Geschäftsbericht - Stadtwerke Flensburg GmbH
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4 <strong>Geschäftsbericht</strong> 2011 Interview<br />
Interview <strong>Geschäftsbericht</strong> 2011 5<br />
Interview<br />
Frage: Welche Themen haben die <strong>Stadtwerke</strong> <strong>Flensburg</strong> im<br />
Jahr 2011 besonders bewegt?<br />
Maik Render: Hervorzuheben sind drei Themenkomplexe:<br />
Erstens die Entscheidung des Aufsichtsrates zum Wechsel in<br />
der Geschäftsführung im April, zweitens der Beschluss Anfang<br />
Mai, das Heizkraftwerk in <strong>Flensburg</strong> unter dem Projekttitel<br />
„Kessel 12“ bis 2016 zu modernisieren und umzubauen, und<br />
drittens die Verabschiedung der neuen Unternehmensstrategie<br />
„Energie im Wandel – Kraft aus Kontinuität“ gemeinsam<br />
mit Aufsichtsrat und Gesellschafterin im August. Alle Entscheidungen<br />
gehören zusammen und haben große Bedeutung<br />
für das Unternehmen. Sie sind die Basis für die Zukunft der<br />
<strong>Stadtwerke</strong> <strong>Flensburg</strong>.<br />
Frage: Warum war der Strategiewechsel notwendig und wie<br />
charakterisieren Sie die Eckpfeiler der neuen Ausrichtung?<br />
Maik Render: Nach dem schwierigen Geschäftsjahr 2009 haben<br />
Vertreter des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung<br />
gemeinsam mit der Geschäftsführung in einem<br />
eineinhalbjährigen Prozess eine umfassende Stärken- und<br />
Schwächen-Analyse des Unternehmens vorgenommen. Auf<br />
dem Prüfstand standen unternehmensinterne Organisations-<br />
und Kostenstrukturen, aber vor allem auch alle Beteiligungen<br />
und sonstigen finanziellen Engagements. Das Modernisierungskonzept<br />
„Kessel 12“ für das Heizkraftwerk und die neue<br />
Strategie sind Ergebnis dieser intensiven Diskussionen und<br />
Ausdruck einer notwendigen Kurskorrektur.<br />
Im Gesamtprozess wurden zwei Pflichtziele und fünf priorisierte<br />
Ziele definiert. Vor allem die Priorisierung der einzelnen<br />
Ziele ist dabei wichtig, denn bisher bestand gerade dort<br />
das Problem der alten Strategie. Gleichzeitig hohe Gewinne<br />
zu erwirtschaften, in Ökologie zu investieren, viele Arbeitsplätze<br />
zu sichern sowie niedrigste Preise anzubieten, passt<br />
nicht zueinander.<br />
Die beiden „Pflichtziele“ sind künftig der „Erhalt der<br />
Kommunalität“ und die Einhaltung eines „Ökokataloges“. Die<br />
fünf priorisierten Ziele sind die Gewinnerzielung im Zielkorridor,<br />
Substanzschaffung und -erhalt, die Sicherung attraktiver<br />
Arbeitsplätze, das Erarbeiten und Umsetzen zusätzlicher ökologischer<br />
Maßnahmen sowie das Angebot günstiger Preise in<br />
der Region.<br />
Die Einhaltung der Ziele sowie die Prüfung, ob diese Ziele<br />
ausreichend sind oder ergänzt werden müssen, wird jährlich<br />
in einem Strategie-Workshop mit Aufsichtsrat und Geschäftsleitung<br />
geprüft und dokumentiert.<br />
Frage: Wie weit sind Sie bei der Umsetzung schon gekommen?<br />
Maik Render: Bei der Anpassung der Organisationsstrukturen<br />
sind wir sehr gut vorangekommen. Diese entsprachen nicht<br />
mehr den aktuellen Anforderungen des Marktes und waren<br />
dringend anzupassen. Im Rahmen des „Kessel 12“-Projektes<br />
haben wir gemeinsam mit dem Betriebsrat ein bis 2025 reichendes<br />
Personalentwicklungskonzept inklusive Verzicht auf<br />
betriebsbedingte Kündigungen vereinbart, das uns bereits<br />
heute die Möglichkeit gibt, die ab 2018 geplanten Personalreduzierungen<br />
gemeinsam zu gestalten.<br />
Sehr schnell sind wir auch im Bereich unserer Tochter- und<br />
Beteiligungsgesellschaften. Nachdem wir uns im Mai 2011<br />
vom geplanten lettischen Kohlekraftwerksprojekt in Ventspils<br />
trennen konnten, haben wir uns etwas später im Jahr auch<br />
von einer Beteiligung an der Trianel-Projektgesellschaft zum<br />
Bau eines Kohlekraftwerks in Krefeld verabschiedet.<br />
Frage: Was wurde im Beteiligungsbereich noch getan?<br />
Maik Render: Im 2. Quartal 2011 haben wir die Dienstleistungstochter<br />
Semeco zu den <strong>Stadtwerke</strong>n zurückgeführt, da<br />
dieses Unternehmen im Bereich Metering und Netzentgeltabrechnung<br />
beinahe ausschließlich für die <strong>Stadtwerke</strong> <strong>Flensburg</strong><br />
tätig war. Nahezu alle Semeco-Mitarbeiterinnen und<br />
-Mitarbeiter sind mittlerweile bei den <strong>Stadtwerke</strong>n <strong>Flensburg</strong><br />
direkt beschäftigt, denn die Trennung in zwei Gesellschaften<br />
machte keinen Sinn mehr.<br />
Ende August wurde die SWF-Energie Service <strong>GmbH</strong> reintegriert,<br />
die seit einigen Jahren als Ingenieur- und Beratungsgesellschaft<br />
für den eigenen Bedarf und externe Kunden tätig<br />
gewesen ist. Vor allem die Fokussierung auf den Kesselneubau<br />
war hier der entscheidende Beweggrund.<br />
Den Betrieb der Anlagen der MEISH <strong>GmbH</strong>, die Ersatzbrennstoffe<br />
für unser Heizkraftwerk in <strong>Flensburg</strong> aufbereitet, hat<br />
Ende 2011 – zunächst für ein Jahr – die MBA Neumünster<br />
übernommen, eine Tochter der <strong>Stadtwerke</strong> Neumünster. Beide<br />
Partner versprechen sich langfristig Vorteile bei den Kosten,<br />
der Logistik und der Versorgungssicherheit.<br />
Frage: Nun zum Groß-Projekt „Kessel 12“, das ja bereits angelaufen<br />
ist. Welche Inhalte hat das Projekt und was soll<br />
erreicht werden?<br />
Maik Render: Das Projekt „Kessel 12“ basiert auf einer umfassenden<br />
Analyse der bestehenden Anlagen. Die neue Anlagenstruktur<br />
haben wir dabei fast ausschließlich im Hinblick<br />
auf die Brennstoffbeschaffungsmärkte sowie den Verkauf von<br />
Strom und Fernwärme betrachtet, weniger aus dem technischen<br />
Blickwinkel. Als Ergebnis dieser Analyse werden wir<br />
zwei alte Kessel durch eine neue, moderne Gas- und Dampfturbinenanlage<br />
ersetzen sowie vorhandene alte, aber technisch<br />
auf der Höhe befindliche Anlagen und Reserveheizwerke<br />
modernisieren. Zukünftig können wir das Heizkraftwerk durch<br />
den Einsatz der verschiedenen Brennstoffe Kohle, Ersatzbrennstoffe<br />
mit biogenen Anteilen, Holz und bald auch Gas,<br />
variabler fahren. Außerdem werden wir kurzfristigen Bedarf<br />
auf dem Strommarkt, etwa bei ausbleibendem Windstrom,<br />
ausgleichen und Schwankungen bei den einzelnen Brennstoff-Einkaufspreisen<br />
flexibler nutzen. Insgesamt werden wir<br />
dadurch ab Inbetriebnahme in 2016 zusätzliche Erlöse erwirtschaften.<br />
Ein zusätzliches Argument für den Kesselneubau sind die<br />
massiven Emissionsreduktionen. Das Projekt „Kessel 12“<br />
ist ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zum angestrebten<br />
CO2-neutralen Heizkraftwerk im Jahr 2050. Dazu haben wir<br />
uns als Gründungsmitglied des Klimapaktes <strong>Flensburg</strong> schon<br />
2008 bekannt.<br />
Frage: Was ist noch geplant?<br />
Maik Render: Im Rahmen des Projektes „Kessel 12“ wird an<br />
weiteren Teilprojekten zur Modernisierung des Werkes gearbeitet.<br />
So wird die GuD-Anlage über eine zwölf Kilometer lange<br />
Anbindung an die vorhandene deutsch-dänische Erdgasleitung<br />
am Grenzübergang Handewitt-Ellund angeschlossen.<br />
Verschiedene Kessel- und Turbinen-Anlagen werden elektrisch<br />
modernisiert. Die drei bisherigen Schaltwarten sollen zu einer<br />
zusammengelegt und mit modernster Leittechnik ausgestattet<br />
werden. Eines unserer vier Reserveheizwerke wird ebenfalls<br />
umgerüstet und soll künftig bei Bedarf Fernwärme in<br />
winterlichen Spitzenlastzeiten liefern.<br />
Frage: Wechseln wir von der Strategie und den Großprojekten<br />
wieder zum Geschäftsjahr 2011 und den wesentlichen Zahlen.<br />
Womit sind Sie zufrieden, wo müssen die <strong>Stadtwerke</strong> besser<br />
werden?<br />
Maik Render: Der starke Kundenzuwachs im externen Stromgeschäft<br />
war sehr erfreulich. Zufrieden sind wir mit dem erneuten<br />
Umsatzwachstum auf annähernd 350 Mio. Euro im<br />
Konzern und dem positiven Ergebnis von 14,5 Mio. Euro im<br />
operativen Geschäft. Das zeigt, dass das Unternehmen im<br />
Kern gesund und genügend Substanz vorhanden ist.<br />
Im Bereich der Töchter und Beteiligungen mussten wir<br />
7,9 Mio. Euro auf Finanzanlagen abschreiben und bei den<br />
Töchtern ein Minus von 1,9 Mio. Euro hinnehmen. Fasst<br />
man die Jahre 2010 und 2011 zusammen, haben wir rund<br />
15 Mio. Euro auf Finanzanlagen abschreiben müssen. Letztendlich<br />
hat dies im Jahr 2011 zu einem Minus von etwa<br />
1 Mio. Euro geführt. Diese Abwertungen und Risiken haben<br />
wir in 2011 frühzeitig gemeinsam mit dem Aufsichtsrat diskutiert<br />
und können heute sagen, dass damit die Risiken der<br />
Vergangenheit ausgestanden sind.<br />
Frage: Wie geht es weiter, wie sieht Ihr Ausblick aus?<br />
Maik Render: Für 2012 erwarte ich eine deutlich bessere<br />
Ergebnisentwicklung. Erhebliche Wertkorrekturen sind vor<br />
allem im Bereich der Tochtergesellschaften vorgenommen<br />
und Risiken umfassend berücksichtig worden. Im Jahr 2012<br />
werden wir wieder von unserem gesunden Kerngeschäft in den<br />
Bereichen Strom, Fernwärme und Wasser profitieren und ein<br />
positives Ergebnis erwirtschaften.<br />
Wachstumschancen sehe ich im überregionalen Stromgeschäft,<br />
im Ausbau regenerativer Energien sowie der Fernwärmenetze.<br />
In unserer Nachbargemeinde Harrislee haben wir die<br />
Konzession für das dortige Stromnetz erhalten und werden<br />
dadurch nach Abschluss der Kaufverhandlungen unser Stromnetz<br />
um 14 Prozent erweitern.<br />
Frage: Zum Schluss noch eine allgemeine Frage: Nach der<br />
Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima hat die<br />
Bundesregierung im Frühjahr und Sommer 2011 die erneute<br />
Energiewende in Deutschland beschlossen – weg von der<br />
Kernenergie, hin zum schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien.<br />
Was bedeutet das für die <strong>Stadtwerke</strong> <strong>Flensburg</strong>?<br />
Maik Render: Das bestätigt uns darin, dass wir uns mit der<br />
strategischen Ausrichtung hin zu erneuerbaren Energien genau<br />
auf dem richtigen Weg befinden. Der Beginn unserer<br />
Strategieentwicklung lag weit vor der Reaktorkatastophe.<br />
Mit dem Kraftwerksumbau auf höhere Flexibilität für den<br />
Strommarkt bei gleichzeitiger Nutzung unserer großen Wärmespeicher<br />
sind wir für die kommenden Jahre optimal ausgerüstet.<br />
So nutzen wir die technisch und ökologisch aktuell<br />
sinnvollste Ergänzung zu den regenerativen Energien,<br />
nämlich die Kraft-Wärme-Kopplung. Dadurch vernichten wir<br />
nicht die bei der Stromherstellung anfallende Wärme wie bei<br />
der reinen Stromerzeugung, sondern wir nutzen diese. Mit<br />
unseren Wärmespeichern haben wir darüber hinaus bereits<br />
einen riesigen Energiespeicher, über den viele in Deutschland<br />
aktuell nur reden.