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Holz-Pellets - Das Hohe Grobgünstige Narrengericht zu Stocken

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<strong>Das</strong> Kollegium 1949.<br />

ein Jahr Stockacher Fasnacht: so kurze Traditionen waren die einheimischen<br />

Narren <strong>zu</strong> Jahresbeginn 1949 nicht gewohnt. So blieb erst<br />

einmal die eine oder andere Formalität im Ungewissen stecken. Zwar<br />

war vom Gerichtsnarrenvater Hermann Muffler in aller Form <strong>zu</strong>r Sit<strong>zu</strong>ng<br />

am 2. Januar 1949 eingeladen worden. Aber als Teilnehmer waren<br />

nur die hohen Kollegen <strong>zu</strong>gelassen. <strong>Das</strong> passte den Zimmerern nicht.<br />

Schließlich hatten sie noch im Vorjahr an erster Stelle gestanden, als<br />

es um die Wiedererweckung der Stockacher Fasnacht nach dem Krieg<br />

gegangen war. Jetzt wollte sich das Kollegium also schon wieder die<br />

Führungsposition erobern – und es war ja noch nicht einmal richtig<br />

geklärt, wie braungefärbt die Vergangenheit des einen oder anderen<br />

Gerichtsnarren tatsächlich verlaufen war. In Stockach waren die Entnazifizierungsverfahren<br />

<strong>zu</strong> diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.<br />

Immer wieder brach in der Öffentlichkeit ein Streit darüber aus, wie<br />

und ob überhaupt Strafen für ehemalige Parteigenossen aus<strong>zu</strong>sprechen<br />

seien. Der städtische Entnazifizierungsausschuss schloss im September<br />

1949 seine Arbeit ab, vorher hatte man den einen oder anderen noch<br />

rasch mit einem Persilschein versehen, indem man ihn <strong>zu</strong>m „Mitläufer“<br />

herabstufte. Im Kollegium wusste man sehr wohl um die Problematik.<br />

Doch nun brach der handfeste Streit erst einmal um die prinzipielle<br />

Führungsposition in der Stockacher Fasnacht aus.<br />

Kaum ein Jahr im Amt, legte Hermann Muffler noch am 2. Januar das<br />

Amt als Gerichtsnarrenvater nieder. Seiner Meinung nach hätte es sich<br />

am 2. Januar 1949 um eine interne Sit<strong>zu</strong>ng des Kollegiums handeln<br />

sollen, die Zimmerer hätten erst gegen „11 Uhr“ da<strong>zu</strong>kommen dürfen.<br />

Und es ging die Zimmerer rein gar nichts an, was intern besprochen<br />

werden sollte. Deshalb waren die Einladungen an die Kollegen still<br />

und leise vom jungen Bernhard Wamsler, Sohn des gleichnamigen Gerichtsnarren<br />

und Flaschnermeisters Wamsler verteilt worden. Die Mühe<br />

war umsonst, die <strong>Holz</strong>knechte hatten Wind vom Termin bekommen<br />

und protestierten mit vielleicht ungewollten Folgen.<br />

Es folgte vier Tage später, am 6. Januar, die Dreikönigssit<strong>zu</strong>ng im Bahnhofhotel<br />

Lohr. In den Tagen dazwischen war heiß und innig diskutiert<br />

worden, ein informelles Gespräch jagte das andere und nun erklärte<br />

Hermann Muffler <strong>zu</strong> Beginn der Sit<strong>zu</strong>ng noch einmal, weshalb er am 2.<br />

Januar <strong>zu</strong>rückgetreten war. Dann erfolgte – wie erhofft – sein Rücktritt<br />

vom Rücktritt, aber nur „der Stockacher Fasnacht <strong>zu</strong>liebe“. <strong>Das</strong> Kollegium<br />

zeigte sich befriedigt, „was sehr applaudiert wurde“. Muffler war<br />

vorerst wieder in sein Amt als Laufnarrenvater eingesetzt. Allerdings<br />

saß ihm seit dem 6. Januar mit dem neuen Chef der Zimmerergilde,<br />

Willy Merz, fortan auch ein diskussionsfreudiger Gliederungsführer<br />

gegenüber, der sich vor Auseinanderset<strong>zu</strong>ngen nicht fürchtete.<br />

Gleichwohl galt – vorerst wenigstens – in der Stockacher Fasnacht wieder<br />

die ursprüngliche Hierarchie, die deswegen allseitige Anerkennung<br />

fand, weil über dieser althergebrachten Ordnung der <strong>zu</strong>sätzliche Segen<br />

des Herrn ruhte. War es doch kein geringerer als Dekan Josef Wolf gewesen,<br />

der offenbar die argumentativen Strippen im Hintergrund gezogen<br />

hatte. Er soll Muffler <strong>zu</strong>r Rücknahme des Rücktritts bewegt haben.<br />

Der Geistliche wusste, wovon er sprach. Ein Papst konnte schließlich<br />

auch nicht vom Amt <strong>zu</strong>rücktreten. Umso weniger konnte es ein Stocka-<br />

cher Laufnarrenvater! Muffler formulierte für das Protokoll, er wolle<br />

„...nochmals seine Möglichkeiten für das Amt hergeben“.<br />

Von seinen Möglichkeiten musste er anschließend auch gleich sehr viel<br />

hergeben, denn es existierte ein weiteres, schier unlösbares Problem.<br />

Narrenschreiber Adolf Lock hatte nach endlos vielen Anträgen und Anfragen<br />

von der französischen Besat<strong>zu</strong>ngsbehörde eine Genehmigung<br />

erhalten, nach langen Kriegsjahren endlich wieder Familienangehörige<br />

in der Schweiz besuchen <strong>zu</strong> dürfen – und das ausgerechnet <strong>zu</strong>r Fasnachtszeit.<br />

Er musste reisen, ob er wollte oder nicht. Nach hochkompliziertem<br />

Hin und Her übernahm Erwin Moser aushilfsweise das Amt<br />

des Protokollanten.<br />

Kaum war diese Angelegenheit erledigt, kam es wirklich knüppeldick.<br />

Denn nun sollten auch noch drei <strong>zu</strong>sätzliche Gerichtsnarren gewählt<br />

werden. Begründet wurde dies mit der „Vollzähligkeit des <strong>Narrengericht</strong>s“.<br />

Hintergrund war <strong>zu</strong>nächst die Erkenntnis, dass der ehemalige<br />

Gerichtsnarrenvater August Rettich kaum noch eine Chance hatte, jemals<br />

wieder ein Ehrenamt übernehmen <strong>zu</strong> dürfen – und sei es auch<br />

noch so närrisch. Sein Platz konnte nicht mehr, wie ein Jahr <strong>zu</strong>vor<br />

beschlossen, freigehalten werden. Der Protokollant formulierte diese<br />

Erkenntnis so geschraubt wie möglich, denn auch wenn Rettich keine<br />

Gnade vor den Entnazifizierungsbehörden erhalten hatte, mochte ihm<br />

von seinen Kollegen im Nachhinein keiner so wirklich böse sein deswegen.<br />

So ist im Protokoll als Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Wählbarkeit eines<br />

Kandidaten denn auch <strong>zu</strong> lesen: „Es wird nur Wert darauf gelegt dass<br />

solche in Frage kommen die fähig sind als Gerichtsnarr <strong>zu</strong> funktionie-<br />

ren, keine Waschweiber sind und vor allen Dingen dicht sind“.<br />

Eine elegantere und zeitlosere Zusammenstellung aller Anforderungen<br />

an einen Stockacher Gerichtsnarr könnte man auch im Jahr 659 nach<br />

Kuony nicht formulieren. Ob die Dichtigkeit im Sinne einer gewissen<br />

Verschwiegenheit <strong>zu</strong> deuten ist, oder ob damit die Ausdauer umschrieben<br />

ist, ein umfängliches Quantum Bier nicht vorschnell abgeben <strong>zu</strong><br />

müssen, braucht nicht geklärt werden. Im Kollegium waren schon immer<br />

viele Fähigkeiten verlangt.<br />

Die Geheimhaltung eines Wahlergebnisses im <strong>Hohe</strong>n Kollegium gilt<br />

ebenfalls bis <strong>zu</strong>m heutigen Tage, und so muss die Botschaft genügen,<br />

dass aus immerhin 12 Kandidaten drei das Rennen machten, nämlich<br />

Karl Birkenmaier, Dr. Kurt Engstler und Fritz Hagen. Da die drei von<br />

ihrem Glück vielleicht ahnten, aber nichts wussten, machten sich am 7.<br />

Januar der Laufnarrenvater und der Gerichtsnarrenvater auf die Rundtour<br />

durch Stockach. Bekannt ist, dass die drei das Amt, einer nach dem<br />

anderen, annahmen. Unbekannt bleibt, in welchem Zustand die beiden<br />

Überbringer der Nachricht sich nach Erledigung des dritten Falles befanden.<br />

Der letzte der drei Besuchten war immerhin der Lindenwirt.<br />

Auf jeden Fall war nun Vollzähligkeit erreicht, und um gleich den Kontakt<br />

<strong>zu</strong>r örtlichen Presse auf<strong>zu</strong>nehmen, hieß der erste Laufnarr des Jahres<br />

1949 „Redakteur Redelsberger“.<br />

Am 16. Januar 1949 fuhr eine Stockacher Delegation nach Villingen,<br />

um an der Jahreshauptversammlung der Schwäbisch-Alemannischen<br />

Narrenzünfte teil<strong>zu</strong>nehmen. Schwer <strong>zu</strong> sagen, ob solche Fahrten da<strong>zu</strong>mal<br />

beliebter waren als heute. Zu kritisieren gab es genug. Laufnarren-

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