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S E N I O R E N K U R I E R - Stadt Backnang

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Wüstenfahrt 1957<br />

Mit einem Porsche durch Afrika<br />

Das alte porsche Cabriolet war<br />

schon immer mein großer Wunschtraum.<br />

Sobald ich meine Ausbildung<br />

abgeschlossen hatte und das<br />

erste Geld verdiente, wurde gespart,<br />

nach den wenigen Cabrios<br />

gesucht, die damals gebraucht bei<br />

den Händlern standen, und weiter<br />

gespart. und dann kam der Tag, an<br />

dem mein Auto-Vertreter meldete,<br />

er habe etwas passendes gefunden.<br />

Mein Tagebuch vermeldet: es ist<br />

eines der allerersten Modelle – mit<br />

geteilter Frontscheibe, integrierten<br />

Stoßstangen und einem auf 1300<br />

ccm aufgebohrten VW-Motor mit<br />

zwei Vergasern, der stramme 44 pS<br />

entwickelt. Auch sonst stammen<br />

noch viele Teile vom Käfer.<br />

Diesen Wagen erwerbe ich, während<br />

die urlaubszeit naht. Mein<br />

Freund Dieter hat gerade sein Ingenieurstudium<br />

beendet und will zwei<br />

Wochen in den pyrenäen wandern.<br />

„Ach was, pyrenäen“, sage ich, „die<br />

lassen wir hinter uns. Komm mit,<br />

wir fahren ins Atlasgebirge!“<br />

Sofort werden die reisevorbereitungen<br />

getroffen. In meiner Junggesellenbude<br />

stapelt sich das expeditionsmaterial.<br />

Noch am Abend<br />

des letzten Arbeitstages geht es los<br />

richtung Süden, durch die Schweiz<br />

und dann in scharfer Fahrt über die<br />

französischen Landstraßen entlang<br />

der rhone.<br />

Wir überqueren die pyrenäen, brausen<br />

auf kurvenreichen Straßen die<br />

spanische Mittelmeerküste entlang<br />

und rollen bei einem strahlenden<br />

Sonnenaufgang in Gibraltar auf die<br />

Fähre. In Tanger stehen wir zum<br />

ersten Mal auf dem Boden eines<br />

anderen Kontinents.<br />

Bald haben wir einen ruhigen<br />

platz, wo wir parken können und<br />

entdecken sogar – oh Wunder –<br />

einen porsche, ein ganz modernes<br />

356-Coupé in der Farbe des propheten.<br />

Tanger ist eine freie <strong>Stadt</strong><br />

und ein Steuerparadies. Alles kann<br />

man hier billig erwerben und jeder<br />

Schmuggler von Weltrang hat hier<br />

sein Domizil und seine Yacht. König<br />

Mohammed von Marokko aber ist<br />

28 uNTerHALTuNG, WISSeN<br />

dieser Zustand ein Dorn im Auge.<br />

Am Abend fahren wir richtung rabat<br />

und finden einen schönen platz<br />

unter palmen, wo wir unser Zelt<br />

aufschlagen. und dann beginne<br />

ich, den porsche intuitiv zu beschriften.<br />

In glühender Sonne fahren wir am<br />

nächsten Tag über die dünne Asphaltdecke.<br />

unser Wagen ist der<br />

einzige auf der Strecke, nur ausgebrannte<br />

Wracks zeigen, dass die<br />

Straße für Autos gebaut worden ist.<br />

Ab und zu sehen wir Nomaden mit<br />

Kamel und Maultier.<br />

Abends stellen wir unser Zelt am<br />

Straßenrand auf. Kein Mensch<br />

kommt während der Nacht vorbei.<br />

Am nächsten Morgen weckt mich<br />

Dieter sehr unsanft. „Du, heute ist<br />

Freitag“, sagt er. „Ja, was soll’s?“<br />

meine ich. „Ich habe gehört, dass<br />

am Freitag Vormittag der König<br />

zum Gebet in die Moschee fährt,<br />

das müssen wir anschauen. Bis rabat<br />

sind es nur noch 60 Kilometer.“<br />

Also los geht’s zum König. Aber<br />

plötzlich bleibt der Wagen stehen<br />

und der Motor läuft noch. Der Gashebel<br />

bewegt sich ins Leere, der<br />

Bowdenzug zum Vergaser ist gerissen,<br />

pech! Mit dem Wagenheber<br />

nehme ich den Wagen hoch und<br />

krieche drunter. unter mir hat der<br />

Asphalt 60 °C, über mir der Mo-<br />

tor 100 °C, und in den 40 Zentimetern<br />

dazwischen stecke ich und<br />

suche die Bruchstelle, die ich auch<br />

schnell finde. Schmerzgeplagt vor<br />

Hitze schreie ich Dieter an, weil er<br />

mir nicht im richtigen Augenblick<br />

die richtigen Werkzeuge reicht.<br />

Der aber sagt: „Sei du ganz ruhig,<br />

du liegst noch im Schatten.“ Nun<br />

kocht auch noch die Wut in mir.<br />

Im Auto liegt ein Stück dicker Kupferdraht,<br />

den setze ich mit vielen<br />

kunstvollen Ösen und Schleifen an<br />

der gerissenen Stelle ein. Diese geniale<br />

Konstruktion hat noch 10.000<br />

Kilometer gehalten.<br />

Als wir in rabat eintreffen ist die<br />

ganze prozession vorbei. unbekümmert<br />

fahren wir am Königspalast<br />

vor, die Wache salutiert, wir auch.<br />

ein junger Leutnant fragt uns in exzellentem<br />

Französisch nach unseren<br />

Wünschen. „Wir sind der Dieter<br />

und der Frieder aus <strong>Backnang</strong> in Allemagne“,<br />

erkläre ich ihm. „Wir besuchen<br />

Marokko und nachdem wir<br />

gerade hier sind, wollen wir nicht<br />

versäumen, bei König Mohammed<br />

reinzuschauen. es interessiert uns,<br />

wie es ihm so geht, wie er lebt und<br />

wohnt und ob er auch Sorgen und<br />

probleme hat.“<br />

Der Leutnant lacht: „Das Betreten<br />

des palastes ist streng verboten<br />

und seine Majestät empfängt nur<br />

angemeldete Gäste.“<br />

Seniorenkurier Oktober bis Dezember 2012

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