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Mieterpost 01/2010 - HWG Hallesche Wohnungsgesellschaft mbH

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Bauforschung<br />

Wo Bachs sohn<br />

wirklich wohnte<br />

Maurizio paul (Foto) hat ein besonders Verhältnis zu denkmälern:<br />

„ein Komplettabriss ist mitunter hilfreich.“ die Begründung<br />

für seine radikale Meinung: Als Bauforscher muss er hinter die<br />

Fassade von historischen Gebäuden blicken. Wenn sie bis auf die<br />

Grundmauern abgetragen werden, bleiben für paul keine Fragen<br />

offen. da dem Wilhelm Friedemann Bach-Haus dieses finale<br />

Schicksal zum Glück erspart bleibt, begnügt sich der Archäologe<br />

in diesem Fall damit, an der oberfläche zu „kratzen“.<br />

sanierungsarbeiten an historischen gebäuden<br />

laufen immer in enger Abstimmung mit<br />

den zuständigen Denkmalschutzbehörden.<br />

so auch bei der hwg-sanierung des wilhelm<br />

Friedemann bach-hauses. Viele bauträger<br />

beauftragen außerdem einen bauforscher,<br />

der die denkmalgeschützten gemäuer noch<br />

einmal genau unter die Lupe nimmt und<br />

offene Fragen beantwortet. in diesen Fällen<br />

wird maurizio paul aktiv. in halle und auch<br />

deutschlandweit. in der saalestadt hat er die<br />

moritzburg, die Neue residenz und die burg<br />

giebichenstein untersucht, in merseburg<br />

das petri-Kloster und in potsdam das stadtschloss.<br />

„in potsdam habe ich drei Jahre lang<br />

die Ausgrabung der Fundamente geleitet. im<br />

Vergleich dazu ist die Forschung am wilhelm<br />

Friedemann bach-haus zwar überschaubar,<br />

aber dennoch interessant“, sagt paul.<br />

Bach bewohnte Bohlenstube<br />

Das besondere am gebäude in der großen<br />

Klausstraße 12: Der Kernbau von 1551 wur-<br />

Eigentlich müsste diese Tafel nach den<br />

neuesten Erkenntnissen an anderer Stelle<br />

angebracht werden.<br />

de im Laufe der Jahrhunderte immer wieder<br />

verändert und in den 1830-er Jahren in richtung<br />

hallorenring erweitert. „in dem erweiterten<br />

gebäudeteil, wo heute die tafel ,iN<br />

Diesem hAuse wohNte wiLheLm Frie-<br />

DemANN bACh Der geNiALe sohN Des<br />

thomAsKANtors iN DeN JAhreN 1764-<br />

1770.’ angebracht ist, kann der musiker<br />

gar nicht gelebt haben. Der hausabschnitt<br />

hat damals schlichtweg noch gar nicht existiert“,<br />

korrigiert der experte. Vielmehr, so<br />

vermutet maurizio paul, habe der sohn des<br />

thomaskantors die räumlichkeiten in Nachbarschaft<br />

zum heutigen Café Nöö bewohnt.<br />

genauer, die bohlenstube, die heute zu<br />

den architektonischen besonderheiten des<br />

gebäudekomplexes zählt. „Die vertäfelten<br />

bohlenstuben waren damals die einzigen<br />

räumlichkeiten, die mit Öfen beheizt wurden.<br />

sie dienten traditionell als wohnraum.“<br />

Neue erkenntnisse für Stadtgeschichte<br />

Verschiedene Arbeitsschritte haben den<br />

historiker zu der finalen Verortung des<br />

musikers geführt. „Zunächst habe ich damit<br />

begonnen, in den Archiven bestehende<br />

Quellen zu recherchieren und zu sichten.“<br />

erst danach hat der bauforscher das gebäude<br />

„angefasst“. was bedeutet, dass paul<br />

tatsächliche wandstärken mit den maßen<br />

in bauplänen abgeglichen hat und den Verlauf<br />

der mauern untersuchte. „Das ist immer<br />

vergleichbar mit Detektivarbeit. schließlich<br />

habe ich das gebäude partiell geöffnet und<br />

die Art der verwendeten Ziegel, mörtel und<br />

HWg-DeNKMALFRüHLINg<br />

putze analysiert“, beschreibt der bauforscher<br />

seine Arbeitsweise. „Das wohnhaus<br />

von bach kennzeichnet ein Kreuzgewölbe<br />

aus Ziegel und bruchstein im erdgeschoss<br />

mit einem Fachwerkaufbau mit der bohlenstube.<br />

Darüber befand sich ein Dachwerk,<br />

das mehr als doppelt so hoch war wie das<br />

eigentliche gebäude. ein indiz dafür, dass<br />

das gebäude in der großen Klausstraße<br />

Hier wohnte Bach wirklich. Blick auf das<br />

Kerngebäude von 1551.<br />

ursprünglich ein Kaufmannshaus war, bei<br />

dem das Dachgeschoss als Lager diente“,<br />

ordnet maurizio paul ein.<br />

Archäologische untersuchungen bringen<br />

meistens, wie auch im Fall des wilhelm Friedemann<br />

bach-hauses, einen erkenntnisgewinn<br />

für die stadtgeschichte. bei maurizio<br />

paul verursachen sie außerdem ein angenehmes<br />

Kribbeln in den Fingerspitzen und<br />

zusätzlichen Antrieb für seinen Forscherdrang.<br />

hwg mieterpost AusgAbe 1 | 2<strong>01</strong>0<br />

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