S E N I O R E N K U R I E R - Stadt Backnang
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Bis zur Spitzengeschwindigkeit von<br />
162 km/h wird beschleunigt, die<br />
Hella-Laternen sind auf Fernlicht<br />
geschaltet, die Bosch-Fanfaren ertönen.<br />
Wir rasen mit höchster Drehzahl auf<br />
das <strong>Stadt</strong>tor zu, der posten nimmt<br />
das MG hoch, reißt es aber sofort<br />
wieder weg, weil er begreift, dass<br />
Schießen auch seinen Tod bedeutet.<br />
Wir sind in der <strong>Stadt</strong> und mit<br />
einer neuen Situation konfrontiert.<br />
entlang der Hauptstraße stehen<br />
beidseitig Militärposten, dahinter<br />
dicht gedrängt die Bevölkerung.<br />
Ich lege die Hand zum Gruß an den<br />
Tropenhelm, die Soldaten salutieren,<br />
das Volk jubelt. Vielleicht haben<br />
sie jemand anderen erwartet,<br />
aber wir genießen den triumphalen<br />
empfang. Wir rauschen auf den<br />
Obelisken zu und ich weiß, dass<br />
ich dort links abbiegen muss, um<br />
zum Hafen zu kommen. Das Militär<br />
schirmt die Strecke ab. Im powerslide<br />
ziehe ich den Wagen um den<br />
Obelisken, Graf Trips hätte es nicht<br />
viel besser machen können. Die abgefahrenen<br />
reifen zwingen sowieso<br />
zu dieser Fahrweise.<br />
Ich beschleunige, lasse weiterhin<br />
die Fanfaren erklingen. Aber vor<br />
dem rathaus sehe ich die weißen<br />
Helme der Offiziere, sie haben die<br />
Straße gesperrt, lassen sich von<br />
meinen Signalen nicht bluffen. Im<br />
Gegenteil, sie ziehen die pistolen<br />
aus dem Halfter. Ich will kein Blutbad<br />
anrichten und stehe voll auf<br />
der Bremse. Die reifen zeichnen<br />
eine dicke schwarze Spur auf die<br />
Bahn.<br />
Von allen Seiten werden wir gepackt,<br />
Dieter wird aus dem Wagen<br />
gezogen, ich klammere mich am<br />
Lenkrad fest, überall sind pistolenmündungen<br />
auf uns gerichtet.<br />
Da erschallen Kommandos von bekannter<br />
Stimme, unser Gardeleutnant<br />
aus rabat drängelt sich zu uns<br />
durch, ruft uns auf Französisch zu:<br />
„Wo kommt ihr her? Was habt ihr<br />
vor? Wo wollt ihr hin?“ „Wir wollen<br />
nur zum Hafen, unsere Fähre legt in<br />
20 Minuten ab, und die müssen wir<br />
erreichen. Aber was macht die Armee<br />
in Tanger?“ „In wenigen Minu-<br />
30 uNTerHALTuNG, WISSeN<br />
ten wird seine Majestät König Mohammed<br />
V. hier vorfahren, um im<br />
rathaus die Verträge zu unterzeichen,<br />
welche die von uns besetzte<br />
<strong>Stadt</strong> in seinen Besitz bringen<br />
sollen. Befolgt gehorsam meine<br />
Befehle, dann bürge ich für euch.“<br />
Wir müssen den Wagen hinter dem<br />
rathaus abstellen, ein Soldat wird<br />
als Wache abkommandiert. Hinter<br />
den Offizieren sollen wir uns<br />
in zweiter reihe auf der rathaustreppe<br />
aufstellen und uns ruhig<br />
verhalten. Am Obelisken wird es<br />
laut, wieder salutieren die Militärs,<br />
wieder jubelt das Volk. es naht der<br />
König im luxuriösen Delahaye Cabrio,<br />
begleitet von seiner eskorte<br />
auf BMW-Motorrädern.<br />
Vor uns hält die Staatskarosse,<br />
der König steigt aus und schreitet<br />
dicht an uns vorbei und verschwindet<br />
durch das eingangsportal. Mit<br />
„merci bien“ verabschieden wir uns<br />
bei unserem retter, die Soldaten<br />
geben die Straße für uns frei.<br />
Der Leutnant beauftragt noch einen<br />
Motorradfahrer, mit Sirene vor<br />
uns bis zum Hafen herzufahren und<br />
die Straße für uns freizuhalten.<br />
Ich glaube aber auch bemerkt zu<br />
haben, dass er den Befehl erhielt,<br />
sich zu vergewissern, dass wir auch<br />
gewiss aus Tanger verschwinden.<br />
Nun fahren auch wir mit eskorte,<br />
wie es sich gehört, allerdings nur<br />
bis zum Hafen. Dort will die Fähre<br />
gerade die Auffahrrampe hochziehen<br />
aber ich rufe dem Kapitän<br />
zu, noch 5 Minuten zu warten. An<br />
der Tankstelle gibt es nämlich noch<br />
das steuerfreie Superbenzin zu 30<br />
pfennigen. Wegen Brandgefahr auf<br />
dem Schiff, darf man nur mit halb<br />
vollem Tank auffahren, der eigentliche<br />
Grund aber dürfte die preisdifferenz<br />
des Benzins zwischen dem<br />
freien Hafen und europa sein. Ich<br />
tanke auch noch 5 reservekanister<br />
auf. Der Zöllner kommt und will<br />
kassieren. Ich frage: „Bakschisch?“<br />
Der nickt, ich drücke ihm 2 DM in<br />
die Hand und fahre unter dem vom<br />
Kapitän veranlassten Hupen des Signalhorns<br />
die Verladerampe hoch,<br />
die sich sofort hinter uns schließt,<br />
aber ich habe Treibstoff im Wagen,<br />
der bis nach Madrid reicht.<br />
Wehmütig schauen wir vom Deck<br />
zurück auf Afrika, das Land unserer<br />
Abenteuer, welches nun langsam<br />
hinter uns verschwindet.<br />
Seniorenkurier Oktober bis Dezember 2012<br />
Friedrich Stroh