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Zur Tätigkeit Joseph Stolls in der NS-Zeit - Bensheim

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„Wenn manche Ideale auch <strong>in</strong> Schutt versanken, Es bleibet unvergänglich: ,Ehre<br />

– Treue.‘“. Die Gefallenen des Weltkrieges hätten den „Grundste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Welt“<br />

gelegt und ihr Tod „trotz Kümmernis und Leid“ war „doch e<strong>in</strong> Teil nur <strong>der</strong> Notwendigkeit.“<br />

Die Helden galten ihm als „Führer zum Licht“ und „Vernichter alles Bösen“.<br />

Und auch <strong>der</strong> Begriff des Sieges taucht <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Strophe auf. – Sehr viel deutlicher wurde<br />

Stoll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bühnenspiel aus dem Sommer 1933 (Dok. 2 im Anhang), <strong>in</strong> dem er den<br />

Zusammenbruch von 1918 im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Dolchstoßlegende 67 darstellte: Die Weltkriegssoldaten<br />

hätten „Sieg auf Sieg erfochten“ (Z. 172), heißt es dar<strong>in</strong>, bis <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Fe<strong>in</strong>d dem<br />

Heer – „Zwar unbesiegt“ (Z. 176) – <strong>in</strong> den Rücken gefallen sei:<br />

„Erst als <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Fe<strong>in</strong>d mit Tücke | Von h<strong>in</strong>ten her den Dolchstoß Euch versetzte<br />

| Da wanktet Ihr – im Sterben selbst noch Helden“ (Z. 173–175)<br />

Die Zersplitterung <strong>der</strong> Weimarer Parteienlandschaft ist e<strong>in</strong> Thema, auf das Stoll immer<br />

wie<strong>der</strong> zu sprechen kam, freilich <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße erst nach 1933 (vgl. unten S. 15, 18).<br />

In <strong>der</strong> Weimarer Republik übte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Artikeln und Reden parteipolitische <strong>Zur</strong>ückhaltung,<br />

was se<strong>in</strong>e Position als Vorsitzen<strong>der</strong> des Gewerbe- und des Verkehrsvere<strong>in</strong>s sicherlich<br />

auch voraussetzte. 68 Deutlicher wurde er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Werken, auch wenn Lyrik und Prosastücke<br />

<strong>Stolls</strong> mit politischem Gehalt überaus selten blieben. Thematisierte er politische Belange, so<br />

g<strong>in</strong>g es stets um die E<strong>in</strong>heit Deutschlands: „Zerklüftet euch nicht <strong>in</strong> Parteien“ 69 , hieß es<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von <strong>Stolls</strong> Gedichten aus dem Dezember 1932. Hierbei handelte es sich ke<strong>in</strong>eswegs<br />

um e<strong>in</strong>e politische Parte<strong>in</strong>ahme – Stoll blieb, wie er später immer wie<strong>der</strong> beteuerte 70 , vor<br />

1933 parteilos. E<strong>in</strong>zig aus späteren Jahren läßt sich vermuten, daß Stoll politisch zu H<strong>in</strong>denburg<br />

tendierte (vgl. unten S. 15), <strong>der</strong> 1925 als Kandidat <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>igten Rechten Reichspräsident<br />

geworden war. Er stellte, als Monarchist und hochrangiger Vertreter des Kaiserreiches,<br />

bekanntermaßen e<strong>in</strong>e Identifikationsfigur (,Ersatzkaiser‘) vor allem für bürgerlich-nationale<br />

Kreise dar. 71<br />

Ob <strong>Stolls</strong> Vorwurf <strong>der</strong> parteilichen Zerklüftung sich vor allem gegen die republiktreuen<br />

L<strong>in</strong>ks-Mitte-Parteien SPD, Zentrum und DDP richtete, muß offen bleiben. Aber manches<br />

deutet darauf h<strong>in</strong>, daß se<strong>in</strong>e gesellschaftliche Programmatik <strong>in</strong>sgesamt, se<strong>in</strong>e Vorstellungen<br />

von Gleichheit und E<strong>in</strong>heit, implizit e<strong>in</strong> Ordnungssystem verlangten, das die Staatsform <strong>der</strong><br />

Republik von Weimar nicht bot. Die Volksgeme<strong>in</strong>schaft war für Stoll nicht nur e<strong>in</strong> Mittel, um<br />

im Kle<strong>in</strong>en, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Heimatstadt <strong>Bensheim</strong>, voranzukommen, sie erschien ihm als <strong>der</strong> notwendige<br />

soziale Kitt für die Gesundung <strong>der</strong> gedemütigten und zerrissenen Nation <strong>in</strong>sgesamt – <strong>in</strong><br />

politischer, sozialer und wirtschaftlicher H<strong>in</strong>sicht. Für viele Deutsche, und letztlich auch für<br />

Stoll, bot <strong>der</strong> Nationalsozialismus die Aussicht auf e<strong>in</strong>e solche nationale Gesundung. Hierfür<br />

mag es bezeichnend se<strong>in</strong>, daß Stoll im März 1932 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ostergedicht das Frühl<strong>in</strong>gserwachen<br />

<strong>der</strong> Natur mit dem Auferstehen Deutschlands gleichsetzte: „Und schl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> neues<br />

Band um alle deutschen Brü<strong>der</strong>“. 72<br />

67 Vgl. zur Dolchstoßlegende und ihrer öffentlichen Verbreitung, so v.a. durch die Äußerungen H<strong>in</strong>denburgs und<br />

Ludendorffs vor dem im Oktober 1919 e<strong>in</strong>gesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschuß über die Friedensmöglichkeiten<br />

im Weltkrieg, Hiller v. Gaertr<strong>in</strong>gen, „Dolchstoß“-Diskussion; He<strong>in</strong>emann, Nie<strong>der</strong>lage, u. neuerd<strong>in</strong>gs<br />

Barth, Dolchstoßlegenden.<br />

68 So lobte Stoll immer wie<strong>der</strong> die gute Zusammenarbeit <strong>der</strong> Stadtverwaltung und des Stadtrates mit dem Verkehrsvere<strong>in</strong>.<br />

Vgl. BA v. 17.1.1930, S. 6. Auch zu dem Zentrums-Bürgermeister Dr. Angermeier hatte Stoll (vgl. unten<br />

S. 35) offenbar e<strong>in</strong> anhaltend gutes Verhältnis.<br />

69 BA v. 31.12.1932, S. 5.<br />

70 Vgl. <strong>Stolls</strong> Angaben <strong>in</strong> StAD G 15 <strong>Bensheim</strong> / M 185, Fragebogen <strong>Stolls</strong> v. 3.7.1945.<br />

71 Vgl. hierzu jüngst Pyta, H<strong>in</strong>denburg.<br />

72 BA v. 26.3.1932, S. 4.<br />

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