Welt : Ob heruntergerollt oder nicht,<br />

ich liege sicher unter einer schützenden Schneeschicht und warte auf den nächsten Sommer. Und auf Flechten, die<br />

mich in den nächsten Jahren überziehen werden.<br />

Siglinde Fischer und Walter Steinberg, Möttau<br />

2008

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