Zur Tätigkeit Joseph Stolls in der NS-Zeit - Bensheim
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2. Weimarer Republik<br />
a) Wirkungsfel<strong>der</strong> und Fremdwahrnehmung<br />
Stoll kehrte nach dem Ende des Weltkrieges zunächst an se<strong>in</strong>e alte Schule <strong>in</strong> den Lehrberuf<br />
zurück, arbeitete weiterh<strong>in</strong> als Künstler und Heimatdichter. 1922 wurde er als Lehrer an <strong>der</strong><br />
Gewerbe- bzw. Berufsschule (ehemals gewerbliche Fortbildungsschule) fest angestellt; daneben<br />
unterrichtete er weiterh<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Malerschule. 32<br />
Se<strong>in</strong>e öffentlichen Wirkungsfel<strong>der</strong> lagen jedoch sehr viel mehr im Bereich <strong>der</strong> Heimatdichtung<br />
und <strong>der</strong> Heimatpflege e<strong>in</strong>erseits und an<strong>der</strong>erseits, seit 1929, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Funktionen als<br />
Erster Vorsitzen<strong>der</strong> des Gewerbevere<strong>in</strong>s und des Verkehrsvere<strong>in</strong>s 33 .<br />
In allen Betätigungen setzte sich Stoll mit voller Kraft und Idealismus e<strong>in</strong>, und hatte vor<br />
allem e<strong>in</strong>es: Erfolg. Er begeisterte als Heimatdichter mit se<strong>in</strong>en Gedichten, Stücken und Geschichten,<br />
die er seit 1921 im Bergsträßer Anzeigeblatt (BA) e<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit zugänglich<br />
machte. 34 Beliebt wurde er vor allem durch die Gründung und Leitung des Heimatvere<strong>in</strong>s<br />
Oald Bensem (1930), <strong>der</strong> <strong>Bensheim</strong>er Bürgerwehr und <strong>der</strong> Bie<strong>der</strong>meiergruppe (1931).<br />
Daneben war Stoll als Vorstandsmitglied des Museumsvere<strong>in</strong>s aktiv und wirkte ebenfalls seit<br />
1929 als Vorstandsbeisitzer und Schriftführer <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung Odenwaldklub. Und<br />
natürlich war er, ke<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsereignis auslassend, auch Zugmarschall des <strong>Bensheim</strong>er<br />
Karnevals. 35 – Als Vorsitzen<strong>der</strong> des Gewerbevere<strong>in</strong>s organisierte o<strong>der</strong> beteiligte er sich an<br />
Handwerks- und Gewerbeausstellungen und ließ die Zunftfahnen <strong>der</strong> Handwerksberufe durch<br />
die <strong>Bensheim</strong>er Malerschule ausgestalten. 36 Dem Verkehrsvere<strong>in</strong>, da notorisch mitglie<strong>der</strong>schwach,<br />
führte er im April 1931 den Gewerbevere<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Heimatvere<strong>in</strong>igung Oald<br />
Bensem als zahlende Mitglie<strong>der</strong> zu. 37 Und freilich machte ihn se<strong>in</strong> Verdienst, seit 1929 das<br />
W<strong>in</strong>zerfest <strong>in</strong> <strong>Bensheim</strong> gegen alle Hemmnisse etabliert zu haben, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat weit über die<br />
Grenzen <strong>der</strong> Stadt h<strong>in</strong>aus bekannt, was Jahre später dar<strong>in</strong> gipfelte, daß e<strong>in</strong> Roman über das<br />
W<strong>in</strong>zerfest mit Stoll als Hauptfigur erschien. 38<br />
Dementsprechend groß waren <strong>der</strong> Bekanntheitsgrad 39 und die Anerkennung <strong>Joseph</strong> <strong>Stolls</strong>,<br />
wobei <strong>der</strong> Erfolg des W<strong>in</strong>zerfestes e<strong>in</strong>e herausragende Rolle spielte. Er galt als dessen „Spiritus<br />
rector“, und anläßlich des zweiten W<strong>in</strong>zerfestes schenkten ihm die <strong>Bensheim</strong>er W<strong>in</strong>zer<br />
e<strong>in</strong>en Lampionzug durch die Stadt, während im BA e<strong>in</strong> anonymes Lobgedicht „Unserem<br />
Josef Stoll“ zu lesen war. 40 Mit wie<strong>der</strong>holtem Lob für die Gedichte und Stücke „unser[es]<br />
gefeierten Heimatdichter[s]“ wurde ebensowenig gespart wie für die Heimatvere<strong>in</strong>igung<br />
Oald Bensem, als <strong>der</strong>en „Seele“ Stoll galt. 41 Zu se<strong>in</strong>em 25jährigen Berufsjubiläum an <strong>der</strong><br />
32 Stoll wurde am 11.11.1922 mit Wirkung zum 1.4.1922 zum Fachlehrer auf Lebenszeit an <strong>der</strong> Berufsschule ernannt.<br />
Vgl. StAD G 15 <strong>Bensheim</strong> / M 185, Vermerk des Gewerbelehrers Rutloh, <strong>Bensheim</strong>, 13.10.1953; vgl. auch<br />
ebd., Schulrat Heppenheim an Regierungspräsidium, 13.1.1954.<br />
33 Wahl zum Vorsitzenden des Gewerbevere<strong>in</strong>s am 7. Juni 1929 (vgl. BA v. 8.6.1929, S. 4) und zum Vorsitzenden<br />
des Verkehrsvere<strong>in</strong>s am 19. März 1929 (vgl. BA v. 21.3.1929, S. 5).<br />
34 Vgl. BA v. 23.1.1929, S. 7.<br />
35 Vgl. zu <strong>Stolls</strong> <strong>Tätigkeit</strong> im Museumsvere<strong>in</strong> BA v. 13.2.1932, S. 4, im Odenwaldklub BA v. 14.2.1929, S. 7, im<br />
Karneval BA v. 27.2.1930, S. 4.<br />
36 Vgl. zu den Ausstellungen BA v. 25.9.1930, S. 4; 23.9.1931, S. 5; 24.9.1931, S. 5; zu den Fahnen: BA v.<br />
24.3.1931, S. 5.<br />
37 Vgl. BA v. 15.4.1931, S. 7.<br />
38 Vgl. BA v. 20.12.1943, S. 4. Der Roman: Graf, W<strong>in</strong>zerfest. Vgl. zu den Anfängen des Festes Mayer, Entwicklung.<br />
39 Ohne Stoll zu nennen, wurden im BA „kühne, weitschauende Männer“ gelobt, die das W<strong>in</strong>zerfest zum Erfolg<br />
geführt hätten; diese seien „allen bekannt“, so daß es e<strong>in</strong>er Namensnennung nicht bedürfe. BA v. 21.9.1932, S. 4.<br />
40 BA v. 19.9.1932, S. 5 („Spiritus“); vgl. zum Lampionzug BA v. 24.9.1930, S. 4. BA v. 22.9.1930, S. 5 („Unserm“).<br />
41 BA v. 20.8.1931, S. 4 („Heimatdichter“); vgl. auch BA v. 19.12.1930, S. 6. BA v. 7.1.1933, S. 4 („Seele“); vgl.<br />
auch BA v. 29.10.1932, S. 5.<br />
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