Sind denn alle Ladies/Gaga - Karlsruhe
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„Nein, <strong>alle</strong>s wie immer", antworteten ihre<br />
Marionettenlippen, „wie kommst du nur<br />
darauR", und kramte in ihrer Handtasche.<br />
„Mist, ich hab den Vertrag zu Hause auf dem<br />
Tisch liegen lassen", fluchte Holly.<br />
Holly vergisst nie etwas.<br />
„Es tut mir leid, ich muss noch mal nach<br />
Hause. Es ist verdammt wichtig."<br />
Holly flucht nie.<br />
„Kein Problem", antworte ich, während Holly<br />
das Geld auf den Tisch legt und versucht, sich<br />
aus der Tischbank zu quetschen.<br />
Holly ist nie in Eile.<br />
Hektisch stolziert sie dem Ausgang entgegen,<br />
als sie mit ihrem 10-Zentimeter-Absatz in ei<br />
nem Loch hängen bleibt und fast stolpert.<br />
Holly stolpert nie.<br />
Zum Abschied hebt sie noch die Hand. Ich<br />
winke durch das Ciasfenster zurück. Und<br />
dann sehe ich es: Als sie glaubt ich sehe sie<br />
nicht mehr, verändert sich ihr Gesicht schlag<br />
artig. Ihre Fassade bröckelt. Eine Fassade, von<br />
der ich nie geglaubt hatte, dass Holly sie nö<br />
tig hat, fiel in diesen kurzen Sekunden wie al<br />
ter Putz von ihr ab.<br />
Mein Blick fiel auf den Sitz, auf dem sie ge<br />
rade gesessen hatte. Ihre makellose Aura<br />
schwebte noch im Raum. Da lag etwas. Es<br />
war der Vertrag, den sie in ihrer Eile glaubte<br />
vergessen zu haben. Kurzerhand stand ich<br />
auf und machte mich auf den Weg zu ihr.<br />
Ich sollte sie anrufen, dachte ich, wählte ihre<br />
Nummer und ließ es klingen. Doch sie nahm<br />
nicht ab.<br />
Holly nimmt immer ab.<br />
Nun kam in mir endlich das Gefühl hoch, das<br />
schon die ganze Zeit in mir aufkeimte. Hol<br />
ly ist nicht Holly und irgendetwas stimmt<br />
nicht mit ihr. Mich packte die Angst. Was ist<br />
nur mit ihr lösl<br />
ich stieg aus dem Taxi, rannte die verdammte<br />
Treppe hinauf. Warum muss sie nur so weit<br />
14<br />
oben wohnend Tränen rannen aus meinen<br />
Augen, wie automatisch. Als wüsste mein<br />
Herz etwas, das mein Verstand nicht zu be<br />
greifen vermochte.<br />
Ich hämmerte mit <strong>alle</strong>r Kraft gegen die Tür.<br />
„Holly! Holly", schrie ich, doch niemand<br />
schien zu Hause zu sein. Ich lauschte an der<br />
Tür. Doch, da war jemand drin. Ich hörte,<br />
wie etwas zu Bruch ging. Glas. „Verdammt,<br />
Holly, mach die Tür auf, ich weiß, du bist da<br />
drinnen." „Verschwinde", dröhnt es mir ent<br />
gegen, „ich halte das einfach nicht mehr aus!"<br />
Stille.<br />
Ein Knall. Ein Schuss^<br />
Zerbrechlich<br />
Es ist nicht nur Glas, das zerbrechen kann.<br />
Auch Porzellan oder Plastik. Oder auch Kno<br />
chen und Haut. All diese Schäden kann man<br />
aber auf die ein- oder andere Weise reparieren:<br />
Mit Kleber, UHU zum Beispiel, mit Schrau<br />
ben, Salbe, Verbänden. Sogar mit Nadel und<br />
Faden. Doch die Bruchstellen wird man im<br />
mer sehen können. Wo vorher etwas Reines,<br />
Klares, Ganzes war, wird von nun an etwas<br />
Kaputtes, Hässliches bleiben.<br />
Eine Narbe.<br />
Deshalb macht man sich meistens nicht ein<br />
mal die Mühe dieses Etwas zu reparieren, ge<br />
schweige <strong>denn</strong>, es zu behalten. Man kauft<br />
einfach etwas Neues oder tauscht es aus.<br />
Bei Verletzungen wird es schon schwieriger.<br />
In der Medizin ist man zwar schon so weit,<br />
dass man sogar ein Herz wechseln kann,<br />
doch die Narbe trägt man sein ganzes Leben<br />
mit sich herum. Sie ist ein Zeichen dafür,<br />
dass etwas kaputt war. Auch, wenn man sie<br />
manchmal nicht sehen kann, weil sie durch<br />
Kleidung verdeckt wird, weiß man trotzdem,<br />
dass sie da ist.