STZ No. 7-1 - StadtZeit Kassel
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Die Orientierung an der Berufsrolle<br />
ist nicht mehr das dominierende<br />
Kriterium für die Identitätsbildung<br />
von Männern. Sie haben heute andere<br />
Lebensentwürfe. Derzeit erlebt<br />
die Bundesrepublik eine Generation<br />
von Vätern, wie sie noch nie<br />
da war. Mann kann auch erfolgreich<br />
sein, ohne der Hinterletzte zu werden.<br />
Interview: Klaus Schaake<br />
8<br />
Männer<br />
Männeraufbruch<br />
„Mann muss nicht der<br />
Hinterletzte sein!“<br />
KS: Herr Rosowski, könnte man nach<br />
über 30 Jahren Frauenbewegung und<br />
dem Männeraufbruch seit den Achtzigern<br />
nicht einfach konstatieren: „Still<br />
confused, but on an higher level!“<br />
MR: Keinesfalls. Wir erleben jetzt eine<br />
Generation von Vätern, wie sie die<br />
Bundesrepublik noch nicht erlebt hat.<br />
Männer, die sehr verantwortlich und<br />
ganz engagiert Väter sind und die<br />
gleichzeitig versuchen, den Spagat<br />
zwischen Familie und Beruf hinzubekommen.<br />
KS: Das, was von Frauen schon immer<br />
erwartet wurde, kommt also dann doch<br />
schon so langsam auch bei uns an!<br />
MR: In den siebziger Jahren waren<br />
Männer, die ihre Rolle reflektiert haben,<br />
Rezipienten und manchmal auch<br />
Antizipatoren des Feminismus. Mann<br />
hat reagiert und sagte: Ja, stimmt, die<br />
Frauen werden marginalisiert und diskriminiert.<br />
Und man fand sich gut in<br />
der Rolle, sich dem gegenüber zu verhalten.<br />
KS: Hat uns das weitergebracht?<br />
MR: In den vergangenen zwanzig Jahren<br />
haben wir gemerkt, dass fixierte<br />
Rollenbilder nur ideologisch gesehen<br />
Privilegien für Männer beinhalten.<br />
Wissenschaftler im angloamerikanischen<br />
Raum sprechen von der hegemonialen<br />
Männlichkeit.<br />
KS: Will sagen?<br />
MR: In einer Gesellschaft, in der Männer<br />
privilegiert sind, gibt es bestimmte<br />
Gruppen von Männern, die Rollenmuster<br />
setzen. Patriarchalische, ökonomische<br />
bzw. kapitalistische Strukturen<br />
instrumentalisieren die Geschlechterrollen<br />
für ihr jeweiliges System. Un-<br />
ter denen leiden dann wiederum andere.<br />
Männer wie Frauen.<br />
„Männer haben heute andere<br />
Lebensentwürfe“<br />
KS: Der berühmte Nebenwiderspruch?<br />
MR: Ich meine nicht den Patriarchalismus<br />
der 68er-Bewegung.<br />
Hegemoniale Männlichkeit - bei Weiblichkeit<br />
wäre es genau das Gleiche - ist<br />
keine geschlechtsspezifische Angelegenheit,<br />
sondern ein gesamtgesellschaftliches<br />
Dominanzproblem. Heute<br />
haben Männer andere Lebensentwürfe...<br />
KS: ... und wollen, wie Sie sagen, den<br />
neuen Vater geben.<br />
MR: Für unsere bürgerliche Gesellschaft<br />
ist das ein gewaltiger Trend.<br />
Wir haben eine spürbare und empirisch<br />
nachweisbare, große Gruppe<br />
von neuen Vätern. Aktive, bewusste<br />
Väter, für die es eine Selbstverständlichkeit<br />
ist, auch für die Kinder da zu<br />
sein.<br />
KS: Reden wir hier nicht nur über eine<br />
kleine Minderheit von intellektuell<br />
überfrachteten, gut ausgebildeten<br />
Angehörigen der Mittelschichten und<br />
vergessen die normalen Leute?<br />
MR: In Deutschland hat gerade die so<br />
genannte Facharbeiterschicht die flexibelsten<br />
und bestgeteilten Familienverhältnisse<br />
im Hinblick auf die Partizipation<br />
von Frauen und Männern am<br />
Erwerbsleben. Für den Automechaniker<br />
oder die Friseurin müssen wir flexible<br />
Arbeitszeitmodelle fahren, die es<br />
für die Partner ermöglichen, zusammen<br />
den Lebensunterhalt der Familie<br />
zu bestreiten. Alles andere ist eine Luxusfrage!<br />
„Frauen haben Männer überholt“<br />
KS: Wir reden also von einer Entwicklung,<br />
welche die gesamte Gesellschaft<br />
erfasst hat?<br />
MR: Der kulturelle Umbruch hat sich<br />
in den letzen 20 Jahren vollzogen.<br />
Männer haben erheblich unter der<br />
Rolle des Alleinverdieners gelitten,