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Dokumentation des 6. MainzerMediendisputs - Bibliothek der ...

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ETHIK WAR GESTERN ... ÜBER JOURNALISTI-SCHE WERTE GESTERN UND HEUTEThesen von Ilka Brecht (NDR/Panorama)Kommerzielle Denkweise im Journalismus: Na, und?„Kommerziell“ wird im Diskurs um Medienethik oft so abfällig bewertetwie „Quote“. Machern, die sich an <strong>der</strong> Quote orientieren, wird häufigmangeln<strong>des</strong> Interesse an Qualität unterstellt. Dabei hat <strong>der</strong>Konkurrenzdruck <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen Systeme durch die kommerziellenSen<strong>der</strong> auch nachweislich positive Effekte gezeitigt. Stärker alsdie kommerziellen Sen<strong>der</strong> wollen/müssen die öffentlich-rechtlichen aberauf eine Balance zwischen Quote und Qualität achten, wobei bei<strong>des</strong>sowieso nicht im Gegensatz zueinan<strong>der</strong> stehen muss.Unbestritten sind die Nachteile <strong>der</strong> Kommerzialisierung im Journalismus:Die Story – sogar die Nachricht – wird immer mehr zur Ware auf demMedienmarkt. Auch Themen, die langfristig und kontinuierlich bearbeitetwerden müssten, haben nur zu bestimmten Zeiten Konjunktur und späterlediglich in Nischen eine Chance auf Veröffentlichung. Eine häufignicht näher definierte Nachfrage bestimmt das Angebot: Das Schielennach dem Zuschauer, sprich: dem Konsumenten, führt zu einer spezifischenAuswahl eines Themas, ohne Rücksicht darauf, ob es wirklich relevantist (Stichwort: „Nicht zuviel Ausland, ohne deutschen Bezug interessiertdas keinen!“). Eine weitere negative Begleiterscheinung <strong>des</strong>Quoten- und Konkurrenzdrucks ist die Strukturierung und Formatierungvon Sendungen: Sie werden nicht mehr für sich durchgestaltet, son<strong>der</strong>nnach Umschaltzeitpunkten gebaut. So dominiert das Interesse <strong>der</strong>Zapper die möglicherweise immer kleiner werdende Schar <strong>der</strong> treuen,konzentrierten Zuschauer.Die Frage ist aber, ob früher alles besser war. Sicher, beim Fernsehenzum Beispiel kannten die öffentlich-rechtlichen Sen<strong>der</strong> keinenQuotendruck. Sie hatten das Monopol und konnten faktisch ohneRücksicht auf den Zuschauer senden, was sie wollten. Das führte abermitunter zu einem „Meinungsabsolutismus“, bei dem Redakteure ohnekritische Recherche nur ihre Meinung bebil<strong>der</strong>ten, und – in den drittenProgrammen – zu einem trockenen Belehrungsfernsehen mit erhobenemZeigefinger. Dessen Macher schienen mitunter mit <strong>der</strong> elitären Devise zuproduzieren: „Uns sollen bloß nicht zu viele sehen!“. Vor Jahren hatteFriedrich Nowottny den öffentlich-rechtlichen Sen<strong>der</strong>n einmal vorgehalten:„Ihr habt Euer Publikum nicht lieb!“Mit dem Aufkommen <strong>der</strong> privaten Sen<strong>der</strong> haben die öffentlich-rechtlichenviel dazu gelernt. Gelungene Beispiele von Massenakzeptanz undQualität sind Reportagen in <strong>der</strong> Reihe „ARD-exclusiv“ o<strong>der</strong> ZDF-<strong>Dokumentation</strong>sreihen von Guido Knopp. Eine vorbildliche Wandlung imAusland hat die BBC durchgemacht, <strong>der</strong>en Hochglanzprodukte heutesogar von kommerziellen Sen<strong>der</strong>n gekauft werden. Dass qualitativhochwertiger Journalismus nach wie vor seine Marktchancen hat, zeigtenund zeigen die hohen Einschaltquoten bei Sendungen („Brennpunkte“)zur Spendenaffäre und dem Krieg in Afghanistan, die Dauererfolge <strong>der</strong>politischen Magazine in ARD und ZDF sowie die Entwicklung <strong>des</strong> wichtigstenKommerzsen<strong>der</strong>s in Deutschland, RTL. Anfangs als bloßer„Skandal- und Tittensen<strong>der</strong>“ positioniert, flossen immer mehr Elementein das Programm ein, die auch jedem öffentlich-rechtlichen System gutzu Gesicht stehen würden (z.B. Nachrichten, SPIEGEL-TV, „Wer wirdMillionär?“).Für die entscheidende Balance zwischen Quote und Qualität – sowohl ineinzelnen Sendungen als auch im Gesamtprogramm – gibt es meinesErachtens keine objektiven Kriterien. Hier sind – altmodisch gesagt –Erfahrung, Gefühl und Geschmackssicherheit gefragt. Sowie <strong>der</strong> Respekteines jeden Journalisten vor seiner Aufgabe.Schnelligkeit schlägt SeriositätDrei Dinge haben sich aber im Zuge <strong>der</strong> Vergrößerung <strong>des</strong>Medienmarktes verän<strong>der</strong>t: 1) die Beiträge sind kürzer geworden, 2) beiechten o<strong>der</strong> eben auch vermeintlichen Skandalen und Sensationen gehtman viel schneller – und manchmal lei<strong>der</strong> auch voreilig – auf Sendungund 3) gibt es eine Explosion von Formaten (Stichwort: Talkshows), diedie Funktion <strong>des</strong> Journalisten unpräziser werden lassen. „Ist Rot-Grünam Ende?“ und „Wie wird mein Busen größer?“ – Beide Fragen werdenvon Mo<strong>der</strong>atoren in Talkshows abgehandelt, gleichwohl haben Sendeplätzeund Akteure journalistisch nichts mehr miteinan<strong>der</strong> gemein.Vor allem das Streben nach Schnelligkeit hat den Nachrichten-Journalismus nicht nur im Fernsehen gravierend verän<strong>der</strong>t. RangiertSchnelligkeit vor Qualität, kann es zu schlimmen Fehlleistungen kommen.In vielen Redaktionen wurde nach <strong>der</strong> ersten Sebnitz-Schlagzeilegefragt: „Warum hatten wir das nicht?“. Hinterher – als sich die136137

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