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Zur Tätigkeit Joseph Stolls in der NS-Zeit - Bensheim

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genwärtige Notlage: „Hilf Dir selbst“, war e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er wichtigen Botschaften. 52 Denn<br />

„engster Zusammenschluß und größte E<strong>in</strong>igkeit“, so Stoll, seien „die e<strong>in</strong>zige Rettung.“<br />

53 Auch das W<strong>in</strong>zerfest, das Stoll mit großem Erfolg 1929 <strong>in</strong>s Leben rief, ist nicht alle<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong> Werbemittel des Fremdenverkehrs, er versah es mit eben jenem Überbau. „E<strong>in</strong>igkeit<br />

macht stark!“, so e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er beliebten Parolen. Das Gel<strong>in</strong>gen des W<strong>in</strong>zerfestes war für Stoll<br />

<strong>der</strong> Beweis, daß die Hilfe zur Selbsthilfe auf dieser Basis funktionieren und <strong>der</strong> We<strong>in</strong> als<br />

Mittel dienen kann, um die wirtschaftliche Notlage zu l<strong>in</strong><strong>der</strong>n. 54<br />

Und hier schließt sich, gewissermaßen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Ansatz, die Bedeutung <strong>der</strong><br />

Heimatpflege an. Sie war für Stoll das notwendige Fundament, um die Probleme <strong>der</strong> Gegenwart<br />

bewältigen und sich für die Zukunft wappnen zu können. Stoll im Januar 1931 über die<br />

Vere<strong>in</strong>igung Oald Bensem und die Pflege <strong>der</strong> heimatlichen Mundart:<br />

„Dar<strong>in</strong> liegt e<strong>in</strong>e gewisse Selbstbes<strong>in</strong>nung, die gerade <strong>in</strong> unserer alles verflachenden<br />

<strong>Zeit</strong> umso bemerkenswerter ist, weil sie den Beweis liefert, daß <strong>in</strong> unserer<br />

Jugend und <strong>in</strong> unserem Volke – trotz aller nachteiligen E<strong>in</strong>flüsse – noch<br />

<strong>der</strong> gesunde Hang zum Ursprünglichen und Bodenständigen besteht. Er wurzelt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Heimatliebe, die auch e<strong>in</strong>e Voraussetzung ist für den Wie<strong>der</strong>aufbau unseres<br />

deutschen Vaterlandes!“ 55<br />

Diese Befürchtung <strong>der</strong> Verflachung, aber auch, wenn er die „Amerikanisierung“ attakkierte<br />

56 , zeugen durchaus von e<strong>in</strong>em gewissen Kulturpessimismus, aber auch vom Verlust<br />

e<strong>in</strong>es vertrauten Gesellschaftssystems.<br />

c) Stoll und die Weimarer Republik<br />

Über <strong>Stolls</strong> Wahrnehmung des Zusammenbruchs von 1918, <strong>der</strong> Deutschen Revolution, des<br />

Versailler Friedens von 1919 und <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Weimarer Republik liegen ke<strong>in</strong>e zeitgenössischen<br />

Quellen vor. Se<strong>in</strong>e diesbezüglichen Haltungen lassen sich aber <strong>in</strong> Teilen aus Reden<br />

und Veröffentlichungen während <strong>der</strong> krisenhaften Endphase <strong>der</strong> Weimarer Republik rekonstruieren.<br />

Stoll stammte aus bürgerlichem Elternhaus, bewegte sich <strong>in</strong> bürgerlichnationalen<br />

Kreisen, teilte den monarchischen Patriotismus <strong>der</strong> Wilhelm<strong>in</strong>ischen Gesellschaft<br />

und war Soldat des Ersten Weltkrieges. Im Jahr 1918, fast 40jährig, muß auch für Stoll <strong>der</strong><br />

Zusammenbruch des kaiserlichen Deutschland und <strong>der</strong> Wegbruch <strong>der</strong> zentralen nationalen<br />

Bezugspunkte, des Kaisers wie <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Herrscherhäuser, e<strong>in</strong>en tiefen E<strong>in</strong>schnitt bedeutet<br />

haben.<br />

Jedenfalls weist se<strong>in</strong>e Konzeption <strong>der</strong> Volksgeme<strong>in</strong>schaft und des Gleichheitsideals Analogien<br />

zu den vielbeschworenen Idealen des August 1914 auf. Se<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>igung Oald Bensem,<br />

um nur e<strong>in</strong> Beispiel zu nennen, schrieb er im Januar 1932 <strong>in</strong>s Stammbuch, man kenne<br />

hier „ke<strong>in</strong>en Unterschied des Standes, <strong>der</strong> Religion und <strong>der</strong> politischen E<strong>in</strong>stellung,<br />

man kenne hier nur <strong>Bensheim</strong>er!“ 57 Diese von Stoll immer wie<strong>der</strong> variierten Ap-<br />

52 Rede anläßlich des W<strong>in</strong>zerfestes: BA v. 5.8.1931, S. 5. Auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verlautbarung des neuen Vorstandes des<br />

Verkehrsvere<strong>in</strong>s heißt es, man wolle die „Selbsthilfe aller Mitbürger“ för<strong>der</strong>n. BA v. 23.3.1929, S. 11.<br />

53 BA v. 28.9.1931, S. 5.<br />

54 Die Rede: BA v. 22.9.1930, S. 5. Beachtlicherweise erwähnt Stoll anläßlich se<strong>in</strong>er Eröffnungsrede zum 2. W<strong>in</strong>zerfest<br />

1930, daß es angesichts <strong>der</strong> harten <strong>Zeit</strong>en Wi<strong>der</strong>stände <strong>in</strong> <strong>Bensheim</strong> gegeben habe, e<strong>in</strong> fröhliches Fest zu veranstalten.<br />

Vgl. ebd. – Ebenso for<strong>der</strong>t Stoll anläßlich <strong>der</strong> Reichshandwerkswoche <strong>in</strong> <strong>Bensheim</strong> e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich dazu auf,<br />

das Schicksal selbst <strong>in</strong> die Hand zu nehmen und so die Notlage zu bewältigen. BA v. 16.3.1931, S. 4. – Das Zitat „E<strong>in</strong>igkeit<br />

macht stark!“: unten S. 11, Anm. 59.<br />

55 Stoll, Josef: Über <strong>Bensheim</strong>er Mundart, <strong>in</strong>: BA v. 17.1.1931, S. 14.<br />

56 BA v. 16.3.1931, S. 4; bezugnehmend auf das gegenwärtige Wirtschaftssystem.<br />

57 BA v. 29.1.1932, S. 4. – Zum W<strong>in</strong>zerfest, so Stoll, reiche man sich über Partei und Weltanschauung h<strong>in</strong>weg die<br />

Hand (vgl. BA v. 19.9.1932, S. 5; ähnlich auch BA v. 21.9.1931, S. 7), und vor dem Verkehrsvere<strong>in</strong> erläuterte er,<br />

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