oliver rath weint death of youth they call me ... - proud magazine
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sollte dem gesunden Verstand eigentlich<br />
klar sein. Vor dem globalen Reset<br />
kommt das Straucheln, danach der<br />
Neuanfang.<br />
Es wären Euch Bernsteine zu wünschen,<br />
in deren Mitte Eure klassischen<br />
Werte konserviertwären. Harz, welches<br />
durch Zeit und Ruhe veredelt und von<br />
Euch mit Stolz als Schmuck getragen<br />
würde. Wo findet man nur heutzutage<br />
den Ort von klassischem Wert? Ein<br />
Blick über den Erdball verdeutlicht,<br />
dass er schwer zu finden ist.<br />
Es wird auch nicht leichter dadurch,<br />
dass Werte ständig einer gewissen<br />
Mode unterliegen. Waren vor 15 Jahren<br />
noch klobige Skateschuhe modern,<br />
sind es heute einfache und schlanke<br />
Slipper, die den Ton der Straße angeben.<br />
Der klassische Wert ist also – wie<br />
so <strong>of</strong>t mit der Klassik – in den Anfängen<br />
zu suchen. Basketballschuhe wurden<br />
auch erst in den 90er Jahren zu<br />
steroiden Monstern gepumpt, die ursprünglichen<br />
Schuhe waren einfach<br />
und schnörkellos.<br />
Als Sandbank möglicher traditioneller<br />
Werte, könnte Japan dienen. Dort sieht<br />
es so aus als hätten sich althergebrachte<br />
Werte am Leben gehalten. Wie aus<br />
einem Bernstein wieder zum Leben gerufen<br />
hat Onitsuka seinen Kohaku. Der<br />
ähnelt einem Hi-Top von damals, nur<br />
ohne die sonst üblichen Tiger Stripes,<br />
sondern mit modernem Tiger-Logo. Japan<br />
als Wiege der Klassik.<br />
Hier gibt es Tee-Zeremonien, die keiner<br />
Mode unterworfen sind, der Tenno als<br />
„himmlischer Herrscher“ versteckt sich<br />
im<strong>me</strong>r noch gerne in seinem Kaiserpalast<br />
und traditionelle Werte, wie die des<br />
Giri-Regelsystems zur Erhaltung der<br />
Ehre sind im<strong>me</strong>r noch weit verbreitet.<br />
Befremdlicherweise ist es aber auch<br />
das Land, in dem es seit einigen Jahren<br />
eine Welle an Suiziden gibt. Wer beruflich<br />
abschmiert, ist dort gegenüber<br />
anderen Nationen viel gefährdeter aus<br />
dem Fenster eines der Hochhäuser zu<br />
springen. Überhaupt scheinen die Japaner<br />
einen Spleen für existenzgefährdende<br />
Gesten zu haben. 2010 gab es<br />
dort 55 Atomkraftwerke mit insgesamt<br />
fast 50 Megawatt Leistung und zusätzlichen<br />
50 Versuchsreaktoren. Mittels<br />
dieser Technologie haben sie es geschafft<br />
ganze Landstriche zu vergiften.<br />
Tragischerweise befindet sich Fukushima<br />
auch noch in der Mitte zwischen<br />
den zwei großen Bernsteingebieten des<br />
Landes, den Präfekturen Chiba im Süden<br />
und Iwate im Norden. Kohaku ade!<br />
Das heißt übrigens „Tschüß Bernstein“<br />
und ist eine Mischung<br />
aus einem alten deutschen Abschiedsgruß<br />
und dem japanischen Wort für<br />
Bernstein; der genau genom<strong>me</strong>n gar<br />
kein Stein ist, sondern lediglich ein fossiles<br />
Harz. In der Präfektur Fukushima<br />
wird es wohl genügend Zeit und Ruhe<br />
geben, um Mücken in Harz einzuschließen<br />
und dieses zu Bernstein werden zu<br />
lassen. Auch der Onitsuka Kohaku ist<br />
bereits seit einiger Zeit im Handel zu<br />
haben und hat dadurch nichts von seiner<br />
schlichten Schönheit eingebüßt.<br />
Irgendwie haben es die Japaner im<strong>me</strong>r<br />
geschafft den Glanz aufrecht zu erhalten,<br />
trotz Abschottung weiter zu kom<strong>me</strong>n<br />
als andere – und sich nicht gänzlich<br />
auszurotten, obwohl der Freitod<br />
über hunderte von Jahren eine ehrenhafte<br />
Sache darstellte.<br />
Harakiri, Seppuku, Jigai und Kamikaze<br />
sind die häufigsten Begriffe für die<br />
Selbsttötung zur Erhaltung der eigenen<br />
oder Familienehre. Undenkbar für einen<br />
Wookie! Wäre ich nicht sicher auf<br />
der Erde gelandet, sondern hätte <strong>me</strong>in<br />
Raumschiff aus Absicht zerschellen<br />
lassen, wäre damit kein Stück <strong>me</strong>iner<br />
Ehre in irgendeiner Weise hergestellt<br />
worden. Im Gegenteil, <strong>me</strong>ine Mutter<br />
müsste sich fragen, warum sie mir das<br />
Lenken eines Raumkreuzers so beschissen<br />
beigebracht hätte. Ich zog es<br />
doch vor, <strong>me</strong>ine Notkapsel zu verwen-<br />
den und glitt in aller Ruhe vom Him<strong>me</strong>l<br />
in deutsche Lande, während <strong>me</strong>in<br />
Raumschiff als Sternschnuppe am<br />
Nachthim<strong>me</strong>l verglühte. Keine Trüm<strong>me</strong>r,<br />
kein toter Außerirdischer, kein<br />
Blut, welches irgendwann in Bernsteinen<br />
von mir gefunden werden könnte.<br />
Es wird die Zeit kom<strong>me</strong>n, in der nichts<br />
<strong>me</strong>hr so sein wird, wie es mal war. Wer<br />
weiß, ob Ihr Menschen nicht auch einmal<br />
durch Euer Blut in den vom Harz<br />
ers<strong>of</strong>fenen Mücken nachgebaut werdet?<br />
Das bisschen DNA einer bereits<br />
vergessenen Zeit als Basis für ein komplett<br />
neues Leben nach dem globalen<br />
Reset. Die Informationen aus ein paar<br />
Menschen, die nicht im Traum daran<br />
geglaubt hätten als ultimative Ureltern<br />
in die Geschichte der Welt einzugehen.<br />
Auf ein Neues<br />
Euer Schuhbacca<br />
Text und Foto: Miron Tenenberg<br />
SCHUHBACCA<br />
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