Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe
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Mundschutz über Nase und Mund, völlig un<br />
sicher, ob er richtig sitzt. Als nächstes desin<br />
fiziere ich mir meine Hände. Mit unsicheren<br />
Schritten begebe ich mich weiter in das Zim<br />
mer hinein. Am Fenster sitzt eine ältere Frau,<br />
sie sieht krank aus. Ihre Haut hat eine un<br />
natürliche Farbe und am Hals ist ein großes<br />
Pflaster, aus dem ein Schlauch kommt. Für ei<br />
nen kurzen Moment bleibe ich stehen, <strong>denn</strong><br />
erst jetzt wird mir bewusst, wie ernst die<br />
ganze Situation ist. Doch nun erblicke ich sie.<br />
Sie liegt mit ihrer schwarzen Sporthose und<br />
ihrem grauen T-Shirt mit dem Rücken zu mir<br />
gewendet auf dem Bett. Sie sieht müde aus<br />
und scheint in Gedanken zu sein. Hallo sage<br />
ich völlig überrascht, einfach perplex, sie an<br />
so einem Ort zu sehen. Sie dreht ihren Kopf<br />
und schaut mich an. Ein Lächeln huscht über<br />
ihr Gesicht - ein Lächeln, das eine wunder<br />
schöne Frau darstellt. Ich laufe um das Bett<br />
herum und setzte mich an die Kante. Erst<br />
jetzt bemerke ich diesen Schlauch, er führt<br />
in ihre Brust. Doch eigentlich sieht sie völlig<br />
gesund aus - überhaupt nicht krank. Es sieht<br />
so aus, als sei sie gerade zur falschen Zeit am<br />
falschen Ort. Irgendwie unpassend. Was soll<br />
ich nur sagend Wie kann ich sie darauf an<br />
sprechend Eine Sprachlosigkeit macht sich<br />
in mir breit, die absolut untypisch für mich<br />
ist. Ich möchte ihr nicht zu nahe treten, aber<br />
trotzdem möchte ich wissen wie es ihr geht,<br />
wie sie sich fühlt. Ich möchte sie keinesfalls<br />
verletzen, <strong>denn</strong> ihrer momentane Verfassung<br />
ist im wahrsten Sinne des Wortes einfach ab<br />
solut „beschissen"! Wie geht es diri frage ich<br />
sie nun endlich. Es gehe ihr ganz gut, ihr sei<br />
ein bisschen schlecht, aber das komme wohl<br />
von den Nebenwirkungen, entgegnet sie mir.<br />
Nach anfänglichen Schwierigkeiten ein Ge<br />
spräch zu entwickeln beginnt sie zu erzäh<br />
len und ich bemerke, dass es ihr von Zeit zu<br />
Zeit leichter fällt über Krankheit, ihre Aus<br />
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wirkungen und Folgen zu reden. Am Anfang<br />
sind die Sätze kurz, ihre Stimme klingt zittrig<br />
und ihre Augen werden glänzend. Es ist ein<br />
komisches Gefühl, sie da so liegen zu sehen.<br />
So machtlos, so angreifbar. Doch irgendetwas<br />
sagt mir, dass es ihr trotz <strong>alle</strong>m gut geht, dass<br />
sie die Freude am Leben nicht verloren hat und<br />
bis oben hin voller Hoffnung auf Heilung ist.<br />
Nun sitze ich hier. Der Geruch, die Bilder, <strong>alle</strong><br />
Erinnerungen an diesen Besuch lassen mich<br />
nicht los. Der dünne, durchsichtige Schlauch,<br />
der aus ihrer Brust kam, wirkt so friedlich,<br />
doch durch ihn läuft eine Flüssigkeit, die <strong>alle</strong>s<br />
in ihr zerstört. Nur daran zu denken, macht<br />
mich traurig und lässt mich immer mehr über<br />
den Sinn des Lebens, über das Schicksal und<br />
über Glück und Pech nachdenken. Von einem<br />
auf den anderen Tag hat sich ihr Leben ver<br />
ändert. In ihrem Leben zuvor war sie glück<br />
lich und zufrieden. Unter der Woche ging sie<br />
jeden morgen in die Schule und beschwerte<br />
sich über die Lehrer. Am Wochenende traf sie<br />
sich mit ihren Freunden und genoss die Zeit<br />
mit ihnen und ihrer Familie. Doch sind die<br />
Alltagsprobleme verpufft. Im Nachhinein er<br />
scheinen sie lächerlich und sie bemerkt, dass<br />
sie sich völlig umsonst irgendwelchen Druck<br />
oder Probleme gemacht hat.<br />
Inzwischen braucht sie Kraft, Energie und<br />
Mut, um all das durchzustehen. Nicht nur<br />
psychisch, sondern auch körperlich, <strong>denn</strong><br />
die Nebenwirkungen zerstören ihren Körper,<br />
machen ihn anfällig und somit ist sie stärker<br />
<strong>denn</strong> je verwundbar.<br />
Doch selbst ist man machtlos. Ihr Kraft zu<br />
geben, sie abzulenken und sie für ein paar<br />
Stunden von diesen schrecklichen Gedanken<br />
zu befreien, ist das Einzige was ich als Außen<br />
stehender für sie tun kann. Ich empfinde eine<br />
Ungerechtigkeit und stelle mir immer wieder