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Dokumentation des 6. MainzerMediendisputs - Bibliothek der ...

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4) NervositätDie Medien haben sich in den vergangenen Jahren nicht nur rasantgewandelt, sie sind selbst rasant geworden. „Das Tempo dieser Zeit istkeine Kleinigkeit!“, dieses Gefühl einer schwer erträglichen Beschleunigunggab es schon in den 20er Jahren. Doch die Medienarbeiter <strong>der</strong>Gegenwart arbeiten nicht an <strong>der</strong> Zeitdiagnose <strong>des</strong> schnellen Wandels,sie selbst sind die eigentlichen Träger dieser haltlosen Unruhe, diesergroßen Zappelei, die nur zwei Regeln kennt: Nicht nachdenken, nicht zuspät kommen.So sind häufig kleine Ereignisse <strong>der</strong> Ursprung wahrer Kettenreaktionen,die die Themen, die Personen und die Kommunikationsformen sprunghafterhitzen.Die sogenannte „Skandalisierung“ in den Medien bei allen Formen vonpolitischen Affären, sie ist weniger <strong>der</strong> Verlust von ethischer und moralischerSubstanz o<strong>der</strong> die Boulevardisierung, ein Reizthema ist wie einLauffeuer, das auch das entfernste Lokalblatt entflammt. Die Journalisten,sie reden gerne miteinan<strong>der</strong>, pokern und putschen sich hoch,ganze Arbeitsstäbe in den Chefredaktionen beobachten die Themenfindungsprozesseund Entscheidungsrituale <strong>der</strong> Konkurrenz. Den an<strong>der</strong>enzuvorkommen, das ist das wesentliche Ziel <strong>der</strong> Medienbranche. DieseNervosität, die häufig ins Hysterische eskaliert, sie ist unideologisch,erfasst alle Bereiche, beson<strong>der</strong>s die Nachrichtenagenturen und elektronischenMedien. Diese große Aufregung ist das Gegenteil von Wachheitund Neugier, sie begrenzt die Rechercherichtung, sie ist unersättlich undfällt dennoch irgendwann in sich zusammen, um sich nach kurzer Pausewie<strong>der</strong> aufzublähen. (Beispiele: Sebnitz, Flugaffären, Erfurt, Kriegseinsatz<strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>wehr.)5) EinsamkeitZunächst klingt das alles ja schon gesellig. Und in <strong>der</strong> Tat ist <strong>der</strong>Journalist schrecklich gerne unter sich, <strong>der</strong> Arbeitsmarkt ist überschaubar,Gier, Ehrgeiz und Neid wollen im Kollegen-Klatsch gefüttert werden. DerMedienpressespiegel ist das, was auf jeden Fall täglich und gründlichgelesen wird. Wir über uns.Aber: Die Zeiten <strong>der</strong> Redakteursversammlungen, Redaktionsstatute,gewerkschaftlichen Orientierung sind lange vorbei. Der hohe Anteil anfreien und befristet beschäftigten Journalisten hat dem eigentlich reineitlen Kampf um die Zeilen und Minuten eine existentielle Basis gegeben.Da aktuelle Berichterstattung körperlicher Leistungssport ist, hat<strong>der</strong> übliche Generationenkonflikt zwischen Nachwuchs und alterFührungsschicht in den Medien eine härtere Note. Die Altersgruppe <strong>der</strong>50- bis 60-Jährigen kann sich eigentlich nur in Toppositionen o<strong>der</strong>Nischen halten, den Rest drängen die Jungen in den Vorruhestand.Innerhalb von wenigen Jahren tauschen sich so ganze Redaktionen aus,Netze, Beziehungsgeflechte, nichthierarchische Orientierungen sind selten.Dazu kommt, dass die höheren Führungsaufgaben, auch unter demDruck <strong>der</strong> ökonomischen Krise, selten mit Kontinuität vergeben werden.Chefredakteure und ähnliche Positionen werden im schnellen Wechselausgetauscht, das ist in den letzten Jahren vor allem im Printbereich zubeobachten. Das bedeutet, dass die Politik einen Berufsstand alsGegenüber vorfindet, <strong>des</strong>sen Hierarchie und <strong>des</strong>sen Akteure kaum längerzuständig sind als eine Legislaturperiode dauert, ein Berufsstand,<strong>des</strong>sen „Befehlsstruktur“ durch Fluktuation und Autoritätsverlust <strong>der</strong>geschassten Chefs kaum vorhanden ist. Auch das ist eine eher unideologischeEntwicklung.6) SchlussfolgerungWas bedeutet dieses Sittenbild nun für die, die mit den Medien umgehenmüssen?Im Wesentlichen sind zwei Handlungsrichtungen <strong>der</strong> politischenMedienarbeit zu unterscheiden: Die Analyse <strong>des</strong> Veröffentlichten und dieBeeinflussung <strong>des</strong> künftig zu Veröffentlichenden.Ohne Zweifel ist eine gründliche Beobachtung <strong>der</strong> Medien und ihrerProdukte unumgänglich. Was ist berichtet worden, in welchem Kontext,in welcher Bewertung? Zum einen wird das Medienecho auf eigenes o<strong>der</strong>frem<strong>des</strong> politisches Handeln registriert, zum an<strong>der</strong>en sind die Themenund Informationen im Gesamtkonzept ein Frühwarnsystem. Problemebahnen sich in hoher Spontanität ihren Weg in die Schlagzeilen, werdenvon an<strong>der</strong>en Medien aufgegriffen, verstärkt, bekämpft, trivialisiert, popularisiert.Eine präzise Beobachtung <strong>des</strong> Veröffentlichten kann problematischeEntwicklungen im Frühstadium entdecken.Meiner Beobachtung nach hält sich aber die Medienbeobachtung in denpolitischen Planungsstäben zu häufig und zu intensiv mit denEinordnungen, Kommentaren und politischen Tendenzen <strong>der</strong> Medien auf,mit dem subjektiven Faktor. Es ist zu viel von Freund und Feind dieRede. Das führt zu fast familiären Dialogen, Lob für positive Berichterstattung,Tadel und Drohung für Kritik, menschlich verständlich, für die1213

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