05.12.2012 Aufrufe

Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe

Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe

Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Fassade<br />

Holly war meine beste Freundin. Sie war<br />

mein Vorbild. Sie hat <strong>alle</strong>s erreicht, von dem<br />

manch andere Frau nur so träumte. Das Beste<br />

war, dass sie mich so mochte wie ich war. Sie<br />

wollte mich nicht ändern. Obwohl ich eine<br />

graue Maus war, machte es ihr nichts aus,<br />

wenn die Männer, die sie begierig begafften,<br />

über sie lachten, als sie mich hinter ihr ent­<br />

deckten. Trotzdem war ich mit meinem Le­<br />

ben zufrieden.<br />

Holly hatte <strong>alle</strong>s: einen Mann, der sie liebte,<br />

eine traumhafte Figur, einen Job, für den jede<br />

andere Frau sterben würde, ein luxuriöses<br />

Loft über den Dächern der Stadt. Es war kein<br />

Problem für sie, viel Verantwortung zu über­<br />

nehmen und viel zu viele Dinge auf einmal zu<br />

tun. Sie erledigte <strong>alle</strong>s mit einer Perfektion,<br />

die man nur ihr zugetraut hätte. So hatte es<br />

zumindest den Anschein. Selbst ich war da­<br />

mals davon so geblendet, dass ich nicht merk­<br />

te, wie sie innerlich zerbrach.<br />

Heute mache ich mir keine Vorwürfe mehr.<br />

Ich habe mich damit abgefunden, dass nicht<br />

einmal ich, ihre beste Freundin, etwas hätte<br />

ahnen können. Sie war nun mal die Super-<br />

frau.<br />

Es war wieder einer dieser Tage, an denen<br />

Holly und ich gemeinsam frühstücken gin­<br />

gen. Sie erzählte mir von ihrem neuen Auf­<br />

trag, und mit welchen erfolgreichen Kunden<br />

sie dieses Mal zusammenarbeitete, während<br />

sie immer wieder auf ihre silbern glänzende<br />

Uhr schaute. Geduldig nippte ich an meinem<br />

Kaffee. „Schau mal * sagte Holly, „der da drü­<br />

ben schaut dich die ganze Zeit so verträumt<br />

an", und deutete auf einen jungen Mann im<br />

Anzug. „Ach nein, der schaut doch auf dich",<br />

antwortete ich. Holly strich sich elegant<br />

durch ihr glänzendes Haar. Na wunderbar, sie<br />

merkt es nicht einmal. Sie flirtet mit ihm und<br />

hat keine Ahnung, was sie damit bei diesem<br />

Mann auslöst. Verstohlen schaute ich zu ihm<br />

rüber. Man konnte förmlich sehen, wie ihm<br />

die Zunge aus dem Mund hing. Angewidert<br />

blickte ich weg.<br />

Schon wieder schaut sie auf die Uhr. Hat sie<br />

noch einen Termini Oder warum sonst ist sie<br />

so hibbeligi<br />

Holly ist nie hibbelig.<br />

Und trotzdem zuckt ihr kleiner Finger unun­<br />

terbrochen. Als ich sie genauer betrachte, fal­<br />

len mir noch andere Dinge auf: Ihr Lidstrich<br />

ist nicht so präzise gezogen wie sonst, ein<br />

Knopfloch ihrer Bluse hatte sie übersprungen<br />

und ihre seidige Strumpfhose hatte eine Lauf­<br />

masche. Sie hatte sogar vergessen, sich pas­<br />

sende Schuhe anzuziehen, was für sie sonst<br />

immer der Weltuntergang war. Komisch,<br />

dachte ich. Spätestens hier hätte mir auffal­<br />

len sollen, dass heute etwas anders ist. Ihr Lä­<br />

cheln war auch nicht so natürlich wie sonst.<br />

Es sah so aus, als würden unsichtbare Fäden,<br />

wie die einer Marionette, an ihren Mundwin­<br />

keln ziehen. „Holly, geht es dir heute irgend­<br />

wie nicht gut 1 ?- Du machst den Anschein, als<br />

wärst du etwas durcheinander", fragte ich.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!