Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe
Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe
Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe
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<strong>Sind</strong> <strong>denn</strong><br />
<strong>alle</strong> <strong>Ladies</strong>/<strong>Gaga</strong>/$<br />
Junge Frauen schreiben<br />
Schreibwerkstatt der Literarischen Gesellschaft <strong>Karlsruhe</strong><br />
mit Jagoda Marinic<br />
Reihe JUNGE LITERATUR<br />
Band 2
<strong>Sind</strong> <strong>denn</strong><br />
<strong>alle</strong> <strong>Ladies</strong>/<strong>Gaga</strong>/£<br />
Junge Frauen schreiben
Hrsg. von Hansgeorg Schmidt-Bergmann im Auftrag der Literarischen<br />
Gesellschaft <strong>Karlsruhe</strong> / Museum für Literatur am Oberrhein <strong>Karlsruhe</strong><br />
Redaktion<br />
Monika Rihm<br />
Gestaltung<br />
saydi | Satz & Design, Diana Sayegh<br />
www.saydi.de<br />
Druck<br />
Druckerei Stober, Eggenstein<br />
www.stober.de<br />
Druck mit freundlicher Unterstützung des<br />
Gewinnsparvereins Südwest e.V. <strong>Karlsruhe</strong><br />
Bildnachweis<br />
MLO, Michael Utz, Privat<br />
© 2011 Literarische Gesellschaft <strong>Karlsruhe</strong><br />
PnnzMaxPalais, Karlstraße 10, 76133 <strong>Karlsruhe</strong><br />
www.literaturmuseum.de<br />
Reihe JUNGE LITERATUR<br />
Band 2<br />
ISBN - 13: 978-3-930314-51-5<br />
Immer ein Gewinn.
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorworte 4<br />
Lena Petri:<br />
Frauenperspektiven 7<br />
Nicole Dürr:<br />
Die Maske 8<br />
Teil me Why 9<br />
Der Erlöser 9<br />
Jennifer Gress:<br />
Wer bin ich wirkliche 12<br />
Identität 12<br />
Fassade 13<br />
Zerbrechlich 14<br />
Mutter 15<br />
Naomi Greul:<br />
Lichter des Lebens 15<br />
Melissa Gruber:<br />
Halbleer 17<br />
Sultan Gümüsoluk:<br />
Bis ans Ende 19<br />
Verlust der weiblichen Seele 20<br />
Die Süchtige 21<br />
Das Fehlen meiner Gegenwart 21<br />
Dein Dreck 22<br />
Was fehlt mir 23<br />
Ihre Liebe 23<br />
Ein Alptraum 24<br />
Diana Krieger:<br />
8 Minuten Hoffnung 25<br />
Seiten 26<br />
Lena Petri:<br />
Gedanken an sie 27<br />
Die Lüge 27<br />
Selbstsein 27<br />
Wie(r) Frauen sind 27<br />
Große Verwirrung 28<br />
Im Wahn 29<br />
Ode an meine Schuhe 29<br />
Xenia Ratzel:<br />
Federleicht 30<br />
Possession 31<br />
Adina Spuller:<br />
Die Muse 32<br />
Logik 34<br />
Teresa Stay:<br />
Kopflos 36<br />
Marie Walther:<br />
Zeit 38<br />
Fotos 38<br />
Wie ein Kreisel 38<br />
Luisa Weiskopf:<br />
Verwirrt 39<br />
An IHN 40<br />
Für SIE 41<br />
Autorinnen 44<br />
Workshopleitung:<br />
Jagoda Marinic' 45
„<strong>Sind</strong> <strong>denn</strong> <strong>alle</strong> <strong>Ladies</strong> / <strong>Gaga</strong> / ?" - Eine Momentaufnahme<br />
Was denken und fühlen sie-die jungen Frauen<br />
des Jahres 201H Wie sieht die Erfahrungs<br />
und Lebenswelt von Mädchen und jungen<br />
Frauen heute ausi Was bewegt siei Welche<br />
Themen beschäftigen siei Welche Ängste<br />
treiben sie umi Wie definieren sie ihre Weib<br />
lichkeit, wo verorten sie sich
„<strong>Sind</strong> <strong>denn</strong> <strong>alle</strong> ladies gaga?"<br />
Die Frage gefiel einigen der Mädchen und jun<br />
gen Frauen unserer Gruppe. Auf Feminismus<br />
hingegen waren sie nicht gut zu sprechen.<br />
Was hat das noch mit uns zu tun, fragten<br />
siei Es war nicht an mir, diese Frage zu be<br />
antworten, an mir war es, diese Frage an sie<br />
zurückzugeben. Und „die <strong>Ladies</strong>", wie sie sich<br />
schnell selbst nannten, fingen an zu erzählen:<br />
Was sie bei sich sahen, was sie auf dem Schul<br />
hof sahen, in den Medien, bei ihren Müttern.<br />
Ich fragte nach den Vätern. Nach den Jungs<br />
im Schulhof. Die Antworten wurden kürzer.<br />
Schließlich sagte eine: Ich dachte, es geht hier<br />
jetzt um uns.<br />
Feminismus spielte also keine Rolle, aber die<br />
Frau dann doch. Sie wollten plötzlich nicht<br />
mehr über „Jungs" reden, schon gar nicht<br />
über „Männer". Sie wollten über Frauen re<br />
den. Und somit auch über sich. Sie gingen<br />
nach den knapp vier gemeinsamen Stunden<br />
zurück in ihre Welt, in ihre Wohnzimmer und<br />
Schulhöfe. Dort wurden aus den Fragen, die<br />
wir uns gestellt hatten, Antworten in Form<br />
von Texten. Nicht nur fand jede der Teilneh<br />
merinnen ihr Thema und ihre Geschichte,<br />
nein, sie fand auch ihre Form. Die Texte lan<br />
deten auf dem Blog, erzählten jeder auf seine<br />
Weise von einer Frau, vom Frausein, vom Be<br />
trachten einer Frau, vom Blick auf die Frau,<br />
von innen oder außen. Spiegel traten auf in<br />
den Geschichten, Selbstbespiegelungen, Ver<br />
zerrungen. Was ist das eigentlich, was wir da<br />
Frau nennend Und je mehr sie sich danach<br />
fragten, desto weniger wichtig wurde es. Die<br />
Gefühle, Erlebnisse und Ansichten traten in<br />
den Vordergrund. Das Gestalterische. Man<br />
hätte fast meinen können, das Thema Frauen<br />
spielte gar keine Rolle mehr, sondern erzäh<br />
len, denken, schreiben. Doch sobald ich ein<br />
Männerthema in die Runde warf, hieß es: Es<br />
geht hier doch um uns!<br />
<strong>Sind</strong> die ladies nun gaga oder nichts Ich hatte<br />
das Gefühl, sie waren weit mehr als „gaga".<br />
Wie sie da auf der Bühne des //zkm// stan<br />
den, auf der Konferenz Frauenperspektiven,<br />
wie sie ihre Texte vorlasen, jede auf ihre Art,<br />
wies für mich weit über das hinaus, was Lady<br />
<strong>Gaga</strong> und somit gaga ladies tun können. Lady<br />
<strong>Gaga</strong> kann sich verstecken, oder zeigen, was<br />
sie meint, was man zeigen muss, um diese<br />
Gesellschaft in Aufruhr zu bringen. Diese La<br />
dies können sich zeigen. Etwas von dem, was<br />
sie sehen und denken. Ohne Effekthascherei.<br />
Ohne Kalkül im Hinblick auf die Wirkung.<br />
Vielmehr waren sie bereit, welche Wirkung<br />
auch immer zu erzeugen; wie sie da auf der<br />
Bühne standen mit ihren Texten in der Hand<br />
und jeder Text sagte: Hier, das bin ich. Das<br />
seh' ich. Das schreib ich. Darüber lach' ich.<br />
Das ärgert mich. So mache ich Witze. So leb'<br />
ich die Welt. So atme ich Liebe. Dies gelingt<br />
nicht. Jenes will nicht ... Aber ich weiß es,<br />
ich reibe mich daran, will sagen: Ich stehe da,<br />
sehe und gestalte es. All das. In diesen Tex<br />
ten. Und dann auf der Bühne. So transparent.<br />
Offen, aber nicht wehrlos. Ausgeliefert und<br />
doch nicht schutzlos. Weil sie wissen, was sie<br />
tun. Wenn es immer so wäre, dann könnte<br />
der Feminismus wohlverdient in Rente gehen.<br />
Jagoda Marinic'<br />
5
Lena Petri<br />
Frauenperspektiven<br />
Es gibt nicht die eine Frauenperspektive<br />
hallo wir sind so viele.<br />
Wie soll's <strong>denn</strong> da die eine geben<br />
Zwischen Girlies, <strong>Ladies</strong> und den Diveni<br />
Wir beschreiben uns als verletzlich und stark,<br />
schüchtern und hart,<br />
als stolz und sensibel,<br />
hektisch und flexibel.<br />
Also weil es nun so viele<br />
Perspektiven<br />
gibt,<br />
lassen Sie uns keine Zeit verlieren<br />
einige zu präsentieren.
Nicole Dürr<br />
Die Maske<br />
Sie ist selbstbewusst und erfolgreich, der In<br />
begriff einer Karrierefrau. Männer lieben sie.<br />
Frauen schauen entweder zu ihr auf und be<br />
wundern sie oder verachten sie. Sie sieht gut<br />
aus. Um ehrlich zu sein sieht sie umwerfend<br />
aus. Selbst wenn sie es nicht wollte, würde<br />
sie aufgrund ihrer langen roten Lockenmäh<br />
ne und ihrer Sommersprossen überall auf<br />
f<strong>alle</strong>n. Und das weiß sie. Dieses Wissen hat<br />
sie schon zu Genüge ausgenutzt. Auch wenn<br />
dies arrogant wirken mag: Sie kriegt <strong>alle</strong>s und<br />
jeden, wenn sie es nur will. Das Beste ist, da<br />
für muss sie sich überhaupt nicht anstrengen.<br />
Der letzte prüfende Blick in den Spiegel.<br />
P-E-R-F-E-K-T. Die Mascara hebt ihre von Na<br />
tur aus langen Wimpern besonders hervor<br />
und sie betont geschickt mit einem auffälli<br />
gen Lidschatten ihre tief blauen, strahlenden<br />
Augen, in die sich schon einige Männer ver<br />
loren haben. Sie schafft es immer wieder, die<br />
Männer mit nur einem einzigen Blick scha<br />
renweise um den Finger zu wickeln und ih<br />
nen weiß zu machen, dass dieser Blick und<br />
ein flüchtiges Lächeln nur ihnen gilt. So auch<br />
an diesem Morgen, als sie auf dem Weg zu ih<br />
rem Büro ist. Schon kommt ihr ein Typ ent<br />
gegen, der ihr niemals zuvor aufgef<strong>alle</strong>n war,<br />
aber sie jedoch zu kennen scheint. Sie schenkt<br />
ihm ein flüchtiges Lächeln und stolziert in<br />
ihr Büro, wissend, dass die Blicke der Män<br />
ner sie verfolgen und sie sich keine Sorgen um<br />
ihre Mittagspause machen muss. Und sie hat<br />
Recht. Man könnte denken, dass die Männer<br />
vor ihrem Büro Schlange stehen. Wie immer<br />
sucht sie sich den Mann aus, der sie in das<br />
teuerste Restaurant einlädt. Wie immer gibt<br />
sie sich charmant, selbstbewusst und interes<br />
siert am Flirten. Zurück auf der Arbeit erntet<br />
8<br />
ihr Begleiter neidische, wütende, aber auch<br />
bewundernde Blicke. Männer! Sie sind so<br />
leichtgläubig auf das Äußere fixiert, bemer<br />
ken nie wie abwesend sie ist, während diese<br />
die ganze Zeit über sich, ihre Stärken und von<br />
ihrem Geld protzen.<br />
Wirkt Sie so auf Männer 1 ?- Denken sie, dass es<br />
so einfach ist, sie für sich zu gewinnen. Das<br />
sie so einfach ist"? Sie ist nicht an Geld und<br />
Aussehen interessiert. Wieso versteht das kei<br />
ner^ Frauen können bei Männern nicht er<br />
folgreich und schön gleichzeitig sein. Es gibt<br />
einmal die Karrierefrau, die nur an Geld und<br />
One-Night- Stands interessiert ist. Dann das<br />
wunderschöne Dummchen, das die Männer<br />
als Sexobjekt ausnutzen können und zuletzt<br />
noch die Hausfrau, die eine feste Beziehung,<br />
Kinder und einen Hund haben will. Män<br />
ner sind überfordert mit dem Typ Frau, der<br />
selbstbewusst, erfolgreich UND schön ist.<br />
Ausgelaugt schließt sie die Tür zu ihrem Loft<br />
auf, wirft ihre Handtasche auf die Couch und<br />
streift die High-Heels von den schmerzenden<br />
Füßen. Sie bleibt einige Minuten erschöpft<br />
mit geschlossenen Augen liegen. Dies ist ei<br />
ner der Tage, die ihr sehr zu schaffen machen.<br />
Sie ist müde. Müde von der Arbeit. Müde<br />
von den Männern. Müde davon, erfolgreich<br />
zu sein und immer <strong>alle</strong>n gef<strong>alle</strong>n zu müs<br />
sen. Diese Tatsache macht sie unglaublich<br />
wütend. Sie hat es satt immer perfekt sein<br />
zu müssen. Der Tag ist für sie gelaufen und<br />
deshalb beschließt sie sich in ihr Bett zu ku<br />
scheln mit einer Tafel Schokolade. Ihr Blick<br />
bleibt an ihrem Spiegel hängen. Diese Frau im<br />
Spiegel kommt ihr völlig fremd vor. Plötzlich<br />
überrollen sie ihre Gefühle, Müdigkeit, Zorn<br />
und Frust. Sie beginnt zu zittern nimmt den<br />
Spiegel von der Wand und wirft ihn schreiend<br />
zu Boden. Sie sinkt zitternd auf die Knie und<br />
beginnt zu weinen.
Teil me Why<br />
Sometimes I ask myself why<br />
Why I was too shy<br />
To say: "because I want it"<br />
Why I must make a choicei<br />
You force me to do it<br />
You force me to lacerate the heart<br />
You force me to keep only the memories alive<br />
It stays a feeling of guilt<br />
Because I was too shy<br />
To look into your eye<br />
And scream: "because I want it"<br />
I think about it every day<br />
Only lf I'm dreaming they stay<br />
They forget about me<br />
But all along I keep them into my heart<br />
finally<br />
I lost them in every way<br />
Because I wasn't able to say<br />
All and all<br />
Only the memories stay<br />
Der Erlöser<br />
Nach der Scheidung zog ich mit meiner Toch<br />
ter zu meinen Eltern. Es war keine einfache<br />
Scheidung. Ich weiß, dass es keine einfachen,<br />
schönen Bilderbuch- Scheidungen gibt, aber<br />
diese war mit einer Schlacht zu vergleichen.<br />
Ja man konnte es als einen Rosenkrieg be<br />
zeichnen. Die ganzen Jahre über dachte ich,<br />
dass wir eine glückliche Ehe führen würden.<br />
Bis zu dem Tag, als ich Tim, diesen Mistkerl,<br />
in Flagranti erwischt habe. Ich fühlte mich<br />
nicht gut und machte früher Feierabend. Und<br />
dann sehe ich ihn und ein junges Mädchen<br />
von maximal 20 Jahren in unserem Ehebett.<br />
Hätte er sich <strong>denn</strong> nicht traditionell ein Ho<br />
telzimmer nehmen könnend Es war so unge<br />
fähr hundertmal demütigender. Vor Gericht<br />
r<br />
h<br />
wollte ich ihm dafür soviel nehmen wie ich<br />
nur konnte. Und ich nahm ihm das wich<br />
tigste: Seine Tochter. Ich gewann das <strong>alle</strong>ini<br />
ge Sorgerecht und dieses Urteil brachte den<br />
„Krieg" ins Rollen. Ich konnte die Abneigung<br />
in seinem Gesicht sehen und auch den tief<br />
gründigen Schmerz hinter seiner Fassade, als<br />
hätte ich ihm sein Herz eigenhändig aus der<br />
Brust gerissen. Und dies befriedigte mich un<br />
gemein. Wenn ich damals nur gewusst hätte,<br />
was ich dadurch verursacht hatte ...<br />
Um ehrlich zu sein, wollte ich ihm nur weh<br />
tun, aber es war von meiner Seite aus nicht<br />
fair so zu handeln. Sophie ist unsere gemein<br />
same Tochter, sie braucht auch ihren Vater.<br />
Jetzt sehe ich es ein, damals tat ich es leider<br />
nicht.<br />
Als es endlich vorbei war, wollte ich nur noch<br />
meine Ruhe haben und entschied, zu mei<br />
nen Eltern nach Phoenix zu ziehen. Sie un<br />
terstützten mich rührend und nahmen mir<br />
in der ersten Zeit jegliche Arbeit ab. Aber ich<br />
fand keine Ruhe, weil Tim mir die ganze Zeit<br />
auflauerte. „Wann kann ich Sophie wieder se-<br />
9
heni", fragte er immerzu. Und meine Ant<br />
wort lautete: „Solange ich lebe NICHT! Ver<br />
schwinde endlich und lass uns in Ruhe oder<br />
ich besorge mir einen Gerichtsbeschluss!". Es<br />
vergingen einige Jahre. Bis zu Sophies sech<br />
zehntem Geburtstag hatten wir Ruhe vor<br />
ihm. Als ich die Tür öffnete, um weitere Ver<br />
wandte zu begrüßen, stand er da. Bevor ich<br />
irgendetwas erwidern konnte, rief Sophie:<br />
„Dad! Du bist gekommen!" und umarmte<br />
ihn. An diesem Tag wurde mir bewusst, dass<br />
Sophie ihren Vater brauchte und liebte. Bis<br />
her dachte ich, dass sie ihn hassen würde. Sie<br />
hatte mich die ganze Zeit nach der Scheidung<br />
getröstet und mit mir zusammen über ihn<br />
geschimpft. Wie konnte ich nur so blauäugig<br />
glauben, dass sie so dachte wie ichi Es ist im<br />
mer noch ihr Vater und natürlich liebt sie ihn<br />
trotz <strong>alle</strong>m. Ich verachtete mich selbst dafür,<br />
dass ich so egoistisch war und meinem Kind<br />
den Vater genommen hatte. In den folgenden<br />
Wochen fasste ich die Entscheidung mit Tim<br />
über das Sorgerecht zu sprechen.<br />
Aber dann folgte der schlimmste Tag meines<br />
Lebens. Es geschah an einem Freitag, als So<br />
phie und ich einen schrecklichen Streit hat<br />
ten. Sie wollte auf eine Party. Mit Alkohol<br />
und natürlich mit Jungs. „Du bist um 24.00<br />
Uhr wieder zu Hause!", sagte ich mit erns<br />
ter Stimme. Sie erwiderte genervt: „Die Party<br />
fängt aber erst um Zehn an, wie bescheuert<br />
ist das <strong>denn</strong>i" Und dann fügte sie etwas hin<br />
zu, das mir das Herz brach. „Das ist so unfair.<br />
Ich darf Dir die ganze Zeit zuhören und dich<br />
trösten wie du wegen Dad und der Scheidung<br />
rumheulst, ja, dafür bin ich alt genug, aber<br />
um auf eine Party zu gehen natürlich nicht.<br />
Hauptsache, du bist glücklich. Manchmal<br />
wünschte ich, ich würde bei Dad wohnen. Ich<br />
hasse dich!", schrie sie und knallte die Woh<br />
nungstür hinter sich zu und war verschwun<br />
den. Das war das letzte Mal, dass ich sie gese<br />
10<br />
hen habe. Sie kam an diesem Tag nicht mehr<br />
wieder. Ich begann nervös zu werden, dachte<br />
mir aber, dass sie bei irgendeiner Freundin un<br />
tergekommen war und ging schlafen. Ich ver<br />
suchte es, aber die ganze Nacht über tat ich<br />
kein Auge zu. Als sie an den darauf folgenden<br />
Tagen ohne ein Lebenszeichen wie vom Erd<br />
boden verschluckt war, wählte ich zitternd<br />
die Nummer der Polizei und meldete sie als<br />
vermisst. Jedoch war ich verwundert, als we<br />
nige Minuten später zwei Cops vor der Tür<br />
standen. Der Detective stellte sich mir als<br />
John Parker vor. Verwirrt sagte ich: „Ich habe<br />
doch erst vor wenigen Minuten bei der Polizei<br />
angerufen."<br />
Der Detective antwortete mit ernster Miene:<br />
„Neben ihrer Tochter sind drei weitere Kin<br />
der vermisst worden, was bisher nicht an die<br />
Presse gelangt ist. Und es gibt Übereinstim<br />
mungen sowohl im Verschwinden, den mög<br />
lichen Gründen oder der Lebenssituation der<br />
Vermissten. Es handelt sich um Kinder zwi<br />
schen 11 und 16 Jahren, deren Eltern geschie<br />
den sind und nach Streitereien verschwun<br />
den sind. Heute wurden zwei Mädchen tot<br />
aufgefunden." In diesem Moment fing mein<br />
Herz an zu rasen und ich dachte ich befän<br />
de mich in einem Alptraum. Ich wünschte es<br />
mir. Abwesend fragte ich: „Sie meinen, dass<br />
irgendein Irrer Kinder entführt und tötet, nur<br />
weil die Eltern geschieden sindi Das macht<br />
doch überhaupt keinen Sinn!". Was ich dann<br />
erfuhr, ließ mir das Blut in den Adern gefrie<br />
ren. „Wir ermitteln schon über einen längeren<br />
Zeitraum. Einige Vermisstenfälle, die genau<br />
diese Übereinstimmungen zeigen, reichen<br />
mehrere Jahre zurück, aber bis heute gibt es<br />
weder Lebenszeichen von den Vermissten<br />
noch Leichen. Wir gehen davon aus, dass es<br />
sich um einen Serienmörder handelt, der die<br />
Kinder nach einem genauen Zeitplan und<br />
System tötet. Den gefunden Kindern fehlten
sowohl das Herz als auch die Ohren", teilte<br />
mir John Parker vorsichtig mit. Mit einer mir<br />
fremden monotonen und zitternden Stimme<br />
sagte ich nur: „Oh mein Gott!". Nach eini<br />
gen Minuten Stille traf mich die Erkenntnis<br />
wie ein Blitz. „Mein Exmann...", murmelte<br />
ich, „Detective, vielleicht hat mein Exmann<br />
etwas mit dem Verschwinden meiner Tochter<br />
zu tun. Wo sollte sie auch anders sein nach<br />
einem Streit mit miri". Ich hielt mich an die<br />
sem Strohhalm fest. Ja, so absurd es klingen<br />
mag, ich hoffte, dass Sophie bei ihrem Vater<br />
ist, sei es freiwillig oder nicht. Diese Hoff<br />
nung starb jedoch sofort, als Tim mit einem<br />
vor Angst gequälten Gesichtsausdruck vor<br />
der Tür stand. „Die Hoffnung trübt das Ur<br />
teil, aber sie stärkt die Ausdauer", flüsterte<br />
Tim mir ins Ohr und nahm mich in den Arm.<br />
Ab diesem Zeitpunkt begann die Jagd gegen<br />
die Zeit.<br />
Ich kann nicht verstehen, wieso diese Men<br />
schen das ihren Kindern antun. Meine Be<br />
stimmung ist es, sie zu retten. Sie sitzt zit<br />
ternd auf dem Stuhl, endlich an einem<br />
sicheren Ort. Ich werde sie befreien von den<br />
Qualen und Schmerzen, wie die anderen. Zu<br />
erst muss ich dafür sorgen, dass diese Teufel<br />
das Mädchen nicht finden. Ich beschütze sie<br />
vor den seelischen Qualen. Nie mehr Streit<br />
anhören, nie mehr zwischen den Eltern ste<br />
hen und sich dafür verantwortlich fühlen.<br />
Und vor <strong>alle</strong>m nie mehr dieser Schmerz,<br />
wenn sie beide weggehen und dich <strong>alle</strong>ine<br />
lassen. Nein, ich beschütze sie. Ich weiß nur<br />
zu gut wie man sich fühlt. Eigentlich müss-<br />
te ich die Eltern bestrafen. So klappt das. Das<br />
war so wunderschön, als sich meine Eltern<br />
aneinander gekuschelt haben. Nein, sie ha<br />
ben sich nicht mehr gestritten. Ich habe ge<br />
schafft, was ich wollte. Aber deren Einsicht<br />
kam leider zu spät und deshalb musste ich sie<br />
bestrafen. Aber ich habe sie schön beerdigt.<br />
Zusammen. Hand in Hand. Mama in ihrem<br />
Hochzeitskleid und Papa ganz schick in sei<br />
nem Smoking. Wieso bin ich erst mit meinen<br />
30 Jahren darauf gekommen all die leidenden<br />
Kinder zu erlösend Aber besser spät als nie.<br />
Ich muss noch so vieles für die Erlösung von<br />
Sophie vorbereiten.<br />
Die Wochen verstrichen ohne Spuren oder<br />
Nachrichten von der Polizei. Meine Hoffnung<br />
wandte sich in Panik. Tim und ich suchten je<br />
den Tag von morgens bis abends nach unserer<br />
Sophie. Wir wussten nicht wo, aber wollten<br />
und konnten nicht tatenlos zusehen. Bis zu<br />
dem Tag, als sich <strong>alle</strong>s änderte. Es gab Augen<br />
zeugen, die sich auf die Aufrufe im Fernsehen<br />
und Radio meldeten. Endlich gab es Hinwei<br />
se und brauchbare Spuren, sodass ein Profil<br />
des Entführers erstellt werden konnte. Es war<br />
nicht viel, aber ein Anfang. Wie viel Zeit ha<br />
ben wir noch«?- Wie viel Zeit bleibt Sophie 1 ?- Es<br />
muss etwas passieren. Sonst... Nur der Ge<br />
danke daran ließ mir das Blut in den Adern<br />
gefrieren. Dieser Mistkerl muss einfach einen<br />
Fehler machen.<br />
Und er tat es. Jetzt war die Polizei am Zug.<br />
Alles ist vorbereitet. Die Erlösung kann be<br />
ginnen. „Du musst nie wieder leiden, So<br />
phie", sage ich lächelnd zu ihr und streichle<br />
ihr über die Wangen. Sie beginnt zu weinen.<br />
Freudentränen. Ich spüre wie auch sie sich<br />
nach der Erlösung sehnt. Zuerst segne ich sie<br />
mit Weihwasser aus der Kirche. „Gott wartet<br />
auf dich, du musst keine Angst haben", tröste<br />
ich das Kind. Ich lese ihr das „Vater unser" vor.<br />
Jetzt folgt das Wichtigste der Erlösung. Ich<br />
befreie sie von ihrem Schmerz. Die Ohren,<br />
11
damit sie niemals mehrStreit hören muss und<br />
das Herz, damit sie nie mehr diesen Schmerz<br />
fühlen muss, der einen innerlich zerreißt. Ich<br />
hole das Messer, das schon so viele Seelen be<br />
freit hat. „Nun wird auch deine Seele befreit<br />
und endlich Ruhe und Liebe finden", sage ich<br />
während ich das Messer mit Weihwasser seg<br />
ne. Es ist nun ein Werkzeug Gottes. Ihre Au<br />
gen weiten sich und ihr Körper beginnt sich<br />
zu winden. Das ist der Zeitpunkt, an dem all<br />
der Schmerz aus ihrem Körper weicht. Dies<br />
habe ich bei all den erlösten Seelen beobach<br />
tet. Es wird Zeit. Sie muss unglaublich unter<br />
ihren streitenden Eltern gelitten haben. Dies<br />
zeigen ihre herzzerreißenden Schreie, wäh<br />
rend ich sie von ihrem Herz, der Quelle <strong>alle</strong>r<br />
Qualen, befreien will. Als sie mit dem letz<br />
ten Schrei verstummt, schließe ich ihre Au<br />
gen und betrachte das Mädchen. Sie sieht so<br />
friedlich und glücklich aus. Dieses Mädchen<br />
scheint so unglaublich zerbrechlich zu sein.<br />
WEM hat sie das zu verdankend Ihren Eltern!<br />
Ihr habt sie innerlich zerbrochen. Und ich<br />
werde dafür sorgen, dass auch ihres tut!<br />
********<br />
„Oh mein Gott, Tim", schrie ich panisch und<br />
zeigte verstört auf einen zierlichen Mädchen<br />
körper. Die Ohren waren abgeschnitten und<br />
das Mädchen hielt sein Herz in beiden Hän<br />
den. Sekunden später fiel ich auf die Knie und<br />
kreischte: „Gütiger Gott, nein!" und klam<br />
merte mich an den leblosen Körper.<br />
12<br />
Jennifer Gress<br />
Wer bin ich wirklich?<br />
Bin ich der, zu dem du mich machst^<br />
Bin ich wirklich viel zu kleind<br />
Bin ich hässlich, weil du lachst^<br />
Ich verspreche, ich kann anders sein!<br />
Sag mir nur, wie du mich willst<br />
Ich will hier nicht auff<strong>alle</strong>n<br />
Pass mich an, wie du es willst<br />
So kann kein Gelächter mehr sch<strong>alle</strong>n<br />
Ich hab schon viel zu viel ertragen<br />
Wie sie mit dem Finger auf mich zeigen<br />
Es ist viel schlimmer, als zu schlagen<br />
Und bringt mich immer nur zum weinen<br />
Also bitte, bitte hilf mir doch<br />
Damit ichf s nicht mehr höre<br />
Sonst versinke ich in meinem Loch<br />
Ich nehm die Maske an, ich schwöre!<br />
Identität<br />
Was ich bin und was ich finde,<br />
Ist das, was ich wirklich ward<br />
Hab verloren diese Dinge<br />
Sehe vor mir nichts mehr klar.<br />
Was ich kannte, was ich will<br />
Macht hier und dort mehr keinen Sinn<br />
Verschwommen, unklar, kalt und still<br />
Weiß ich nun nicht mehr, wer ich bin.<br />
Ein Weg, der mir nun endlos scheint<br />
Verloren, was einst ist passiert<br />
Ein Wesen, das am Ende weint,<br />
Weil es seine Identität verliert
Fassade<br />
Holly war meine beste Freundin. Sie war<br />
mein Vorbild. Sie hat <strong>alle</strong>s erreicht, von dem<br />
manch andere Frau nur so träumte. Das Beste<br />
war, dass sie mich so mochte wie ich war. Sie<br />
wollte mich nicht ändern. Obwohl ich eine<br />
graue Maus war, machte es ihr nichts aus,<br />
wenn die Männer, die sie begierig begafften,<br />
über sie lachten, als sie mich hinter ihr ent<br />
deckten. Trotzdem war ich mit meinem Le<br />
ben zufrieden.<br />
Holly hatte <strong>alle</strong>s: einen Mann, der sie liebte,<br />
eine traumhafte Figur, einen Job, für den jede<br />
andere Frau sterben würde, ein luxuriöses<br />
Loft über den Dächern der Stadt. Es war kein<br />
Problem für sie, viel Verantwortung zu über<br />
nehmen und viel zu viele Dinge auf einmal zu<br />
tun. Sie erledigte <strong>alle</strong>s mit einer Perfektion,<br />
die man nur ihr zugetraut hätte. So hatte es<br />
zumindest den Anschein. Selbst ich war da<br />
mals davon so geblendet, dass ich nicht merk<br />
te, wie sie innerlich zerbrach.<br />
Heute mache ich mir keine Vorwürfe mehr.<br />
Ich habe mich damit abgefunden, dass nicht<br />
einmal ich, ihre beste Freundin, etwas hätte<br />
ahnen können. Sie war nun mal die Super-<br />
frau.<br />
Es war wieder einer dieser Tage, an denen<br />
Holly und ich gemeinsam frühstücken gin<br />
gen. Sie erzählte mir von ihrem neuen Auf<br />
trag, und mit welchen erfolgreichen Kunden<br />
sie dieses Mal zusammenarbeitete, während<br />
sie immer wieder auf ihre silbern glänzende<br />
Uhr schaute. Geduldig nippte ich an meinem<br />
Kaffee. „Schau mal * sagte Holly, „der da drü<br />
ben schaut dich die ganze Zeit so verträumt<br />
an", und deutete auf einen jungen Mann im<br />
Anzug. „Ach nein, der schaut doch auf dich",<br />
antwortete ich. Holly strich sich elegant<br />
durch ihr glänzendes Haar. Na wunderbar, sie<br />
merkt es nicht einmal. Sie flirtet mit ihm und<br />
hat keine Ahnung, was sie damit bei diesem<br />
Mann auslöst. Verstohlen schaute ich zu ihm<br />
rüber. Man konnte förmlich sehen, wie ihm<br />
die Zunge aus dem Mund hing. Angewidert<br />
blickte ich weg.<br />
Schon wieder schaut sie auf die Uhr. Hat sie<br />
noch einen Termini Oder warum sonst ist sie<br />
so hibbeligi<br />
Holly ist nie hibbelig.<br />
Und trotzdem zuckt ihr kleiner Finger unun<br />
terbrochen. Als ich sie genauer betrachte, fal<br />
len mir noch andere Dinge auf: Ihr Lidstrich<br />
ist nicht so präzise gezogen wie sonst, ein<br />
Knopfloch ihrer Bluse hatte sie übersprungen<br />
und ihre seidige Strumpfhose hatte eine Lauf<br />
masche. Sie hatte sogar vergessen, sich pas<br />
sende Schuhe anzuziehen, was für sie sonst<br />
immer der Weltuntergang war. Komisch,<br />
dachte ich. Spätestens hier hätte mir auffal<br />
len sollen, dass heute etwas anders ist. Ihr Lä<br />
cheln war auch nicht so natürlich wie sonst.<br />
Es sah so aus, als würden unsichtbare Fäden,<br />
wie die einer Marionette, an ihren Mundwin<br />
keln ziehen. „Holly, geht es dir heute irgend<br />
wie nicht gut 1 ?- Du machst den Anschein, als<br />
wärst du etwas durcheinander", fragte ich.<br />
13
„Nein, <strong>alle</strong>s wie immer", antworteten ihre<br />
Marionettenlippen, „wie kommst du nur<br />
darauR", und kramte in ihrer Handtasche.<br />
„Mist, ich hab den Vertrag zu Hause auf dem<br />
Tisch liegen lassen", fluchte Holly.<br />
Holly vergisst nie etwas.<br />
„Es tut mir leid, ich muss noch mal nach<br />
Hause. Es ist verdammt wichtig."<br />
Holly flucht nie.<br />
„Kein Problem", antworte ich, während Holly<br />
das Geld auf den Tisch legt und versucht, sich<br />
aus der Tischbank zu quetschen.<br />
Holly ist nie in Eile.<br />
Hektisch stolziert sie dem Ausgang entgegen,<br />
als sie mit ihrem 10-Zentimeter-Absatz in ei<br />
nem Loch hängen bleibt und fast stolpert.<br />
Holly stolpert nie.<br />
Zum Abschied hebt sie noch die Hand. Ich<br />
winke durch das Ciasfenster zurück. Und<br />
dann sehe ich es: Als sie glaubt ich sehe sie<br />
nicht mehr, verändert sich ihr Gesicht schlag<br />
artig. Ihre Fassade bröckelt. Eine Fassade, von<br />
der ich nie geglaubt hatte, dass Holly sie nö<br />
tig hat, fiel in diesen kurzen Sekunden wie al<br />
ter Putz von ihr ab.<br />
Mein Blick fiel auf den Sitz, auf dem sie ge<br />
rade gesessen hatte. Ihre makellose Aura<br />
schwebte noch im Raum. Da lag etwas. Es<br />
war der Vertrag, den sie in ihrer Eile glaubte<br />
vergessen zu haben. Kurzerhand stand ich<br />
auf und machte mich auf den Weg zu ihr.<br />
Ich sollte sie anrufen, dachte ich, wählte ihre<br />
Nummer und ließ es klingen. Doch sie nahm<br />
nicht ab.<br />
Holly nimmt immer ab.<br />
Nun kam in mir endlich das Gefühl hoch, das<br />
schon die ganze Zeit in mir aufkeimte. Hol<br />
ly ist nicht Holly und irgendetwas stimmt<br />
nicht mit ihr. Mich packte die Angst. Was ist<br />
nur mit ihr lösl<br />
ich stieg aus dem Taxi, rannte die verdammte<br />
Treppe hinauf. Warum muss sie nur so weit<br />
14<br />
oben wohnend Tränen rannen aus meinen<br />
Augen, wie automatisch. Als wüsste mein<br />
Herz etwas, das mein Verstand nicht zu be<br />
greifen vermochte.<br />
Ich hämmerte mit <strong>alle</strong>r Kraft gegen die Tür.<br />
„Holly! Holly", schrie ich, doch niemand<br />
schien zu Hause zu sein. Ich lauschte an der<br />
Tür. Doch, da war jemand drin. Ich hörte,<br />
wie etwas zu Bruch ging. Glas. „Verdammt,<br />
Holly, mach die Tür auf, ich weiß, du bist da<br />
drinnen." „Verschwinde", dröhnt es mir ent<br />
gegen, „ich halte das einfach nicht mehr aus!"<br />
Stille.<br />
Ein Knall. Ein Schuss^<br />
Zerbrechlich<br />
Es ist nicht nur Glas, das zerbrechen kann.<br />
Auch Porzellan oder Plastik. Oder auch Kno<br />
chen und Haut. All diese Schäden kann man<br />
aber auf die ein- oder andere Weise reparieren:<br />
Mit Kleber, UHU zum Beispiel, mit Schrau<br />
ben, Salbe, Verbänden. Sogar mit Nadel und<br />
Faden. Doch die Bruchstellen wird man im<br />
mer sehen können. Wo vorher etwas Reines,<br />
Klares, Ganzes war, wird von nun an etwas<br />
Kaputtes, Hässliches bleiben.<br />
Eine Narbe.<br />
Deshalb macht man sich meistens nicht ein<br />
mal die Mühe dieses Etwas zu reparieren, ge<br />
schweige <strong>denn</strong>, es zu behalten. Man kauft<br />
einfach etwas Neues oder tauscht es aus.<br />
Bei Verletzungen wird es schon schwieriger.<br />
In der Medizin ist man zwar schon so weit,<br />
dass man sogar ein Herz wechseln kann,<br />
doch die Narbe trägt man sein ganzes Leben<br />
mit sich herum. Sie ist ein Zeichen dafür,<br />
dass etwas kaputt war. Auch, wenn man sie<br />
manchmal nicht sehen kann, weil sie durch<br />
Kleidung verdeckt wird, weiß man trotzdem,<br />
dass sie da ist.
Aber es kann auch Verletzungen geben, die<br />
nicht den Körper betreffen, jedoch genauso<br />
schmerzen und Narben hinterlassen.<br />
Auf dieselbe Weise können Dinge zerbrechen,<br />
die mit den Augen nicht zu fassen sind und<br />
trotzdem ist es unmöglich, sie ohne Bruch<br />
stelle wieder zusammen zu kleben.<br />
Solche Wunden heilen meist nie, und auch,<br />
wenn man es schafft etwas zu ersetzen oder<br />
zusammen zu nähen, werden sie ein Leben<br />
lang bluten.<br />
Mutter<br />
Ich bin stark<br />
Oder scheine es nur<br />
Bin der Retter in der Not<br />
Von Angst keine Spur<br />
Bring <strong>alle</strong>s ins Lot<br />
Du vertraust mir<br />
Bin dein Fels in der Brandung<br />
Verantwortlich für eine sichere Landung<br />
Ich helfe dir<br />
Und bin ich manchmal noch so klein<br />
Wenn du mich brauchst, auch in der Nacht<br />
Werde ich an deiner Seite sein<br />
Ein Engel, der über dich wacht.<br />
Naomi Greul<br />
Lichter des Lebens<br />
Fast märchenhaft sah es aus, wie sich eine<br />
dünne Schneedecke über Dächer und Straßen<br />
legte, wie man in die Fenster der gegenüber<br />
liegenden Wohnungen schauen konnte und<br />
in Gedanken versank.<br />
Wenn ich so beobachtete, wurde mir seit lan<br />
gem erst wieder bewusst, dass diese Welt au<br />
ßerhalb der dicken Wände, hinter denen ich<br />
mich vergrub, nicht gemalt oder gezeichnet<br />
war, sondern dass sich hinter jedem Fens<br />
ter persönliche Geschichten verbargen. Man<br />
konnte Einblick nehmen in das Leben ande<br />
rer, Einblick in deren Freude, wie sie um den<br />
Weihnachtsbaum herum standen und san<br />
gen, in deren Wut, wenn man ein Fenster<br />
15
weiter schaute und sah, wie sich das junge<br />
Paar stritt und in die Trauer der Menschen die<br />
wohl nichts mehr Schönes, Liebenswertes in<br />
ihrem Leben sahen.<br />
Wenn man mich als einen Menschen im<br />
„Schaufenster" wahrnehmen würde, sähe<br />
man eine junge Frau der dritten Rubrik. Je<br />
doch sähe man sie nicht ganz hoffnungslos,<br />
da sich in ihrem Gesicht ihre Sehnsucht wi<br />
derspiegelte. Manchmal stand sie da zwei<br />
Stunden, manchmal einen Tag lang bis sich<br />
jedes Fenster verdunkelte und die Menschen<br />
für diesen Tag ihre Emotionen erst einmal ge<br />
nauso löschten wie das Licht in den Räumen,<br />
in denen ihr tägliches Leben stattfand.<br />
Man könnte mich als Zuschauer des Lebens<br />
bezeichnen, nach dem ich mich sehnte. Ein<br />
Leben voller Gefühle, die ich schon lange<br />
nicht mehr wahrnahm. Die einstmals so bun<br />
te Welt verlor an Farbe, Harmonie, als wür<br />
de man mir nach und nach den Lebenshauch<br />
rauben und mich als reglosen Körper einer<br />
Puppe zurücklassen.<br />
Was dies veranlasste geschah zur selben Jah<br />
reszeit vor einem halben Jahrzehnt.<br />
Ich war gerade in dem schwierigsten Alter,<br />
in der Entwicklung eines Mädchens zu ei<br />
ner Frau, in der Pubertät. Plötzlich sah ich die<br />
Welt mit neuen Augen, aus Perspektiven, die<br />
mich erschreckten, aus neuartigen, die mir<br />
Türen zu Gebieten öffneten, die mir wild<br />
fremd waren. Ich war mit mir beschäftigt als<br />
gäbe es niemand weiteren in meinem Leben.<br />
Nach der Schule verkroch ich mich in mein<br />
Zimmer und ließ mich bis zum Abendbrot<br />
nicht mehr blicken. Und wie ich mich ver<br />
änderte, taten es auch meine Eltern. Lautlos<br />
und trotz <strong>alle</strong>r Tatsachen nicht unbemerkt.<br />
Zwar sah ich meine Mutter lachen, wenn<br />
ich das Zimmer betrat, doch ihr Herz wurde<br />
16<br />
davon nicht berührt, <strong>denn</strong> es war das selbe<br />
Dauergrinsen, das sie aufsetzte, wenn sie aus<br />
Gefälligkeit über die Witze Fremder schmun<br />
zelte. Dabei funkelten ihre Augen weder wie<br />
bernsteinfarbene Krist<strong>alle</strong>, noch waren die<br />
Lachfältchen über ihren Wangenknochen<br />
zu erkennen. Ich konnte spüren wie sich die<br />
Last auf ihren Schultern häufte, sehen wie<br />
sich ihre Augen Tag für Tag verdunkelten und<br />
ihre Wangen schlaff herunterhingen, als wäre<br />
sie ohne Wasser durch die Wüste gewandert.<br />
Mein Vater griff immer öfter zur Flasche und<br />
sein Verhalten änderte sich dementsprechend.<br />
Es dauerte nicht lange bis er meiner Mutter<br />
gegenüber gewalttätig wurde. Auch hierzu<br />
schwieg man in meiner Familie, doch ich ver<br />
mutete es, es lag nahe. Eines Abends stand ich<br />
mit meinem Nachthemd bekleidet in der Kü<br />
chentür und sah sich diese Vermutung bestä<br />
tigen. Ich rannte so schnell mich meine Füße<br />
tragen konnten in mein Zimmer. Vor meinen<br />
Augen spielte sich in Dauerschleife die Szene<br />
ab, die ich eben mit ansehen musste. Zitternd<br />
vor Angst saß ich auf meinem Bett, unterle<br />
gen dem Gefühl, ich müsse meiner geliebten<br />
Mutter helfen. Doch ich sah mich machtlos<br />
wie ein Körnchen Staub im feurigen Auge<br />
des Geschöpfs, bedroht von seinem Atem,<br />
mich davon zu tragen, mich zu vernichten,<br />
als wäre es das einzige wofür man es auf die<br />
Erde schickte. Ein Krieg in mir brach aus, aus<br />
getragen zwischen Verstand und Gefühlen.<br />
Während mir die Tränen unaufhaltsam die<br />
Wangen herunter flössen, rannte ich auf die<br />
Straße in der Hoffnung, irgend jemand kön<br />
ne mir helfen. Dabei bemerkte ich zum ers<br />
ten Mal, dass ich ein sensibles, zartes Wesen<br />
war und wünschte mir, ein Teil des starken<br />
Geschlechts zu sein. Hinter mir stand unser<br />
starkes ockergelbes Sandsteingemäuer, das<br />
ich als Schutz empfand und das nichts von<br />
dem im Inneren Stattfindenden nach außen
hin durchdringen ließ. Erstmals, mit meinem<br />
Nachthemd und in Socken auf der eiskalten,<br />
nassen Straße stehend, konnte ich einen kla<br />
ren Gedanken fassen. Erstmals bemerkte ich<br />
das viele Leben hinter den Fenstern, die mir<br />
wie Schaufenster vorkamen, und unwissend<br />
wie mir geschah schrie ich sie an, um mir zu<br />
helfen. Meine Füße konnten mich nicht mehr<br />
halten. Ich sank zu Boden. Die Polizei kam.<br />
Krankenwagen.<br />
Stimmen nahm ich kaum wahr. Und nur<br />
Lichter konnte ich verschwommen erkennen.<br />
In den Fenstern wurden sie auch in dieser<br />
Nacht wie immer gelöscht, als wäre nichts<br />
geschehen, als würden mit der Dunkelheit all<br />
die Probleme der Menschen verschwinden.<br />
Manche Lichter erloschen in dieser Nacht für<br />
immer.<br />
Melissa Gruber<br />
Halbleer<br />
„Sei zufrieden mit dem, was du hast", flüsterte<br />
eine leise Stimme in meinem Kopf. Als hät<br />
te sie mich aufgeweckt, richtete ich mich im<br />
Schneckentempo auf. Schläfrig blinzelte ich<br />
einige Male. Es war bitterkalt hier, doch ich<br />
fühlte mich nicht unwohl. Die weißen, mus<br />
terlosen Fliesen bargen Erinnerungen in sich,<br />
wie es nichts anderes tat. Sie widerspiegelten<br />
meine Verzweiflung, meine Unsicherheit. Em<br />
schwindelerregendes Übelkeitsgefühl breitete<br />
sich in mir aus. Nicht schon wieder, nein, es<br />
durfte nicht noch einmal passieren. Ich muss-<br />
te es verdrängen. Die Stimme kehrte zurück.<br />
Zufriedenheit. Zufriedenheit... in meinem<br />
Kopf fuhren die wünschenswertesten Gedan<br />
ken Karussell. Doch gab es eine Möglichkeit,<br />
Menschen ewig zufriedenzustellend Ewig,<br />
das ist auch so ein Wort, das sich viele Men<br />
schen nicht erklären können. Zufriedenheit<br />
17
auf Ewigkeit ist ein schweres Ziel, ja, sogar<br />
fast unerreichbar. Letzteres war meiner Mei<br />
nung nach das Wahrscheinlichste.<br />
Wie konnte man vollkommene Zufriedenheit<br />
erlangend Diese gravierende Frage schwebte<br />
mir seit Monaten im Kopf herum und ließ<br />
sich nicht so einfach mit zwei Worten be<br />
antworten. Himmel, ich suchte seit Langem<br />
die perfekte Antwort. Zufriedenheit, Ewig<br />
keit und Perfektion. Diese drei Dinge schie<br />
nen die Menschheit zu beschäftigen. Es war<br />
so schwer, eine Lösung dafür zu finden, wie<br />
man die von Perfektion gestreifte, einen zu<br />
friedenstellende Antwort für die Ewigkeit<br />
entdeckte.<br />
Zitternd suchten meine Hände nach der Was<br />
serflasche und klammerten sich um sie. Was<br />
ser, das Nötigste zum Überleben. Manche<br />
Menschen tranken Unmengen Wasser, doch<br />
sie schafften es trotzdem nicht, den nächsten<br />
Atemzug zu tun. Ob es wohl an den Studien<br />
lag, weshalb unsereins dachte, Wasser sei das<br />
Wichtigste«?- Entschuldigung, es war definitiv<br />
nicht jeder davon überzeugt.<br />
Meine Flasche war noch halbleer. Ein halber<br />
Liter konnte mich mühelos einige Stunden<br />
18<br />
aufrechterhalten. Allein, wenn ich das klare,<br />
durchsichtige Wasser nur beobachtete, wie es<br />
immer eine gerade Oberfläche hatte, wie es<br />
dem Druck auswich, wenn man die Flasche<br />
an einem Punkt eindrückte, konnte ich mich<br />
erschreckend gut mit dem Lebensretter vieler<br />
Leute identifizieren. Ich wich auch dem aus,<br />
was mich belastete. Ich versuchte auch, mich<br />
auf einer psychisch geraden, aber doch posi<br />
tiven Ebene zu befinden. Wir Menschen ver<br />
suchen immer, <strong>alle</strong>s zu kontrollieren, <strong>alle</strong>s im<br />
Griff zu behalten und uns so gut wie nieman<br />
dem zu öffnen, <strong>denn</strong> das bedeutete wieder<br />
um Verletzlichkeit.<br />
Doch was passierte, wenn man den Deckel<br />
der Flasche abschraubtet Den Deckel, der al<br />
les stoppte, der den Ausbruch verhindertet<br />
Der vor beängstigender Leere schütztet Ich<br />
fürchtete, es gab keine andere Möglichkeit,<br />
als den Deckel früher oder später abzuneh<br />
men.<br />
Wenige Sekunden später ergab ich mich mei<br />
nem Schicksal und musste die letzten Augen<br />
blicke meines Lebens mit ansehen, dass mein<br />
Mageninhalt wie schon so oft in der ovalför-<br />
migen Toilette landete.
Sultan Gümüsoluk<br />
Bis ans Ende<br />
Es ist viel schwerer, als ich dachte.<br />
Dich in Wörtern zu beschreiben,<br />
verletzt mich einfach innerlich.<br />
Ist es <strong>denn</strong> nicht traurig dich so darzustellend<br />
Ich werde sie nicht überzeugen können.<br />
Ich werde ihnen nicht zeigen können,<br />
wie du mir das Glück schenkst,<br />
ohne von mir etwas zu verlangen!<br />
Denn sie werden mir nicht glauben,<br />
dass ich dir <strong>alle</strong> meine Gedichte gewidmet<br />
habe.<br />
Ist es <strong>denn</strong> so schwer all das einzusehend<br />
Sie zweifeln an dir.<br />
Du könntest mich nicht glücklich machen.<br />
Wissen sie <strong>denn</strong> überhaupt, wer du bistd<br />
Ich würde so gerne der Welt von dir erzählen,<br />
doch auch sie wird es nicht verstehen,<br />
dass du mir die Einsamkeit aus meinem Leib<br />
gerissen hast.<br />
Siehst du den Vollmondd<br />
Die Sterne verstecken sich vor uns.<br />
Siehst du, wie sich <strong>alle</strong>s im See spiegelt<br />
und wir auf dem Pier tanzen,<br />
bis sich mein weißes Kleid in dir verschleiertd<br />
Die Nacht gehört uns.<br />
Hörst du das Schellen der Wellend<br />
Sie erzählen uns Geschichten,<br />
die wir niemals verstehen werden.<br />
Wie soll ich ihnen nur beichten,<br />
dass du der Retter in Not bistd<br />
Derjenige, der mich von diesem Schmerz erlöste.<br />
Derjenige, der mich auffing, als ich von der<br />
Klippe sprang.<br />
Ich wünschte deinen Namen hier reinzu<br />
schreiben,<br />
damit sie endlich einsehen,<br />
dass ich dich nicht mehr vor ihnen verstecke!<br />
Doch ich kann nicht!<br />
Ich kann dich nicht hergeben.<br />
Es verletzt mich dich auf das Schlachtfeld zu<br />
schicken.<br />
Das kann ich dir nicht antun!<br />
Ich habe es mir versprochen dich nie wieder<br />
fortgehen zu lassen. Nie wieder!<br />
Ich kann Seiten vollschreiben<br />
und sie immer noch nicht überreden können,<br />
dass du unvergleichbar bist.<br />
Ich kann nicht Metaphern angeben,<br />
um deine Schönheit zu verdeutlichen!<br />
Das ist doch verletzend!<br />
Es fällt mir nur schwer<br />
dich auf weiße Blätter nieder zu lassen,<br />
wo du doch mich auf den Himmel herauflässt.<br />
Kann ich dir auch nur im Geringsten erklären,<br />
wieso ich jede Nacht leise weined<br />
Ist es <strong>denn</strong> nicht offensichtlich^<br />
Ich kann es nicht fassen, dass es dich wirk<br />
lich gibt!<br />
Du musst ein Traum sein. Ich lebe mit der<br />
Angst,<br />
dass du irgendwann verschwindest.<br />
Ich werde niemals aufhören über dich zu er<br />
zählen,<br />
bis sie es begreifen.<br />
Sie müssen es doch einfach endlich einsehen,<br />
dass du der einzige Beweis auf dieser großen<br />
Welt bist,<br />
der uns <strong>alle</strong>n versichert, dass es noch Hoff<br />
nung gibt!<br />
19
Soll ich dich jetzt wirklich mit dem Wort<br />
Glück darstellen 1 ?-<br />
Wie können sie so etwas von mir erwartend<br />
Ich wünschte nur eins, dass sie dich wirklich<br />
kennen würden.<br />
Dann wüssten sie, dass ich dich nicht beschrei<br />
ben kann. Unmöglich!<br />
Mir werden vier Seiten angeboten<br />
und dann verlangen sie von mir<br />
dich in diesem Umfang einzuquetschen!<br />
Ich kann nur von Glück reden,<br />
wenn es sich dabei um dich handelt.<br />
Es fiel mir schwer die unendlichen Tage <strong>alle</strong>ine<br />
zu verbringen.<br />
Diese Monotonie, diese Kälte an Sommerta<br />
gen, diese Stille, dieses tiefe Leiden.<br />
Und jetzt ist mir an Dezembertagen warm.<br />
Wenn es in Strömen regnet und donnert,<br />
scheint für mich die Sonne.<br />
Wie machst du dasi-<br />
Wie kannst du die Welt umdrehend<br />
Ich habe nicht mehr viele Zeilen übrig,<br />
doch immer noch will ich meine Gedanken<br />
loswerden.<br />
Dir ist es nie aufgef<strong>alle</strong>n, aber ich zittere,<br />
wenn ich dir in die Augen blicke. Du faszi<br />
nierst mich!<br />
Ich hoffe, dass du das hier einmal liest<br />
und sofort weißt, dass ich es war, die<br />
dir ihr Glück strophenweise aufschrieb,<br />
um den Menschen zu beweisen, dass<br />
die Einsamkeit für mich ausgestorben ist.<br />
Ich möchte ein weißes langes Kleid tragen.<br />
Dir das Jawort geben.<br />
Unsere Kinder aufziehen und ihnen erzählen,<br />
20<br />
wie das Schicksal uns gebunden hat.<br />
Jeden Morgen und Abend mit dir verbringen.<br />
Mein Grab neben deinem platzieren.<br />
Bis ans Ende mit dir verweilen!<br />
Verlust der weiblichen Seele<br />
Wieso bin ich verloren^<br />
Ich versuche den Weg wieder zu finden.<br />
Gehe neue Straßen. Sehe neue Strecken.<br />
Wieso bin ich immer noch verloren^<br />
Ich halte mich an dem Weg fest.<br />
Erklimme ohne zu zögern.<br />
Ohne einmal zurück zu blicken.<br />
Ohne Pausen. Ich f<strong>alle</strong> wieder runter.<br />
Wieso bin ich immer noch verloren«?-<br />
Ich versuche neue Straßen.<br />
Es ist so, als würde ich vergessen.<br />
Dann endet sie.<br />
Und ich muss wieder zurück. All die Schritte,<br />
umsonst.<br />
Wieso bin ich immer noch verloren 1 ?
Die neue Strecke hilft mir zu atmen.<br />
Ich weine nicht mehr.<br />
Ich öffne meine Augen. Ich denke.<br />
ich kann dich vergessen.<br />
Sie zerbricht.<br />
Ich muss kehren. Wieder dorthin, woher ich<br />
kam.<br />
Wieso bin ich immer noch verlorend<br />
Die Süchtige<br />
Der Grund ist doch nur derselbe.<br />
Du.<br />
Diese selbe Ursache.<br />
Ist es <strong>denn</strong> so schwer dich zu erlangend<br />
Ich frage mich nur, warum es so ist.<br />
Das Schicksal.<br />
Glaubst du <strong>denn</strong> darand<br />
Es verletzt mich dich gehen zu lassen.<br />
Wie kann ich dich nur loslassend<br />
Obwohl ich mir bewusst bin,<br />
dass du niemals mein wirst,<br />
halte ich dich an meiner Kette fest.<br />
Irgendwann wirst du flüchten,<br />
<strong>denn</strong> du gehörst nicht zu mir.<br />
Ich frage mich nur, wie kann ich dem werdend<br />
Wie lange kann ich dich noch in meiner Ge<br />
walt haltend<br />
Vielleicht ist die Zeit gekommen dich gehen<br />
zu lassen.<br />
Ich kann dich doch nicht zwingen mich zu<br />
lieben!<br />
Könnte ich es nur!<br />
Es tut einfach weh dich fort zu schicken.<br />
Warum kannst du nicht nachgebend<br />
Wieso kannst du keine Chance gebend<br />
Bist du zu sehr verletztd<br />
Was hat sie dir nur angetand<br />
Ich wünschte sie zu sein!<br />
Wie konnte sie dich verweigernd<br />
Wüsste sie, was ich <strong>alle</strong>s geben würde,<br />
um dich zu erlangen!<br />
Wieso kann ich nicht sie seind<br />
Es schmerzt zu sehen,<br />
dass du ihrs werden willst!<br />
Du gehörst doch zu mir!<br />
Wieso weinst du für sied<br />
Siehst du <strong>denn</strong> nicht,<br />
dass sie es nicht wert istd<br />
Sie könnte dich niemals so scheinen lassen,<br />
wie ich es tue.<br />
Wieso gibst du keine Chanced<br />
Hat sie dir nun auch deine Seele geraubtd<br />
Hat sie dich zu einem Monster gemachtd<br />
Wieso verliere ich immerd<br />
Das Fehlen meiner Gegenwart<br />
Deine Zukunft sollte ohne mich stattfinden.<br />
Deine Träume nahmen mich nicht auf.<br />
Du maltest dir die schönsten Wünsche aus.<br />
Und wo war ichd<br />
Du wolltest Familienvater werden.<br />
Kinder haben.<br />
Doch wen belügst du <strong>denn</strong>d<br />
Sie sollten nicht von mir sein!<br />
Reichtum war dein Ziel.<br />
In Geldscheinen schwimmen, Diamanten<br />
tragen.<br />
Du träumtest von Pelzen und Villen.<br />
Ich war dein Hausmädchen.<br />
21
Glücklich sein!<br />
Das wolltest du schon immer.<br />
Wieso hast du es nicht gesehend<br />
Warst du blindd<br />
Ich konnte es dir geben,<br />
aber deine Zukunft sollte ohne mich stattfin<br />
den!<br />
Nun bist du da!<br />
Hast du <strong>alle</strong>s erreichte<br />
Eine Familie mit vielen Kindern. Reich, wie<br />
Krösus.<br />
Fehlt dir da nicht etwasd<br />
Dein Dreck<br />
Wie willst du <strong>denn</strong> <strong>alle</strong>s wieder verbessernd<br />
Denkst du Gott zu seind<br />
Kannst du <strong>denn</strong> meine Gedanken löschend<br />
Kannst du die Vergangenheit zerstörend<br />
Wieso versuchst du den Guten zu spielend<br />
Hast du <strong>denn</strong> all das vergessend<br />
Erinnerst du dich nicht mehr an das Leidend<br />
22<br />
Du hast mich weinen lassen!<br />
Siehst du <strong>denn</strong> nicht die Tränen, die nicht<br />
mehr vergehend<br />
Hattest du mich nicht ausgenutztd<br />
Hattest du <strong>denn</strong> mich nicht mit deinem Ge<br />
rede aufgehaltend<br />
Ich frage dich!<br />
Du wusstest doch, dass ich rem war. Unbe-<br />
schmutzt!<br />
Wieso hast du mit einer Schuldlosen gespieltd<br />
Nun bin ich bedreckt mit deiner Schande!<br />
Hat es dir gef<strong>alle</strong>n Kinder zu kontrollierend<br />
Ich war zu jung. Zu hübsch.<br />
Hat es dir Vergnügen bereitetd<br />
Nun spielst du den Guten.<br />
Ich muss wieder <strong>alle</strong>s auf mich nehmen.<br />
Sie schauen mich an, als wäre ich ver<br />
schmutzt.<br />
Wieso sehen sie nicht, dass du es warstd<br />
Wieso denken sie, dass ich es gemacht habed<br />
Wieso bist du immer noch der Guted<br />
Und ich die Schlimmed<br />
Ich verbleibe unter deinem Dreck!
Was fehlt mir?<br />
Sie rauben mir meine Seele.<br />
Ich kann nicht mehr atmen.<br />
Wieso hörst du mich nichts<br />
Ich lass mich von der Brücke f<strong>alle</strong>n.<br />
Sehe, wie meine Tränen austrocknen.<br />
Wieso bist du nicht hieri<br />
Du bist Meilen entfernt.<br />
Würdest du je kommen,<br />
um mich hier rauszuholen^<br />
Würdest du mich <strong>denn</strong> rettend<br />
Niemals.<br />
Auch wenn ich hier ersticke,<br />
verblute,<br />
wegen deiner Liebe verdurste,<br />
würdest du niemals kehren.<br />
Ich würde Jahre auf dich warten.<br />
Würdest du je eine Chance gebend<br />
Würdest du mich aufhebend<br />
Ich erfriere hier ohne dich.<br />
Du gibst niemandem Gelegenheiten<br />
dich je anzufassen.<br />
Er erscheint unerreichbar zu sein.<br />
Kostbar.<br />
Dein Wert steigt mit jedem Schmerz,<br />
den du mir einstichst.<br />
Ich höre nur noch Schreie,<br />
die mich verfolgen.<br />
Die Ecke hat mich eingesperrt.<br />
Ich kann nicht mehr fliehen.<br />
Wieso holst du mich nicht rausi<br />
Ich will doch nur zu dir.<br />
Jeder weitere Atemzug schmerzt.<br />
Meine Augen brennen.<br />
Die Worte kommen nicht mehr hervor.<br />
Seit wann schluchze ich Schöna<br />
ich flehe dich nun an.<br />
Mein Stolz ist gesunken und zertreten.<br />
Ich schwöre dir zu gehorchen.<br />
Würdest du mich doch zu dir nehmen!<br />
Würdest du doch mich lieben.<br />
Was habe ich nicht, was sie hati<br />
Was fehlt mir^<br />
Ihre Liebe<br />
Ich wünschte dich kennen gelernt zu haben,<br />
bevor du von uns gingst.<br />
Deinen Namen von deinen Lippen zu lesen,<br />
bevor du auf der Notstation lagst.<br />
Diese große, warme Hand zu schütteln,<br />
bevor sie die Regenerierung durchführten.<br />
Ich wünschte deine zarte Umarmung,<br />
bevor dein Herz still stand.<br />
Nur einmal diesen Kuss zu spüren,<br />
bevor ich diesen durchgehenden Ton hörte.<br />
Denselben Ring zu tragen,<br />
bevor ich ihr Bedauern in ihren Augen sah.<br />
Deine Kinder auf diese Welt zu bringen,<br />
bevor ich eine Trauerrede verfassen musste.<br />
Mit dir im Grab zu liegen,<br />
bevor du mich als Erster verließt.<br />
23
Ein Alptraum<br />
Heute ist sie wieder deine Spielfigur, deine<br />
Marionette. Geschmückt, geschminkt und ge<br />
spielt. Sie ist bloß deine Silhouette, die ver<br />
sucht ans Rampenlicht zu kommen. Eine zier<br />
liche, hilflose Frau, die keinen Ausweg mehr<br />
sieht und sich auf falsche Wege begibt. Sie<br />
lacht sich über deine sinnlosen, demütigenden<br />
Witze kaputt nur damit du einsiehst, dass sie<br />
dir zuhört. Sie erduldet deinen widerlichen<br />
Mundgeruch und traut sich nicht, sich über<br />
deine schlechte Hygiene zu beklagen. Sie<br />
merkt von Tag zu Tag, dass sie einen Heuchler<br />
geheiratet hat, der sich einen Dreck um seine<br />
Kinder kümmert. Neben Freunden lächelt sie,<br />
weil sie befürchtet, dass diese inszenierte Lie<br />
be zwischen dir und ihr auff<strong>alle</strong>n könnte. Sie<br />
bügelt deine Hemden, wäscht deine drecki<br />
gen Anzüge und kocht das Feinste für dich.<br />
Alles, was du ihr bieten kannst, ist „nichts".<br />
Sie vergisst sich dabei selbst. Sie ist älter ge<br />
worden. Graue, ungekämmte, fettige Haare.<br />
Viele Falten. Total eingeengt und geängstigt.<br />
Und trotz <strong>alle</strong>m willst du sie berühren nur<br />
weil du damit deinen Trieb befriedigst. Deine<br />
Kinder schauen nicht mehr zu dir auf. Jedes<br />
Mal wenn du zu spät nach Hause kommst,<br />
weiß sie eigentlich ganz genau, wo du warst.<br />
Bei ihr. Du bevorzugst eine billige Imitation,<br />
die dich für dein Geld liebt. Manchmal macht<br />
sie sich hübsch und deckt herzlich den Tisch,<br />
weil sie niemals die Hoffnung aufgibt. Nie<br />
mals! Jeden Morgen vor dem Spiegel sagt sie:<br />
„Für meine Kinder!" Doch du marschierst hin<br />
ein und blickst nicht zu ihr; schmeißt dich auf<br />
die Couch und schaltest den Fernseher an. Sie<br />
erbleicht neben dir und wirkt unsichtbar. Ales,<br />
was ihr teilt, ist das Bett. Gefällt es dir, sie zu<br />
schlagend Ihr Gesicht so sehr zu verunstalten,<br />
bis sie nicht mehr wieder zu erkennen ist. Ist<br />
das ein schönes Gefühl, sie zitternd auf dem<br />
24<br />
Boden zu sehen, während deine Kinder in einer<br />
Ecke um ihre Mutter weinen und dich bitten,<br />
aufzuhören. Auf sie emprügeln kannst du am<br />
besten, <strong>denn</strong> etwas anderes besitzt du nicht.<br />
Weder Barmherzigkeit, noch Gefühle. Wie<br />
schaffst du dasi Du musst wirklich ein guter<br />
Schauspieler sein. Neben Anderen verwandelst<br />
du dich plötzlich in den liebevollen, verständ<br />
nisvollen Ehegatten. Und sie läuft immer ne<br />
ben dir, wie ein Hund neben seinem Besitzer.<br />
Eines Tages wird sie <strong>alle</strong>s hinter sich lassen, das<br />
hat sie sich geschworen. Ihre Kinder an den Ar<br />
men packen und zu ihrer Mutter flüchten. Sie<br />
sollte doch nicht so enden. Als kleines Mädchen<br />
träumte sie davon Lehrerin zu werden. Sie lieb<br />
te es schon immer, sich um Kinder zu sorgen.<br />
Ihr Vater versprach, sie immer zu beschützen,<br />
egal was auch kommen mochte, aber wo war<br />
er dann. Alles, was sie besaß, waren ihre zwei<br />
Kinder, die unter <strong>alle</strong>m litten. Sie wollte doch<br />
nur, dass sie eines Tages erfolgreich werden. Sie<br />
sollten studieren, was sie nicht tat, obwohl sie<br />
doch die Möglichkeit hatte. Und jeden Abend<br />
wischt sie sich eine weitere Träne weg und malt<br />
sich ein Lächeln auf. Sie weiß, länger kann sie<br />
das nicht mehr ertragen. Seine Zigarette, die er<br />
immer wieder im Wohnzimmer anzündet, ge<br />
nießt er in vollen Zügen, während er sich noch<br />
die eine Flasche Bier runterkippt. Sie bekommt<br />
nicht einmal das nötige Geld, um Nahrung für<br />
ihre Kinder zu besorgen. Schon seit Jahren hat<br />
sie dieselben Kleider an, die schon ziemlich ab<br />
genutzt aussehen. In ihren Träumen sieht sie<br />
sich mit Tom und Tina. Alle drei sind beieinan<br />
der. Sie halten sich Hand in Hand und drehen<br />
sich dabei im Kreis herum. Sie erwacht und<br />
wünscht, es wäre kein Traum gewesen. Der<br />
Wecker klingelt, wie immer um fünf. Ein wei<br />
terer, schrecklicher Tag erwartet sie. Ja, manch<br />
mal da denkt sie an den Tod, aber sie will nie<br />
manden zurücklassen müssen. Wann wird sie<br />
aus diesem Alptraum erwachend
Diana Krieger<br />
8 Minuten Hoffnung<br />
Viele Leute tummelten zu dieser Zeit auf dem<br />
Bahnhof. Redend, lachend, wartend, voller<br />
Zuversicht, dass <strong>alle</strong>s so sein würde wie jeden<br />
Tag. Minuten verflogen und die Menschen<br />
masse, welche den Bahnhof wie eine Armee<br />
unwissender Zinnsoldaten besetzte, nahm<br />
ab. Sie stieg in den Bus mit der Aufschrift ih<br />
res Wohnortes und setzte sich auf die rechte<br />
Seite, von wo aus sie die Bahngleise gut im<br />
Auge behalten konnte. Der Monitor, welcher<br />
die Ankunftszeiten verschiedener Bahnen<br />
anzeigte, war um diese Zeit immer dicht be<br />
schrieben. Sie erschrak, als eine neue Infor<br />
mation eingeblendet wurde.<br />
Noch 8 Minuten.<br />
Warum verging die Zeit so langsam^ Sie hätte<br />
sich nicht auf die Zeit konzentrieren dürfen.<br />
Sie hätte sich ablenken müssen. Hinter ihr<br />
unterhielten sich zwei Frauen, doch so sehr<br />
sie versuchte dem Gespräch zu folgen, desto<br />
schlimmer wurde der Drang sich zu vergewis<br />
sern, dass die Bahn noch nicht eingetroffen,<br />
geschweige <strong>denn</strong> die Zeit überhaupt verstri<br />
chen war. Und so wagte sie einen Blick auf<br />
die Anzeigetafel, um es danach jedoch wieder<br />
zu bereuen.<br />
Noch 6 Minuten.<br />
Ihre Handflächen fühlten sich fremd an. Sie<br />
warf einen Blick darauf. Kleine Bäche aus<br />
Schweiß rannen die Innenflächen ihrer Hän<br />
de herab und tropften auf das schwarze T-<br />
Shirt. Normalerweise schwitzte sie nicht so.<br />
Auch nicht, wenn sie darauf hoffte, ihn aus<br />
der Bahn heraus über den Bahnhof schlen<br />
dern zu sehen. Sie bewunderte die Ruhe,<br />
die er ausstrahlte. Vermisste den Druck sei<br />
ner starken Arme, wenn er sie umarmt hat<br />
te. Lange Zeit war das nun her, doch der<br />
Schmerz, damit konnte sie nicht umgehen.<br />
So waren Männer. Kalt, herzlos, servierten<br />
ab, wenn ihnen etwas oder jemand nicht ge<br />
fiel. Aber ihm gab sie nicht die Schuld, nein,<br />
er war ein Engel. Amor höchstpersönlich.<br />
Noch 3 Minuten.<br />
Und nun saß sie da, wie jeden Tag und hoffte<br />
darauf, er möge ihr verzeihen, sie zurückneh<br />
men. Alles würde sie dafür tun. Ein kleines<br />
Kind voller Hoffnung, die in einer Begegnung,<br />
einem Augenblick lag.<br />
Noch 2 Minuten.<br />
Sie zog den neuen i-Pod aus der Tasche und<br />
versuchte abzuschalten, während, sie ziellos<br />
durch Listen streifte und hoffte, die Zeit wür<br />
de schneller vergehen.<br />
Noch 1 Minute.<br />
Das Fenster war fleckig, doch das störte sie<br />
nicht. Ihr Blick huschte zwischen Monitor<br />
und Bahngleisen hin und her. Vorfreude und<br />
Hoffnung schnürten ihr die Luft ab, als der<br />
Monitor seinen letzten Kommentar abgab.<br />
Sofort.<br />
Sie sah die gelbe Bahn um die Ecke biegen<br />
und suchte daraufhin eine junge, sportliche<br />
Statur mit unvergesslich blauen Augen und<br />
karamellfarbenen Haaren.<br />
25
Ja!<br />
Sie glaubte ihr Herz mache Sprünge und sie<br />
selbst hätte es in einer unkomplizierteren<br />
Welt auch getan. Sie beobachtete <strong>alle</strong> Leu<br />
te, die auf der Suche nach Sitzplätzen den<br />
schmalen Gang im Bus entlang an ihr vorbei<br />
liefen.<br />
Er stieg ein. Seme Jacke war offen. Er kam<br />
näher. Wie ein Stalker bist du, schoss es ihr<br />
durch den Kopf, aber dadurch ließ sie sich<br />
nicht beirren.<br />
„Hi", brachte sie zitternd heraus. Voller Hoff<br />
nung.<br />
Er sah sich um auf der Suche nach der Stim<br />
me und bemerkte sie schließlich. Seme Au<br />
genbraue schoss in die Höhe, wie eine Fremde<br />
sah er sie an. Dann schulterte er seine Schul<br />
tasche richtig, straffte die Schultern und stol<br />
zierte wie ein Schwan, dessen Ehre ruiniert<br />
worden war davon und ließ ein seelenloses<br />
Mädchen ohne Hoffnung hinter sich zurück.<br />
26<br />
Seiten<br />
Sie nimmt den Würfel in die Hand, betrach<br />
tet ihn von <strong>alle</strong>n Seiten.<br />
Eine zwei. Sie würde Nina schlagen.<br />
Eine eins. Sie wäre nur noch wenige Schritte<br />
vom Ziel entfernt.<br />
Eine vier. Verfluchte Zahl.<br />
Eine fünf. Sie würde sich ärgern, keine sechs<br />
zu haben.<br />
Eine drei. Vanessa müsste büßen.<br />
Sie schmunzelt.<br />
Eine sechs. Sie würde es ihnen zeigen.<br />
Der Würfel fliegt vom Tisch. Alle Aufmerk<br />
samkeit richtet sich auf den Gegenstand.<br />
Wie simpel es doch ist!<br />
Wie die Seiten eines Würfels.<br />
Sie blickt in die Runde und beginnt zu lachen.<br />
„Mich schafft ihr nicht!"<br />
Sie verlässt den Raum und vier Augenpaare<br />
folgen ihr stillschweigend und kaum verwirrt.<br />
Der Würfel zeigt eine sechs.
Lena Petri Die Lüge<br />
Gedanken an sie<br />
Immer war ich die Eine<br />
es gab einfach keine,<br />
keine die du mehr lieben könntest.<br />
Mein Lachen hat dich verrückt gemacht,<br />
ich hab so gern für dich gelacht.<br />
Meine Augen warn die <strong>alle</strong>rschönsten,<br />
und du hast sie zum funkeln gebracht.<br />
Bis zu dem Tag an dem wir sterben,<br />
hast du mir geschworen<br />
und mich empor gehoben<br />
in die Wolken.<br />
Du hast mich erst komplett gemacht,<br />
und ich hab gedacht,<br />
dass du recht hast,<br />
wenn du sagst, dass nur wir zusammenge<br />
hören,<br />
nichts und niemand könnt unsere Liebe zer<br />
stören.<br />
Dass du so lügen<br />
so verdammt verletzten und betrügen<br />
könntest,<br />
hätt' ich nie gedacht.<br />
Ich hab gelesen was du ihr geschrieben hast<br />
letzte Nacht<br />
und es bringt mich um.<br />
Ich hab gedacht es gab nur dich und mich<br />
und jetzt sind wir nichts^<br />
Jetzt lässt dich ihr Lächeln schmelzen.<br />
Ihre Augen faszinieren dich jetzt.<br />
War ich dummi<br />
Verdammt warurni<br />
Warum hab ich dir geglaubt^<br />
Ist jetzt sie die Frau fürs Leben<br />
und wär sie es jetzt wert, <strong>alle</strong>s zu gebend<br />
Dein Leben.<br />
Dein Herz.<br />
Gehört es jetzt ihri<br />
Du bist ein Lügner,<br />
ein Betrüger.<br />
Ich wünscht' ich wäre klüger.<br />
Hätte erkannt,<br />
dass ich mich in dir verrannt,<br />
mich in dir getäuscht habe.<br />
Wie kannst du sagen, dass du mich liebst,<br />
mir in meine hoffnungsvollen Augen siehst<br />
und mich dann wieder belügst?<br />
Wie kannst du mich verletzten<br />
und dann behaupten,<br />
ich wär' durch niemand zu ersetzend<br />
Es tut so weh<br />
ich schrei „Geh!"<br />
Das nächste Mal lüg deine Wand an,<br />
die hat keine Gefühle<br />
und die merkt sie auch nicht...<br />
die Lüge.<br />
Selbstsein<br />
Eigentlich bin ich müde<br />
und darum will ich nicht hier sein.<br />
Eigentlich ist mir langweilig<br />
und darum würde ich gern gehen.<br />
Eigentlich hab ich nichts zu sagen<br />
und darum will ich grad nicht reden.<br />
Eigentlich liebe ich dich nicht<br />
und darum will ich dich nicht mehr seh'n.<br />
Eigentlich bin das nicht ich<br />
und darum wäre ich gern ich selbst.<br />
Wie(r) Frauen sind<br />
Ist es nicht schwer eine Frau zu seini<br />
Könnte man sich fragen.<br />
Viele sagen,<br />
was sie fühlen,<br />
27
was sie denken:<br />
Ja.<br />
Doch man muss auch mal unterstreichen,<br />
dass die meisten,<br />
nicht tauschen wollen.<br />
Also frage ich mal mich und dich und Sie.<br />
Was macht uns besonders«?<br />
Was unterscheidet uns von ihm«?<br />
Von <strong>alle</strong>m äußerlichen mal abgesehn,<br />
(Frauen sind besonders schön),<br />
sollten wir es nicht missachten,<br />
die inneren Werte genauer betrachten.<br />
Frauen und Technik, hört man ihn sagen<br />
und klagen,<br />
dass wir auf dem Gebiet so völlig unbegabt<br />
sind.<br />
Aber mal ehrlich.<br />
Denkt ihr wirklich wir wären nicht fähig"?<br />
Nein.<br />
Aber es war doch gemein<br />
euch zu zeigen, dass ihr doch nichts wirklich<br />
besser könnt.<br />
Statt dessen lehnen wir uns gemütlich,<br />
zurück und demonstrieren wie vorzüglich<br />
ihr den Nagel in die Wand schlagen könnt.<br />
Desweiteren ein Vorurteil,<br />
wenn Frauen Einparken bleibt nichts heil.<br />
Ist es schon zu viel verraten,<br />
wenn ich sage, dass:<br />
Immer wenn keiner hinschaut klappts.<br />
Noch eines liegt mir sehr am Herzen,<br />
nämlich ein für <strong>alle</strong> mal zu klären,<br />
wie das mit der Sprache ist.<br />
Es ist nicht so schwer zu verstehen,<br />
dass wenn wir ja sagen, nein vielleicht mei<br />
nen<br />
und wenn wir nein sagen, aber ja sicher sind.<br />
Und wir wissen, dass wir schlank sind,<br />
aber weil ihr selbst nie drandenkt,<br />
uns das zu sagen,<br />
scheuen wir uns nicht zu fragen.<br />
Eine Frau zu unterschätzen,<br />
28<br />
war ' somit das <strong>alle</strong>rletzte,<br />
wovor ich <strong>alle</strong> Männer warne.<br />
Denn wir sind schlau<br />
und wissen genau,<br />
dass ihr das oft nicht denkt.<br />
Und dann mit dem zu spielen,<br />
macht vielen<br />
einfach unheimlich Spaß.<br />
Große Verwirrung<br />
Es ist ein komisches Gefühl,<br />
kühl, schwül,<br />
luftleerer Raum.<br />
Ich mittendrin,<br />
ich lass mich treiben<br />
brauch nicht eilen<br />
darf verweilen.<br />
Einfach mal das Nichts genießen,<br />
vor Faulheit triefen,<br />
ohne Tiefe,<br />
flach.<br />
Doch schon nach wenigen Sekunden,<br />
ist es überwunden<br />
dieses Nichts.<br />
Und es ist gefüllt von schwer'n Gedanken,<br />
die mich greifen und verankern,<br />
die mich quäl'n.<br />
Und es ist ein komisches Gefühl,<br />
kühl, schwül,<br />
große Verwirrung.<br />
Ich mittendrin,<br />
soll mich entscheiden<br />
schnell, schnell, eilen,<br />
nicht verweilen.
Einfach mal ein Ziel aufschreiben,<br />
mich entscheiden,<br />
es erreichen,<br />
fertigt<br />
Das soll's jetzt gewesen seini<br />
Na fein.<br />
Das wird so nicht passieren,<br />
sonst werd' ich unzufrieden.<br />
Genau wie ihr es seid.<br />
Und ihr tut mir leid.<br />
Im Wahn<br />
Ich muss schon wieder schreiben,<br />
was ich denke, was ich fühle, was ich bin.<br />
Es macht keinen Sinn,<br />
aber scheiß drauf,<br />
ich schreib's hin,<br />
Schreib auf, was mein Kopf mich zwingt zu<br />
sagen,<br />
keine Fragen,<br />
lässt er zu.<br />
Voll im Wahn.<br />
vercheckt, ohne Plan.<br />
Wörter im Kopf,<br />
nette und fiese.<br />
Und ich krieg' die Krise.<br />
Ich krieg' die Krise,<br />
wenn 'ne sanfte Brise<br />
mir mein Haar verweht.<br />
Und die Krätze,<br />
<strong>denn</strong> die Plätze,<br />
in der Bahn<br />
die sind belegt.<br />
Und es ist 'ne Katastrophe<br />
wenn der Ofen<br />
explodiert<br />
und im Kühlschrank<br />
wird die Milch krank<br />
und erfriert.<br />
Der Stift er tötet das Papier,<br />
der Briefkasten frisst den Kurier,<br />
die Dusche fängt zu singen an,<br />
der Toaster springt die Mikro an,<br />
das Radio macht sich selber aus,<br />
die Luft springt aus dem Fenster raus.<br />
Ich schau aus dem Fenster,<br />
seh' Sirenen blinken.<br />
Denk mir „oh shit!"<br />
Lächeln und Winken.<br />
Ode an meine Schuhe<br />
Ich liebe dich,<br />
du bist einfach wunderbar.<br />
Immer da wenn ich dich brauch,<br />
gibst mir Sexappeal<br />
und Selbstvertraun.<br />
Du machst mich groß,<br />
29
du machst mich stolz,<br />
find dich einfach richtig toll.<br />
Gibst mir 'nen festen Untergrund<br />
auf dir kann ich steh'n,<br />
und mit dir ewig lange Wege geh'n.<br />
Du bist mein Traum<br />
du bist mir treu,<br />
auf dich kann ich mich immer freu'n.<br />
Du bist die Eins, du bist perfekt.<br />
Super schlank und richtig keck.<br />
Dich zu haben macht mich froh,<br />
du bist mein absoluter Lieblingsschuh.<br />
30<br />
Xenia Ratzel<br />
Federleicht<br />
Sie wollen, dass ich fliege, schwebe,<br />
wie eine Feder.<br />
KEIN Eis im Sommer. KEIN Essen bei Mc<br />
Donalds. KEINE Limonade. Du passt nicht<br />
in dein Kostüm! Was tun deine ßeine^ Du<br />
bist doch kein Fußballspieler! Du läufst wie<br />
ein Bauer, der einen Kartoffelsack schleppt!<br />
LEICHT, leicht sollst du sein! Du bist doch<br />
eine Frau, sei zart!<br />
Stark, stark die Füße!
Jeden Tag werde ich schwerer, dabei soll ich<br />
doch schweben, fliegen, leicht wie eine Feder.<br />
Wo bin ich geblieben, was soll ich wirklich<br />
tuni Will ich wirklich so fliegen 1 ?- Oder über<br />
haupt, WIE fliege ich <strong>denn</strong> überhaupt 1 ?- Das<br />
haben sie mir nicht gesagt.<br />
Plötzlich dann doch: Ich habe es geschafft,<br />
ich war sie los, ich bin geflogen, geschwebt,<br />
ich war leicht!<br />
Dabei war die Katastrophe vorprogrammiert,<br />
das Maxi-Menü mit den Mädels, die Limona<br />
de, was wenn das Kostüm nicht mehr passti<br />
Ich habe die Musik gehört, die leichte Musik.<br />
Und ich war da, ganz federleicht, ganz feder<br />
zart, ich bin geschwebt, hab den Kartoffel<br />
sack - abgeworfen.<br />
Possession<br />
Ich habe mir gesagt, ich würde niemals zu<br />
rückschauen,<br />
niemals zurückkehren zu dir.<br />
Ich habe dich abgetötet in meinen Gedanken,<br />
wie einen Parasiten von meinen Nervenbah<br />
nen geklaubt,<br />
dich ausgemerzt in mir.<br />
Du solltest mich nie mehr kriegen,<br />
nie wieder und ich wollte dich loshaben,<br />
endlich loslassen,<br />
„Ich" sein,<br />
frei sein,<br />
nach vorne schauen<br />
und endlich vergessen.<br />
Und wofür das <strong>alle</strong>s
eher ein Spuckerest in der Flasche.<br />
„Du Flasche".<br />
Nicht ich bin mehr,<br />
sondern du bist und ihr seid!<br />
Und warum?<br />
Damit ich nicht mehr ich selbst bin<br />
oder zu viel „Ich" auf einmal.<br />
Und all die großen Reden,<br />
all die starken Worte,<br />
<strong>alle</strong>s Gelaber und Getue nutzt nichts,<br />
<strong>denn</strong> ich f<strong>alle</strong> immer auf dich,<br />
auf euch zurück,<br />
lasse mich in Beschlag nehmen,<br />
<strong>alle</strong>s nehmen!!!<br />
32<br />
Adina Spuller<br />
Die Muse<br />
Als sie morgens aufsteht und in den Spiegel<br />
schaut, verzieht sie das Gesicht. Obwohl sie<br />
umwerfend aussieht, kann sie nie mit sich<br />
zufrieden sein, <strong>denn</strong> ihre Ambitionen streben<br />
das Wort MAKELLOS an. Im Seidenpyjama<br />
sieht sie wie eine Skizze aus, die darauf war<br />
tet, farbig ausgemalt zu werden.<br />
Seufzend geht sie an ihren Kalender, der sonst<br />
vor Terminen zu platzen scheint, ähnlich wie<br />
ihr winziges cremefarbenes Kleid, wenn sie<br />
sich nicht endlich für immer von den Pralinen<br />
lossagt. Sie weiß, sie ist eine Diva. Aber es ist<br />
ja auch Samstag und sie hat einen entsetzli<br />
chen Kater.<br />
Ihr anderer Kater von letzter Nacht ist Gott<br />
sei Dank eben gegangen. Wohin, das weiß sie<br />
nicht und sie fragt sich einen Moment lang,<br />
ob sie ihn wiedersehen wird.<br />
Sie möchte gerne heiraten, die Frage ist bloß,<br />
wen und für wie lange.<br />
Sie steigt seufzend über ihre silbernen Ab<br />
satzschuhe, schiebt das Telefon mit den rot<br />
lackierten Zehen zur Seite - seit wann liegt<br />
es auf dem Boden? - gießt im Vorbeigehen die<br />
Blumen und bemerkt auf dem Weg zur Kü<br />
che, dass sie die Glühbirne im Flur austau<br />
schen und das moderne Bild an die Wand an<br />
bringen muss.<br />
Zum Glück hat sie keine Kinder, obwohl sie<br />
manchmal gerne welche hätte, aber Karrie<br />
re, Kinder UND eine ewige Jugend vertragen<br />
sich ungefähr so gut wie sie und ihre scheuß<br />
liche Rivalin, die es nicht lassen kann, da<br />
mit anzugeben, dass sie doppelt promovierte<br />
Wirtschaftsingenieurin ist und ein Team von<br />
zwanzig Männern leitet.<br />
Sie gießt den Martini in ein Saftglas, obwohl<br />
das entsetzlich stillos ist und brät sich ein
Spiegelei, während sie melancholisch über<br />
sich selbst sinniert.<br />
Ist es nicht unglaublich, wie schwer sie zu<br />
greifen ist? Gestern früh war sie die Kreati<br />
ve gewesen, die kompetente Businessfrau,<br />
die wenig arbeitet und viel verdient, mittags<br />
die liebe Tante, die der älteren Schwester die<br />
Kinder für drei Stunden abnimmt und mit ih<br />
nen eine halbe Ewigkeit im Park herumrennt,<br />
damit die gute Schwester mal zum Friseur<br />
kann. Abends war sie die Freundin gewesen,<br />
die ihre Lieben beim Shoppen berät, sich Ge<br />
schichten anhört, lacht, interessiert an ihrem<br />
Kaffee nippt. Nachts die Geliebte, sie hatte<br />
sich umwerfend schick gemacht, in sünd<br />
haftteure Stoffe gehüllt und wofüri<br />
Damit sie heute, nach dem Esseneinkaufen<br />
auf dem Markt ihre Tüten selber schleppen<br />
kann. Sie nimmt resigniert einen großen<br />
Schluck Martini, greift in den Kühlschrank<br />
und holt neben der Kaviarbüchse auch ihre<br />
Brille heraus, die mit den falschen Gläsern,<br />
die sie nur braucht, wenn sie intelligent aus<br />
sehen möchte.<br />
Bei Gelegenheit müsste sie auch jemanden<br />
finden, der ihre Winterreifen wechselt, <strong>denn</strong><br />
<strong>alle</strong>ine kann sie das nicht. Sie sagt, sie sei<br />
selbstständig, aber sie kann weder den Fern<br />
seher reparieren, noch eine Gardinenstange<br />
montieren.<br />
Ach, zum Teufel mit der Emanzipation! Sie<br />
schmollt und wischt ihren Lippenstift ver<br />
stohlen vom Glasrand.<br />
Sie würde lieber sterben, als ihre Freiheit<br />
aufzugeben und sich ewig zu binden. Lau<br />
nisch, wie sie ist, verlangt sie Rosen, Pralinen,<br />
Schmuck, die ganze Palette an Galanterie.<br />
Aber sie will auch ernst genommen werden.<br />
Eigentlich furchtbar, wenn ein Mann für sie<br />
zahlen will, schließlich verdient sie mehr als<br />
genug, um sich etwas leisten zu können.<br />
Sie denkt an ihre Eskapaden, wie oft hätte<br />
man sie dafür früher in eine falsche Schubla<br />
de stecken können!<br />
Kichernd brüht sie Kaffee auf, trinkt ihren<br />
Martini und blinzelt in das helle Sonnen<br />
licht, das durch die Fenster scheint. Auf ih<br />
rem Touchscreen blinken zwölf unbeant<br />
wortete Anrufe. Wie gefragt sie doch ist.<br />
Selbstzufrieden läuft sie zu ihrem überquel<br />
lenden Kleiderschrank, legt nachdenklich den<br />
Kopf schräg, tippt sich prüfend mit dem Zei<br />
gefinger gegen die vollen Lippen und verengt<br />
leicht ihre Augen.<br />
Nach einer halben Stunde steht sie immer<br />
noch dort, das Spiegelei in der Küche ist<br />
längst so verkohlt, dass sie sich entschlossen<br />
hat, später irgendwo frühstücken zu gehen.<br />
Sie kann nicht mal kochen, was sie als Frau<br />
eigentlich können sollte und sie gibt nur un<br />
gern zu, dass der Kerl, mit dem sie letzte Wo<br />
che zusammen gewesen ist, ein umwerfendes<br />
Menü gezaubert hat.<br />
Sie seufzt und betrachtet ihren makellosen<br />
Körper im Spiegel. Sie hat nichts anzuziehen.<br />
Natürlich nicht, <strong>denn</strong> heute ist Samstag, sie<br />
hat nichts vor und weiß auch nicht, in wel<br />
che Facette sie zu schlüpfen hat.<br />
33
Logik<br />
Wie sollen wir dem gerecht werden, was ihr<br />
von uns denkt,<br />
Euch scheint, wir wollen eher Gericht wer<br />
den,<br />
<strong>denn</strong> jede urteilt über dieses und jenes so oder<br />
so, sodass ihr gar nicht mehr zu Wort kommt,<br />
wir sollen aber doch Gerichte kochen,<br />
dabei brodelt es in unserer Gerüchteküche<br />
was euch auf den Magen schlägt und euch<br />
so gar nicht<br />
interessiert vielmehr<br />
wie wir beim Gerichte kochen und Gerüchte<br />
auftischen aussehen<br />
und es ist egal<br />
ob dieses Kleid blau ist oder grün,<br />
ihr wollt nichts Falsches sagen, <strong>denn</strong> es ist<br />
unser Urteil, das zählt<br />
ihr wollt nicht verurteilt werden, aber ihr<br />
wollt das Kürzere und zieht den Kürzeren,<br />
Weil wir sowieso nie zufrieden mit uns sind.<br />
Und ihr schweigt, weil ihr wisst, wie' s aus<br />
geht<br />
Gestern fanden wir uns toll und waren uner<br />
träglich aufgeblasen<br />
heute finden wir uns aufgeblasen wie einen<br />
Ball, dabei sind wir doch weniger arrogant,<br />
aber ihr sagt es nicht, sonst werden wir nie<br />
mit der Kleiderfrage fertig<br />
und ihr könnt euch nicht auf den Ball kon<br />
zentrieren,<br />
auf die Bälle, die euch interessieren<br />
der Ball auf dem Spielfeld, danach die Bälle in<br />
unserem Dekollete.<br />
Die Bälle, die aber wir lieben, sind die Bälle<br />
zum tanzen,<br />
was ihr weniger rund findet<br />
und uns nur begleitet,<br />
damit wir euch nachher in unser Schlafzim<br />
mer geleiten,<br />
was wir aber nicht tun, weil wir heute Kopf<br />
34<br />
schmerzen haben,<br />
was bedeutet, dass wir Macht wollen und<br />
uns fett finden<br />
Wobei das einzige, was ihr fett findet,<br />
ist das Porsche Cabrio, das Auto vor dem<br />
Haus,<br />
„voll fett"<br />
das für uns bloß ein Auto ist,<br />
was aber automatisch viel mehr ist,<br />
sobald wir in den Autositzen auf dem Beifah<br />
rerplatz sitzen,<br />
aber dann darf keiner mehr „voll fett" sagen,<br />
sonst steigen wir automatisch wieder aus.<br />
Wobei das Schlimmste sind die Fragen,<br />
<strong>denn</strong> ihr habt ja nicht zugehört,<br />
würdet ihr zuhören, würden wir<br />
euch verwirren,<br />
<strong>denn</strong> das was wir sagen,<br />
ist nie was wir meinen,<br />
weil was wir meinen,<br />
sagen wir nicht,<br />
so, was wir meinen,<br />
müsst ihr sagen,<br />
damit es überhaupt einer sagt,<br />
aber ihr hört ja nicht zu und glaubt,<br />
wir sagen und sagen, aber wir wissen nicht,<br />
was wir wollen,<br />
dabei wissen wir,<br />
was wir meinen und wollen,<br />
aber wir wollen, dass ihr sagt, was wir wol<br />
len und<br />
wir wollen viel, nur sind wir so unselbststän-<br />
dig, dass<br />
es scheint wir wären dumm.<br />
Wir tun aber nur so, als wären wir dumm, da<br />
mit ihr weniger dumm erscheint,<br />
dabei ist die eigentliche Dummheit,<br />
dass keiner dabei mehr durchblickt,<br />
wer manipuliert und wer nicht, immerhin<br />
Wir sind sogar so selbstständig,<br />
dass ihr den Rasenmäher<br />
repariert und wenn ihr schon dabei seid.
gleich den Rasen mäht,<br />
ebenso einkaufen geht<br />
Die Glühbirne wechselt und die Winterrei<br />
fen,<br />
den Schrank zusammenbaut und wenn dass<br />
<strong>alle</strong>s erledigt ist,<br />
loben wir euch ein bisschen, damit ihr uns<br />
zum Essen einladet.<br />
Und das ist <strong>alle</strong>s diese logische Logik,<br />
diese logisch - unlogische Frauenlogik,<br />
die nichts mit Technik zu tun hat,<br />
die aber technisch ganz gut funktioniert.<br />
Trefft ihr uns an der Bar, sind wir wahnsinnig<br />
aufdringlich,<br />
aber habt ihr uns erst einen Drink spendiert,<br />
sind wir wahnsinnig weg-<br />
dnnglich,<br />
<strong>denn</strong> wir haben leider, leider noch was vor.<br />
Ihr versteht nicht, warum wir so viele zu<br />
ckersüße Cocktails trinken,<br />
schließlich euch süß nennen, obwohl wir Zu<br />
cker meiden.<br />
Aber<br />
nur Salat bestellen und es hassen, wenn ihr<br />
uns Hase nennt.<br />
Muah, muah,<br />
Küsschen rechts, Küsschen links.<br />
Die beste Freundin ist da.<br />
Wir reden und reden,<br />
dabei konnten wir vor einer Stunde schon<br />
kaum aufhören zu reden,<br />
am Telefon.<br />
Blablablablablabla<br />
Sie tuschelt, schaut euch an, tuschelt, und ihr<br />
wisst schon,<br />
wir werden den ganzen Abend kritisieren,<br />
wenn sie endlich weg ist.<br />
Wir lieben sensible Jungs, wählen aber die un-<br />
sensiblen Kerle, wobei letztendlich<br />
wir als die Sensiblen enden<br />
und wochenlang Tränen fließen,<br />
dabei werden diese Kerle bestimmt weder<br />
Tränen vergießen,<br />
noch in unsere Tränenf<strong>alle</strong> tappen,<br />
schließlich müssten sie dazu anrufen, so war<br />
ten wir tagelang und die Tränen fließen<br />
wir tigern um den Apparat, fühlen uns aber<br />
so gar nicht wie ein Tiger,<br />
blicken jede Sekunde auf unser Handy, an<br />
statt rauszugehen.<br />
Ihr findet unser Weinen hysterisch kindisch,<br />
dabei wollen wir Kinder<br />
und zwar von euch nach der Hochzeit,<br />
dabei scheint ihr bei Hochzeit kalte Füße zu<br />
kriegen,<br />
aber wir brauchen jemanden, der uns wärmt,<br />
schließlich rennen wir den ganzen Tag in<br />
winzigen Jäckchen<br />
und diesen sinnlos hohen Schuhen.<br />
Was ihr nie versteht,<br />
<strong>denn</strong> abends jammern wir über unsere Wun<br />
den,<br />
dabei wissen wir doch, wie diese Schuhe sind,<br />
und morgen tragen wir sie wieder.<br />
Ihr habt zwei Paar Schuhe und seid zufrieden,<br />
wir reden ohne Absatz über Absätze<br />
ihr wünscht es gäbe in unserem absatzlosen<br />
Gerede wenigstens einen Punkt,<br />
dabei kennen wir nicht mal beim Shoppen ei<br />
nen Schlussstrich<br />
und es dauert ewig,<br />
bis wir abends endlich losgehen können,<br />
wir können uns nicht entscheiden,<br />
welches Paar Schuhe<br />
mit oder ohne Absatz<br />
so fragen wir euch, dabei ist es euch völlig<br />
egal,<br />
ob sie blau sind oder grün<br />
Wir hingegen wollen gar nicht euch beeindru<br />
cken, sondern die andere Frau,<br />
die andere Frau, der ihr vielleicht gefallt.<br />
35
Teresa Stay<br />
Kopflos<br />
Kopflos haste ich durch den Supermarkt. An<br />
der Kasse werfe ich all meine Einkäufe auf das<br />
Laufband und wühle dann in meiner Handta<br />
sche, auf der Suche nach meinem Geldbeu<br />
tel. Ich habe meine Einkaufstasche vergessen,<br />
jetzt muss ich schon wieder eine kaufen. Die<br />
Schlange von Kunden bewegt sich kaum vor<br />
wärts und trotzdem stehe ich plötzlich vor<br />
dem Zeitschnftenregal. Bei dem Anblick der<br />
Beauty-Magazine fühle ich mich gleich besser<br />
- die bunten Headlines und hübschen Mäd<br />
chen auf den Covern kombiniert mit dem<br />
Versprechen: Das Lesen dieses Hefts führt ga<br />
rantiert zum Idealgewicht, dem Traummann,<br />
der perfekten Karriere und zu haufenweise<br />
Designerkleidern. All das lässt mein Herz hö<br />
her schlagen. Natürlich lege ich einige Ausga<br />
ben zu meinen Einkäufen aufs Band. Später,<br />
im Bett, werde ich gemütlich diese leicht ver<br />
daulichen Texte lesen und die vielen schönen<br />
Bilder genießen, möglicherweise mit einem<br />
Glas Wem, oder, ganz paradox, Gummibär-<br />
chen essend. Und so bin ich, als ich den Laden<br />
verlasse, um einiges fröhlicher als noch weni<br />
ge Minuten früher.<br />
Später an diesem Nachmittag sitze ich ge<br />
mütlich auf dem Sofa, mit meiner Glamour/<br />
InStyle/Cosmopolitan in den Händen. Ohne<br />
sie fühle ich mich orientierungslos, zumin<br />
dest modisch gesehen. Später verbringe ich<br />
dann den ganzen Abend im H&M Online-<br />
Shop um für die Chanel-Tasche und den<br />
Burberry-Mantel ein preiswertes Äquivalent<br />
zu finden, <strong>denn</strong> 2000 Euro für eine Handta<br />
sche zu bezahlen, halte ich für ein wenig un<br />
moralisch. Nicht, dass ich es nicht ohne mit<br />
der Wimper zu zucken tun würde, wenn ich<br />
36<br />
könnte. Ich sonne mich also ein paar Stunden<br />
im Glanz der Schuhe und Kleider und schwel<br />
ge im „Was wäre, wenn...", kaufe dann online<br />
meistens Schuhe - die passen immer - und<br />
lese dann weiter. Interviews. Viele Stars, die<br />
<strong>alle</strong> immer wieder dasselbe sagen. Sie sind so<br />
perfekt, dass es mir fast unheimlich ist, aber<br />
trotzdem bekomme ich unweigerlich einen<br />
Minderwertigkeitskomplex... wenn ich nicht<br />
so dünn werde, dann werde ich nie so schön.<br />
Ich passe ja eh in kein Kleid. In meiner Größe<br />
sieht das sowieso unmöglich aus. Wenn ich<br />
dünner und schöner wäre, würden die Leu<br />
te bestimmt <strong>alle</strong>s toller finden, was ich ma<br />
che! Vielleicht hätte ich dann schon längst<br />
einen eigenen Plattenvertrag und ein Album<br />
mit meinen Liedern und einem Porträt von<br />
mir auf dem Cover. Weil die Leute sich plötz<br />
lich dafür interessieren würden, worüber ich<br />
singe. Und damit meine ich nicht nur meine<br />
Großeltern.<br />
Den Interviews folgt meistens eine etwas ge<br />
dämpftere Stimmung, die dazu führt, dass ich<br />
mir selbst enthusiastisch eine Diät verordne.<br />
Die ich circa zwei Stunden später wieder ver<br />
worfen haben werde.<br />
Weitere Anregung für mein Diät-und-wie-<br />
ich-danach-aussehe-Kopfkino finde ich weni<br />
ge Seiten weiter, gleich nach dem „Sie müs<br />
sen lernen, sich selbst zu liebeh'-Artikel: Die<br />
zehn effektivsten Diäten im Test mit „indi<br />
viduell auf mich zugeschnittenem" Sport<br />
programm (das ich selber ermitteln kann,<br />
indem ich zehn Frage mit drei Antwortmög<br />
lichkeiten beantworte und die As, Bs und Cs<br />
zusammenrechne). Begeistert denke ich, ja,<br />
das müsste ich doch mal schaffen, ich habe<br />
ja jetzt Ferien (in der Realität eher so: Puh,<br />
ich hab Ferien, her mit dem Schokoeis und<br />
dem Martini!). Gleich fühle ich mich besser,<br />
da ich ja in den nächsten fünf Tagen sowie-
so die Hälfte meines Körpergewichts verloren<br />
haben werde.<br />
Dann: weitere Psychotests. „Welcher Typ<br />
Mann steht auf Sie". Bei den meisten Fragen<br />
muss ich irgendwas nach Gefühl aussuchen,<br />
weil ich zum letzten Mal vor einem Jahr in ei<br />
nem Club war, wo ich mich wahnsinnig fehl<br />
am Platz gefühlt habe, und darum auch nicht<br />
besonders oft irgendwo angetanzt wurde. In<br />
dem „Welcher Typ Mann ist ihr Liebster"-Test<br />
passt auch bei den meisten Fragen keine der<br />
Auswahlmöglichkeiten auf meinen Freund.<br />
Irgendwie schade, ich hätte es nämlich schon<br />
gern gewusst. Aber andererseits erleichternd,<br />
dass er sich nicht so schnell in eine Schublade<br />
stecken lässt.<br />
Zum Schluss mein Horoskop, das mir für den<br />
kommenden Monat ganz viel Glück im Job,<br />
Schwierigkeiten, die ich locker überwinden<br />
werde und Stress mit dem Widder, mit dem<br />
ich sowieso nie was anfangen sollte verheißt.<br />
Einleuchtend, <strong>denn</strong> ich, und mein Freund, der<br />
Widder, verstehen uns seit vier Jahren blen<br />
dend ...<br />
Abends stehe ich im Bad vor dem Spiegel,<br />
widme mich der ausgiebigen Hautpflege und<br />
probiere vielleicht ein, zwei Make-Up-Tricks<br />
aus dem Heft aus. Dann steige ich in die Du<br />
sche, sehe mich an und weiß, dass ich nie<br />
mals so perfekt aussehen werde, wie ich es<br />
gern hätte. Wütend dusche ich vor mich hin,<br />
pflege meine Haare, bis sie ganz weich sind<br />
und freunde mich nach dem Duschen, beim<br />
eincremen, wieder ein bisschen mit meinem<br />
Körper an. Was soll's, denke ich, und esse vor<br />
dem Schlafengehen noch ein Stückchen Käse.<br />
Am nächsten Morgen: Alles vorbei. Völlig<br />
entsetzt bemerke ich, dass mein Lieblings<br />
rock jetzt auch schon am Speckröllchen<br />
zwickt. Ich habe keinen Hunger mehr und<br />
würde meinen abendlichen Käsesnack gern<br />
rückgängig machen. Ab jetzt esse ich ab 17<br />
Uhr nichts mehr. Kann ich mir nicht leisten.<br />
Am besten esse ich sowieso nie mehr irgend<br />
was. Schon gar nichts mit Zucker, Kohlenhy<br />
draten oder Fett. Ab jetzt nur noch Salat. Al<br />
lein bei dem Gedanken daran werde ich ganz<br />
missmutig und spüre, dass es heute für <strong>alle</strong>,<br />
die in meine Nähe kommen, kein Spaß sein<br />
wird. Hektisch mache ich ein paar Dehn<br />
übungen. Ich komme mir so blöde dabei vor,<br />
dass ich schnell wieder aufhöre. Ich komme<br />
mir bei Sport meistens so vor, als würden <strong>alle</strong><br />
anderen über mich lachen, weil ich so un<br />
sportlich bin. Trotzdem verordne ich mir re<br />
gelmäßige Trainingseinheiten.<br />
Ich seufze, ziehe mich auf dem Bett, wo kein<br />
Spiegel ist, an, fühle mich in der Straßenbahn<br />
seltsam und wenn mich jemand ansieht,<br />
denke ich, „Oh Mann, bestimmt, weil ich so<br />
schlecht aussehe", bin unsicher und mache<br />
mir viel zu viele solcher Gedanken. Ich versu<br />
che, das schlechte Gefühl abzuschütteln und<br />
bin statt dessen lustig und bemüht, Selbstbe-<br />
wusstsein auszustrahlen. Hoffentlich sitzen<br />
wenigstens meine Haare.<br />
37
Marie Walther<br />
Zeit<br />
Läuft uns davon<br />
Hängt uns ab<br />
Ist nie vorhanden<br />
Immer da<br />
Mal zu viel<br />
Mal zu wenig<br />
Nie richtig<br />
Immer gegen uns<br />
Manchmal für uns<br />
Zeit<br />
Ist begrenzt<br />
Unendlich<br />
Und ohne Ziel<br />
Ohne Anfang<br />
Ohne Ende<br />
So viel Zeit<br />
Man kann sie sparen<br />
Oder verbrauchen<br />
Man kann sie leben<br />
Oder verstreichen lassen<br />
Und unsere Zeit 1 ?<br />
Wann kommt die 1 ?<br />
Gar nicht.<br />
-warten<br />
-bringt nichts<br />
Eine Zeit?<br />
Deine Zeit<br />
Deine Zeit kommt nicht - du kommst ihr<br />
entgegen!<br />
Fotos<br />
Bilder unseres Lebens<br />
Landschaft<br />
Menschen<br />
Stadt<br />
Momente<br />
38<br />
Erinnerungen<br />
Glücklich<br />
Traurig<br />
Fröhlich<br />
Deprimiert<br />
Verloren<br />
gewonnen<br />
Sommer<br />
Winter<br />
Urlaub<br />
Zu Hause<br />
Vor dem Friseurbesuch<br />
Nach dem Friseurbesuch<br />
So viele Bilder<br />
- Auf einem müssen wir doch gut aussehen!<br />
Wie ein Kreisel<br />
Wie ein Kreisel<br />
kreiselt unser Selbst um unsere Mitte.<br />
Wir sind eng an sie geschmiegt, wenn wir<br />
mal wieder nur unsere Welt voller Hektik und<br />
Stress sehen.<br />
Wenn uns mal wieder <strong>alle</strong>s über den Kopf<br />
wächst,
wenn <strong>alle</strong>s im Chaos versinkt und wir vor<br />
lauter Arbeit keine Zeit mehr für uns selbst<br />
haben.<br />
Eigentlich dreht sich dann <strong>alle</strong>s nur noch um<br />
uns,<br />
<strong>denn</strong> wir müssen perfekt sein und unsere<br />
kleine perfekte Welt darf nicht aus den Fugen<br />
geraten.<br />
Alles läuft nach Plan, <strong>alle</strong>s genau, <strong>alle</strong>s aufein<br />
ander abgestimmt.<br />
Ja, aber was wenn wir mal nicht wollend<br />
Wenn wir mal nicht ins Schema passen wol<br />
lend<br />
Wenn uns heute nach etwas anderem ist,<br />
nach Freiheit"?-<br />
Was danni<br />
Wir machen gar nichts.<br />
Wir können unsere innere Barriere, die nach<br />
außen hm <strong>alle</strong>s perfekt scheinen lässt nicht<br />
einfach durchbrechen.<br />
Dabei ist es genau das, was uns fehlt, die<br />
Möglichkeit einmal wir zu sein, einmal ganz<br />
für uns zu sein, <strong>alle</strong>in mit unseren Gedanken,<br />
Gefühlen und Sehnsüchten.<br />
Denn eigentlich sehen wir uns danach die<br />
Arme auszubreiten und den Kreisel langsa<br />
mer werden zu lassen, so langsam, dass wir<br />
fast loslassen könnten.<br />
Das ist Freiheit, die wir uns nehmen müssen.<br />
Freiheit, die leben bedeutet.<br />
Freiheit, die uns über eine Wiese rennen lässt,<br />
Freiheit, die bedeutet, dass wir durch den Re<br />
gen tanzen,<br />
Freiheit, die die Sonne nicht nur vom Him<br />
mel, sondern aus unseren Herzen strahlen<br />
lässt.<br />
Macht euch nichts vor Mädels, in jedem von<br />
uns steckt die Sehnsucht, die Freiheit bedeu<br />
tet und wenn wir uns nicht ganz hingeben<br />
können,<br />
dann rennt halt in High Heels über die Wiese!<br />
Luisa Weiskopf<br />
Verwirrt<br />
Es war <strong>alle</strong>s schön, so einfach, so ungezwun<br />
gen, so unbeschreiblich. Jeder Tag bot eine<br />
Vielfalt von neuen, wunderschönen Überra<br />
schungen, ob es nur die lachende Sonne war<br />
oder ein lauwarmer Regen, in dem wir tanz<br />
ten und unsere Kleider durchweichten. Es<br />
schien <strong>alle</strong>s einfach perfekt zu sein, unser Le<br />
ben war perfekt.<br />
Doch von einem Moment auf den anderen<br />
waren wir nicht mehr gleich. Ich war ein<br />
Mädchen für ihn, er sah mich als ein weib<br />
liches Wesen. Er wollte nicht mehr mit mir<br />
Fußball spielen, sondern liebte es mich zu<br />
küssen. Doch jeder Kuss machte mich un<br />
glücklicher. Es bedrängte mich, ich wollte<br />
ihm fremd sein, ihn nicht mehr in mich bli<br />
cken lassen, aber ich wollte ihm <strong>denn</strong>och nah<br />
sein. Denn er, er war der Einzige, der mich von<br />
klein auf kannte und der mein bessere Hälfte<br />
darstellte, wir waren einfach unzertrennlich.<br />
Wo war mein Freund, der mich zum lachen<br />
und weinen brachte, der mit mir raufte und<br />
kuschelte. Doch nun schaut er mich anders<br />
an. Seine Blicke wanderten über meinen Kör<br />
per, ich kam mir wie ein Gegenstand vor, der<br />
begutachtet wurde. Es fehlte nur noch, dass<br />
er sagte, so eine Prachtperson ist geschaffen,<br />
um sie zu lieben und zu heiraten.<br />
Er sah nicht mehr mich, sondern eine ande<br />
re Person. Eine fremde Person, eine Frau, die<br />
ich nicht sein wollte. Mein Körper verän<br />
derte sich, meine Hüfte wurde breiter und<br />
meine Brust erst. Am liebsten hätte ich sie<br />
abgeschnitten, egal mit einem Messer oder<br />
einer Schere, einfach nur weg damit. Doch<br />
die Angst war stärker. Es war das erste Mal<br />
in meinem Leben, dass ich merkte, dass ich<br />
nicht in diesem Körper leben wollte. Es wi-<br />
39
derte mich an, ich schämte mich dafür. Ich<br />
empfand Hass für meine Körper. Einen Hass,<br />
der meinen Körper verunstaltete. Ich woll<br />
te mich schlagen, mir Schmerzen zufügen.<br />
Stattdessen stauten sich meine Aggressio<br />
nen und jeder Gedanke oder jede Berührung<br />
mit meinem Körper ließ mich Machtlosig<br />
keit empfinden, und ich konnte nicht mehr.<br />
Ich war überfordert, es gab niemand der mich<br />
verstand, der auch nur den geringsten Schim<br />
mer hatte, wie es mir ging.<br />
Denn ich schloss mich in meinem Körper ein<br />
und der Schmerz fraß mich von innen auf.<br />
Diese Leere, die in mir entstand, und erst<br />
recht diese Gefühllosigkeit, ich war ein Wrack<br />
mit einem eingefrorenen Herzen, das nur noch<br />
aus biologischer Sicht schlug.<br />
Alle reden, tratschen, lästern. Kann sie ihnen<br />
<strong>denn</strong> überhaupt noch glaubend Dem Kleid ist<br />
aber schön, sagt sie, das nur. Oder ist es wirk<br />
lich so. Sie fühlt sich nicht sicher. Hinter je<br />
der Ecke lauern Gefahren, ob es ein Auto ist,<br />
das zu schnell fährt oder doch nur ein Hund,<br />
der laut bellt. Nirgends fühlt sie sich sicher,<br />
geschweige <strong>denn</strong> geborgen. Diese neue Stadt<br />
ist ihr fremd, ihre neuen WG-Mitbewohne-<br />
rinnen sind ihr fremd, das Bad und sogar sie<br />
selbst.<br />
Diese vielen Veränderungen schmeißen sie<br />
vollkommen aus der Bahn. In ihrer alten Stadt,<br />
ihrer Heimatstadt, hatte sie viele Freunde,<br />
kannte die wundervollsten Orte und die<br />
kleinsten Verstecke. Ihre Familie war für sie<br />
da und sie liebte es mit ihren Freundinnen ein<br />
Eis essen zu gehen. Am liebsten zwei Kugeln<br />
Yoghurt mit Nougatsoße, wenn sie nur daran<br />
dachte, lief ihr das Wasser im Mund zusam<br />
men. Doch nun war sie <strong>alle</strong>ine, in einer völlig<br />
fremden Stadt. Ihr fehlte jegliche Orientierung<br />
und einen Stadtplan konnte sie auch nicht le<br />
40<br />
sen. Der Handyakku hatte vor einer Stunde<br />
schlapp gemacht.<br />
Sie ist auf sich <strong>alle</strong>ine gestellt. In einem Park<br />
setzt sie sich auf eine Bank, die in der Son<br />
ne liegt, schließt die Augen und genießt die<br />
Frühlingssonne.<br />
An IHN<br />
Kein Wort, kein Blick, kein Lächeln, nichts!<br />
Kennst du mich überhaupt«? Weißt du wer<br />
ich bin
Arme und lass mich deinen Körper spüren.<br />
Ich will nie mehr ohne dich sein, ich möchte<br />
für immer an deiner Seite sein! Immer bei dir!<br />
Es ist dumm, naiv, zu glauben, den anderen<br />
vor einem selbst schützen zu müssen. Denn<br />
man schützt ihn nicht, sondern verletzt ihn.<br />
Aus einem glücklichen Menschen wird eine<br />
wandelnde Leiche, der die Schuld bei sich<br />
sucht und völlig aufgelöst ist. Ein Mensch,<br />
der für eine Zeitlang nicht mehr lieben kann,<br />
sondern nur Hass und Abneigung für jeden<br />
empfindet, der ihm zu nahe tritt.<br />
Doch das ist völlig falsch, es war mein Feh<br />
ler, der uns beide unglücklich gemacht hat.<br />
Der jeden von uns auf den Boden sinken ließ.<br />
Von dem wir mit viel Kraft und Zeit wieder<br />
aufzustehen versuchen, doch jede Begegnung<br />
lässt uns wieder auf den Boden der Tatsachen<br />
sinken. Wieder die Lust am Leben zu emp<br />
finden und jeden Tag neue Dinge erleben zu<br />
können, das sind die Ziele, die man sich setzt,<br />
um aus diesem Labyrinth herauszufinden.<br />
Die Zukunft zu genießen und die Vergangen<br />
heit zu vergessen, sie hinter sich lassen. Eine<br />
Hoffung aufbauen zu können, irgendwann<br />
wieder mit dem anderen vereint zu sein. Hof<br />
fentlich werden wir wieder zusammenfinden.<br />
Für SIE<br />
Nur noch einmal abbiegen, dann habe ich<br />
mein Ziel erreicht. Ich passiere die Schranke<br />
und suche eine Hinweistafel, um mich orien<br />
tieren zu können. Auf der Karte sehe ich so<br />
fort, wo sich das Gebäude D befindet. In we<br />
nigen Sekunden habe ich es erreicht, stelle<br />
mein Fahrrad ab und laufe hinein. Es ist ruhig<br />
und kühl. Ein bekannter Geruch steigt mir<br />
in die Nase - Desinfektionsmittel. Sie liegt<br />
auf Station D21, ich muss noch einen Stock<br />
höher. Mit schnellen Schritten steige ich die<br />
Treppen hinauf und gelange in den zweiten<br />
Stock. An den Zimmern steht kein Name, ich<br />
schaue mich um in der Hoffung, dass ich je<br />
manden sehe, der mir helfen kann. Auf der<br />
rechten Seite befindet sich das Schwestern<br />
zimmer. Eine Schwester sitzt am Computer.<br />
Ich frage sie nach ihr. Sie schaut von ihrem<br />
Computer auf und antwortet freundlich: Es<br />
ist das erste Zimmer. Doch bevor du hinein<br />
gehst, musst du dir die Hände desinfizieren<br />
und einen Mundschutz anziehen. Auf dem<br />
Weg zu ihrem Zimmer spüre ich, wie mein<br />
Bauch sich zusammen zieht und ein dump<br />
fes Gefühl in mir empor steigt. Langsam öff<br />
ne ich die Tür, erinnere mich zurück, was mir<br />
die Schwester soeben gesagt hat. Ich schaue<br />
mich um und suche einen Behälter, in dem<br />
sich der Mundschutz befindet. Er steht auf<br />
einem kleinen Tischchen gleich rechts ne<br />
ben dem Eingang. Behutsam ziehe ich einen<br />
41
Mundschutz über Nase und Mund, völlig un<br />
sicher, ob er richtig sitzt. Als nächstes desin<br />
fiziere ich mir meine Hände. Mit unsicheren<br />
Schritten begebe ich mich weiter in das Zim<br />
mer hinein. Am Fenster sitzt eine ältere Frau,<br />
sie sieht krank aus. Ihre Haut hat eine un<br />
natürliche Farbe und am Hals ist ein großes<br />
Pflaster, aus dem ein Schlauch kommt. Für ei<br />
nen kurzen Moment bleibe ich stehen, <strong>denn</strong><br />
erst jetzt wird mir bewusst, wie ernst die<br />
ganze Situation ist. Doch nun erblicke ich sie.<br />
Sie liegt mit ihrer schwarzen Sporthose und<br />
ihrem grauen T-Shirt mit dem Rücken zu mir<br />
gewendet auf dem Bett. Sie sieht müde aus<br />
und scheint in Gedanken zu sein. Hallo sage<br />
ich völlig überrascht, einfach perplex, sie an<br />
so einem Ort zu sehen. Sie dreht ihren Kopf<br />
und schaut mich an. Ein Lächeln huscht über<br />
ihr Gesicht - ein Lächeln, das eine wunder<br />
schöne Frau darstellt. Ich laufe um das Bett<br />
herum und setzte mich an die Kante. Erst<br />
jetzt bemerke ich diesen Schlauch, er führt<br />
in ihre Brust. Doch eigentlich sieht sie völlig<br />
gesund aus - überhaupt nicht krank. Es sieht<br />
so aus, als sei sie gerade zur falschen Zeit am<br />
falschen Ort. Irgendwie unpassend. Was soll<br />
ich nur sagend Wie kann ich sie darauf an<br />
sprechend Eine Sprachlosigkeit macht sich<br />
in mir breit, die absolut untypisch für mich<br />
ist. Ich möchte ihr nicht zu nahe treten, aber<br />
trotzdem möchte ich wissen wie es ihr geht,<br />
wie sie sich fühlt. Ich möchte sie keinesfalls<br />
verletzen, <strong>denn</strong> ihrer momentane Verfassung<br />
ist im wahrsten Sinne des Wortes einfach ab<br />
solut „beschissen"! Wie geht es diri frage ich<br />
sie nun endlich. Es gehe ihr ganz gut, ihr sei<br />
ein bisschen schlecht, aber das komme wohl<br />
von den Nebenwirkungen, entgegnet sie mir.<br />
Nach anfänglichen Schwierigkeiten ein Ge<br />
spräch zu entwickeln beginnt sie zu erzäh<br />
len und ich bemerke, dass es ihr von Zeit zu<br />
Zeit leichter fällt über Krankheit, ihre Aus<br />
42<br />
wirkungen und Folgen zu reden. Am Anfang<br />
sind die Sätze kurz, ihre Stimme klingt zittrig<br />
und ihre Augen werden glänzend. Es ist ein<br />
komisches Gefühl, sie da so liegen zu sehen.<br />
So machtlos, so angreifbar. Doch irgendetwas<br />
sagt mir, dass es ihr trotz <strong>alle</strong>m gut geht, dass<br />
sie die Freude am Leben nicht verloren hat und<br />
bis oben hin voller Hoffnung auf Heilung ist.<br />
Nun sitze ich hier. Der Geruch, die Bilder, <strong>alle</strong><br />
Erinnerungen an diesen Besuch lassen mich<br />
nicht los. Der dünne, durchsichtige Schlauch,<br />
der aus ihrer Brust kam, wirkt so friedlich,<br />
doch durch ihn läuft eine Flüssigkeit, die <strong>alle</strong>s<br />
in ihr zerstört. Nur daran zu denken, macht<br />
mich traurig und lässt mich immer mehr über<br />
den Sinn des Lebens, über das Schicksal und<br />
über Glück und Pech nachdenken. Von einem<br />
auf den anderen Tag hat sich ihr Leben ver<br />
ändert. In ihrem Leben zuvor war sie glück<br />
lich und zufrieden. Unter der Woche ging sie<br />
jeden morgen in die Schule und beschwerte<br />
sich über die Lehrer. Am Wochenende traf sie<br />
sich mit ihren Freunden und genoss die Zeit<br />
mit ihnen und ihrer Familie. Doch sind die<br />
Alltagsprobleme verpufft. Im Nachhinein er<br />
scheinen sie lächerlich und sie bemerkt, dass<br />
sie sich völlig umsonst irgendwelchen Druck<br />
oder Probleme gemacht hat.<br />
Inzwischen braucht sie Kraft, Energie und<br />
Mut, um all das durchzustehen. Nicht nur<br />
psychisch, sondern auch körperlich, <strong>denn</strong><br />
die Nebenwirkungen zerstören ihren Körper,<br />
machen ihn anfällig und somit ist sie stärker<br />
<strong>denn</strong> je verwundbar.<br />
Doch selbst ist man machtlos. Ihr Kraft zu<br />
geben, sie abzulenken und sie für ein paar<br />
Stunden von diesen schrecklichen Gedanken<br />
zu befreien, ist das Einzige was ich als Außen<br />
stehender für sie tun kann. Ich empfinde eine<br />
Ungerechtigkeit und stelle mir immer wieder
dieselben Fragen: Warum ausgerechnet sie 1 ?<br />
Wieso nicht jemand anders oder ichi<br />
Eine Antwort wird es darauf nie geben, <strong>denn</strong><br />
dies liegt nicht mehr im Machtbereich des<br />
Menschen. Doch der Mensch ist soweit, dass<br />
er Mittel und Wege hat, all das zu bekämp<br />
fen. Sie wird geheilt werden. Sie wird wie<br />
der gesund werden, <strong>denn</strong> die Liebe und Hof<br />
fung zu diesem Mädchen ist stärker als diese<br />
Krankheit. Sie sagt ihr den Kampf an. Wir sa<br />
gen ihr den Kampf an. Ein Kampf mit einem<br />
guten Ende, <strong>denn</strong> ich glaube an sie und werde<br />
sie unterstützen, <strong>denn</strong> sie ist ein Mensch, der<br />
auf dieser Welt nicht fehlen darf!<br />
43
Autorinnen<br />
Nicole Dürr, Jg. 1994, Lessing-Gymnasium<br />
<strong>Karlsruhe</strong><br />
Jennifer Gress, Jg. 1993, Lessing-Gymnasium<br />
<strong>Karlsruhe</strong><br />
Naomi Greul, Jg. 1994, Lessing-Gymnasium<br />
<strong>Karlsruhe</strong><br />
Melissa Gruber. Jg. 1996, Albert-Schweitzer-<br />
Gymnasium Gernsbach<br />
Sultan Gümüsoluk, Jg. 1992, Lessing-Gym<br />
nasium <strong>Karlsruhe</strong><br />
Diana Krieger, Jg. 1997, Albert-Schweitzer-<br />
Gymnasium Gernsbach<br />
Lena Petn, Jg. 1992, Humboldt-Gymnasium<br />
<strong>Karlsruhe</strong>, seit Wintersemester 2011/12 Stu<br />
dium der Kindheitspädagogik in <strong>Karlsruhe</strong><br />
44<br />
XemaRatzelJg. 1993, Humboldt-Gymnasium<br />
<strong>Karlsruhe</strong><br />
Adina Spuller, Jg. 1993, Kant-Gymnasium<br />
<strong>Karlsruhe</strong>, studiert seit dem Wintersemester<br />
2011/12 Modedesign in Paris<br />
Teresa Stay, Jg. 1993, begann ein Jura-Studium<br />
in Freiburg LB., studiert seit dem Winter<br />
semester 2011/12 Kommunikationsdesign in<br />
Darmstadt<br />
Marie Walther, Jg. 1993, Otto-Hahn-Gymna<br />
sium <strong>Karlsruhe</strong><br />
Luisa Weiskopf, Jg. 1992, Humboldt-Gymna<br />
sium <strong>Karlsruhe</strong><br />
blog: http://<strong>alle</strong>ladiesgaga.wordpress.com/
Workshopleitung<br />
Jagoda Marinic wurde 1977 in Waiblingen ge<br />
boren. Nach dem Studium der Germanistik,<br />
Politikwissenschaften und Anglistik in Heidel<br />
berg ist sie als freie Schriftstellerin, Theater<br />
autorin und Journalistin tätig, unter anderem<br />
für die Frankfurter Rundschau, die Stuttgarter<br />
Zeitung und die Literaturzeitschrift allmende.<br />
2001 erschien ihr erster Erzählband Eigentlich<br />
ein Heiratsantrag. Für ihr zweites, 2005 im<br />
Suhrkamp Verlag erschienenes Werk Russische<br />
Bücher, ebenfalls Erzählungen, wurde sie mit<br />
dem Grimmelshausen-Förderpreis geehrt.<br />
2007 erschien ihr erster Roman Die Namenlose<br />
bei Nagel & Kimche. Für den Text Die Netz<br />
haut, einem Auszug aus ihrem Roman Die Na<br />
menlose, wurde sie 2007 für den Bachmann-<br />
Preis nominiert. Im selben Jahr schrieb sie<br />
den Text zum Theaterstück Zalina, das mit<br />
dem Exzellenzpreis für das beste Programm<br />
der Europäischen Kulturhauptstadt Hermann<br />
stadt 2007 ausgezeichnet wurde. Jagoda Ma<br />
rinic lebt und arbeitet in Heidelberg.<br />
Jagoda Marinic war schon häufig mit Lesun<br />
gen aus ihren Texten zu Gast bei der Literari<br />
schen Gesellschaft in <strong>Karlsruhe</strong>. Die Schrift<br />
stellerin verfügt über große Erfahrung in der<br />
Leitung von Schreibwerkstätten mit Jugend<br />
lichen und jungen Erwachsenen zu verschie<br />
denen Themen. Sie bietet den Teilnehmerin<br />
nen und Teilnehmern dabei Einblicke in das<br />
freie und literarische Schreiben sowie die<br />
Möglichkeit, kreativ mit den eigenen Texten<br />
umzugehen.
EINE JUGEND<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
Sprachliche Experimente zwischen Zuversicht und Skepsis<br />
Schreibwerkstatt der Literarischen Gesellschaft <strong>Karlsruhe</strong><br />
mit Jagoda Marinic<br />
Reihe JUNGE LITERATUR<br />
Band 1<br />
Eine Jugend in Deutschland.<br />
Sprachliche Experimente zwischen Zuversicht und Skepsis.<br />
Reihe JUNGE LITERATUR. Band 1<br />
Herausgegeben von Hansgeorg Schmidt-Bergmann im<br />
Auftrag der Literarischen Gesellschaft <strong>Karlsruhe</strong>. 5 €<br />
47
Literarische Museum<br />
Gesellschaft für<br />
Literatur<br />
am<br />
<strong>Karlsruhe</strong> Oberrhei