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Interview mit Nejla Ersoy<br />

Jeden Freitagabend kommt Leben<br />

in die Bude: eine neue Gruppe ist im<br />

Familienkompetenzzentrum angekommen.<br />

Dreizehn Mütter mit ihren<br />

Kin<strong>der</strong>n treffen sich. Sie kommen aus<br />

unterschiedlichen Bezirken <strong>Berlin</strong>s, die<br />

Kin<strong>der</strong> sind unterschiedlichen Alters.<br />

Die Mütter haben Migrationshintergrund,<br />

die Kin<strong>der</strong> haben verschiedene<br />

Handicaps. Die Mütter trinken Tee, die<br />

Kin<strong>der</strong> spielen und turnen. Eines eint:<br />

alle lachen.<br />

Seit einigen Jahren schon existiert<br />

diese Gruppe. Bislang traf man sich<br />

in Schöneberg, aber die Kosten für<br />

die Räume dort konnte man sich nicht<br />

mehr leisten. Auf <strong>der</strong> Suche nach einem<br />

neuen Treffpunkt stieß man auf<br />

die Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt <strong>Berlin</strong> Südost.<br />

Seit Mitte November nun kommen die<br />

Mütter mit ihren Kin<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Falkstraße<br />

zusammen. Für den Treffpunkt<br />

Familienkompetenzzentrum spricht<br />

auch, dass die Kin<strong>der</strong> dort die Turn-<br />

halle und eine Vielzahl von Sportgeräten<br />

nutzen können.<br />

Die Gruppe geht auf eine Initiative von<br />

Nejla Ersoy zurück. Seit neunzehn Jahren<br />

engagiert sich die Migrantin ehrenamtlich<br />

für Migrantinnen mit Kin<strong>der</strong>n<br />

mit Behin<strong>der</strong>ungen. "Ich bin selbst<br />

Betroffene. 1987 kam mein Sohn Ferat<br />

mit Down-Syndrom und Herzfehler<br />

zur Welt", erzählt Frau Ersoy. Nach<br />

seiner Geburt musste das Kind etliche<br />

Monate im Krankenhaus verbringen<br />

und sich drei Herzoperationen unterziehen.<br />

"Das war eine schwere Zeit für<br />

mein Kind und mich, aber wir entwickelten<br />

Kampfgeist. Ich habe meinem<br />

Sohn immer gesagt: wir zeigen es denen!",<br />

so Ersoy weiter. Der Kampfgeist<br />

ist <strong>bei</strong>den bis heute geblieben.<br />

Nachdem Ferat das Krankenhaus<br />

Gemeinsam das Schweigen brechen<br />

Migrantinnen Mit kin<strong>der</strong>n Mit behin<strong>der</strong>ung<br />

treFFen sich iM FaMilienkoMpetenZZentruM<br />

verlassen konnte, schaute<br />

sich seine Mutter nach Hilfe<br />

um. Frau Ersoy fand sie<br />

<strong>bei</strong> dem Verein "Eltern beraten<br />

Eltern". Da<strong>bei</strong> fiel ihr<br />

auf, dass Beratungs- und<br />

Hilfsangebote fast ausschließlich<br />

von Deutschen<br />

wahrgenommen wurden,<br />

dass Migrantinnen und Migranten<br />

diese Angebote<br />

kaum in Anspruch nahmen.<br />

Überraschend war diese<br />

Beobachtung für Frau Ersoy<br />

allerdings nicht. "Ich kenne<br />

als türkischstämmige Frau<br />

die Mentalität <strong>der</strong> Migrantinnen<br />

und Migranten aus<br />

<strong>der</strong> Türkei", berichtet sie.<br />

"Behin<strong>der</strong>ung ist immer<br />

noch ein Tabuthema in <strong>der</strong><br />

türkischen Community.<br />

Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen<br />

werden versteckt und die Eltern ergehen<br />

sich im Klagen über ihr trauriges<br />

Schicksal." Dagegen wollte Frau Ersoy<br />

etwas unternehmen. "Man kann doch<br />

nicht immer nur klagen. Man muss<br />

doch auch die positiven Seiten und die<br />

Talente von Kin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

sehen." Das Denken zu verän<strong>der</strong>n, war<br />

und ist ihr Ziel. Und sie will Migrantenfamilien<br />

und ihre Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

aus ihrer Isolation holen.<br />

Nejla Ersoy gründete ein Projekt für<br />

Migrantinnen mit Kin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />

"Die ersten zwei Jahre waren<br />

schwierig. Ich kam einfach nicht an<br />

die Eltern heran", sagt sie. "Vergeblich<br />

verteilte ich Flyer und hängte Zettel<br />

aus." Schließlich wandte sich aber<br />

doch eine Mutter an Ersoy und dann<br />

sorgte Mund-zu-Mund-Propaganda für<br />

weiteren Zulauf.<br />

Seither sind fast zwei Jahrzehnte vergangen.<br />

Viele Erfahrungen wurden<br />

– Seite 9 –<br />

gesammelt, das Projekt wurde weiterentwickelt<br />

und professionalisiert.<br />

"Migrantenfamilien mit Kin<strong>der</strong>n mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung haben vielmehr Fragen<br />

als deutsche Familien. Migrantinnen<br />

und Migranten müssen intensiver und<br />

länger begleitet werden", erklärt Nejla<br />

Ersoy. "Vor allem brauchen sie positive<br />

Beispiele."<br />

Solche positiven Beispiele finden sich<br />

in <strong>der</strong> Mütter-Gruppe, die sich jetzt jeden<br />

Freitag im Familienkompetenzzentrum<br />

trifft. Aus Betroffenen, die sich<br />

gegenseitig unterstützen, sind längst<br />

Freundinnen geworden, die sich nicht<br />

mehr verstecken, son<strong>der</strong>n gemeinsam<br />

mit ihren Kin<strong>der</strong>n in die Öffentlichkeit<br />

gehen. Nejla Ersoy: "Wir wollen unseren<br />

Weg aus <strong>der</strong> Isolation heraus<br />

weitergehen und hoffen, dass sich weitere<br />

Mütter mit ihren Kin<strong>der</strong>n unserer<br />

Gruppe anschließen."<br />

Claus Foerster<br />

Nähere Informationen über die hier vorgestellte Mutter-Kind-Gruppe erhalten Sie von Nejla Ersoy unter<br />

<strong>der</strong> Telefonnummer 0178–153 84 09. Außerdem können Sie Nejla Ersoy jeden Mittwoch von 9 bis 13<br />

Uhr <strong>bei</strong> Integra, Mo<strong>der</strong>sonstraße 66, 10245 <strong>Berlin</strong>, Telefon: (030) 25 76 84 24 erreichen.

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