Begutachtungs-Seminar für Chefärzte/Chefärztinnen an den am
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Zus<strong>am</strong>menh<strong>an</strong>gsfragen bei der Begutachtung der Schulter unter<br />
Berücksichtigung von Vorscha<strong>den</strong> und Scha<strong>den</strong>s<strong>an</strong>lage<br />
- aus medizinischer Sicht<br />
S. Studier-Fischer<br />
Leitender Arzt der Sektion <strong>für</strong> Schulter- und Ellenbogenchirurgie<br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen<br />
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – L<strong>an</strong>desverb<strong>an</strong>d Südwest<br />
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Im Vollbeweis sind die Tatbest<strong>an</strong>dsmerkmale der versicherten Tätigkeit zur Zeit des<br />
Unfalles und ein konkretes Unfallereignis festzustellen. Ein Körperscha<strong>den</strong> ist zu benennen.<br />
Für die Kausalität gilt der Beweismaßstab der hinreichen<strong>den</strong> Wahrscheinlichkeit.<br />
Die Rotatorenm<strong>an</strong>schette, die gutachterlich kritischste Struktur der Schulter,<br />
hat erhebliche vorbestehende Schwachstellen, bedingt durch Minderdurchblutung,<br />
dünnste Stelle, kombinierte Druck- und Zugbelastungszonen, intrinsische und extrinsische<br />
Vorschädigungen. Jenseits des 60. Lebensjahres fin<strong>den</strong> sich bei 15 - 30% der<br />
Patienten Defekte der Rotatorenm<strong>an</strong>schette, bei Schulterluxationen nimmt die Wahrscheinlichkeit<br />
einer traumatischen Genese dr<strong>am</strong>atisch zu. Wirkliche Ursachen einer<br />
traumatischen Defektbildung sind plötzliche, überfallartige Kräfte, die in der Regel eine<br />
Zugbelastung auf die Rotatorenm<strong>an</strong>schette ausüben. Diese können durch passive<br />
Humeruskopftraktion, intraartikuläres Abscheren des Sehnen<strong>an</strong>satzes durch Kontakt<br />
mit dem Pf<strong>an</strong>nenr<strong>an</strong>d oder durch exzentrische Belastungen <strong>an</strong>gesp<strong>an</strong>nter Sehnen<strong>an</strong>teile,<br />
z. B. bei forcierter Rotation entstehen. Ungeeignet sind direkte Krafteinwirkungen<br />
auf die Schulter, welche <strong>den</strong> Kopf axial in die Pf<strong>an</strong>ne treiben oder aktive,<br />
willentliche Muskelkontraktionen bei Heben, Halten oder Werfen. Zur Sicherung der<br />
Beweislage ist neben der relev<strong>an</strong>ten Eigen<strong>an</strong><strong>am</strong>nese das Verhalten des Versicherten<br />
nach dem Unfall zu fixieren. Die geschlossene diagnostische Kette erleichtert die<br />
Begutachtung, macht diese bei konsequenter Anwendung oft entbehrlich. Zum Zeitpunkt<br />
der Erstkonsultation muss neben der Dokumentation der Basisdiagnostik festgehalten<br />
wer<strong>den</strong>, welche Befunde vorliegen und in bestimmten Fällen welche nicht.<br />
Zwei Wochen nach dem Unfall sind die Ergebnisse im Verlauf zu bewerten mit Verlaufsröntgen,<br />
Sonografie und Ver<strong>an</strong>lassung weitergehender Untersuchungen. Nach<br />
vier Wochen soll die definitive Festlegung über <strong>den</strong> Scha<strong>den</strong> der Rotatorenm<strong>an</strong>schette<br />
erfolgt sein. Bei einer operativen Versorgung macht die Entnahme einer repräsentativen<br />
Histologie, welche mit entsprechender Fragestellung <strong>an</strong> ein erfahrenes<br />
Labor zu sen<strong>den</strong> ist, nur binnen der ersten drei Monate Sinn. D<strong>an</strong>ach ist keine valide<br />
Aussage zum Alter der Läsion möglich. Die Begutachtung hat sich <strong>am</strong> Prüfschema<br />
zum inneren und sachlichen Zus<strong>am</strong>menh<strong>an</strong>g, Unfallkausalität, haftungsbegrün<strong>den</strong>de<br />
und haftungsausfüllende Kausalität zu orientieren. Die frühe Verwendung des Begriffes<br />
der Rotatorenm<strong>an</strong>schettenruptur ist unglücklich, da dieser bei <strong>den</strong> Versicherten<br />
ein Kausalitäts<strong>den</strong>ken fixiert und Begehrlichkeiten wecken k<strong>an</strong>n. Der sicher „spröde“<br />
Begriff einer Zus<strong>am</strong>menh<strong>an</strong>gstrennung der Rotatorenm<strong>an</strong>schette ist glücklicher weil<br />
wertneutral.<br />
Nicht der Herg<strong>an</strong>g, der histologische Befund oder die bildgeben<strong>den</strong> Verfahren <strong>für</strong><br />
sich allein führen zu korrekter Beurteilung, vielmehr die Ges<strong>am</strong>theit der Befunde ermöglicht<br />
die treffende Aussage. Wesentlich ist das Unfallereignis.