oliver rath weint death of youth they call me ... - proud magazine

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E s ist glaub ich Montag, als wir aus unserem lang andauernden Berliner Winterschlaf erwachen. Unser Büro stinkt. Silvester, die Küchenrakete, der Brand. Alles zieht sich. Mitte Februar und kein Ende in Sicht. Acht überdurchschnittlich fleißige und penible Türken renovieren unsere Wohnung, bezahlt von der Generali Versicherung. Ich mache Listen. Listen, was kaputt gegangen ist, was wir ersetzt haben wollen. Dann beginnen die Diskussionen. Erst mit unserem Makler. Dann mit dem Schadensprüfer. Dann wieder mit unserem Makler. Schließlich mit allen zusammen an einem Tisch - in einem stinkenden Zimmer. Ob wir denn noch arbeiten könnten, fragt der Prüfer, während er sich ekelnd versucht an einem vollgerußten Tisch etwas Platz zu verschaffen, um dort seinen Notizblock zu positionieren. Im Zimmer stinkts. Nein, antworte ich. Wir laufen auf lebens- EDITORIAL erhaltenden Maßnahmen. Ruß in der Lunge, Gestank in der Nase. 50 Tage ist der Brand her, wir haben alle unsere Tische (die aus Pappe waren) wegschmeißen müssen. Ein Gruppentisch aus Holz vom Vater unseres Grafikers ist übrig - hier sitzen wir gerade. Der Makler rollt mit den Augen. Der Prüfer macht Notizen. Dann beginnen die Fragen. Fragen nach unserer Kaffemaschine und dessen Alter, Fragen nach Originalrechnungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Summen und Saldenlisten - das erste Mal freue ich mich so richtig zwei Steuerberater zu haben. Es dauert nur wenige Stunden und wir sind fertig. Alle haben was sie wollten. Es wird sich darum gekümmert. Die beiden Schwulen unter den acht türkischen Handwerker wählen für uns den Küchenboden aus und spachteln die letzten noch so kleinen Löcher aus der Wand, dessen Tapete auf unseren Wunsch komplett entfernt wurde. Kurz bevor sie gehen, wird noch einmal jeder tropfende Wasserhahn gefixt. Fertig. Bis Mitte März dauert es bis Normalität im proud Büro eintritt. Dann muss »Die beiden Schwulen unter den acht türkischen Handwerker wählen für uns den Küchenboden aus« aber auch alles sofort. Büro sofort. Das ist das Stichwort. Regelmäßige Reinigungskraft einmal die Woche. Sofort. Neue Tische. Sofort. Hässliche, alte Computer weg. Alles unnütze Zeug weg. Sofort. Wir fühlen uns Wohl. Nicht nur dank des neuen Anstrichs. Nicht nur dank des neu eingeführten Blumen-Montags. Unser verschollenes Kind Valentin ist zurück aus dem Abenteuer Singapore, das er und seine als Arzt arbeitende Freundin Monate lang besuchte. Der neue Elan fördert neue Projekte. Projekte mit Axel Springer. Projekte mit Carlsberg. Projekte mit Schwarze Dose. Projekte mit Marlboro. Mit der Berlin Music Week und mit Bertelsmann (wir suchen Abiturienten mit 1er-Schnitt, also meldet Euch). Bitter nötig in einer Zeit, in der pro Monat ca. eine Person bei uns anruft und sich nach Anzeigenpreisen informiert. Trotzdem ist 2012 ein gutes Jahr. Die proud crowd wächst zusammen und temporäre Mitarbeiter gibt es nicht. Höchstens hier und da einen Praktikanten. Wir wollen das leben was wir machen und leben es. Festanstellung ist ein Thema. Krankenkasse. Sozialabgaben. Gehälter. Es pendelt sich ein und eröffnet ein neu- EDITORIAL 5
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