38 REPORT Illustration: Katharina Geier
EINE WUNDERVOLLE AUTOFAHRT E s war der 22ste Som<strong>me</strong>r in <strong>me</strong>inem Leben, vor 42 Jahren. Mit <strong>me</strong>inem knallorangefarbenen NSU Prinz 110 war ich auf der linksrheinischen Seite unterwegs, von Mainz nach Worms. Meinen vier Jahre älteren Bruder Kle<strong>me</strong>ns hatte ich eingeladen mitzukom<strong>me</strong>n. Eigentlich war es unlogisch, wollte ich doch eine Frau auf einem Weinfest treffen, die ich zwei Tage zuvor kennengelernt hatte, da konnte <strong>me</strong>in Bruder nur stören. Wie dem auch sei, aus irgendeinem oder keinem Grund hatte ich entschieden ihn zu fragen ob er mitkommt. Heute lache ich innerlich, weil ich weiß, dass er danach ungewollt, dadurch dass er dabei war, vielleicht sogar <strong>me</strong>in Leben gerettet hatte. Mein Hauptziel war das Weinfest, um dort eine Frau zu treffen, das wusste <strong>me</strong>in Bruder auch. Sie war etwas älter, als ich damals war. Ich schätzte sie auf 27 - 28 und <strong>me</strong>in Bruder war mit 26 ein smarter Mann, gut aussehend, und er hatte gute Mannieren. Was er nicht hatte, waren Erfahrungen mit Frauen. Voneinander wussten wir, dass wir etwa ein Jahr zuvor sexuelle Erfahrungen mit der gleichen Frau, zu verschiedenen Zeitpunkten gemacht hatten, und keine schlechten. Es war eben <strong>me</strong>ine Idee, ihn in die Liebesgeschichte, falls es eine werden sollte, einzubeziehen. Auf jeden Fall konnte er mir nützlich sein, deshalb wollte ich ihn vorführen. DIE ABENTEUR DES KOMETEN Ich h<strong>of</strong>fe, dass er nicht sauer ist, wenn er das hört. Laubenheim, Weisenau Ze<strong>me</strong>ntwerk, wir hatten unsere Heimatstadt in der unüblichen Richtung verlassen. Der grauen Vorstadt folgte der freie Blick auf den Rhein, linkerhand. In üblichen Ausflügen befand sich der Rhein rechterhand, dann folgten wir dem berühmten Rheinabschnitt Richtung Koblenz und Loreley, den wir als Segler, Radfahrer, Paddler, ich als Motorradfahrer, bevorzugten. Doch jetzt Freunde, zurück zu <strong>me</strong>inem Abenteuer. Diesmal ging es in Richtung Pfalz, Worms, Speyer aufs Weinfest, bei mir im<strong>me</strong>r ohne einen Tropfen Alkohol mit viel Lebensfreude. Der autobahnähnliche Abschnitt der Straße und die freie Strecke ließen eine sehr schnelle Fahrt zu. Wer oder was sollte uns in diesem Leben noch aufhalten. Gab es irgendein Problem? Nein. Ich war selbstständig mit einem kleinen Bilderladen, hatte Erfolg, Geld, ein Auto, ein Motorrad, konnte volltanken. Heute freue ich mich am Monatsende 10 € in der Tasche zu haben, das Auto gibt es schon lange nicht <strong>me</strong>hr. Damals vor 42 Jahren hatte ich vier wunderbare Brüder und dazu eine ein Jahr jüngere Schwester Maria. Der Fahrtwind blähte jetzt unsere Hemden und unserer Haare flogen. Im Rausch der Geschwindigkeit. Das Leben im Takt der Musik aus unseren Lautsprechern, die Strahlen der untergehenden Sonne auf der Frontscheibe, flogen wir dahin. Mitten in diesem Gefühl ka<strong>me</strong>n sie, schlichen sich in <strong>me</strong>in Gehirn und wollten nicht <strong>me</strong>hr gehen. Ka<strong>me</strong>n im<strong>me</strong>r wieder, auch wenn ich sie verscheuchte. Sie raubten mir den Platz in <strong>me</strong>inem Hirn, die Gedanken an einen ganz nahen Tod. Sollte beim nächsten Sonnenaufgang dein Leben Geschichte sein? Unmöglich, nichts, garnichts spricht dafür. Die Sonne zuckte noch, getaktet durch die Baumreihen am Straßenrand, ihr Leben für heute war vorbei, sie würde, wie Jahrmillionen zuvor morgen wieder aufgehen. Nein es waren 3,5 Milliarden Jahre. Unvorstellbar, wie der Gedanke, du wirst morgen nicht <strong>me</strong>hr sein. Mit dem dunkler werdenden Rot der Sonne und dem süß fauligen Geruch vermodernder Pflanzenteile, der von den abgeernteten Feldern herüberwehte, verstärkten sich die Gedanken und wurden heimisch. Meine Fahrweise hatte sich zusam<strong>me</strong>n mit <strong>me</strong>inen Gedanken verändert. Dies war auch <strong>me</strong>inem Bruder nicht entgangen. “Hey Bernhard! Gib Gas! Was ist los? Gibt´s was?? Wir wollen doch heute noch ankom<strong>me</strong>n.” Ja, ankom<strong>me</strong>n dachte ich, wo ankom<strong>me</strong>n..... “Deine Freundin wartet oder nicht?” “Sie wartet nicht”, antworte ich mir leise selbst, “sie ist nicht <strong>me</strong>ine Freundin”, führte ich <strong>me</strong>in Selbstgespräch weiter. Sie ist eine Frau, eine schöne Frau, vielleicht die, auf die ich gewartet habe. Sie wartet nicht, sie weiß nicht mal, dass ich zu ihr unterwegs bin. REPORT 39