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Apostel

Zeitschrift der Arnsteiner Patres

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© Sascha Baumann – dpa<br />

heilt. Die Ethik wird dabei gerade nicht beliebig. Die<br />

Ethik ist nur dann wirklich beliebig, nämlich unnütz,<br />

wenn ihr Maß nicht das Leben des konkreten<br />

Menschen ist.<br />

Prof. em. Dr.<br />

Gabriel Simon<br />

SSCC ist<br />

ehemaliger<br />

Provinzial der<br />

Ansteiner Patres<br />

und lebt in Münster<br />

gabriel simon sscc: Im Zusammenhang<br />

mit diesen Fragen wird<br />

mir ein Gesichtspunkt immer<br />

wichtiger: die Bedeutung des Gewissens,<br />

der Gewissensfreiheit, der<br />

persönlichen Gewissensentscheidung!<br />

Ich möchte das verdeutlichen<br />

am Beispiel eines modernen<br />

Märtyrers des Gewissens, an Franz<br />

Jägerstätter. Dieser einfache Bauer<br />

aus Österreich verweigerte aus Gewissensgründen<br />

den Wehrdienst.<br />

Kein Zureden des Pfarrers oder anderer<br />

kirchlicher Amtsträger, keine<br />

Hinweise darauf, dass er nach<br />

kirchlicher Vorstellung den Wehrdienst<br />

leisten dürfe, vermochten<br />

ihn von seiner Überzeugung, begründet<br />

in der Bergpredigt Jesu, abzubringen. Dafür<br />

ist er in den Tod gegangen; 1943 wurde er im Zuchthaus<br />

Brandenburg enthauptet. 2007 wurde er von<br />

der Kirche seliggesprochen. Sollte die Berufung auf<br />

das Gewissen nicht auch gelten können, wenn ein<br />

Mensch aufgrund eines »geprüften« Gewissens,<br />

trotz kirchlicher Verbote oder anderer Lehrmeinungen,<br />

davon überzeugt ist, anders handeln zu können<br />

und zu müssen?! Gefragt ist eine Haltung, die der<br />

Berufung auf das Gewissen nicht mit Misstrauen,<br />

sondern mit Achtung seiner Würde und mit Anerkennung<br />

seiner Entscheidung begegnet.<br />

titelthema<br />

heinz josef catrein sscc: Für mich ist entscheidend<br />

zu verstehen, was Jesus wollte: Er wollte das<br />

Heil des ganzen Menschen. Also: Gesundheit, gerechter<br />

Lohn, Respekt gegenüber den Frauen, genug<br />

zu essen und zu trinken, in Frieden zu leben … Heil<br />

ist hier nicht theoretisch, sondern ganz praktisch zu<br />

verstehen. Das Heil symbolisiert sich im guten Vater<br />

und im guten Hirten. Und: Jesus weiß, dass im<br />

Leben jedes Menschen vieles schiefgehen kann. Deshalb<br />

wird er nicht verdammt, sondern seine Sünden<br />

werden ihm vergeben.<br />

Brauchen wir also keine Kirchengesetze, weil die<br />

Barmherzigkeit das Gesetz ist?<br />

martin königstein sscc: Eine große Gemeinschaft<br />

wie die Kirche braucht Regeln und Grundlagen für<br />

ein gutes Zusammenleben. Doch diese Regeln müssen<br />

nicht in allen Teilkirchen wortgleich formuliert<br />

sein. Der gemeinsame Weg in der Nachfolge Jesu ist<br />

die Fortsetzung der Menschwerdung in die jeweilige<br />

Kultur, in die unterschiedlichen geschichtlichen<br />

und gesellschaftlichen Wirklichkeiten hinein. Überall<br />

gilt, dass die Liebe das ganze Gesetz erfüllt:<br />

»Liebe und mache, was du willst« (Augustinus).<br />

gabriel simon sscc: »Seine Grundsätze soll man<br />

für die wenigen Augenblicke des Lebens aufsparen,<br />

in denen es auf Grundsätze ankommt. Für das meiste<br />

genügt ein wenig Barmherzigkeit.« Dieses Zitat<br />

von Albert Camus hängt als Spruchkarte in meinem<br />

Zimmer – als Hinweis auf einen Grundzug un serer<br />

Spiritualität, als tägliche Einladung und Herausforderung.<br />

peter egenolf sscc: Wir leben allerdings<br />

in einer real existierenden Kirche,<br />

in der intensiv gestritten wird. Es<br />

gibt beispielsweise eine Polarisierung<br />

bei der Frage der Zulassung von wiederverheirateten<br />

Geschiedenen zu den<br />

Sakramenten. Einige glauben, als unveränderlich<br />

angesehene Wahrheiten<br />

müssten verteidigt werden. Da spielt<br />

auch die Angst eine Rolle, in der Öffentlichkeit<br />

die eigenen Grundsätze zu<br />

verwässern, nicht mehr erkennbar und<br />

nicht mehr unterscheidbar zu sein.<br />

Dies gilt auch bezüglich einer Segnung<br />

homosexueller Partnerschaften. Es<br />

wird registriert, dass sich überall auf<br />

der Welt die Gesetzgebung verändert<br />

und es immer mehr Riten gibt, die der<br />

Peter Egenolf SSCC<br />

ist Pfarrer in Bad<br />

Ems, lebt im<br />

Kloster Arnstein<br />

und war bis 2008<br />

Provinzial der<br />

Arnsteiner Patres<br />

Segnung einer Lebenspartnerschaft in der Alt-Katholischen<br />

Gemeinde in Stuttgart<br />

4/2014 2/2015 apostel 15

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